ADB:Wilhelm I. (Fürst von Oranien)
Grafen Wilhelm des (an Kindern) Reichen und der Gräfin Juliana von Stolberg (s. A. D. B. XXIII, 263) am 25. April 1533 zu Dillenburg geboren. Von den eifrig protestantischen Eltern sorgfältig erzogen, erbte er, 11jährig, durch Testament seines Vetters, des Prinzen René von Oranien, den großen Länder- und Gütercomplex, der diesem durch die Heirath seines Vaters, des Grafen Heinrich von Nassau-Breda mit der Prinzessin Claudine von Oranien-Châlons anheimgefallen war. Diese Erbschaft, welche ihn zu einem der reichsten Edelleute seiner Zeit machte, veranlaßte seine Uebersiedlung nach Brüssel, wo er am Hofe der Regentin der Niederlande, der Königin-Wittwe Maria von Ungarn, Karl’s V. Schwester, seine weitere, natürlicherweise katholische Erziehung und Ausbildung erhielt. Kaiser Karl wandte dem Jüngling, dessen außerordentliche Begabung ihm bald bemerklich geworden war, seine Gunst dermaßen zu, daß er ihm, als er eben achtzehn Jahre war, die Hand der Anna von Egmont, der Erbtochter seines berühmten Feldherrn, des Grafen Maximilian von Büren, eine der reichsten Partien des Landes verschaffte. Doch auch diese Heirath konnte nicht verhindern, daß W. durch seinen Aufwand, welcher zur Verschwendung stieg, bald tief verschuldet war und daß seine Privatverhältnisse auf immer in eine grenzenlose Verwirrung geriethen, was ihm später schwere Sorgen bereitete und die großen Unternehmungen seines Lebens ernstlich erschwert hat.
Wilhelm I., Prinz von Oranien, Graf von Nassau, genannt der Schweiger, der Begründer der niederländischen Unabhängigkeit, wurde als ältester Sohn desNicht lange sollte er aber bloß durch sein glänzendes Leben sich auszeichnen. Karl V. vertraute ihm schon 1552 den Befehl einer der in den Niederlanden gegen die Franzosen aufgestellten Armeen an. Von jetzt an blieb W. fast immer entweder militärisch oder diplomatisch beschäftigt. Freilich im Felde konnte er sich keine Lorbeeren erwerben, nur konnte er sich rühmen, keine Schlappe erlitten zu haben. Aber an den Friedensunterhandlungen zu Chateau-Cambrésis hatte er keinen unbedeutenden Antheil, und als er als Geisel für die Erfüllung der Friedensbedingungen am französischen Hofe weilte, soll er einen tiefen Einblick in die Geheimnisse der wie man meinte damals zur Ausrottung der Ketzerei verschworenen französischen und spanischen Höfe gewonnen haben. Es wird erzählt die Art und [140] Weise, wie er keinem Menschen gegenüber seine Meinung über diesen Gegenstand verrieth, habe ihm den dem eher Redseligen sonst weniger passenden Namen des Schweigers verschafft. Eher scheint dieser Spitzname von Granvella, der den Todfeind immer so nannte, herzurühren.
Damals hatte der Regierungswechsel schon längst stattgefunden, der mit der berühmten feierlichen Abdankungsscene in Brüssel, wo Karl V. auf Wilhelm’s Schultern gestützt, die niederländische Herrschaft an Philipp II. übergab, eingeleitet wurde und, während des ziemlich verwirrten aber vom einheimischen Adel beherrschten Regiments des Herzogs von Savoyen, auch W. eine Stelle im Staatsrath eintrug. – Freilich, bei der Neuordnung der Regierung, welche Philipp nach dem Frieden und vor seiner Abreise nach Spanien im J. 1560 vollzog, wurde diese Stelle ziemlich zur Sinecure, weil dem Rath fast alle wichtigen Geschäfte vorenthalten wurden. Doch fehlt es W. auch jetzt weder an Ehren und Würden, noch an Macht. Denn wenn auch schon damals der König sein geringes Vertrauen zu dem immer zum oppositionellen Dreinreden geneigten und als deutschen Reichsstand und französischen Kronvasallen ziemlich unabhängigen W. kaum verhehlte, er konnte ihn nicht umgehen bei der Vertheilung der Statthalterschaften. W. erhielt die von Holland, Seeland und Utrecht, und außerdem die von Burgund, während er zugleich zu einem der Befehlshaber der im Lande verbleibenden spanischen Truppen ernannt wurde. Als Ritter des Vließes, als Markgraf von Antwerpen und Besançon und als Admiral von Holland und Seeland besaß er auch sonst Ehren und Befugnisse, wie kein anderer in den Niederlanden. Um so weniger konnte W. es dulden, daß sein alter Freund Granvella, der jetzt an der Spitze der Regierung, neben der Regentin Margaretha von Parma stand, ihm ebensowenig wie irgend einem andern unter den Großen des Landes irgend welchen Einfluß auf die allgemeinen Regierungsgeschäfte gestattete. Wenn auch W. damals noch katholisch lebte und auch katholisch blieb, nachdem er bei seiner im J. 1561 stattgefundenen zweiten Vermählung die lutherische Tochter des Moritz von Sachsen zum großen Aerger des Königs und seines Ministers heimgeführt hatte, so gab es doch schon so viele Gegenstände, über welche die Beiden sich entzweiten, daß W. bald zu den offenen Feinden des Cardinals gehörte und selbst an die Spitze der gegen denselben gerichteten Verbindung der Großen trat. Es fing jener denkwürdige Kampf gegen den Minister an, welcher die niederländische Revolution einleitete. Nach zwei Jahren endete derselbe mit der vollständigen Niederlage des Cardinals, was freilich nicht so sehr Wilhelm’s Leitung des Kampfes zuzuschreiben war als dem Mangel an Unterstützung, welchen Granvella von Seite des Königs und der Regentin erfuhr. Die Religionsverhältnisse blieben bis jetzt noch immer im Hintergrund; obgleich die Einführung der neuen kirchlichen Organisation theilweise auch eine kräftigere Bekämpfung der stetig um sich greifenden Ketzerei bezweckte, Hauptsache war letztere nicht dabei. Kaum aber hatte im Frühjahr des Jahres 1564 Granvella die Niederlande verlassen, so änderte sich der Zustand, und der Calvinismus durchbrach alle Schranken. Für W. fingen die schweren Tage an.
