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Artikel „Eichhorn, Karl Friedrich“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 469–481, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eichhorn,_Karl_Friedrich&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 10:09 Uhr UTC)
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Eichhorn: Karl Friedrich E. wurde 20. Novbr. 1781 zu Jena geb., als sein Vater, der berühmte Orientalist Johann Gottfried E., dort Professor war; seine Mutter, wie der Vater aus der Grafschaft Hohenlohe-Oehringen[1] stammend, war die Tochter des fürstlichen Geheimraths v. Müllern zu Künzelsau. 1788 siedelte er mit dem Vater nach Göttingen über. Bis in sein zwölftes Jahr durch Hauslehrer unterrichtet, unter denen der nachherige Professor der orientalischen Sprachen in Marburg Hartmann, ein geborener Nördlinger, war, besuchte er dann vier Jahre lang das Göttinger Gymnasium. Nachdem ihn schon der Chemiker Gmelin am Ende seines Prorectorats am 28. Febr. 1796 in das Matrikelbuch der Universität inscribirt hatte, wurde er unter Justus Friedrich Runde am 8. April 1797 als jetzt die akademischen Studien beginnend eingetragen. Seine ganze vierjährige Universitätszeit brachte E. in Göttingen zu. Die bekannten und berühmten Juristen der Georgia Augusta waren seine Lehrer, vor allem Pütter, Runde, Hugo. Aber auch die Vorlesungen der großen Göttinger Docenten in anderen Fächern, wie die Naturgeschichte Blumenbach’s, Heyne’s philologische, Schlözer’s und Gatterer’s historische Collegien wurden nicht vernachlässigt. Bei allem Fleiß, den er den Lehrgegenständen widmete, betheiligte er sich, eine kräftige heitere Persönlichkeit, an den Freuden des studentischen Lebens und zeichnete sich unter seinen Commilitonen als gewandter Reiter und Fechter aus. Am 18. Septbr. 1801 erwarb er auf Grund der Dissertation „De differentia inter austraegas et arbitros compromissarios“, ein Thema des Reichsprocesses, das er auf Anrathen Runde’s behandelt hatte, die juristische Doctorwürde. Seine Absicht war, sich der akademischen Laufbahn und insbesondere den publicistischen Fächern zu widmen. Zum Zweck praktischer Vorstudien unternahm er, was damals als die beste Vorbereitung für eine Thätigkeit auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts galt, wol als der letzte große Staatsrechtsgelehrte, eine Reise nach den Sitzen der eigentlichen Lebenswirksamkeit des Reichs, nach Wetzlar, Regensburg und Wien. Neben dem Geschäftsgang der Gerichte und Behörden war es ihm darum zu thun, die einflußreichen und bedeutenden Persönlichkeiten kennen zu lernen. Durch die Beziehungen zu Göttingen, dem Mittelpunkte der den Reichsinstitutionen gewidmeten Studien, fand er überall leicht Zutritt. Der größte Theil der gelehrten Reise wurde in Wetzlar und Wien zugebracht; kürzer war der Aufenthalt in Regensburg, da der Reichstag, mehr als je zum Stillstand verurtheilt, abwarten mußte, was die fremden Mächte in der Entschädigungsangelegenheit deutscher Fürsten festzustellen für gut befinden würden. Im Herbst 1803 kehrte E. nach Göttingen zurück und begann seine Thätigkeit als Privatdocent mit Vorlesungen über den Reichsproceß und über Geschichte des deutschen Reiches, denen er im nächsten Winter noch deutsches Staatsrecht anreihte. Neben seinen Lehrern, welche die juristische Facultät bildeten, wirkte damals als Extraordinarius Martin, der Processualist; Privatdocenten waren gleichzeitig mit E. Arnold Heise und der nachherige Tübinger Eduard Schrader. 1804 wurde E. Beisitzer des damals vielbeschäftigten Spruchcollegs. Da sich aber keine Aussichten auf baldige Erlangung einer festen Stellung in Göttingen zeigten, so nahm er Michaelis 1805 einen Ruf als außerordentlicher Professor nach Frankfurt a. O. an. Um dem Bedürfniß der schwachbesetzten Universität abzuhelfen, mußte er sich dazu verstehen, Vorlesungen über alle Theile des Rechtsgebietes, das Criminalrecht ausgenommen, zu halten. Trotzdem ist diese ihn scheinbar seinen Zwecken entfremdende Zeit für seine ganze Zukunft entscheidend geworden. Hier entstand das Werk seines Lebens, die „Teutsche Staats- und Rechtsgeschichte“. Zugleich begründete sich hier sein Verhältniß zum preußischen Staate. Es ist ihm wie Andern ergangen: die Jahre der Noth und des tiefsten Falles gaben seinem Patriotismus für alle Zeit die [470] festeste Richtung. Mit Eifer widmete er sich dem öffentlichen Leben wie den stillen Vorbereitungen für die Wiedererhebung des Vaterlandes. Er wurde Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, ließ sich in jenen von Königsberg aus verbreiteten sittlich-wissenschaftlichen Verein, den Tugendbund, aufnehmen, dessen Hauptkammer zu Frankfurt er als Director leitete, und trat in den Freimaurerorden ein. In die gleiche Zeit fällt seine Verheirathung mit der Tochter des Historikers Chr. Gottl. Heinrich in Jena, des Verfassers des ersten größern aus echten Quellen geschöpften Werkes über deutsche Geschichte, wie Eichhorn’s Rechtsgeschichte ihn nennt.

