ADB:Stolberg-Wernigerode, Botho III. Graf zu

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Artikel „Stolberg-Wernigerode, Botho III. Graf zu“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 327–329, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stolberg-Wernigerode,_Botho_III._Graf_zu&oldid=- (Version vom 14. Oktober 2024, 15:47 Uhr UTC)
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Stolberg: Botho (der Glückselige), Graf zu St., Sohn Graf Heinrich’s des Aelteren zu Stolberg und seiner ersten Gemahlin Mechthild, Tochter Graf Volrad’s von Mansfeld, geboren als jüngerer Zwillingsbruder Heinrich’s des Jüngeren (s. u. S. 333 ff.) auf Schloß Stolberg am 4.Jan. 1467, † das. am 22.Juni 1538. Einen Teil seiner frühesten Jugendjahre verlebte er in Süddeutschland, wo er am Hofe des Grafen, dann Herzogs Eberhard im Bart von Württemberg, des Bruders seiner Stiefmutter, eine sorgfältige Erziehung genoß. War dieselbe auch vorzugsweise eine ritterlich-höfische und keine gelehrte, so war doch seine Unterweisung in den Elementen des Wissens und der Fertigkeiten eine gute und gründliche. Obwol er im Jahre 1493 übers Meer nach Jerusalem fuhr und in jüngeren Jahren mehreren Fürsten Ritterdienste leistete, so war doch in seinem weiteren Leben sein Sinn weder auf Wallfahrten und beschauliches Leben noch Waffendienst gerichtet. Er entwickelte vielmehr ein großes Geschick für das Praktische und für friedliches Walten und Unterhandeln. Schon ums Jahr 1491/92, d. h. in der frühesten Zeit seiner Wirksamkeit am Harz, erlebte er eine durch das Schuldenwesen gebotene außerordentliche Umwandlung der Verwaltung, in welcher auf einer einheitlichen Leitung der Finanzen durch die Rentmeister der Nachdruck ruhte und studirte, geschulte Beamte in den Vordergrund traten. Für diese neue Einrichtung war Botho’s Wesen wie geschaffen, und ihm gelang es, die Finanzen des Hauses, die zur Zeit seines beschaulichen Vaters in eine verzweifelte Lage gekommen waren, in solche Ordnung zu bringen, daß er in seinen besseren Jahren für bedeutende Erwerbungen Überschüsse hatte, daß er bei den großen Fürsten des Reichs als einer der am besten creditirten Herren galt und daß nach seinem Ableben die Söhne sagen konnten – was damals bei Fürsten und Herren etwas Seltenes war –, ihr Vater habe in seinem ganzen Leben nur Wenige durch Bürgschaften bemüht. Wegen seiner Tüchtigkeit als Wirthschafter und Unterhändler wurde er auch in außerordentlichem Maaße von Kaiser und Reich, weit mehr aber noch von seinen Lehnsherren und größeren Ständen in Anspruch genommen, sowol durch Anleihen als durch Uebertragung von Aemtern und Geschäften. Zuerst geschah dies durch den Herzog Georg von Sachsen, dem er von 1501–1505 als Hauptmann zu Coburg diente, der aber, seine Forderungen als Lehnsherr weiter ausdehnend, als das bisher üblich war, ihn auch zu den Landtagen und zu manchen besonderen Geschäften aufbot. Aber nicht hierin und nicht in den vielen einzelnen Diensten, die der Vielbeschäftigte diesem oder jenem Fürsten leistete, liegt des Grafen geschichtliche Bedeutung, sondern in erster Reihe in dem Verhältniß, das er zu dem größten Prälaten im Reiche, dem Erzbischof und Cardinal Albrecht, einnahm. Vom Jahre 1515 bis an das Ende seines Lebens war er des Cardinals Rath oder Hofmeister für die Stifter Magdeburg und Halberstadt, d. h., er war sein Vertreter oder Verweser in den überaus vielen und bedeutsamen Angelegenheiten, [328] welche dem Cardinal anvertraut waren. Es ist nur an die gesammte reformatorische Bewegung von der Bestellung Tetzel’s an bis zum Jahre 1538 zu erinnern. Der Graf trat hierbei, seiner Natur und auch der seines Herrn entsprechend, meist milde und vermittelnd auf. Er genoß so unbedingt das Vertrauen des Cardinals, daß dieser ihn immer aufs neue mit freundlichen Worten, auch wol durch Geschenke, zum Verbleiben in seiner Stellung nöthigte, während der Graf schon ein paar Jahre nach seiner ersten Bestellung um Enthebung von seinem Amte bat. Da aber sein allzu anhaltender Dienst bei Hofe und dem entsprechend die lange Abwesenheit von seiner Familie, Land und Leuten ihm auf die Dauer zuviel wurde, so bestand er im J. 1524 auf der Entlassung aus seinem ursprünglichen Dienstverhältnisse und beschränkte sich von da ab auf die Stellung eines Rathes von Haus aus.

