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Artikel „Heinrich VII., deutscher König und Kaiser“ von Karl Robert Wenck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 443–449, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_VII._(Kaiser)&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 00:49 Uhr UTC)
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Band 11 (1880), S. 443–449 (Quelle).
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Heinrich VII., deutscher König und Kaiser, als Graf von Luxemburg und Laroche, Markgraf von Arlon, H. IV. genannt, geb. 1269 (1262?), † 24. Aug. 1313, erstgeborener Sohn Heinrichs III. und Beatrix von Avesnes. Seine Vorfahren, die ihren Stammbaum durch weibliche Bindeglieder bis in die Zeiten Otto’s des Großen zurückverfolgen konnten, hatten nicht so sehr durch Kriegsthaten, als durch glückliche Unterhandlungen die Besitzungen ihres Hauses zu mehren gewußt, ohne daß ihre bescheidene Macht hätte ahnen lassen, welche Rolle die luxemburgische Dynastie durch anderthalb Jahrhunderte in Europa zu spielen berufen war. Die Schlacht von Wöringen (1288) entschied den limburger Erbfolgekrieg zu Ungunsten Heinrichs III. und kostete ihm das Leben. H. IV. führte die Regierung seines Ländchens, dessen Lage an der Grenzscheide zwischen Frankreich und Deutschland in den Kriegen zwischen Philipp dem Schönen, Eduard I. und Adolf von Nassau eine sichere Hand erforderte, mit großem Glück. Von Philipp hatte er den Ritterschlag empfangen, seine Muttersprache war französisch, aber auch das Interesse gegen einen gemeinsamen Feind, den Grafen von Bar, stellte ihn auf Seiten Frankreichs. Doch die Gefahr einer Collision mit seinen deutschen Lehnspflichten suchte er – und das ging nach damaligen Anschauungen ziemlich leicht – zu verhüten. Mehrere Jahre, von 1299–1302, sehen wir H. in eine bedeutungslose Fehde mit der Stadt Trier verwickelt, deren Handel er durch Aufrichtung einer Zollstätte geschädigt hatte. – In Margarethe von Brabant, der Tochter des Siegers von Wöringen, erhielt H. eine treue Gattin, deren kluge Milde alle Geschichtsschreiber preisen. Sie gebar ihm 1296 einen Sohn, Johann, den späteren König von Böhmen. Heinrichs Versuch, seinem zweiten Bruder, Balduin, von Clemens V., dem ersten Papst, der in Frankreich residirte, 1305 das Erzbisthum Mainz auszuwirken, schlug fehl, statt jenes wurde Peter von Aspelt ernannt. Als aber bald darauf der Erzbischof Diether von Trier starb, wurde Balduin, erst 22jährig, durch Wahl des Capitels zu seinem Nachfolger berufen und auf Verwendung des französischen Königs am 10. März 1308 vom Papste bestätigt. Balduin von Trier und Peter von Aspelt, zwei der ausgezeichnetsten Kirchenfürsten des deutschen Mittelalters, haben dann, als Albrecht I. am 1. Mai 1308 durch Mörderhand gefallen war, die Stimmen der Kurfürsten auf H. von Luxemburg gelenkt. Erfolglos bemühte sich Philipp von Frankreich, vorgeblich zur Beförderung des Kreuzzugs, der seit dem Fall von Akkon immer und immer wieder von der Curie geplant wurde, thatsächlich aber im Dienste französischer Weltherrschaftspläne, die deutsche Krone für seinen Bruder Karl von Valois zu erlangen. Clemens V. ließ sich nicht verlocken, ernstlich seinen Einfluß zu Gunsten des französischen Prinzen, der schon mehr als einmal den Fluch der Lächerlichkeit auf sich geladen hatte, bei den Kurfürsten geltend zu machen. Der Kölner Erzbischof, anfangs den französischen Plänen