Durch die Veröffentlichung des ersten Bandes der „Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte“ – seine Vorrede ist vom 13. Mai 1808 unterzeichnet – hatte sich E. seinen Platz in der wissenschaftlichen Welt erobert. Als man im Jahre 1810 die Universität Berlin schuf, that man den glücklichen Griff, Savigny, dem Vertreter des römischen, E. als Vertreter des deutschen Rechtes an die Seite zu stellen. Um zwei Jahre im Alter verschieden, waren sie sich in ihrer Studienzeit einander nicht näher gekommen. Unter den Göttinger Lehrern, die Savigny im Winter 1796 gehört, hatte ihm Pütter, als dessen Schüler sich E. stets bekannte, wenig Achtung abgewonnen; dagegen trafen beide in der Verehrung für Hugo, den Begründer der geschichtlichen Richtung in der Jurisprudenz, zusammen, und der längere Aufenthalt, welchen Savigny im Sommer 1804 zur Benutzung der Bibliothek in Göttingen nahm, mochte die persönliche Bekanntschaft der beiden Männer vermittelt haben. Durch Cabinetsordre vom 4. März 1811 zum Professor in Berlin ernannt, trat E. mit dem zweiten Semester der jungen Universität in deren Lehrkörper ein und bildete mit dem jüngern Biener, Savigny und Th. Schmalz, einem nach Mohl’s Ausdrucke mehr genannten als geachteten Manne, die juristische Facultät, die sich zwei Jahre darauf noch durch Göschen verstärkte. Eichhorn’s Vorlesungen hatten deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht und Lehnrecht, aber außer der nur einmal behandelten Rechtsencyklopädie regelmäßig auch Civilproceß, für den kein anderer Docent vorhanden war, zum Gegenstande. Der zweite Theil der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte war eben erschienen, als der Aufruf König Friedrich Wilhelms III. zu den Waffen erging. Einer der ersten Freiwilligen, die sich meldeten, war K. Fr. E., der Mann in Amt und Würden, der Familienvater, dem eben sein erster Sohn geboren war. Er trat in das 4. kurmärkische Landwehr-Cuirassierregiment, wurde Rittmeister und Schwadronschef und machte mit dem Bülow’schen Corps, dem sein Regiment zugetheilt war, die Schlachten bei Großbeeren (23. Aug.), Dennewitz (6. Sept.) und Leipzig (18. Octbr.) mit. Während der Berliner Winterkatalog die lakonische Anzeige: Lectiones habendas suo loco indicabit brachte, marschirte E. mit der Avantgarde durch Westfalen, Holland und Belgien nach Frankreich und zog im Frühjahr 1814 in Paris ein. Geschmückt mit dem eisernen Kreuz zweiter und dem russischen Wladimirorden vierter Classe kehrte er im Sommer aus dem Felde zurück, voll des fröhlichen Bewußtseins, an dem Großen, was erreicht war, redlich mitgearbeitet zu[WS 1] haben: „Deutschland ist frei“, schrieb er nach dem Leipziger Siege an seine Frau, „und ich habe dafür mitgestritten; in meinen alten Tagen denke ich noch an dem Genuß zu zehren, den mir diese Theilnahme an der gemeinen Sache macht.“

Mit dem Winter 1814 nahm er die akademische Thätigkeit in Berlin wieder auf. Es begann eine Zeit der frischesten geistigen Regsamkeit. Wir wissen es aus dem Munde eines der Zuhörer jener Jahre, mit welcher Hingebung die Jugend die neue Lehre vernahm, daß die Rechtsordnung nicht von vorn herein für alle Zeiten und Völker gleichmäßig noch ein Product [471] der Willkür sei, sondern gleich der Sprache eine Seite der Individualität der Völker darstelle, aus der besonderen Nation entsprieße, mit ihr lebe und sich entwickele. Die innere Gemeinschaft, die Uebereinstimmung der wissenschaftlichen Richtung zwischen ihm und Savigny, der eben in der Schrift „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung“ das Manifest der historischen Rechtsschule veröffentlicht hatte, fand ihren Ausdruck in der „Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft“, deren erstes Heft, im Sommer 1815 ausgegeben, neben dem von Savigny verfaßten Programm „Ueber den Zweck