Hinter seiner anstrengenden Arbeit für den Cardinal Albrecht traten seine Dienste als Rath der Kaiser Maximilian und Karl V. zurück, wenngleich auch diese Anerkennung und Dank in besonderen Verleihungen im J. 1518 und 1521 fanden. Das ehrenvolle Ansinnen Karl’s V., in dem letzteren Jahre die Stelle eines der vier Räthe im Reichsregiment zu Nürnberg anzunehmen, lehnte er ab, nicht ohne gegen seinen Schwager Eberhard zu Königstein offen daran zu erinnern, daß diese arbeitsreiche Stelle eine wenig einträgliche sei.

Da Graf B. in der Person des Kaisers Karl V., Cardinal Albrecht’s und Herzog Georg’s von Sachsen den drei der Reformation gegenüberstehenden Hauptmächten diente, so wird man von vornherein nicht erwarten dürfen, daß unter ihm die Reformation in seinem eigenen Lande aufkommen konnte. Und dennoch, obwol er selbst bis an sein Ende innerhalb der alten Kirche blieb und die Mandate des Kaisers und Herzog Georg’s wider die Reformation in seinem Lande gewissenhaft veröffentlichte, auch noch 1537 den Rath zu Halberstadt aufforderte, die martinischen (lutherischen) Prediger von sich zu thun, so bewahrte ihn sein Gewissen davor, den ihm Anbefohlenen in Glaubenssachen Gewalt anzuthun. Daher fand im Stolbergischen die Reformation sehr frühzeitig Eingang, seine eigenen Söhne und Töchter, sein erster Rath Reiffenstein, der Pfarrer D. Tileman Plathner, seine rechte Hand in Schul- und Kirchensachen, der Rector Johann Spangenberg waren entschiedene Bekenner der Reformation. Sehr schwer wurde er durch die Münzer’sche Bauernbewegung im J. 1525, die ihn persönlich bedrohte, heimgesucht. Er mußte die Artikel der Bürger und Bauern in Stolberg unterschreiben, während in Wernigerode der Rat selbst der Bewegung einen Riegel vorschob. Nach der Unterdrückung des Aufstandes bewies er im allgemeinen Milde und Mäßigung, doch wurde in Stolberg neun Rädelsführern der Proceß gemacht. Die Folgen des Aufstandes waren sehr wichtige, indem der Graf in den Jahren 1525 und 1526 in Verträgen mit einzelnen Klöstern und Stiftern seinen Einfluß als Schutz- und Oberherr in ausgedehnter Weise geltend machte, den von den Stiftern unmittelbar in Verwaltung genommenen Besitz beschränkte und das Aussterben der Convente in Aussicht nahm. Das Kloster Himmelpforten ging sofort ein. Eine eifrige Freundin des Klosterwesens, die sich dem Einfluß der Reformation entschieden verschloß, war Graf Botho’s Gemahlin Anna, geb. Gräfin zu Königstein-Eppstein, die er im Jahre 1500 heimführte. Wegen der stattlichen Mitgift, mehr aber wegen der reichen, von väterlicher und mütterlicher Seite erheiratheten Erbansprüche erwarb sich Graf B. schon früh den Beinamen des Glückseligen. Aber nicht nur Geld und Gut und die Aussicht auf Land und Leute führte seine Gemahlin ins Haus, sie schenkte ihm auch dreizehn Kinder, von denen fünf Söhne und fünf Töchter die Eltern überlebten. Bei der Sorge für die Kinder war die wirtschaftliche Frage die entscheidende. Da er mit seinem Schwager Graf Eberhard von Königstein [329] fast ein gemeinsames Haus bildete, so sorgten sie gemeinsam für das Fortkommen der Söhne und Töchter. Mit Ausnahme Anna’s, der ältesten, welche mit päpstlicher Altersdispensation bereits 12jährig Aebtissin zu Quedlinburg wurde (siehe A. D. B. I, 469), suchte man letztere möglichst früh und vorteilhaft in die Ehe zu bringen, was auch durch Verbindungen mit den Häusern Hanau, Nassau, Leiningen-Westerburg, Regenstein und Henneberg gelang. Von den Söhnen wünschte der Vater eigentlich nur den gewitztesten weltlich zu halten, die anderen suchte er mit soviel geistlichen Pfründen als nur möglich auszustatten und schonte trotz seiner Wirthschaftlichkeit hierbei keine Kosten bei Würdenträgern, Capiteln und besonders in Rom. Auf strenge Erziehung und tüchtiges Lernen hielt der Graf, doch wurden die akademischen Studien wesentlich mit Rücksicht auf die in Aussicht genommenen oder bereits zugesicherten geistlichen Stellungen betrieben.