geneigt, dann durch sehr ansehnliche Versprechungen für H. gewonnen, vereinigte schließlich auf ihn auch die Stimmen der weltlichen Kurfürsten, welche noch andere Candidaten ins Auge gefaßt hatten (27. November 1308 Wahl zu Frankfurt). H. soll schon von Albrecht I. als [444] würdig zur Nachfolge im Reiche bezeichnet worden sein. Das allgemeine Urtheil schildert ihn als einen edlen, tapfern, frommen Fürsten, dessen Strenge und Gerechtigkeitsliebe seinem Lande seltene Ruhe und Frieden gewährt hatte. In der Blüthe der Jahre auf den höchsten Thron der Christenheit berufen, jagte er hohen Zielen nach, zu deren Erreichung, wenn sie anders möglich gewesen wäre, ihm politischer Scharfblick und äußere Mittel gebrachen. In Deutschland glücklich, zeigte er durch seinen Römerzug nur, daß nach dem 60jährigen Interregnum eine wirklich eingreifende Herrschaft in Italien nicht mehr herzustellen war. Mit der ganzen Wärme seiner idealen Natur, in welcher die Weltherrschaftspläne der Staufer eine kurze Auferstehung erlebten, erfaßte er den Gedanken, daß die Herstellung friedlicher Zustände in Italien ihm den Weg zur Eroberung des heiligen Landes bahnen sollte. Seine Begeisterung für das Kreuzzugsproject diente ihm bei der Curie zur Empfehlung: die Wahl der Kurfürsten erhielt die päpstliche Bestätigung. Clemens acceptirte ohne Hintergedanken Heinrichs Absicht, nach Italien zu ziehen. Die Kaiserkrone ward ihm zugesagt. Beide Theile hofften, daß der Römerzug die Versöhnung der italienischen Parteien bewirken werde. Daß H. durch übermächtiges Auftreten in Italien den Besitzstand der Kirche schädigen möchte, schien nach den weitgehenden eidlichen Versprechungen, die er geleistet hatte, nicht zu fürchten. Zudem gab sich der Papst, wenigstens eine Zeit lang, dem Glauben hin, ein freundliches Verhältniß zwischen dem deutschen König und künftigen Kaiser und dem Haupte der Guelfen, König Robert von Neapel, dem Lehnsmann der Curie, herbeiführen zu können. Schon 1309 wurde in Avignon über ein Bündniß zwischen H. und Robert verhandelt; durch eheliche Bande zwischen den beiderseitigen Kindern sollte es befestigt werden. Die Höhe der Forderungen Roberts – er verlangte das Königreich Arelat und eine große Summe Geldes – ließen wenigstens damals die Verhandlungen nicht zum Abschluß gelangen. Dennoch verzichtete H. keineswegs auf die Aussicht, der Welt das vollständig neue Schauspiel eines ganz friedlichen Römerzugs zu bieten, und ahnte wol nicht, daß Philipp der Schöne, der schnell bereit war, mit ihm Frieden und Freundschaft zu schließen, im Geheimen jenem Bündniß mit Robert von Neapel entgegenarbeitete. Das Arelat für Frankreich zu gewinnen und H. möglichst lange in Italien festzuhalten, um inzwischen die deutsche Westgrenze nach Osten verschieben zu können, das war das Ziel der französischen Politik. In diesem Sinne beeinflußte Philipp später die Haltung der Curie gegen den deutschen König. – Vor Antritt des Römerzugs hatte H. in Deutschland mancherlei zu ordnen. Das Wichtigste war die Erwerbung Böhmens für seinen Sohn Johann. Sie legte den Grund zur späteren Größe des Hauses. 