dieser Zeitschrift“ aus Eichhorn’s Feder den Aufsatz: „Ueber das geschichtliche Studium des deutschen Rechts“ brachte. Rüstig ging er ans Werk, die von ihm dort aufgestellten Forderungen an seinem Theile zu erfüllen; gleich das nächste Heft enthielt die erste Hälfte der großen Abhandlung: „Ueber den Ursprung der städtischen Verfassung in Deutschland“, die dann im zweiten Hefte des folgenden Bandes (1816) zu Ende geführt wurde. Die Herausgeber der neuen Zeitschrift hatten die Genugthuung, unter ihren Fahnen sich die altberühmten Namen eines Hugo, eines Niebuhr und die frischesten aufstrebenden Kräfte eines Jakob Grimm, Hasse, Mittermaier sammeln zu sehen. Wie ein Mehlthau fiel auf diese Zeit des Zusammenwirkens an der neuen Universität die Denuntiation, welche die große nationale Bewegung in den Staub zu ziehen und in ihrer Richtung gegen das Vereins- und Verbindungswesen insbesondere den Tugendbund zu verleumden trachtete. E. fühlte sich, zumal ihr Haupturheber ein College, Schmalz, war, der noch dazu für seine Thätigkeit Anerkennung erlangte, tief gekränkt, „und selbst Savigny’s besonnener Antrag auf die strengste gerichtliche Untersuchung vermochte nicht seinen Unmuth zu beschwichtigen“. Als ihm daher im August 1816 die hannoversche Regierung durch seinen Vater eine Professur in Göttingen antragen ließ, war er mit Freuden bereit darauf einzugehen. Den Versuchen, ihn in Berlin zu halten, setzte er die bestimmte Erklärung entgegen, sich auf keine Verhandlungen einlassen zu wollen, und wäre am liebsten sofort zum Herbst nach Göttingen übergesiedelt. Doch ließ sich so rasch die Entlassung nicht erlangen. Den Winter harrte er noch in Berlin aus und hielt während desselben dem Kronprinzen Vorträge über deutsches Recht, wie ihm Savigny solche den Winter zuvor über römisches, preußisches und Strafrecht gehalten hatte. Unterm 3. Dec. 1816 wurde ihm der Abschied auf Ostern zu Theil.

Mit dem Frühlinge 1817 trat er die Göttinger Professur an, zu der ihn die schon am 6. Septbr. 1816 ausgefertigte königliche Ernennung berufen hatte. Die Jahre, die er in Göttingen lehrte, bezeichnen die Zeit seines größten akademischen Ruhmes. Seit dem Tode von Runde (1807) und dem raschen Wegsterben von Pätz (1807) und Göde (1812) im jugendlichen Alter war der Lehrstuhl des deutschen und canonischen Rechts unbesetzt geblieben, und nur vorübergehend hatten die Vertreter der übrigen juristischen Gebiete, unter ihnen allerdings wiederholt kein Geringerer als Heise, die verwaisten Fächer mit übernommen. Die Universität, nach den Freiheitskriegen zahlreich besucht, gewann durch Eichhorn’s Wirksamkeit erhöhten Aufschwung. Von 1815 auf 1816 war die Zuhörerzahl von 860 auf 1005; 1817, als E. kam, auf mehr als 1100 gestiegen. Im Sommer 1825 erreichte sie den höchsten Stand, den die Universität je vor- und nachher zu verzeichnen gehabt hat, nämlich 1545, von denen mehr als die Hälfte – 816 – der juristischen Facultät angehörten. Eichhorn’s Zuhörerschaft betrug nicht selten dreihundert und darüber. Da unter den vorhandenen Auditorien keines ausreichte, so miethete er eine in der nachher sog. Pandektengasse gelegene Scheune und stellte Tische und Bänke hinein. Auch dieser Raum genügte zuweilen dem Bedürfniß nicht, und Zuhörer haben sich wol noch selbst ein [472] Plätzchen in eine Ecke zimmern lassen. Die Gegenstände, über die er las, waren das Staatsrecht der deutschen Bundesstaaten; das Kirchenrecht, das ihm besonders willkommen war, da er es zwar in Frankfurt regelmäßig gelesen, in Berlin aber gegen den Civilproceß hatte vertauschen müssen; das deutsche Privatrecht und die deutsche Geschichte. Unter dem letzteren ständig gebrauchten Namen birgt sich die deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, die diese Bezeichnung wol in Erinnerung an die Göttinger Tradition