Es ist nicht leicht sich von Wilhelm’s damaligem Verhältniß zur religiösen Frage einen richtigen Begriff zu bilden. Er war keineswegs irreligiös, der Humanismus hat, wie es scheint, wenig Einfluß auf ihn geübt. Als Kind war er lutherisch erzogen, und wenn er auch seitdem katholisch gelebt hatte, die Eindrücke seiner Jugend sind wol nimmer vollkommen ausgewischt. Seine beiden ältesten eifrig lutherischen Brüder, namentlich Ludwig, waren in stetem Verkehr mit ihm, und wenn er, auch nach seiner zweiten Vermählung, keine Ketzerei auf [141] seinen Gütern duldete, so geschah dies wahrscheinlich mehr um sich nicht in einen Streit zu verwickeln, dessen Ausgang doch unzweifelhaft war, als aus Eifer für die alte Kirche. Im Gegentheil, er scheint es nie gefaßt zu haben, wie man sich um derartige Dinge todt schlagen könnte. Selbst schien ihm ein Ausgleich zwischen den beiden Religionen nicht schwer, wenn man denselben nur ehrlich wollte. Schon damals zog er den bekannten Juristen Jean Bodin darüber zu Rathe. Doch wenn er damit dem Streit auszuweichen meinte irrte er sich. Denn dem König galt diese Auffassung nicht weniger ketzerisch als wenn er sich offen zum Calvinismus bekehrt hätte. Dazu galt W. demselben gewiß schon damals als ein gefährlicher Feind, der es darauf abgesehen hatte, nicht allein die von ihm und seinen Ministern beabsichtigte Stärkung der landesherrlichen Gewalt, die weitere Durchführung der von den burgundischen Fürsten angefangenen Einigung der verschiedenen niederländischen Gebiete zu einem, dem fürstlichen Absolutismus unterworfenen Einheitsstaat zu verhindern, sondern auch für sich selbst eine so gut wie unabhängige Stellung, wie sie in keinem geordneten Staate einem Unterthanen zukam, zu erreichen. Eben darum war dem König und seinem Minister Wilhelm’s zweite sächsische Heirath so zuwider gewesen; um so mehr, als die Braut eine lutherische war, und die Heirath W. Gelegenheit bot zu neuen Verbindungen mit den deutschen Protestanten, den Gegnern des habsburgischen Hauses und der kaiserlichen Gewalt. Seitdem hat W. dem König und den Spaniern, in erster Reihe auch Granvella, entweder als ein Ketzer gegolten oder doch als einer der sich der Ketzer zu bedienen wünschte, seine hochverrätherischen Entwürfe auszuführen. Er galt ihnen als der ärgste unter einem unbotmäßigen, rebellischen Adel, den zu bezwingen und zum vollständigen schweigenden Gehorsam herabzudrücken die erste Pflicht des Regenten sei; sie glaubten, er nehme sich der Ketzer an, um an ihnen eine Stütze gegen den Landesherrn zu finden. Und wie W. dem König als der Hauptrebell galt, so war er schon damals dem Volke, namentlich dem mehr oder weniger zum Protestantismus geneigten Volke, als der natürliche Beschützer und Führer theuer. Seine lutherische Abstammung, Verwandtschaft und Heirath, sein Kampf gegen den verhaßten Granvella, seine Duldsamkeit, wie auch sein Verhalten als Statthalter, alles hatte ihn der Nation als ihren Vorkämpfer gezeigt. Schon damals scheint er sich in den Provinzen, in welchen er die königliche Gewalt vertrat, sowie in denen, in welchen er Besitzungen hatte, eine große Popularität erworben zu haben. Dazu hat wol sein leutseliges Wesen Veranlassung gegeben und jene seltene Gabe der Ueberzeugung, durch welche er es vermochte, nicht allein die Herzen, sondern auch das Verständniß seiner Zuhörer zu gewinnen. Denn außer principiellen Gegnern hat wol niemand dem Einfluß seiner Rede zu widerstehen gewußt. Das gilt von Edelleuten und Geistlichen nicht weniger als von Bürgern und kleinen Leuten. Und das war desto auffallender, als er damals noch keineswegs durch Reinheit der Sitten über das gewöhnliche Maß seiner ziemlich ungebunden lebenden Standesgenossen hervorragte. Wenn er auch nicht, wie so viele von ihnen, der Völlerei ergeben war, er liebte die Freuden des Tisches, und wie so viele seiner Gesellschaft war er, wenigstens in seinen jungen Jahren, keineswegs ein musterhaft treuer Ehemann, wenn auch später seine Frauen (er hat viermal geheirathet) keine Ursache hatten über ihn zu klagen. Wie dem auch sei, seine Popularität war gewiß schon damals groß und vermehrte die Angst und die Sorge des Königs, welcher wußte, wie wenig er persönlich in den Niederlanden geliebt war. So kam es, daß W., als die Religionswirren in den Niederlanden zunahmen, als es den Behörden nicht mehr möglich war derselben Herr zu werden, von selbst von denen, welche eine Aenderung der Regierungspolitik in den Religionsangelegenheiten entweder mit Güte oder mit Gewalt zu erwirken [142] suchten, zum Beistand angerufen wurde. Desto eher vielleicht, weil sein Bruder Ludwig sich schon im J. 1565 an die Spitze derjenigen unter dem Adel stellte, welche sich des Volkes annahmen, was selbstredend Veranlassung gab zu der Meinung, daß er mit ihm im Einverständniß handele. Als dann, Ende 1565, das Compromiß (das Bündniß des Adels zum Schutze des Volkes gegen die Religionsverfolgung und zur Mäßigung der Religionsedicte) zu Stande kam, galt W. allgemein als der geheime Begründer desselben. Eben seine Mäßigung, welche in einer Zeit, wo der Gemäßigten wenige waren, auffallen mußte, brachte ihn bei dem König und seinen Ministern und bei allen Spaniern und eifrigen Katholiken in Verdacht, er und kein anderer sei der eigentliche Anstifter, der eben nur im Dunkeln arbeite, der immer seine Absichten verhülle und der eigentlich dabei bloß den eigenen Vortheil bezwecke. Den eifrigen Calvinisten aber galt schon damals diese Mäßigung als ein Zeichen der Irreligiosität. Und doch ist eben in jenen Jahren Wilhelm’s Neigung zum Protestantismus fortwährend stärker geworden. So wie er vorhin von einem Ausgleich desselben mit der alten Kirche träumte, so versuchte er jetzt ein Compromiß zwischen Calvinismus und Lutheranismus zu Wege zu bringen. Eben darum, weil nur dann, wenn die niederländischen Protestanten als Bekenner der Augsburger Confession galten, die deutschen Religionsverwandten sich ihrer annehmen konnten, während dies kaum möglich war, solange dieselben dem Calvinismus zugewandt blieben. Das empfand W. gleich als er damals jene, meistens vergebliche Arbeit anfing, die Sache der Niederländer zu einer deutschen Sache zu machen. Freilich, er selber sah nicht ein, warum die Calvinisten dem Augsburger Bekenntniß sich nicht anschließen wollten, ihm schien ihre beharrliche Weigerung eine unverständige Unverträglichkeit, wodurch sie die mögliche Dazwischenkunft des Reichs verscherzten; sie hat ihn zuletzt so arg verstimmt, daß er sich fast ganz von ihnen zurückzog. Ueberhaupt ist ihm der Lauf der Dinge seit dem Entstehen des Compromisses nicht nach dem Sinn gewesen. Er wollte schon damals ein gemeinsames Handeln aller Niederländer ohne Unterschied der Confession, unter seiner und seiner hochadeligen Genossen Führung. Namentlich wollte er sich nicht von Egmont trennen, der allein die Popularität und den militärischen Ruhm besaß, welche nothwendig waren, wenn es zu bewaffnetem Widerstand kam. Aber Egmont wäre, auch wenn die Calvinisten nicht allein gehandelt hätten, zu letzterem wol nie zu bringen gewesen. W. dagegen war bei weitem kein so loyaler Unterthan. Er wußte ganz genau, (denn schon seit der Ankunft des Königs in Spanien hatte er Verbindungen am spanischen Hofe, durch welche er aufs genaueste unterrichtet wurde von allem was dort vorging, und selbst Kenntniß von vielen geheimen Actenstücken bekam), wie schon allein das was er, Egmont, Hoorne und die sonstigen Führer des Kampfes gegen Granvella gethan hatten, vom König nie verziehen war, wie im Gegentheil bei diesem der Entschluß feststand sie zu strafen, sobald die Gelegenheit sich darbieten sollte. So vorsichtig W. denn auch auftrat, es war wol mehr um die Gefühle der Anhänglichkeit an die Dynastie, welche in den Niederlanden sehr stark waren, nicht zu verletzen und dadurch ein gemeinsames Wirken aller Elemente der Nation unmöglich zu machen, als weil er sich dem König gegenüber gebunden achtete. Allein er war durchaus nicht gesonnen, den Calvinisten mehr als die bloße Duldung zu erlauben, umsoweniger, als es immer deutlicher wurde, wie schwer es hielt, sie in Schranken zu halten. So hatte sein Betragen in jenen Jahren etwas Schwankendes und Unbestimmtes, wenn nicht Zweideutiges; er suchte zu vermeiden sich bloß zu stellen und wollte doch zu gleicher Zeit ein gemeinsames Handeln aller derjenigen erzielen, welche sich des Königs Willen und den Religionsedicten nicht blindlings fügen wollten. So lange die wenn auch jeden [143] Tag an Anzahl und Stärke und auch an Vermessenheit zunehmenden Calvinisten sich begnügten das Einschreiten der Behörden gegen die Abhaltung ihrer Gottesdienste zu verhindern, sich sonst aber passiv verhielten, konnte er noch hoffen, dieses zu erreichen. Was er dabei für sich selbst gehofft hat, ob er dabei persönlichen Vortheil erstrebte, das läßt sich nicht ermessen. Weder in seinem Briefwechsel, noch in seinen Handlungen ist irgendein Beweis dafür zu finden. Doch, wie schon gesagt beim König und überhaupt bei dessen Anhängern und nachher auch bei den strengen Katholiken stand es fest, wie noch jetzt bei allen katholischen Historikern. – Da kam im Hochsommer des Jahres 1566 der Bildersturm, der allen Plänen Wilhelm’s den Boden einschlug. Denn nicht allein wandten sich jetzt alle Gemäßigten von den Calvinisten ab und erhielt die Regierung außer dem lang gewünschten Vorwand ihrerseits zu Gewalt zu schreiten auch den Beistand aller Katholiken mit Egmont an der Spitze, sondern es konnte nicht ausbleiben, daß der König endlich aus seiner Unentschlossenheit heraustrat und, unter dem Vorwand, die Schändung der Kirche zu bestrafen, die Gelegenheit benutzen werde, ein spanisches Heer nach den Niederlanden zu schicken und alle religiöse und politische Freiheit zu gleicher Zeit zu vernichten. W. sah das klar voraus, allein er hielt sich jetzt noch weniger im Stande energisch aufzutreten als vorher. Denn von irgend einem gemeinsamen Handeln der Nation konnte jetzt keine Rede mehr sein, und mit den, allerdings zum Aeußersten entschlossenen, aber doch nur sehr ungenügend gerüsteten Calvinisten allein den Versuch des Widerstands zu wagen, fehlte es ihm sowol an Muth als an Sympathie. Er schlug also alle ihre Anerbietungen aus und begnügte sich von jetzt an so viel als möglich einen Zusammenstoß der verschiedenen Religionsparteien zu verhindern. Ein paarmal versuchte er es noch Egmont zu überreden sich ihm anzuschließen, aber ohne Erfolg. Daß es ihm aber nicht an Muth fehlte, das zeigte er, als er in Antwerpen die Calvinisten verhinderte, sich den in der Nähe bei Austruweel versammelten Banden des Herrn von Tholouze anzuschließen und sie mit äußerster Lebensgefahr vor einem verderblichen Kampf abhielt. Mehrere Tage lang wußte er allein und ohne irgend welche Machtmittel die tobende Menge im Zaume zu halten und ein gewaltthätiges Einschreiten der gegen sie in Waffen erschienenen Katholiken und Lutheraner zu verhindern.
