ADB:Juliane (Gräfin von Nassau-Katzenelnbogen-Dillenburg)

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Artikel „Nassau, Juliana, Gräfin von“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 263–265, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Juliane_(Gr%C3%A4fin_von_Nassau-Katzenelnbogen-Dillenburg)&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 19:25 Uhr UTC)
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Nassau: Juliana, Gräfin von N., Gemahlin Wilhelms des Reichen von Nassau-Katzenellenbogen(-Dillenburg), geb. 15. Februar 1506, † 18. Juni 1580. – Am Vorabende des Julianentages 1506 wurde J. als die Tochter Graf Bothos zu Stolberg und Wernigerode und der Anna, Tochter Graf Philipps von Königstein-Eppenstein, auf Schloß Stolberg geboren und verlebte hier und auf dem nordhoyischen Schlosse Wernigerode ihre frühesten Jugendjahre unter sorgfältiger Aufsicht ihrer gräflichen Eltern und unter den Eindrücken der reformatorischen Bewegung, die in Stolberg sehr früh Eingang fand. Schon von ihrem vierzehnten Lebensjahre an trat an die Stelle des Vaterhauses das ihres Oheims Graf Eberhard von Königstein in der Wetterau. Hier wurde nicht nur das Werk der Erziehung gewissenhaft fortgesetzt, sondern auch die künftige Vermählung der jungen Gräfin ernstlich ins Auge gefaßt. Nachdem schon im Januar 1520 die Eheberedung stattgefunden hatte, erfolgte am 9. Juni 1523 ihre Vermählung mit dem noch nicht 22jährigen Grafen Philipp von Hanau-Münzenberg. Diesem innigen Bunde entsproßten fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, von denen die eine zwei Tage nach dem Ableben des Vaters, der am 28. März 1529 erst 27 Jahre alt, heimging, zur Welt kam. Nachdem J. ein paar Jahre als Wittwe einmüthig mit ihrem jüngeren Schwager Balthasar, der wie sie der Reformation zugethan war, die Verwaltung geführt hatte, trat sie im September 1531 mit dem Grafen Wilhelm von Nassau-Katzenellenbogen in eine zweite Ehe. Wilhelms Bruder Heinrich, Markgraf von Zenetta, hatte denselben auf Töchter aus den fürstlichen Häusern von Kursachsen, Lothringen und Württemberg aufmerksam gemacht. Wenn Graf Wilhelm dennoch die Hanausche Wittwe wählte, die er schon seit über zehn Jahren als Vormund ihres ersten Gemahls kennen gelernt hatte, so ehrt dies beide Theile in gleicher Weise. Und J. hat das in sie gesetzte Vertrauen im höchsten Grade [264] gerechtfertigt. Ihre Aufgabe war durchaus keine kleine. Bekanntlich entwickelte Graf Wilhelm als treuer Anhänger und Pfleger der Reformation eine außerordentliche Thätigkeit in der Gründung von fünf gelehrten Schulen, besonders aber auch einer Bildungsstätte für den höheren Adel auf seinem Schlosse zu Dillenburg, die unter seinem Sohne Johann fortblühte und bei der außerordentlichen Bedeutung, welche das Haus Nassau-Dillenburg für den niederländischen Befreiungskampf gewann, von größter Wichtigkeit wurde. An diesen Aufgaben hatte auch Wilhelms Gemahlin ihren redlichen Antheil, schon als Mittelpunkt eines so außerordentlich großen Hauswesens. Dazu kam die große Zahl ihrer eigenen Kinder. Die Söhne und Töchter erster Ehe wurden in Dillenburg mit erzogen, wo von Graf Wilhelms Kindern erster Ehe noch die Tochter Magdalena, seit 1538 Gemahlin Graf Hermann von Mörs und Neuenahr, lebte. Dazu kamen nun noch zwölf Kinder, fünf Söhne und sieben Töchter, welche J. ihrem Gemahl schenkte und von denen nur eine Tochter in zarter Kindheit starb. Schon dieser Leibessegen ist ein außerordentlicher und als solcher von Zeitgenossen und Nachkommen bewundert worden. Wir erfahren, daß die Gräfin in einem Alter von vierundsiebenzig Jahren gegen einhundertundsechzig unmittelbare Nachkommen erlebte. Am 6. Juni 1559 wurden auf ihrem Schlosse Dillenburg drei ihrer Kinder, ihr zweiter Sohn Graf Johann und ihre Töchter Anna und Elisabeth, zu gleicher Zeit vermählt. Diese drei erfreuten sich wieder einer Nachkommenschaft von 48 Kindern. Aber die Beziehungen der Mutter und Ahnfrau zu einer so großen Schaar von Kindern und Kindeskindern erhielten ihren eigentlichen Werth und hohen Adel doch erst durch die sorgfältige Unterweisung, die sie den ersteren, theilweise auch den letzteren, angedeihen ließ, um ihnen durch Vorbild und Erziehung den Stempel ihres eigenen Wesens aufzudrücken. Aus eingehenden Berichten der Zeitgenossen lernen wir die merkwürdige Gleichförmigkeit der Richtung, der Lebens- und Hausordnung kennen, welche sich durch das mütterliche Vorbild z. B. in dem Haushalt ihrer Töchter