1307 war nach einer kurzen Regierung Rudolfs von Oesterreich Heinrich von Kärnthen, der Schwager des letzten Premysliden, ein schwacher, unfähiger Fürst, auf den böhmischen Thron erhoben worden. Er zeigte sich den anarchischen Zuständen des Landes nicht gewachsen. Nun richtete die clerikal-aristokratische Partei des Landes ihr Auge auf Johann, den jugendlichen Sohn des deutschen Königs: mit der Hand der Elisabeth, der zweiten Schwester Wenzels III., sollte er Thron und Reich erlangen. Die Bedenken Heinrichs gegen die allzugroße Jugend seines Sohnes wurden niedergeschlagen, die Habsburger von der Bundesgenossenschaft mit Heinrich von Kärnthen durch die gewandten Unterhandlungen des Mainzer Erzbischofs abgezogen und sogar zur Mitwirkung bei der Eroberung des Landes verpflichtet, Heinrich von Kärnthen der Krone verlustig erklärt, jene Vermählung vollzogen und Johann auf dem Reichstag zu Speier am 30. August 1310 mit Böhmen belehnt. Die Einführung des erst 14jährigen Königs überließ H. Peter von Aspelt, dessen staatsmännische Begabung schnelle Erfolge errang. Am 7. Febr. [445] 1311 ward in Prag die Krönung des neuen Königspaares gefeiert. H. war damals längst in Italien, lag doch die Bekämpfung Eberhards von Württemberg, eines ruhelosen Friedensstörers, bei den schwäbischen Städten unter Leitung des Landvogts Konrad von Weinsberg in sicheren Händen. Heinrichs kurze Regierung in Deutschland stützte sich vornehmlich auf die rheinischen Erzbischöfe, durch die er emporgekommen war, denen er in fast verschwenderischer Weise Reichsgut spendete. – Nur mit sehr geringer Mannschaft (etwa 5000 Mann) trat H. im Herbst 1310 den Zug nach Italien an. Durch die westliche Schweiz und über den Mont-Cenis gelangte er in das Land seines Schwagers Amadeus von Savoyen. Von den Kurfürsten begleitete ihn nur sein Bruder, Balduin von Trier, wie denn überhaupt H. nicht mit des Reiches Heerbann nach Italien zog, sondern gleich einem alten Gefolgsherren an der Spitze von Fürsten und Herren, die durch anderes als die Zwecke des Römerzugs, verwandtschaftliche Bande oder bloße Abenteuerlust, an ihn gefesselt waren. Savoyarden, Delphinater, Burgunder, Lothringer, Flandrer, selbst Engländer befanden sich in seinem Heere. – Italien lag in einem Zustande wilder Gährung. Die alte Parteispaltung zwischen Guelfen und Ghibellinen war zu heftig gewesen, als daß sie mit dem Aussterben der Staufer und dem Verzicht ihrer Nachfolger auf die Beherrschung Italiens hätte verschwinden sollen. Trennend wirkte ja nicht blos der Unterschied der Meinungen über den Beruf der Kirche zu weltlicher Herrschaft, alle anderen Gegensätze, von welcher Art immer sie sein mochten, vereinigten sich in diesem Brennpunkt. Das unaufhörliche Fluthen von Stoß und Gegenstoß forderte die energische Zusammenraffung aller Parteikräfte unter einem, unumschränkten Willen, forderte incarnirte Parteihäupter, Tyrannen. Bonifaz VIII. als Erzguelfe hatte eine Reaction gegen die ghibellinischen Tyrannen ins Werk zu setzen gesucht, aber nur ihre Zahl vermehrt. In weiteren Kreisen hatte sich gerade durch sein Pontificat die Anschauung verbreitet, als deren vorzüglichster Träger Dante erscheint, daß die Kirche durch ihre Einmischung in weltliche Angelegenheiten zum Verderben Italiens ihrem eigentlichen Berufe untreu, ein Kaiser als Träger der Idee der Gerechtigkeit dringendes Bedürfniß für das unglückliche Land geworden sei. So erregte die unerwartete Nachricht von Heinrichs Plan eines Römerzugs vielfältigen Jubel bei den Ghibellinen und selbst einsichtige Guelfen sahen Heinrichs Ankunft mit Hoffnungen entgegen. Nicht besseren Erfolg als in Nord- und Mittelitalien hatte die Curie im Süden gehabt: nach 20jährigem Kampf mußte Bonifaz 1303 das Ergebniß der sicilianischen Vesper, die Herrschaft einer aragonischen Dynastie