Allein wenn er auch Antwerpen vor Scenen, wie die Stadt später öfters erlebte, bewahrte, er erntete dafür nicht den Dank der Regierung, und verscherzte zugleich die Gunst der Calvinisten. Und alle seine sonstigen Versuche, auch als der Anmarsch von Alba’s Heer bekannt wurde und Jedermann die Gefahr erkannte, irgend welche gemeinsame Action, namentlich mit Egmont zu vereinbaren, schlugen fehl. Da gab er das Spiel verloren, Alba erwarten, wie die meisten Größen wollte er nicht; vergeblich warnte er Egmont. Dann bat er um Enthebung aus seiner Statthalterschaft, wartete dieselbe aber nicht ab, verließ die Niederlande und wandte sich nach Deutschland, wo er sich in seiner Grafschaft Nassau-Dillenburg, im Schlosse seiner Väter, niederließ. Es wurde bald der Vereinigungspunkt aller Flüchtlinge, welche in großen Schaaren das Land verließen. Von jetzt an hat W. sich dem Protestantismus offen zugewandt, und zwar fürs erste der lutherischen Confession, der Religion seiner Familie und seiner Frau. Es waren trübe Tage für ihn: bald wurden seine sämmtlichen innerhalb der Grenzen der spanischen Monarchie liegenden Güter sequestrirt, so daß der einst an ein üppiges Leben Gewöhnte jetzt ziemlich knapp von den magern Einkünften seiner deutschen Länder leben mußte; seine Aemter und Würden waren durch seine unerlaubte Abreise rechtens verlustig gegangen; seinen ältesten Sohn, den in Löwen studirenden Grafen von Büren, den er, [144] sonderbar bei einem sonst so vorsichtigen, auf alle Fälle sich stets bereit haltenden Manne, wol im Vertrauen auf die Privilegien der Universität, oder um einen Beweis guter Gesinnung zu geben, dort gelassen hatte, als er selber die Niederlande verließ, sah er gefangen auf Nimmerwiedersehen nach Spanien abführen, seine Freunde und Anhänger sah er entweder in Armuth als Flüchtlinge umherirren oder in spanischer Haft, was für viele dem Tode gleich kam. Kein Wunder, daß W. allmählich ein Anderer wurde, daß er den leichtlebigen Weltmann völlig abstreifte, daß sein Ton ernster und religiöser wurde, wenn er auch seine ihm sozusagen angeborene Duldsamkeit nicht verleugnete, sondern immer Alle, welche sich unter die spanische Tyrannei nicht krümmen wollten, ohne Unterschied ob sie katholisch, lutherisch, calvinistisch oder was auch sonst waren, zum Kampf gegen den gemeinschaftlichen Unterdrücker aufrief. Denn sobald Alba sein blutiges Regiment anfing, war er zu bewaffnetem Einschreiten entschlossen. Als W. im Anfang des Jahres 1568 vor den Rath der Unruhen citirt worden war, beantwortete er im März die Aufforderung mit einem energischen Protest, der bekannten Justification du prince d’Orange contre les faulx blasmes que ses calumniateurs taschent de luy imposer à tort. Es war so gut wie eine Kriegserklärung an den König, wenn auch W. noch immer behauptete, er sei dessen treuer Unterthan und Vasall, der bloß gegen den Herzog von Alba und die Spanier kämpfe. Indessen hatten auch die Verbannten nicht still gesessen, aber soviel wie möglich Geld für sein Unternehmen zusammengebracht. Namentlich in Holland und Seeland, wo die Anhänglichkeit an ihren früheren Statthalter, namentlich bei den Bürgerschaften, sehr stark war, wurde von seinen Agenten in tiefem Geheimniß, doch wol unter der Connivenz vieler Magistraten viel Geld eingesammelt, womit man hoffen könnte die für einen Angriff auf die Niederlande nöthigen Söldner zu werben, denn nur ein Theil der Emigranten war im Stande die Waffen zu führen. W. selber und seine Verwandten verkauften und verpfändeten was möglich war, ebenso die anderen vornehmen Herren und reichen Bürger unter den Verbannten. Sie hofften, sobald sie im Felde erschienen, würden die Niederländer in Bewegung kommen und ein allgemeiner Aufstand ihrem Angriff den Weg bereiten. Allein diese Hoffnung schlug fehl. Das Volk war noch immer mit dumpfem Schreck geschlagen. Keine Hand regte sich als die Vorhut der von W. gesammelten Armee im April an der Maas erschien, nach wenigen Tagen war dieselbe von den Spaniern vernichtet, ihr Anführer, der Herr von Villiers, gefangen und gezwungen die Entwürfe der Emigranten mitzutheilen. Auch als Graf Ludwig von Nassau über die Ems zog und am 23. Mai den ersten Sieg bei Heiligerlee im Groningschen Norden erfocht, reichte die Vollstreckung des Todesurtheils von Egmont und Hoorne und einer Anzahl Edelleute aus um jede Regung zu unterdrücken, und Alba fand Muße die Eingedrungenen nicht allein aus dem Lande herauszuschlagen, sondern sie bei Jemmingen zu vernichten. Auch die sonstigen Versuche eines Einfalles in Artois, und Angriffe auf die Meeresküste, durch die damals zuerst kriegerisch auftretenden Wassergeusen, schlugen fehl. W. hatte, namentlich aus Geldmangel, das Hauptheer nicht bei Zeiten ausrüsten können, es hatte unsäglich viel Mühe gekostet, es zusammenzubringen, wenn auch mehrere bekannte Landsknechtführer sich in seinen Dienst begaben. Im September zog er endlich mit ungefähr 14000 Mann deutscher und wallonischer Söldner und Emigranten über den Rhein, versuchte vergeblich das neutrale Lüttich für sich zu gewinnen und setzte dann am 7. October bei Stockem über die Maas, ein ausgezeichnet gelungenes Unternehmen, das selbst Alba in Staunen versetzte und Wilhelm’s militärischen Ruhm, der sonst nicht groß war, merklich erhöhte. Aber der weitere Feldzug entsprach dem glücklichen Anfang keineswegs. Alba’s Kriegskunst zeigte sich der seinen [145] völlig überlegen; an der Geete wurde zwar ein ernstes Gefecht geliefert, jedoch nicht zu Gunsten Wilhelm’s, der dabei seinen vornehmsten und zuverlässigsten Anhänger unter dem niederländischen Adel, den einzigen der Großen der ihm in die Verbannung gefolgt war, den tödtlich verletzten Grafen von Hoochstraten und den bekannten Mitbegründer des Compromisses, de Hames, verlor; sonst aber ließ sich Alba nicht auf Schlagen ein, sondern zwang W., dessen Truppen aus Geldmangel bald die ärgsten Excesse begingen, fortwährend seine Stellung zu ändern, ohne sich irgend einer bedeutenden Stadt nähern zu können. Nutzlos waren auch die Verstärkungen, welche W. damals von den Hugenotten erhielt, mit denen er seit seiner Flucht in Verkehr getreten war; er konnte nicht einmal wieder über die Maas zurück, um seine deutschen Söldner auf deutschem Boden zu entlassen, sondern war genöthigt sein sehr zusammengeschmolzenes Heer nach Frankreich und, weil ihm eine französische Kriegsmacht die Vereinigung mit den Hugenotten verwehrte, durch Lothringen und die Champagne nach Straßburg zu führen, wo er mit schweren Opfern die Soldaten soweit zufrieden stellte, daß sie friedlich auseinander gingen und ihn mit 1200 Reitern zu den Hugenotten abziehen ließen. Es fingen damals die Beziehungen Wilhelm’s zu Frankreich an, welche einen so großen Einfluß auf sein weiteres Verhalten hatten. Sie waren im Sommer durch den Versuch einer förmlichen Allianz zwischen ihm und den Hugenottenführern Condé und Coligny eingeleitet. Jetzt wurden sie durch Wilhelm’s und seines Bruders Ludwigs Kämpfen in Frankreich fester geknüpft. Freilich, die Haltung der deutschen protestantischen Fürsten, selbst des Landgrafen Wilhelm von Hessen, der mehr als die Meisten unter ihnen die Reformirten als Religionsverwandte ansah, war derart, daß W. wenig von ihnen hoffen konnte. Nur die Pfälzer Calvinisten traten für die Hugenotten ein. W. schloß sich mit seinen Truppen im Frühjahr des Jahres 1569 dem Herzog von Pfalz-Zweibrücken auf dessen bekannten Zug quer durch Frankreich an und hat nach einem so befugten Kritiker als La Noue, eigentlich die Führung gehabt, wenn auch der Befehl über das deutsche Heer, als der Pfälzer in Limoges starb, auf den Grafen Wolrad von Mansfeld überging. Durch die Vereinigung dieser Truppen mit den Hugenotten wurde der in der Schlacht bei Jarnac erlittene Mißerfolg der protestantischen Sache gutgemacht, sowie überhaupt der Feldzug des Sommers dieses Jahres durch die deutschen Verstärkungen