bewahrt hatte, welcher die deutsche Geschichte als Einleitung in das geltende öffentliche Recht diente. Sein wichtigstes Colleg war das deutsche Privatrecht; während er in den zwölf Jahren seiner Göttinger Professorenthätigkeit Kirchenrecht und die deutsche Geschichte sieben-, das Staatsrecht achtmal gelesen hat, hat er das Privatrecht zwölfmal wiederholt und ihm durchgehends jeden Sommer täglich die Morgenstunden um 6 und um 8, in den letzten Jahren um 8 und um 10 Uhr gewidmet. Die Göttinger Zeit war zugleich die seiner größten schriftstellerischen Fruchtbarkeit. Von der „Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte“ erschienen 1818 der erste und zweite Band in neuer Auflage und 1819 zum erstenmale der dritte. Von allen dreien wurde 1821 eine als dritte Ausgabe bezeichnete neue Auflage veranstaltet. 1823 erschien der vierte, der Schlußband, der noch im selben Jahre in erneuetem Abdrucke ausgegeben werden mußte. Im Laufe des nämlichen Jahres trat er mit seinem zweiten Hauptwerke, der „Einleitung in das deutsche Privatrecht“, hervor, die schon 1825 und 1829 neue Auflagen erlebte. – Im Sommer 1819 wurde von Berlin aus der Versuch gemacht, ihn für den preußischen Staat zurückzugewinnen: die Regierung trug ihm eine Professur an der Universität und eine Stelle in dem neu errichteten obersten Revisionshof für die Rheinprovinz an, von denen jene mit einem Gehalte von 2000, diese von 1000 Thalern dotirt war. E. war nach Göttingen mit einem Gehalte von 1200 Thalern gegangen, wozu eine Entschädigung von 100 Thalern, so lange er nur außerordentliches Mitglied der sog. Honoren- oder Promotionsfacultät war, kam. Mit Heise’s Abgang im Frühjahr 1818 war er zum ordentlichen Mitgliede aufgerückt. Als ihm die hannoversche Regierung durch eine Erhöhung seines Gehaltes auf 1600 Thaler, Beilegung des Hofrathstitels und die gewünschte Befreiung von der Uebernahme des Prorectorats zeigte, welchen Werth sie auf sein Verbleiben legte, lehnte er den Ruf nach Berlin ab. Ein schlimmerer Feind erwuchs seiner Göttinger Wirksamkeit aus seiner wankenden Gesundheit. Die großen Anstrengungen seiner akademischen und litterarischen Thätigkeit, zu denen sich auch Nachwirkungen der Kriegsstrapatzen, die sein kräftiger Körper anfangs ungeschädigt überstanden zu haben schien, gesellt haben mögen, waren nicht ohne nachtheiligen Einfluß auf sein leibliches Wohlbefinden geblieben. Schon im Jahre 1818 litt er monatelang an Ischias. Brustbeschwerden zwangen ihn im Sommer 1824 um einen Urlaub von Ende August bis Ausgang April des nächsten Jahres nachzusuchen, den er zu einem Aufenthalte im südlichen Frankreich und in den Bädern von Nizza benutzte. Da aber eine dauernde Besserung seiner Gesundheit nicht erreicht war, so sah er sich im December 1828 genöthigt, die Regierung um seine Entlassung auf Ostern 1829 zu bitten. Wie sehr man sich auch durch Anerbieten längeren Urlaubes, durch Bereitwilligkeit zu sonst erwünschten Erleichterungen bemühte, einen so ausgezeichneten Lehrer der Göttinger Universität zu erhalten, E. beharrte auf seinem Entschlusse. „Es war wider mein Gefühl“, so begründet er selbst seinen Schritt, „die Vortheile zu beziehen, welche bei dem bloßen Urlaub mir durch mein Amt zufließen würden, während mein Amt unbesetzt bliebe, vielmehr meine Collegen einen Theil meiner Arbeit übernehmen müßten, und es für mich völlig zweifelhaft bleibt, ob ich je wieder durch neugekräftigte Thätigkeit einen Ersatz für das [473] empfangene geben könnte.“ „Ich schmeichele mir zwar noch mit der Hoffnung, meine Gesundheit wieder erlangen zu können, da man diese im achtundvierzigsten Jahre noch nicht gern aufgibt; ich fühle aber zugleich, daß es dazu kein anderes Mittel gibt, als eine nicht bloß auf ein halbes Jahr beschränkte Freiheit von allen Geschäften.