Bei all seinem wirthschaftlichen Geschick war es dem Grafen nicht vergönnt, sein Erbe ohne eine ansehnliche Schuldenlast den Söhnen zu hinterlassen. Ebenso waren seine überaus großen Bemühungen, den Stammsitz seines Hauses zu vermehren und abzurunden, schließlich nur von geringem Erfolge gekrönt. Am wichtigsten war im J. 1518 die Erwerbung der v. Hoym’schen Besitzungen auf dem Anhaltischen Harze, wo er ansehnliche wirthschaftliche Anlagen machte und den Grund zu der neuen Ansiedelung Bärenrode und dem Dorfe Neudorf legte, auch für Verkehrswege sorgte und hierbei im J. 1521 durch ein kaiserliches Privilegium unterstützt wurde. Den Walkenrieder Klosterhof Schauen brachte er 1530 in seinen Pfandbesitz mit der Aussicht, denselben beim Aufhören des alten Klosterwesens bei der Grafschaft zu behalten.

Von Graf Botho und seiner Gemahlin finden sich um die Wende der Jahre 1537 und 1538 gemalte, anscheinend naturwahre Porträts im herrschaftl. Besitz. Ueber des Grafen Botho Person und Wirksamkeit ist zu vgl. in der gedruckten Literatur: Zeitfuchs, Stolb. Chronik S. 43–51; Stolb. Familienwerk. Magdeb. 1886, S. 537–544 (bis z. J. 1511). Die Familie Plathner 1866, 1874; Manches in der Harzzeitschr., bes. den Bauernkrieg betr.; vgl. auch Seidemann, Neue Mittheil. des Thür.-Sächs. Ver. XIV; Pfitzner, Tileman Platner (1883); Jacobs, Juliana v. Stolberg; über die Magdeb. Hofmeisterstelle Magdeb. Geschichtsblätter 1869. Urkundenbb. Wernigeröd. Klöster. Nur genealogisch sind: Boto (!) Graf zu Stolb., Ahnherr der Fürsten Europas (Jugendarbeit von Delius) und Wendt, Stemma, sistens imperatores, reges cet.