und die glänzende Führung Coligny’s und der beiden nassauischen Brüder, einen günstigen Verlauf hatte. Aber Wilhelm’s Anwesenheit wurde in Deutschland noch nützlicher geachtet; im Felde war er nicht der Erste, doch im Rath damals schon nicht zu ersetzen. Als Bauer verkleidet verließ er Ende September, nur von fünf Personen begleitet, das protestantische Heer, um quer durch Frankreich unter tausend Gefahren Deutschland zu erreichen, daselbst neue Verbindungen anzuknüpfen und neue Hülfsmittel für den Krieg zu sammeln. So kam es, daß er der Schlacht von Moncontour nicht beiwohnte. Der ziemlich hoffnungslose Versuch die deutschen Fürsten zur Mitwirkung am französischen Krieg zu veranlassen schlug völlig fehl und W. verschwand für Augenblicke von der Bühne. Er blieb in Deutschland, wenn er auch des drückendsten Geldmangels wegen zur Unthätigkeit verdammt war. Mit Schulden war er so überhäuft, daß er sich einige Zeit nicht in Dillenburg aufzuhalten getraute, aus Furcht vor seinen Gläubigern, sondern sich in Arnstadt verbarg. Doch ließ er den Muth nicht sinken. Er wandte sich jetzt wieder ganz den niederländischen Dingen zu. Seit dem Jahre 1570 führten die Wassergeusen den Guerilla zur See in seinem Namen. Er stellte ihnen einen Admiral und verlieh ihnen Kaperbriefe. Der Prinz von Oranien sei so souverän wie der König von Spanien, behauptete er, als gelte es einer [146] mittelalterlichen Fehde. Seine Beziehungen zu den niederländischen Emigranten wurden auch einigermaßen anderer Natur. Vorher waren es meistens die Edelleute, welche meistentheils katholisch geblieben waren, welche ihn umgaben, jetzt trat er in enge Beziehungen zu Calvinisten aus dem Bürgerstande; namentlich der frühere Pensionär von Antwerpen, Jacob von Werenbeke, wurde einer seiner meist vertrauten und beschäftigten Agenten. Auch unter seinen Anhängern, welche namentlich in Holland im Amt geblieben waren und äußerlich katholisch lebten, gab es mehrere, die mit ihm in steter Verbindung blieben. Die Unzufriedenheit war im Wachsen, der zehnte Pfennig erregte allgemeine Verzweiflung, die Furcht dagegen war in Abnahme. Alba’s Hülfsmittel waren erschöpft; es zeigte sich wieder, daß sich eine Schreckensherrschaft nicht auf die Dauer fortführen läßt. Es wurden allerlei Unternehmungen geplant, meistens gegen die nördlichen Provinzen, namentlich gegen Holland. Doch nur selten kam eine zur Ausführung und keine gelang; nur der günstige Verlauf der Dinge in Frankreich, wo der Friede von St. Germain en Laye im J. 1570 geschlossen wurde, die zunehmende Verwirrung in den Niederlanden, wo der Herzog von Alba nicht weniger mit Geldmangel zu kämpfen hatte als W. in Deutschland, hielten den Muth der Verbannten aufrecht. W. hatte in diesen Jahren zu allen seinen Beschwerden noch häusliches Unglück. Seine Frau, Anna von Sachsen, hatte ihm schon vorher eine widerwärtige Kälte bewiesen, ihr Betragen war ärgerlich, sie war dem Trunke ergeben, jetzt wurde auch ihre Untreue offenbar. Es scheint, die Schuld sei völlig an ihr gewesen, denn wenn W. auch früher keineswegs ein Muster ehelicher Treue war (einen Bastard, Justinus von Nassau, den späteren Admiral von Seeland, hat er anerkannt), damals scheint er sich nichts derartiges zu Schulden haben kommen lassen. Anna und ihr Liebhaber, ein niederländischer Flüchtling, der Vater des berühmten Malers Rubens wurden in Haft genommen; doch hat W. Gnade geübt und auch Rubens das Leben geschenkt. Anna wurde zuerst in Dillenburg in Haft gehalten, später ihrem Onkel, dem Kurfürsten ausgeliefert und ist geistig gestört im harten Gefängniß gestorben. W. sah sich schon vor diesen als ipso facto von ihr geschieden an und hat 1577 seine dritte Heirath geschlossen, bevor Anna gestorben war, was heftiges Aergerniß erregte. Indessen hatten die Dinge in den Niederlanden ihren Lauf. Allgemein hieß es, das Volk sei jetzt bereit zum Aufstand. Namentlich galt dieses von Holland und Seeland, mit welchem W. durch zahlreiche Agenten in steter, reger Verbindung stand. So wagte er es im J. 1572 aufs neue alle Kräfte zusammenzuraffen zu einem Angriff auf die Niederlande. Zwar war der Geldmangel noch weit ärger als im J. 1568, allein er rechnete jetzt mit Zuversicht auf französische Hülfe, da die Hugenotten jetzt oben drauf waren und Coligny im Rath des Königs die erste Stimme zu führen schien. Auch England war, wenn auch nicht öffentlich, den Spaniern wenig günstig. Es ist bekannt, wie die Sache ihren Verlauf hatte. W. konnte seine Hauptmacht vorläufig aus Geldmangel nicht ins Feld führen, dagegen hatte sein Bruder Ludwig mit den Hugenotten Mons in Hennegau überrumpelt und widerstand tapfer der sofort eingeleiteten Belagerung, wenn auch die zum Entsatz angestellten Versuche alle mißlangen. Aber während alle nach dem Süden des Landes schauten, bemächtigten sich die Wassergeusen am 1. April des Jahres 1572 der an der Maasmündung gelegenen holländischen Stadt Briel, und einen Monat später waren ganz Holland und Seeland in hellem Aufruhr. Nur Amsterdam und Middelburg blieben dem König treu. Im Juni wurde W. von den holländischen Staaten als Statthalter anerkannt und ihm von denselben ein ansehnlicher Beitrag zu den Kosten seines Feldzuges zugesichert. Vorläufig trat der Führer der Wassergeusen, der Graf von Lumey, als sein Lieutenant auf und wurde als [147] solcher von den Staaten anerkannt, in ihrer ersten Versammlung war jedoch Philipp von Marnix als sein Vertreter erschienen. Das deutete auf eine neue Schwankung in Wilhelm’s Verhalten den Religionsparteien gegenüber. Denn Marnix war seit lange her ein Führer der Calvinisten, und zwar jener Fraction, welche am schroffsten den Lutheranern gegenüberstand, und W. hatte bis jetzt eine Fusion beider Religionen gewünscht. Allein in Frankreich, wo er ein Jahr lang unter den Hugenotten verkehrte, scheint er sich den calvinistischen Ideen mehr genähert zu haben und er mußte, namentlich als er wieder nach Dillenburg zurückgekehrt war, einsehen lernen, nur auf die Calvinisten sei zu zählen. Auch die reformirten Flüchtlinge waren in Fractionen gespalten, die Holländer waren weniger präcis, wie man sagte, als die Brabanter, Wallonen und Vläminger. W. hatte ihre Verschmelzung anbahnen helfen, eben durch Marnix, der zugleich Theologe und Politiker war und sich eben in jenen Jahren ihm genähert hatte. Diese Verschmelzung war aber gleichbedeutend mit einem Sieg der Extremen, und W., der von den Lutheranern nichts mehr zu erwarten hatte, schloß sich ihnen an. Doch währte es noch einige Zeit bevor er durch öffentliche Theilnahme am Abendmahl in der reformirten Kirche von seinem Uebertritt Kunde gab. Von formeller Aufnahme in die Gemeinde war damals nirgends die Rede; es konnte bloß die Communion nach dem katholischen Ritus als untrügliches Zeichen der Religion gelten. Und sehr viele gab es, namentlich unter den höheren Ständen, welche zwar nicht mehr katholisch lebten, jedoch keineswegs sich zu irgend einer anderen Confession bekannt hatten. So war es auch gewiß lange bei W., der sich freilich jetzt reformirt nennen konnte, aber die alte Duldsamkeit nicht verleugnete und sich immer, wie es scheint, in einer weniger exclusiven Auffassung wohl fühlte. Dazu blieb er seinem Ideal treu, die sämmtlichen Niederländer, ohne Unterschied der Confession, gegen die Spanier zu führen. Fürs erste sollte das noch nicht in Erfüllung gehen. Denn außerhalb Holland und Seeland mißlang das Unternehmen des Jahres 1572 völlig. Der Angriff, den Wilhelm’s Schwager, der Graf von Berg in Gelderland, Overyssel und Friesland unternahm, hatte zwar einen glänzenden Anfang, allein als der Zug, den W. mit dem Hauptheer zum Entsatz von Mons und im Vertrauen auf französische Hülfe unternahm, infolge des in diesem Lande mit der Bartholomäusnacht eingetretenen jähen Umschlags völlig mißlungen war, und W. nur ein sehr zusammengeschmolzenes Heer nach Deutschland zurückführen konnte, während