auf der Insel Sicilien, anerkennen. Unter einem ausgezeichneten Fürsten, wie König Friedrich, konnte diese ghibellinische Macht von größter Bedeutung für H. werden. Zunächst freilich suchte H. in idealer Auffassung seiner Stellung Ghibellinen und Guelfen gleichmäßig vor sich zu beugen, die Tyrannen mußten ihre Gewalt niederlegen, Reichsvicare traten an ihre Stelle, die vertriebenen Factionen kehrten in ihre Städte zurück. Der erste größere Erfolg Heinrichs war die friedliche Besetzung des mächtigen Mailand; als er sich hier am 6. Januar 1311 die lombardische Königskrone aufs Haupt setzen ließ, hatten sich Gesandte aus allen Städten Oberitaliens um ihn versammelt. Aber die Ergebenheit der Guelfen war nur eine scheinbare. Keiner haßte ihn mehr als Guido della Torre, sah er doch an seiner Seite Matteo Visconti, seinen alten Gegner, den er einst aus der Herrschaft verdrängt hatte. Die Geldforderungen des Königs an die reiche Stadt und seine Absicht Geiseln mit sich zu führen, riefen einen Aufstand hervor; ihn mußten die della Torre’s mit ihrer Vertreibung büßen, während der schlaue Visconti, der eine zweideutige Rolle gespielt hatte, nach einiger Zeit zum Reichsvicar von Mailand erhoben wurde. In Folge der Unterdrückung der [446] guelfischen Erhebung in der Hauptstadt, die als ein der Partei zugefügtes Unrecht betrachtet wurde, loderte der Aufruhr in Brescia, Cremona und anderwärts empor. Weithin verbreitete der Fall Mailands Schrecken unter den Guelfen. Um so enger schlossen sich die Ghibellinen an den König an und nun übertrug sich unwillkürlich der Parteihaß der Italiener auf das Verfahren des Königs gegen die abtrünnigen Städte. Trotzdem stehen die harte Bestrafung Cremona’s und die Grausamkeiten, welche bei der viermonatlichen Belagerung Brescia’s auch von H. geübt wurden, vereinzelt da. Mit einem stattlichen Heere, dem die Lombarden, besonders Cangrande von Verona, Zuzug leistete, rückte H. vor Brescia, anstatt, wie die Guelfen Toscana’s fürchteten, Dante wünschte und forderte, sogleich gegen die noch ungenügend vorbereiteten Communen Toscana’s zu marschiren. Guelfen von Mailand und Cremona hatten sich nach Brescia geflüchtet, Florenz suchte durch Geldspenden den Widerstand zu verlängern, der grausige Tod, welchen der gefangene Tebaldo Brusciati, das Haupt der Stadt Brescia, auf Befehl Heinrichs erdulden mußte, erbitterte die heldenmüthigen Vertheidiger nur um so mehr, eine Seuche wüthete im Lager des Königs, H. war über den unerwarteten Widerstand und den Verlust seines ritterlichen Bruders Walram tief niedergeschlagen, endlich mußte sich doch die ausgehungerte Stadt unter Vermittelung päpstlicher Legaten ergeben (18. Sept. 1311). Eine Versammlung der Städteboten zu Pavia verlief resultatlos, weil H. im Bewußtsein seiner Schwäche nach dem sicheren Genua zu kommen eilte, das ihm nach glänzendem Empfang die Regierungsgewalt auf 20 Jahre übertrug. Den wirklichen Verhältnissen der Lombardei, wo überall nach Heinrichs Entfernung sofort Abfall und Aufruhr hervortrat, entsprach mehr als jener Städtetag die Einsetzung des Grafen Werner von Homburg zum „obersten Hauptmann des Bundes aller Reichsgetreuen in der Lombardei“. Darin lag ein Verzicht auf den idealen Gedanken der Unparteilichkeit: der guelfischen Liga trat ein ghibellinischer Bund unter Leitung des Königs gegenüber. Wie weit war aber H. noch immer von einer richtigen Erkenntniß seiner Gegner entfernt! König Robert war das natürliche