“ Unterm 31. Jan. 1829 ertheilte ihm der König die gewünschte Dienstentlassung, nicht ohne die Erklärung hinzuzufügen, daß er eine demnächstige Rückkehr Eichhorn’s nach Göttingen gern sehen würde. Der letzte Dienst, den E. der Universität erwies, war, daß er auf Wunsch des Geh. Cabinetsraths Hoppenstedt, der dem Minister v. Arnswaldt in der Besorgung der Curatorialgeschäfte zur Seite stand, ein ausführliches Gutachten über die Neubesetzung des germanistischen Lehrstuhls erstattete. Unter den älteren Gelehrten, die in Betracht kommen könnten, nannte er Mittermaier, Hasse und Falck; unter den jüngeren Homeyer, Paulsen in Kiel und Albrecht. Von dem letzteren, der sein Nachfolger wurde, bemerkte er, seine vor kurzem erschienene Abhandlung über die Gewere lasse von ihm als Gelehrten und Forscher sehr viel erwarten.

Es war Eichhorn’s Plan, in ländlicher Zurückgezogenheit blos litterarischen Beschäftigungen zu leben. Schon mehrere Jahre zuvor hatte er durch einen Freund seiner Familie, den Freiherrn v. Forstner, Lehrer der Landwirthschaft in Tübingen, den ehemals der Reichsabtei Marchthal gehörigen Ammerhof bei Tübingen erworben und dort wiederholt die Herbstferien zugebracht. Jetzt nahm er hier seinen Wohnsitz, theils sich der Bewirthschaftung seines Gutes widmend, theils gelehrten Studien obliegend, als deren Frucht die „Grundsätze des Kirchenrechts der katholischen und evangelischen Religionspartei in Deutschland“ in zwei Bänden 1831 und 1833 erschienen. 1832 war er soweit wieder hergestellt, daß er sich insbesondere durch Zureden Savigny’s bewegen ließ, aufs neue in öffentliche Thätigkeit zu treten. Er übernahm eine Professur an der Berliner Universität, verbunden mit der Stellung eines Geheimen Legationsrathes im auswärtigen Ministerium. Mit Freude und Begeisterung begrüßten ihn die alten Genossen. „Wie war es doch möglich“, rief ihm Schleiermacher zu, „daß Sie uns verließen, der Sie uns durch gemeinsames Ringen und Kämpfen in den großen Jahren der Erhebung des Vaterlandes so ganz besonders angehörten, so unzertrennlich verbunden schienen. Wohl uns und Ihnen, daß Sie endlich zurückkehren zu uns in unsere specielle Heimath; herzlich heißen wir Sie willkommen, theilen Sie fortan mit uns wie vormals unsere Mühen, unsere Freuden!“ Nur die beiden Jahre 1832 und 1833 währte Eichhorn’ akademischer Nachsommer, während dessen er sich auf Kirchen- und Staatsrecht beschränkte. Dann trat er ausschließlich in den praktischen Beruf über, wurde Mitglied des Geheimen Obertribunals und bekleidete zugleich eine Reihe von Nebenämtern: so war er seit 1838 Mitglied des Staatsraths, seit 1842 der Gesetzgebungscommission und hat in diesen Stellungen bei der Berathung einer Reihe der wichtigsten legislatorischen Arbeiten, unter andern auch des Entwurfes der preußischen Wechselordnung, der für die gemeinrechtliche Gestaltung so einflußreich geworden ist, mitgewirkt. Ein blos nominelles Amt, das er bekleidete, war das eines Spruchmannes beim Bundesschiedsgericht von 1838–46, da diese im Jahre 1834 zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Regierung und Ständen geschaffene Institution niemals in Thätigkeit getreten ist. Kurze Zeit fungirte er als Mitglied des von König Friedrich Wilhelm IV. 1843 errichteten Obercensurgerichts, schon nach Jahresfrist, am 1. April 1844 legte er die Stelle nieder. Seit 1840 hatte sich sein Gesundheitszustand wieder verschlechtert. Nachdem sein Gesuch um Entlassung wiederholt in der theilnehmendsten Weise vom König abschläglich beschieden war, wurde sie ihm endlich im J. 1847 mit dem Rechte, seine Pension im Auslande zu verzehren, gewährt. Schon [474] 1843 zum Oberjustizrath ernannt, mit der Friedensclasse des Ordens pour le mérite gleich bei deren Stiftung im J. 1842 decorirt, erhielt er jetzt mit dem Abschied den rothen Adlerorden zweiter Classe mit Eichenlaub.