Ludwig in Mons capituliren mußte und infolge dessen die jetzt frei gewordenen spanischen Streitkräfte sich nach Norden wandten, machte sich der Graf schleunigst aus dem Staube. W. hatte nach dem vergeblichen Feldzug des Sommers, in welchem sich Alba’s Feldherrnkunst der seinen ebensosehr überlegen gezeigt hatte als dessen Veteranen den bei fehlender Soldzahlung gleich meuterischen Landsknechten und Reitern Wilhelm’s, den Entschluß gefaßt, sich nach Holland zu begeben, wol nicht, wie gesagt wird, um ein Grab zu suchen, sondern weil er die ausgezeichnete Vertheidigungsfähigkeit der beiden rebellischen Provinzen kannte und auf das hartnäckige Ausharren ihrer Bewohner rechnete. Und er hatte sich nicht geirrt. Vier Jahre haben die Holländer und Seeländer unter seiner Führung ausgeharrt, es ist weltbekannt unter welchen Beschwerden, aber als dieselben vorüber waren, ergriff die nationale Bewegung das ganze Land und fand die Kraft, das spanische Joch abzuschütteln. Noch ein Jahr und W. wurde als das Haupt der freilich kurzlebigen niederländischen allgemeinen Union in Brüssel eingeholt. Die vier Jahre waren schwierige Jahre; es war selbst für W. nicht immer leicht mit den Kaufleuten, die jetzt den Kern seines Anhangs bildeten und die Regierungscollegien der Rebellen füllten, auszukommen. Dennoch waren es vielleicht die glücklichsten seines Lebens. Denn jetzt war er in der Mitte von Menschen, die [148] sich seiner Führung gern anvertrauten, die in ihm eine Art Vorsehung erblickten. Dazu waren die Holländer nicht allein lenkbarer sondern auch weniger fanatisch als die Calvinisten aus dem Süden, und wenn auch weniger feurig, doch eben so beharrlich. Und W. wußte die Regierung so zu führen als sie es wünschten und fand sie darum auch fast zu jedem Opfer bereit. Das Volk ehrte ihn wie einen Vater, und doch war er erst ein guter Vierziger. Die schwerste Prüfung war wol im J. 1574, als nach dem Unglück bei Mook, wo seinen beiden Brüder Ludwig und Heinrich starben, W. während der Vorbereitungen zum Entsatz von Leiden schwer erkrankte und die Arbeit den Regenten überlassen mußte. Doch unter Leitung des Advocaten Buys wußten dieselben so zu verfahren, daß seine Abwesenheit kaum vom Volke bemerkt wurde, und das Unternehmen, an dem das Bestehen des Rebellenstaates hing, gelang. Das nächste Jahr wurden die ersten Friedensverhandlungen versucht, bei welchen W. sich beharrlich weigerte seine Sache von der der beiden Provinzen zu trennen. Sonst hätte er für sich sehr vortheilhafte Bedingungen erhalten können. Aber W., der wußte, daß in der Hauptsache, der ausschließlichen Handhabung der katholischen Religion, beide Parteien sich nie einigen würden und dem es vollkommen klar war, daß in kurzem oder langem ein Umschwung in den übrigen Niederlanden nicht ausbleiben konnte, dachte keinen Augenblick an einen Rücktritt. Eben in jener Zeit knüpfte er durch die Union von Holland und Seeland und die Neuordnung der Regierung in den beiden Ländern das Band fest, das ihn mit ihnen verband. Es wurde jene Conföderation gebildet, in welcher W. sowol die Rolle eines Mitglieds als eines Hauptes spielte. Er galt nicht mehr bloß als Statthalter des Königs, wie er, freilich ohne einen Schimmer des Rechts, sich im J. 1572 hatte anerkennen lassen, sondern er erhielt den Titel eines höchsten Oberhauptes, das die landesherrliche Macht nicht allein vertrat, sondern besaß. Freilich eine sehr beschränkte, denn die Staaten der beiden Provinzen zogen auch ihm enge Schranken, wenn sie auch immer erklärten, sie wollten ihm alle Macht überlassen, welche er nur begehren möchte. Und das waren keine bloßen Worte, denn Volk und Regenten in Holland und Seeland fügten sich seiner Führung. Selbst haben sie wol nur um seinetwillen nicht angestanden die Herrschaft ihrer Länder im Frühjahr 1576 dem Herzog von Alençon, eben jenem jüngsten Sohne der französischen Königin-Mutter, der später als Herzog von Anjou der ephemere Landesherr der Niederlande gewesen ist, anzutragen. W. hatte auch nach der Bartholomäusnacht in Frankreich die einzige Macht erblickt, deren Interesse sie zwang sich der Niederlande anzunehmen, während er den unzuverlässigen Beistand Englands wohl gern benutzte, aber denselben nicht als einen Factor seiner Politik ansah und die nie wirksame Hülfe von deutscher Seite sozusagen außer Acht ließ, wenn er auch immer fortfuhr daselbst für die Sache der Niederlande zu arbeiten. Freilich, er war keineswegs gesonnen das Land den Franzosen einfach zu übergeben, er wollte keineswegs statt der spanischen die französische Herrschaft. Auch dem damals in Frankreich an die Spitze der Gemäßigten tretenden und mit den Hugenotten verbundenen Alençon trug er die Herrschaft über Holland und Seeland nur unter Bedingungen an, welche demselben nicht viel mehr als die nominelle Regierung ließen.
Allein noch war es nicht nöthig. Kaum waren die Verhandlungen eingeleitet, als in Brabant und nachher in Flandern und in Hennegau die nationale Bewegung durch die „große Meuterei“ der spanischen Soldaten in Schwung kam. W. fühlte seine Zeit gekommen. Er hatte seit langer Zeit seine alten Verbindungen im Süden aufs neue angeknüpft, in Antwerpen und namentlich in Brüssel zählten viele flandrische Bürger zu seinen Anhängern, auch unterm Adel fehlten sie nicht, selbst unter der Geistlichkeit gab es solche, die zusammengehen [149] wollten mit dem zwar ketzerischen jedoch den Katholiken gleiche Rechte gönnenden, ja die Gerechtsame der alten Kirche, wenn nur Gewissensfreiheit zugelassen wurde, anerkennenden Prinzen von Oranien. Jetzt schürten diese überall das Feuer, suchten das Volk zu Thaten, die einen Bruch mit der Regierung veranlaßten, und die Staaten der verschiedenen Provinzen zu gleichem revolutionären Vorgehen zu verführen als die Staaten von Holland im J. 1572 es gewagt hatten. Ich brauche kaum zu sagen wie dies gelang. Am 4. September 1576 wurden die Mitglieder des Staatsraths, die in Abwesenheit eines Generalgouverneurs die Regierung führten, gefangen genommen; und als sie später wieder frei wurden, war diese Behörde zu einer gehorsamen Dienerin der eigenmächtig zusammengetretenen Generalstaaten herabgesunken. W. arbeitete jetzt auf zwei Dinge hin, die Theilnahme sämmtlicher Provinzen an der Bewegung und den Frieden zwischen dem von ihm geleiteten Rebellenbund (Holland, Seeland und Genossen) und den übrigen Provinzen. Die Versuche des Herzogs von Anjou, sich in die niederländischen Dinge zu mischen, suchte er, ohne denselben zu entfremden, damit er im gehörigen Moment seinen Beistand anrufen konnte, abzuweisen, und ebenso den inneren Frieden zu Stande zu bringen, bevor der neue Generalgouverneur, Don Juan d’Austria, ankam. Die Verhandlungen fingen in Gent an, aber schritten nicht rasch fort, namentlich des Religionspunkts wegen; da zwang ein gräuliches Ereigniß, die Eroberung und Plünderung Antwerpens durch die Spanier, die spanische Furia, wie die Niederländer sagten, zur Beschleunigung. Vier Tage später, am 8. November 1576, war die Genter Pacification unterschrieben. Gewissensfreiheit und Erhaltung des Status quo, auch in Holland und Seeland, bis zur Entscheidung durch die Generalstaaten, war die Grundlage. Sie war Wilhelm’s eigenstes Werk, er weilte in der Nähe, in Middelburg. Am selben Tag kam Don Juan in Luxemburg an und jetzt begann der merkwürdige politische Feldzug Wilhelm’s, um dessen Anerkennung und die Annahme der vom König zugestandenen Concessionen zu hintertreiben. Seine damalige Politik ist namentlich von katholischer Seite hart angegriffen, und freilich, loyal war sie nicht immer. Allein wie konnte sie es sein. Die Versammlung von Deputirten der Provinzen, welche als Generalstaaten auftrat, bestand meistentheils aus Katholiken, denen die angebotenen Bedingungen vollkommen genügten; doch wenn diese angenommen waren, war die Pacification vernichtet und Alles, was bis jetzt geschehen war, nutzlos. Namentlich