Haupt der Guelfenliga; daß er zögerte, offen ihre Führung zu übernehmen, stammte keineswegs aus Freundschaft für den deutschen König, ihn leitete der Gedanke: je gefährlicher die Lage der Guelfenstädte werde, um so bedingungsloser müßten sie sich ihm in die Arme werfen. Obgleich nun die Beziehungen Roberts mit den Guelfen Toscana’s dem König nicht verborgen bleiben konnten, so gab H. doch die Unterhandlungen wegen des gedachten Ehebündnisses so wenig auf, daß sie nur einmal eine Unterbrechung erlitten, als in Genua die Kunde eintraf von dem offenbar feindseligen Schritte Roberts, der Besetzung Roms durch seinen Bruder Johann; in Pisa und Rom wiederaufgenommen, haben sie noch immer kühnere Forderungen des rücksichtslosen Neapolitaners gezeitigt. Schneller entschied sich der feindliche Gegensatz des wiedererwachten universalen Kaiserthums zu Frankreich. Clemens V. hatte H. zur Abtretung des Arelats an Philipp den Schönen zu bewegen gesucht; so hohen Preises schien die doppelzüngige französische Freundschaft nicht werth. Schon im December 1311 sind die Verhandlungen gescheitert. Die päpstliche Politik aber gerieth nach diesem Mißerfolg aus ihrem anfänglichen Gleichgewicht. – H. verbrachte die Wintermonate bis Mitte Februar in Genua; hier mußte er die Leiche seiner edlen Gemahlin zurücklassen, am 13. December 1311 war sie einer Seuche erlegen. Zu Schiff gelangte H. nach Toscana und erhielt in Pisa neuen Zuzug von deutschen und italienischen Streitkräften, dessen er nur allzusehr bedurfte. Verharrte doch beinahe ganz Toscana im Widerstand, ungeachtet der König schon von Genua aus über Florenz, jetzt in Pisa auch über Lucca, Siena, Parma und Reggio die Reichsacht ausgesprochen hatte, [447] zeigten sich doch selbst im kaisertreuen Pisa Symptome der Unzufriedenheit über des Königs Neigung zu unmittelbarer Ausübung seiner Hoheitsrechte. Ueber Viterbo gelangte H. anfangs Mai 1312 nach Rom, wo sich Orsini’s und Colonna’s, Guelfen und Ghibellinen schon längere Zeit in Straßenkämpfen befehdeten. Mit den Orsini’s im Bunde hielt Johann von Anjou einen großen Theil der Stadt besetzt. Er war nach seiner Erklärung an die Gesandten des heranziehenden Königs von seinem Bruder, Robert von Neapel, beauftragt, Einzug und Krönung Heinrichs nach Kräften zu verhindern. Trotzdem bemächtigte sich H. einiger Quartiere, aber die Engelsburg und die Peterskirche, an deren Besitz ihm vor allem für die Kaiserkrönung gelegen sein mußte, blieb in den Händen der Feinde. Die nochmals aufgenommenen Verhandlungen wegen eines Freundschaftsvertrags zwischen den beiden Königen blieben erfolglos, da Roberts Forderungen, wenn sie aufrichtig gemeint waren, nur darauf hinzielten, den König so schnell wie möglich aus Italien zu entfernen: dann mochte Robert in vertragsmäßiger directer und indirecter Beherrschung Italiens ohne großes Blutvergießen auch die noch selbst gezogenen Grenzen seiner Machtsphäre überspringen. Ebensowenig erreichte H. durch opfervolle Straßenkämpfe und durch die Fürbitte der Cardinäle, welche zu seiner Krönung an Stelle des Papstes erschienen waren. Der Widerstand der letzteren gegen den von H. vorgeschlagenen Ausweg, die Krönung in der Laterankirche vorzunehmen, wich endlich dem gewaltsamen Drucke des römischen Volks: am 29. Juni 1312 empfing H. die Kaiserkrone, freilich unter Umständen, welche ihm die Freude an dieser Ceremonie trüben mußten. Wenige Tage später schloß H. endlich ein Schutz- und Trutzbündniß