Anna, Elisabeth und Juliana zu Weilburg, Braunfels und Rudolstadt verfolgen läßt. Als J. im J. 1559 zum zweiten Male Witwe geworden war, wurde ihre Aufgabe noch eine schwerere. Das Haus, dessen Mittelpunkt sie war, vermehrte sich mehr und mehr. Zu den Kindern kamen Kindeskinder, die hier eine Zufluchts- und Erziehungsstätte suchten, weil die Söhne in den Mühen und Gefahren des niederländischen Befreiungskampfes kein gesichertes Hauswesen führen konnten. Und in noch unmittelbarerer Weise zog sie dieser Kampf in die schwerste Mitleidenschaft: die Haupthelden desselben, ihr ältester nassauischer Sohn Wilhelm der Schweiger, Johann, Ludwig, Adolf und Heinrich waren ja ihre eigenen Söhne. Die drei letzteren mußte sie in den Schlachten von Heiligerlee und auf der Mooker Haide fallen sehen. Die christliche Ergebung und der Muth, womit sie solche Opfer darbrachte, haben ihr schon früh den Ehrennamen einer heroina, einer Geistesheldin eingetragen. In ihren Briefen sehen wir sie selbst einem so kühnen und gefaßten Geiste wie dem Prinzen von Oranien in schwierigen Fällen Muth einflößen. Und da sie bei den verschiedenen verschlungenen Wegen der Politik dieses großen Staatsmannes und den kühnen Unternehmungen desselben allzeit ihr mütterliches Mahnwort vernehmen ließ, daß man nie um eines äußeren irdischen Ziels willen die Wahrheit und das Ewige preisgeben dürfe, so ist sie von holländischer Seite wohl als das Gewissen des Prinzen Wilhelm und seiner Unternehmungen bezeichnet worden. Besonders galt solcher milde aber ernste Zuspruch auch ihrem zweiten Sohne Ludwig, dem Liebling des Hauses, dessen oft überkühnes vorschnelles Wesen, wie beim großen Compromiß, ihr solche Sorge verursachte, daß seinetwegen noch in den letzten Lebenstagen ernste bange Gedanken durch die Seele der Gräfin zogen. Wegen [265] ihrer Frömmigkeit genoß J. die allgemeine Verehrung ihres weiten Familienkreises. Sie wird in den Schriftstücken aus ihrer späteren Lebenszeit wiederholt kurz als die fromme Gräfin bezeichnet. Ihr Christenthum hatte den entschieden kirchlichen Charakter ihrer Zeit und in dem schweren Kampfe der Niederlande sah sie das Ringen ihrer bedrohten Glaubensgenossen wider Rom. In früheren Jahren für die lutherische Lehrform gewonnen, neigte sie später dem reformirten Bekenntnisse zu und gewann Dr. Christoph Pezel, einer der aus Sachsen vertriebenen Theologen, als Seelsorger ihr ganzes Vertrauen. Die Sinnigkeit und Liebenswürdigkeit ihres Wesens tritt am meisten hervor im Briefwechsel mit ihren Brüdern, den Grafen zu Stolberg, von denen einer, Graf Ludwig, dem Prinzen durch Rath und That gar wichtige Dienste geleistet hat. Bei aller Bedeutung, welche J. für das Haus Nassau-Oranien und dessen große Aufgabe gewann, blieb sie doch stets innerhalb der Schranken echter Weiblichkeit. Ihre groß angelegte oder mit den Aufgaben gewachsene Natur gibt sich aber daraus zu erkennen, daß es in den letzten Lebensstunden nicht die kleinen Dinge ihrer unmittelbaren Umgebung, sondern nächst ihrer eigenen Seligkeit die Kämpfe in den Niederlanden und die großen Aufgaben ihres Hauses waren, welche die Sterbende beschäftigten. Nachdem noch zuletzt die Abwesenheit ihres Sohnes Johann in den Niederlanden eine übergroße Last von Geschäften auf ihre Schultern gehäuft hatte, starb J. am 18. Juni 1580 auf dem hochgelegenen Schlosse Dillenburg, wo sie, von manchen Reisen zu ihren zahlreichen Angehörigen abgesehen, fast ein halbes Jahrhundert gelebt und segensreich gewaltet hatte. – Ueber die persönliche Erscheinung Julianes – sie wird wohl einmal als „die schöne Gräfin“ bezeichnet – können wir nichts bestimmtes sagen. Alle von verschiedenen Seiten gemachten Bemühungen, ein Bild von ihr ausfindig zu machen, sind vergeblich gewesen.

Eine gedruckte Biographie Julianens fehlt bis jetzt. Das Vorliegende ist einer größeren handschriftlichen Arbeit entnommen, welche sich außer auf Groen van Prinsterers Archives ou Correspondance inédite de la maison d’Orange-Nassau auf die Archive zu Wernigerode, Stolberg, Ortenberg, Marburg, Wiesbaden und Rudolstadt stützt. Auf Grund des van Prinsterer’schen Werks hat Dr. W. G. Brill in seinen Voorlezingen over de geschiedenis der Nederlanden, Leiden 1868, eerste deel ein Bild Julianens nach ihren Beziehungen zu Wilh. v. Oranien u. dem niederländ. Befreiungskampfe gezeichnet. Für noch weitere Kreise des christl. Volks hat dieses Fräulein van Hogendorp in den Geloofsgetuigen, Galerij van christelyke vrouwen II, 125–140 verarbeitet.