standen dann Holland und Seeland den Angriffen sämmtlicher Katholiken bloß. Daß W. hier aus Eigennutz gehandelt haben soll, läßt sich mit keinem Schimmer von Recht behaupten, denn, wenn er den eigenen Vortheil gesucht hätte, so konnte er für sich unter der Bedingung, das Land zu räumen, Alles erhalten, was er forderte. Der König wollte seine Sache von der niederländischen trennen, er wollte mit ihnen vereint bleiben. Er allein, das wußte er, konnte vielleicht den Frieden der beiden Religionen und allgemeine Gewissensfreiheit zu Stande bringen. Zuletzt gelang es, Don Juan zur Annahme der Genter Pacification zu bringen, aber auch als diese und die sogenannte Brüsseler Union zur Verbürgung der Freiheit und der Alleinberechtigung der katholischen Religion zur Grundlage der Versöhnung zwischen dem Gouverneur und den Staaten gemacht waren, weigerte sich W. dem Vertrag beizutreten und auch Holland und Seeland verharrten in ihrem Widerstand. Von da an (Januar 1577) ließ er nicht ab von Versuchen einen neuen Bruch mit Don Juan herbeizuführen, während er unterdessen die Versöhnung der vorhin in Holland und Seeland zum Gehorsam an den König und die Kirche zurückgebrachten Städte zu Stande brachte. Amsterdam allein beharrte bei seiner Weigerung, sich seiner und der Staaten Autorität zu unterwerfen. Zugleich bahnte er seine Anerkennung in seiner alten Statthalterschaft [150] Utrecht an. Da verlor Don Juan die Geduld; durch einen Gewaltstreich, mit welchem er Namur in seine Gewalt brachte (24. Juli 1577), vernichtete er alle Arbeit der loyalen Katholiken und entzündete den Krieg aufs neue. Den Generalstaaten und den Großen und Geistlichen, welche bis jetzt die Politik Wilhelm’s bekämpft hatten, blieb nichts, als sich vorläufig diesem anzuschließen. Das Volk in Brabant forderte kräftig dessen Kommen, es wollte ihn zum Ruward, zum Beschützer seiner Freiheit. Am 23. September hielt er seinen Einzug in Brüssel. Er stand auf dem Höhepunkt seines Glücks. Sein Ziel schien er erreicht zu haben und auch das häusliche Glück war wieder bei ihm eingekehrt. Trotz allem Widerstand hatte er, noch bevor Anna von Sachsen gestorben war, die zum Protestantismus übergetretene Prinzessin Charlotte von Bourbon, die Tochter des Herzogs von Montpensier und ehemalige Aebtissin von Jouarre, die er am Hofe Friedrich’s des Frommen, wo sie eine Zufluchtsstätte gefunden hatte, hatte kennen gelernt, geheirathet. Es war die glücklichste Ehe; sechs Töchter hat sie ihm geboren und zuletzt hat die edle Frau alle Verleumdungen zum Schweigen gebracht durch ihr musterhaftes Leben. W., der seit Jahren in den beschwerlichsten Umständen lebte, konnte jetzt wieder einen, sei es auch bescheidenen Hofhalt einrichten, seine reichen Güter in Brabant standen wieder zu seiner Verfügung.
Auch in Utrecht wurde jetzt ein Vertrag festgestellt, wodurch er daselbst wieder als Statthalter anerkannt wurde, in Brabant setzte die Bürgerschaft von Brüssel seine Erwählung zum Ruward durch, und als der durch die Führer des katholischen Adels gerufene Erzherzog Matthias erschien, wußte er dessen Berufung zum Generalgouverneur zu verhindern, bis er durch die eigene Erwählung zu dessen Lieutenant dieselbe zum Umgekehrten dessen, was seine Gegner bezweckt hatten, umgestaltete. Der wenig bedeutende junge Mann hat es sich gefallen lassen drei Jahre lang als sein Werkzeug unter glänzendem Titel im Lande zu bleiben. Das Volk nannte ihn Wilhelm’s Greffier, weil er Alles unterschrieb was dieser ihm vorlegte, ohne an der Sache eigentlich betheiligt zu sein. Während W. so seiner Gegner Meister wurde und die Führung der niederländischen Dinge in die Hand bekam, soweit es bei den dortigen Verhältnissen möglich war, hatte eine andere durch ihn, wenn nicht angezettelte, denn doch mit seinem Vorwissen geschehene That auf die Dauer die übelsten Folgen auch für die von ihm bezweckte Versöhnung der religiösen Gegensätze. Das Haupt der ihm feindlichen Großen, der Herzog von Aerschot, war zum Statthalter Flanderns ernannt worden. Die Ernennung war ein Versuch, Wilhelm’s Wahl zum Ruward von Brabant auszugleichen. Die namentlich in Gent zahlreichen Calvinisten, welche dort die Wiederherstellung der alten von Karl V. vernichteten Freiheiten betrieben, sannen auf einen Staatsstreich gegen den neuen Statthalter. Einer ihrer Führer, Ryhove, fragte bei W. an inwiefern er Aerschot’s Gefangennahme und die seiner vornehmsten Gesinnungsgenossen in Flandern gutheißen würde. Zwar empfing er nur die Antwort, er könne sich auf so etwas nicht einlassen, allein Marnix versicherte ihm, er solle die That nur wagen. Da entstand am 28. October ein gewaltiger Aufruhr in Gent, der Herzog und die bei ihm weilenden Herren und Geistlichen wurden gefangen, die Stadtregierung wurde, wie in Brüssel, demokratisch neu geordnet, und bald die alten Privilegien für wiederhergestellt erklärt. Hembyze wurde das Haupt der Genter Volksbewegung. Doch kaum war dies geschehen, so fingen letzterer und seine Anhänger ein calvinistisch-demokratisches Treiben an, das die ärgsten Befürchtungen der Katholiken überstieg; bald seufzte Flandern unter einem wahren Terrorismus, der um so üblere Folgen hatte, als der Krieg mit Don Juan einen kläglichen Verlauf nahm und nach der schrecklichen Niederlage des [151] staatischen Heeres bei Gemblours, 31. Januar 1578, der militärische Zustand so mißlich wurde, daß die Generalstaaten und die von ihnen abhängige Regierung, mit dem wenige Wochen vorher in Brüssel eingezogenen Erzherzog schleunigst sich in dem sicheren Antwerpen bargen, während die Zwietracht der beiden Confessionen bald überall wieder in hellen Flammen aufloderte. Von jetzt an war Wilhelm’s Leben ein fortwährender, immer schwieriger und vergeblicher werdender Kampf zur Aufrechterhaltung der Eintracht. Vergebens hatte er durch die „Neue Brüsseler Union“ die Anhänger der beiden Religionen zu gegenseitigem Schutz zu verbinden gesucht. Jetzt versuchte er es mit dem „Religionsfrieden“, welcher in jeder Stadt, wo es hundert Hausstände einer der beiden Confessionen gab, die öffentliche Ausübung derselben freigab, eine Maßregel, von der er sich viel versprach, die aber von beiden Parteien verworfen, zwar von den Generalstaaten zum Gesetz erhoben und in einigen Städten verkündet, aber nirgends eingehalten wurde. Im Gegentheil, beide, die eifrigen Katholiken sowie die fanatischen Calvinisten, beschuldigten W. der Falschheit; den letzteren galt er von jetzt an als ein Libertiner, ein Atheist. Gent unter Hembyze’s Führung entzog sich völlig seinem Einfluß, die Fanatiker hofften auf England und auf den von Königin Elisabeth den Staaten zu Hülfe geschickten calvinistischen Pfalzgrafen Johann Casimir. Der Hennegauer Adel dagegen, den mächtigen Lalaings an der Spitze, hatte sich dem Herzoge von Anjou in die Arme geworfen und wünschte demselben ein Protectorat angetragen zu sehen. In den übrigen wallonischen Provinzen fingen die Katholiken sich zu regen an. Fürs erste jedoch ohne daß von einer Rückkehr unter die abgeworfene königliche Gewalt die Rede war. Ueberall verspürte man den Widerwillen des hohen Adels gegen W. und seinen Wunsch zugleich die eigenen Machtstellung und die der katholischen Kirche zu behaupten. Dazwischen kamen die Aufforderungen Anjou’s mit ihm in ein Bündniß zu treten, er berief sich auf frühere Bitten der Staaten, welche jedoch keineswegs eine solche Deutung zuließen. Die Königin von England dagegen warnte ernstlich gegen jede Einmischung von französischer Seite. W. versuchte in diesem Wirrwarr zwischen allen Parteien hindurch zu steuern, am gefährlichsten hat ihm damals wol die Einmischung Anjou’s geschienen, denn er wollte denselben ebenso wenig im Lande festen Fuß fassen lassen, als er ihn vor den Kopf stoßen wollte. Er selber führte die Unterhandlungen, die aber bald abgebrochen wurden, bis im Juli der Herzog urplötzlich in Mons erschien und man nach längeren