mit Friedrich von Sicilien, der schon in Genua und Pisa um seine Freundschaft geworben hatte. Die Verlobung einer Tochter Heinrichs mit einem Sohne Friedrichs besiegelte den Vertrag. Aber auch jetzt noch zeigte sich Heinrichs unzerstörbarer Idealismus: die Aussicht auf ein Zusammenwirken mit dem Beherrscher Siciliens ließ ihn inmitten aller Wirren Italiens neue Hoffnung auf dereinstige Wiedereroberung des heiligen Landes fassen, gegen Clemens V. und Philipp von Frankreich sollte der Bund keine Kraft haben! Und doch hatte Philipp der Schöne eben damals den Raub Lyons vollzogen, mit den Feinden Heinrichs in Italien stand er in lebhaftester Verbindung, der Papst aber erließ in diesen Tagen das Gebot eines einjährigen Waffenstillstandes zwischen Kaiser H. und König Robert – ein völlig ungerechtfertigter Eingriff in weltliche Angelegenheiten, um so mehr als König Robert der angreifende Theil gewesen war. H. protestirte, wenn auch in mildester Form, gegen die päpstliche Anmaßung, konnte aber doch den Waffenstillstand acceptiren, da seine nächste Aufgabe die Besiegung der toscanischen Communen war. Die Sommerhitze hatte ihn nach Tivoli vertrieben; von da kehrte er auf wenige Tage nach Rom zurück, um dann Ende August 1312 nach Toscana zu marschiren. Seine Kräfte waren geschwächt, denn kaum einen Monat nach der Kaiserkrönung hatten Herzog Rudolf von Baiern (der erst in Pisa zu ihm gestoßen war) und andre Fürsten ihren Kaiser verlassen und waren in die Heimath zurückgeeilt. Aber mit Hilfe der toscanischen Ghibellinen konnte H. Florenz energisch zu Leibe gehen, und wiewol der weitere Verlauf der Kämpfe nicht immer dem guten Anfang entsprach, fehlte es doch nicht an Uneinigkeit und Schwäche in den Städten der guelfischen Liga. Mangel an Lebensmitteln und Krankheit nöthigten den Kaiser mit Anfang des neuen Jahres ein Lager bei Poggibonsi zu beziehen, bald verließ er jedoch die neue von ihm hier begründete Stadt „Kaisersberg“, um sich fortan in Pisa den Vorbereitungen zu dem großen Schlage gegen Robert von Neapel zu widmen. Seiner doctrinären Neigung nachgebend hatte er diesem als einem Hochverräther in aller Form Rechtens den Proceß gemacht und ihn, der als Graf der Provence dem deutschen Kaiser [448] Vasallenpflicht schuldete, aller Lehen verlustig gesprochen. „Wie die ganze Welt, so gehöre auch das Königreich und die Insel Sicilien dem Kaiser“, hatten seine Rechtskundigen erklärt. Papst Clemens beantwortete das Rechtsverfahren und die Rüstungen Heinrichs gegen Robert mit der Bulle vom 12. Juni 1312: Niemand solle es wagen, das Königreich Neapel anzugreifen, bei Strafe des Bannes! So drohte endlich der lang verschleierte Conflict zwischen Kaiserthum und Papstthum auszubrechen, denn H., der nicht einsah, daß die eigenen Machtfragen der Kirche des Papstes Haltung hinreichend motivirten, sondern in der minderen Freundlichkeit der Curie immer nur den Einfluß seiner Feinde erblickte, trug kein Bedenken das Verbot zu übertreten. Und wie nun der Kaiser zum ersten Mal Ernst zeigte, den guelfischen Hauptfeind zu bekämpfen, da traten ihm alle die Mächte, welche von der Besiegung Roberts Vortheil erwarteten, energisch zur Seite: vor allen Friedrich von Sicilien, der schon im vorigen Jahre zum Reichsadmiral ernannt war und nun nach neuen Vereinbarungen mit H. eine stattliche Flotte gerüstet hatte. Genua und Pisa leisteten entsprechenden Zuzug. Mit Venedig knüpfte der Kaiser engere Beziehungen an. Die