Verhandlungen gezwungen war ihm in einer im August geschlossenen Allianz den Titel eines Defensors zuzugestehen und dafür den Beistand seiner wenig bedeutenden Armee zu kaufen. Indessen hatte sich in Holland der Zustand geklärt durch den Uebergang Amsterdams zur patriotischen Partei. Ganz Holland und Seeland waren jetzt wieder vereint. Wilhelm’s Bruder Johann, der Statthalter von Geldern, war indessen beschäftigt mit den ersten Schritten zu einer von W. geplanten Union der Nordprovinzen, während in Utrecht die Calvinisten sich immer mehr der Gewalt bemächtigten. Dazwischen gab es noch Verhandlungen mit Don Juan und zugleich vernahm man, die wallonischen Soldaten an den Grenzen Flanderns thäten sich zusammen und fingen an in Flandern zu plündern, wogegen die Genter mit neuen Gewaltthaten antworteten. Der Bürgerkrieg drohte jeden Augenblick sich zu entzünden. Vergebens versuchte eine Gesandtschaft der Staaten die Genter zu einem anderen Verhalten zu bringen. Es waren äußerst schwierige Tage für W. Sein Einfluß verminderte sich sichtbar. Freilich beherrschte er die Centralregierung und auch in der Versammlung der Generalstaaten galt seine Bitte als ein Befehl. Doch die Regierung war machtlos, die Generalstaaten thaten nichts ohne Genehmigung der Provinzen, und was das ärgste war, man war völlig ohne Geld; die Regierung lebte von den [152] ungern zugestandenen und noch weniger gern ausgezahlten Beiträgen der Provinzen. Das Heer war schlecht bezahlt, nur mit Mühe hielt es Stand gegen die Spanier. Im October bemächtigten sich die meuternden Wallonen unter Montigny’s Führung der wichtigen Stadt Menin. Sie waren jetzt eine Partei geworden, die der Malcontenten. In Artois hatten die Anhänger Spaniens gesiegt, im französischen Flandern gewannen sie Boden. Es wurde der Grundstein zu einer katholisch-wallonischen Union gelegt. Dennoch hielt W. das Haupt empor. Im Winter kam er selber nach Gent, und kräftig von dem englischen Gesandten unterstützt wußte er die gemäßigten Calvinisten wieder empor zu bringen und einen besonderen Religionsfrieden für Flandern durchzusetzen, welcher eine Versöhnung der Malcontenten wenigstens hoffen ließ, während sowol der Pfalzgraf als Anjou, ohne irgend etwas erreicht zu haben, das Land räumten. Im Norden fing die Utrechter Union an sich zu gestalten, leider nahm sie mehr und mehr eine calvinistische Farbe an, was die katholischen Wallonen wieder veranlaßte, ihren Sonderbund zu beschleunigen. So trieb Alles unaufhaltsam einer Trennung zu. Und dazu war an die Spitze der Spanier jetzt ein Führer getreten, der wie keiner W. gewachsen war. Don Juan war gestorben und an seine Stelle trat der Prinz von Parma, Alexander Farnese, der militärisch wie politisch gleich die richtigen Maßregeln traf, den Zustand auszubeuten. Im nächsten Jahre vollzog sich die Scheidung durch die Gründung der beiden Unionen von Atrecht (Arras) und Utrecht. Es gelang W. zwar die Annahme der spanischen Friedensbedingungen auf dem Kölner Friedenscongreß zu verhindern, aber dieser brachte an den Tag, wie sich die Katholiken jetzt seiner Führung entzogen, namentlich der Adel und die Geistlichkeit wandte sich Spanien zu. Im Norden galt bald katholisch und spanisch als gleichbedeutend. Der Uebergang Renneberg’s, des Statthalters von Friesland und Groningen, entzündete im folgenden Jahre auch dort den Bürgerkrieg; die Reformirten wurden jetzt auch im Norden je länger, je unduldsamer. Hatte W. schon in Holland und Seeland für die Katholiken keine freie Religionsübung erhalten können, in Utrecht und Gelderland war das jetzt ebensowenig der Fall. Wo wie in Brabant, die Katholiken die Mehrheit hatten, stellten sie sich auf die Seite des Königs. Unter diesen Umständen schien auswärtige Hülfe die einzig mögliche Rettung, und W. sah nur ein einziges Mittel diese Hülfe zu erhalten, die Erwählung Anjou’s zum Landesherrn. Denn seit dem Scheitern des Kölner Congresses ging es nicht an länger die Fiction des Gehorsams gegen den König aufrecht zu erhalten. Allein es schien nutzlos dieses zu versuchen. Es gab fast keinen Menschen in den Niederlanden, der den Herzog wollte; schon die französische Allianz war den Niederländern verhaßt, wie viel mehr also die französische Herrschaft. Dagegen war die Mehrheit wenigstens der städtischen Regenten, in Holland und Seeland nicht allein, sondern auch in mehren Provinzen gern bereit W. selbst zum Oberhaupt zu erwählen.
Vielleicht hat W. sein seltenes politisches Talent und namentlich die ihm reichlich bemessenen Gabe, die Menschen zu zwingen nicht dem eignen sondern seinem Willen zu folgen, nimmer so glänzend erwiesen, als in jenen trüben Tagen. Freilich, eines war gewiß, Anjou war sozusagen zu Allem bereit, was man von ihm fordern wollte, dem war es nur darum zu thun, als Landesherr anerkannt zu werden, das weitere kam, meinte er, von selbst. Sein Abgesandter, Des Pruneaux, war dazu ein geriebener Diplomat, der in hohem Grade die Fähigkeit besaß, sich mit den Niederländern zurecht zu finden. Von dessen Seite fand W. jede Unterstützung, welche er wünschen konnte. Auch die Königin Elisabeth machte keine Schwierigkeiten. Sie verhandelte schon längere Zeit über eine Heirath mit dem Herzog. Dagegen war in den Niederlanden vielleicht der [153] einzige Marnix in diesem Punkte vollkommen mit W. einverstanden, während der Umstand, daß in Flandern die gemäßigte Partei durch Wilhelm’s persönliches Einschreiten im August des Jahres 1579 ans Ruder gelangt war, während Hembyze und der W. sehr feindlich gesinnte Prediger Dathenus, das Haupt der Ultracalvinisten in den Niederlanden, sich nach Deutschland flüchteten, sehr günstig war. Während der zweiten Hälfte des Jahres 1579 wurde an den Vorbereitungen gearbeitet. Dann glaubte W. die Sache weit genug fortgeschritten, um sie den Generalstaaten vorzulegen, welche, wie fast immer, sich dem persönlichen Einfluß Wilhelm’s unterwarfen. Jetzt galt es die Erwählung in den Staaten der Provinzen durchzusetzen. Im Anfang des Jahres 1580 gelang es die Stadt Gent zur Annahme zu bewegen. Flandern war von den Malcontenten aufs ärgste bedrängt, nur die Franzosen schienen dort helfen zu können. So kam es daß die Vläminger Anjou zum Grafen erkoren, bevor eine der anderen Provinzen zugestimmt hatte. Holland und Seeland hatten die Versicherung erhalten, die Wahl werde für sie keine sonstige Folgen haben als eine nominelle Oberherrschaft. Sie sollten frei sein W. als Graf zu wählen, wie schon öfters vorgeschlagen war. Auch die Provinzen des Nordens fügten sich, als W. dort umherreiste, allein Gelderland und Utrecht blieben störrisch. Ihre Staaten erklärten wiederholt im Nothfall W. selbst als Landesherrn anerkennen zu wollen, keines Falls aber den Franzosen. Alles Widerreden Wilhelm’s war vergeblich. Auch in Brabant hielt es schwer den Widerstand zu überwinden, W. bot seine ganze Beredsamkeit auf, den großen Rath von Antwerpen dazu zu bewegen. Erst nach schwerem Ringen gelang es. Da die Mehrheit der Provinzen jetzt zugestimmt hatte, konnte die im August des Jahres 1580 abgereiste, von Marnix geführte Gesandtschaft im Namen der Generalstaaten auftreten, wenn sie auch bloß die Herrschaft über sieben Provinzen anzubieten beauftragt war. Am 23. Januar 1581 wurde der Tractat in Bordeaux verkündet. W. hatte den Niederlanden einen neuen Landesherrn verschafft; den alten ließ er im nächsten Mai durch die Generalstaaten der Regierung verlustig erklären. Ihm selbst war jetzt die Herrschaft über Holland, Seeland und Utrecht zugesichert; freilich eine so beschränkte Herrschaft, daß, wenn Herrschaft die Triebfeder Wilhelm’s gewesen wäre, er sie keinesfalls hätte begehren können; denn er sollte viele Verpflichtungen erfüllen und nur sehr beschränkte Befugnisse haben. Philipp beantwortete die Absetzung mit einem Bannspruch; er stellte einen Preis auf Wilhelm’s Kopf, und dieser ließ durch seinen Hofprediger Villiers eine Antwort