Ghibellinen Norditaliens wurden aufgeboten. Balduin war nach Deutschland geeilt, um die dortigen Rüstungen zu betreiben. In zwei Heeressäulen nahten sich die deutschen Streitkräfte den Alpen unter Führung Peters von Mainz und Johanns von Böhmen. Aber König H. glaubte sich ohne sie stark genug und eröffnete anfangs August 1313 den Feldzug. Es sollte nicht zum Zusammenstoß kommen: am 24. August 1313 starb H. nach kurzem Kranksein in dem toscanischen Landstädtchen Buonconvento, zweifellos ein Opfer der Strapazen des Kriegs und des ungewohnten Klimas. In Pisa hat er seine Ruhestätte gefunden, an der wir Deutsche noch heute um das tragische Schicksal dieses edlen Kaisers trauern. Sein plötzlicher Tod am Vorabend großer Ereignisse kam den Gegnern zu erwünscht, versetzte die Ghibellinen Italiens in zu tiefe Betrübniß, als daß nicht sofort die Sage von seiner Vergiftung hätte auftauchen sollen. Die edelsten Geister Italiens, wie Cino von Pistoja und Dante sahen mit ihm ihre Hoffnungen ins Grab sinken und gewiß verdiente seine edle, ideale Persönlichkeit das ihm gespendete Lob. Daß er seinen kaiserlichen Beruf in veraltetem Sinne auffaßte, dem die erwachten Nationalitäten widerstrebten, wird man ihm verzeihen müssen, wie man Dante verziehen hat, daß er den Fremdling herbeirief und gegen seine Vaterstadt anstachelte; man wird die deutschen Kurfürsten, besonders die geistlichen, schelten dürfen, welche in selbstsüchtigem Streben, ein Geschöpf ihrer Laune auf den Thron zu erheben, wieder und wieder kleine Herren zur Königswürde beriefen, die sich in engem Kreise trefflich bewährt hatten, aber doch des weiten und scharfen Blickes für die schwierigen Aufgaben des Reichs ermangelten. Mehr als irgend einer ist H. VII. von der Heiligkeit seines Berufes tief innerlich erfüllt gewesen, ihm glühender ergeben, als wol alle vorher und nachher – ist sein Walten spurlos vorübergegangen? Man lese, mit welch’ leidenschaftlicher Besorgniß König Robert der neuen Königswahl entgegensah, und man wird zugestehen dürfen, daß das Eingreifen der deutschen Macht beitrug zu verhindern, daß sich die Herrschaft der französischen Anjou’s über ganz Italien ausdehnte. Die Anerkennung als Reichsvicare aber, welche mehrere der Tyrannen von H. empfingen, half ihnen den Schritt vom Tyrann-Parteihaupt zum unparteilichen Kleinfürsten zu thun und so in dem Lande der allmählich verschwindenden Guelfen und Ghibellinen friedlichere Zustände herbeizuführen, die von dem höchsten Glanze in Kunst und Wissenschaft verklärt sind. –

Ungewöhnlich reich fließen die Quellen zur Geschichte Heinrichs VII. Ein günstiges Geschick hat uns in Pisa und Turin einen beträchtlichen Theil seiner [449] Kanzlei erhalten. Der Briefwechsel der Stadt Florenz tritt ergänzend ein. Ein merkwürdiges Bilderbuch aus jener Zeit, jetzt im Archiv zu Coblenz, stellt auf 73 Bildern die Geschichte Balduins und Kaiser Heinrichs dar. Vortreffliche Geschichtsschreiber, Zeitgenossen und Augenzeugen, besonders in Italien, schrieben seine Biographie oder die Geschichte seiner Zeit. Von neueren Bearbeitungen nenne ich nur: J. W. Barthold, Der Römerzug König Heinrichs von Lützelburg, 2 Thle., 1830, und J. E. Kopp, König und Kaiser Heinrich und seine Zeit – Gesch. der eidgenöss. Bünde, Bd. IV. 1, 1854. Dazu kommen kleinere Monographien von Dönniges, D. König, Heidemann, Brosien, Thomas, Poehlmann. – Der Verfasser beabsichtigt eine ausführliche Geschichte Heinrichs VII. zu schreiben.