aufsetzen, die bekannte Apologie, welche freilich durch maßlos übertriebene Beschuldigungen des Königs entstellt ist und wol nicht verdient, wie so oft geschieht, als eine reine Quelle für Wilhelm’s Geschichte benutzt zu werden. Von jetzt an war das schon öfter von Mördern bedrohte Leben Wilhelm’s fortwährend das Ziel von Schurken und Fanatikern. Als im nächsten Jahre Anjou von W. in seine neue Herrschaft eingeführt war und W. mit ihm in Antwerpen Hof hielt, wo er, nicht weniger als vorher, die Geschäfte leitete, wäre er beinahe ihr Opfer geworden. Nur ein Zufall verhinderte, daß die Kugel des Biscayers Jaureguy ihm tödtlich wurde. Die aufopfernde Pflege seiner Gemahlin und seine kräftige Gesundheit retteten ihn. Leider hatte die Anstrengung die Kräfte der Prinzessin erschöpft, sie starb an den Folgen. Noch ein Jahr später führte W. die vierte Frau, die vielgeprüfte Tochter Coligny’s, die Wittwe des Herrn v. Téligny, Louise, heim, welche ihm im Frühjahr 1584 den jüngsten Sohn gebar. Da hatte sich schon Vieles in Wilhelm’s Verhältnissen geändert. Es war geschehen, was Viele gefürchtet hatten, was W. jedoch für etwas Unmögliches betrachtet zu haben scheint. Im Januar 1583 hatte Anjou es satt, länger eine nominelle Herrschaft zu führen und selbst in seiner Religion beschränkt [154] zu sein. Die Niederländer waren eines Herrn wie er war nicht weniger überdrüssig; im Norden gab man gar keine Acht auf ihn, in Brabant und in Flandern dagegen wurde ihm mit Mißtrauen und geringer Achtung begegnet. Nur W. scheint geglaubt zu haben, Alles gehe vortrefflich. Es ist wunderbar, aber der erfahrene und sonst sprüchwörtlich scharfsichtige Politiker scheint blind für die Gefahr gewesen zu sein, die sonst Jedermann erblickte. Der mißlungene Streich Anjou’s sich Antwerpens zu bemächtigen, das unter dessen Truppen angerichtete Blutbad kam ihm fast einem Todesstoß gleich. Doch keinen Augenblick ließ er den Muth sinken. Noch am selbigen Abend fing er an das zerhauene Band wieder zusammenzuflicken. Und wirklich gelang es wenigstens einen vorläufigen Vertrag zu Stande zu bringen, mit welchen unsäglichen Beschwerden ist kaum zu sagen. Doch wiederum war es vergeblich. Anjou gab es auf, sich aufs neue um eine Herrschaft zu bemühen, welche seine Herrschsucht so wenig befriedigte und kehrte nach Frankreich zurück. Noch gab W. das Spiel nicht verloren. Ihm stand es fest, nur mit Frankreichs Hülfe sei es möglich Spanien zu widerstehen. England flößte ihm kein Vertrauen ein, und Deutschland hatte er schon lange und gewiß nicht mit Unrecht aufgegeben. Und auf eigene Kräfte zu zählen, das wagte er nicht. Denn wie keiner hatte er es empfunden, wie die Interessen der Provinzen und Städte alle kräftigen Maßregeln hemmten, wie gering die Opferfreudigkeit der Bevölkerung war. In Flandern war sein Einfluß tief gesunken. Gent war ihm durch Hembyze und den neuen Statthalter Flanderns, den Prinzen von Chimay, der damals noch den fanatischen Calvinisten spielte, ganz entfremdet. In Gelderland war ihm der eigene Schwager, der Graf von Berg, zum Verräther geworden. Nur auf Holland, Seeland und Utrecht konnte er zählen. Er arbeitete an einer neuen engeren Union der drei Länder, während die endlosen Verhandlungen über die ihm angetragene Grafschaft mit den Holländern und Seeländern zuletzt zum Abschluß gelangten. Es fehlte nur noch die Huldigung. Er hatte damit keine Eile, ganz andere Dinge beschäftigten ihn. Nach Anjou’s Staatsstreich hatte er die Leitung der allgemeinen Regierung, welche er eigentlich seit dem Jahre 1577 immer geführt, auch formell übernommen, während er die Geschäfte seiner drei eigenen Provinzen meistentheils den Staaten überließ und in Friesland sein Neffe Wilhelm Ludwig als sein Lieutenant auftrat. Als die Gefahr einer Belagerung Antwerpens näher rückte, verlegte er mit dem Staatsrath und der Versammlung der Generalstaaten oder besser deren Vertreter, seinen Sitz nach Delft in Holland. Dort arbeitete er an neuen Versuchen eine Einigung mit Anjou und Allianz mit Frankreich aufzurichten, welche er auch nicht fallen ließ, als Anjou, der an Leib und Seele Verdorbene, nach langem Siechthum starb. Denn gleich ergriff er seine Maßregel, ein Anbieten der Landesherrschaft an dessen Bruder, den König Heinrich III. zu veranlassen. Da traf ihn am 10. Juli 1584, als er in Delft nach Tisch die Treppe des Klosters von St. Agatha, wo er seine Residenz hielt, hinunterstieg, die tödtliche Kugel des Balthasar Gérard. Mit den Worten: Mon dieu, ayez pitié de moi et de ton pauvre peuple verschied er auf der Stelle. Er war 51 Jahre alt geworden.
Es ist schwer in wenigen Seiten die zahllosen Wechselfälle dieses reichen Lebens zusammenzufassen, noch schwieriger aber dasselbe richtig zu beurtheilen. Noch immer gilt er den Einen als Vater des Vaterlandes, als hochherziger Vorkämpfer gegen Fremdherrschaft und kirchliche Tyrannei, als Erlöser seines Volks, als Begründer der niederländischen Freiheit, den Anderen als Urbild eines Verräthers, als Verderber seines Landes, der Religion, als Inbegriff von Allem, was schlecht ist. Die Parteien in der niederländischen Republik beriefen sich alle ohne Unterschied auf ihn, und auch jetzt noch nehmen die religiös-politischen [155] Parteien ihn als einen Vorkämpfer ihrer Ideen für sich in Anspruch. Die strengen Calvinisten sehen noch immer in ihm den Erwählten des Herrn, den niederländischen Moses, die Liberalen jeder Richtung dagegen den Vorkämpfer unbedingter Religionsfreiheit und der Einführung von Principien im Staatsleben, welche erst zweihundert Jahre nach seinem Tod zur Geltung kamen. Die eifrigen Katholiken hingegen verfolgen ihn noch immer mit ihrem Haß, ihnen gilt er als der Ruchlose, der zur Befriedigung seiner Herrschbegierde sich nicht scheute die Landeskirche niederzuwerfen, den Landesherrn zu verrathen, die Revolution zu entfesseln. Doch ein Bild wie die katholischen Historiker von ihm gemacht haben, ist ein Zerrbild, ein Phantom. Wir wollen uns hier nicht in den Kampf einmischen. Nur dies Eine sei uns erlaubt zu sagen. W. war ein außerordentlicher Mann, der Außerordentliches geleistet hat, ein Mann, wie Deutschland im sechzehnten Jahrhundert, den einzigen Martin Luther ausgenommen, sonst keinen hervorgebracht hat, ein Mann nicht ohne Fehler, aber ohne Widerrede einer der größten Politiker aller Zeiten und einer der wenigen großen Männer, die nicht allein in der Geschichte sondern auch in den Herzen der Menschen fortleben.
- Es ist nicht möglich die Litteratur über W. zu verzeichnen. Die erste Reihe von Groen van Prinsterer’s Archives de la Maison d’Orange-Nassau und Gachard’s Correspondance de Guillaume le Taciturne enthalten einen beträchtlichen Theil der Briefe und Acten, ohne welches jedes Studium seines Lebens und der niederländischen Revolution unmöglich ist. Doch auch alle sonstigen Quellensammlungen und mehr oder weniger zeitgenössischen historischen Bücher gehören zu den Quellen seiner Lebensgeschichte, welche schon öfters, zuerst im 18. Jahrhundert von Beaufort, nachher von Theodore Juste und zuletzt von Miß Putnam beschrieben worden ist. Aus Schiller haben die Deutschen ihn seit lange kennen gelernt. Motley’s Rise of the Dutch Republic ist wahrscheinlich das beredteste ihm gewidmete Buch. Das neueste ist der dritte Band von Blok, Geschiedenis van het Nederlandsche Volk. Den Deutschen sei namentlich Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation empfohlen. Von den katholischen Historikern hat vielleicht Niemand so unparteiisch über den Verhaßten gesprochen als Strada, Niemand maßloser als Kervyn de Lettenhove. Daß auch ich letzterem in den Documents concernant les relations entre le duc d’Anjou et les Pays-Bas und in meinem Prins Willem I en Frankryk entgegengetreten bin, kann ich nicht verhehlen. Auch in meinem Staat der Vereenigde Nederlanden habe ich versucht Wilhelm, so gerecht, als ich es vermochte, zu schildern.