Die litterarische Thätigkeit dieser Lebensperiode kann sich mit der vorangehenden nicht messen, wenn sie gleich keine kleine Zahl von Arbeiten aufzuweisen hat. Aber die grundlegenden Werke gehören jener ersten an; diese zweite zählt außer dem schon erwähnten „Kirchenrechte“ eine Reihe von Einzeluntersuchungen, die zum Theil durch praktische Bedürfnisse veranlaßt, zum Theil Ausführungen specieller Punkte der Rechtsgeschichte sind, und Revisionen seiner früheren Werke. Um von diesen zuerst zu sprechen, so wurde das „Deutsche Privatrecht“ 1835 zum vierten, 1845 zum fünften Male neu aufgelegt. Von der „Rechtsgeschichte“ erschien 1834 eine neue, die vierte Bearbeitung. 1842–44 folgte die fünfte verbesserte Ausgabe. Unter den kleineren Schriften sind die ersten die noch in Göttingen verfaßten „Ueber die Allodification der Lehen“ (Göttingen 1828) und ein Rechtsgutachten in dem Bentinck’schen Successionsstreite, im Frühling 1829 geschrieben, später ohne sein Zuthun gedruckt (Heidelberg 1847). Einen dem letztern verwandten Gegenstand betrifft die von wichtigen officiellen Actenstücken begleitete Abhandlung „Ueber die Ehe des Herzogs von Sussex mit Lady Augusta Murray“ (Berlin 1835), der bereits ein nicht veröffentlichtes Rechtsgutachten über dasselbe Thema vorangegangen war. Man weiß noch von andern das deutsche Privatfürstenrecht behandelnden Denkschriften Eichhorn’s, z. B. über das Verhältniß des fürstlichen Hauses Radziwill zu den Fürstenhäusern Deutschlands; es sind aber weder diese noch andere an die Oeffentlichkeit gelangt. Dem Staats- und Bundesrecht gehören an die im Auftrage der preußischen Regierung geschriebenen „Betrachtungen über die Verfassung des deutschen Bundes in Beziehung auf Streitigkeiten der Bundesmitglieder“ (Berlin 1833); in das Kirchenrecht greift ein das Rechtsgutachten „Ueber die Verhältnisse der Domgemeinde in Bremen zum Bremischen Staate“ (Hannover 1831). – Rein wissenschaftlicher Natur sind dagegen die von E. in der Berliner Akademie vorgetragenen Abhandlungen. Alsbald nach seiner Uebersiedlung war er zum Mitgliede gewählt und trat am 5. Juli 1832 zugleich mit Ranke, Dirichlet, Rose und Heinr. Ritter ein. 1833 und 1834 las er über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts, eine Abhandlung, die 1836 in den Schriften der Akademie, nachmals erweitert in der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft Bd. 11 (1842) erschien; 1838 über die technischen Ausdrücke, mit welchen im 13. Jahrhundert die verschiedenen Classen der Freien bezeichnet wurden; 1844 über den Kurverein, Abhandlungen, die 1839 und 1846 zur Veröffentlichung gelangt sind. Er trug außerdem 1835 und 1836 über die Gesetze Karls des Großen nach erlangter Kaiserwürde in drei Abschnitten, 1839 über die Constitutio de expeditione Romana, 1843 eine Untersuchung des Ursprungs der Bestimmung des lübischen Rechts über die der Stadt zustehende Befugniß erblose Güter einzuziehen vor, von denen die beiden ersten nur durch kurze Inhaltsangaben der Monatsberichte der Berliner Akademie bekannt sind, die letztere in der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft Bd. 13 (1846) abgedruckt ist. Diese Zeitschrift hat seinen Namen auf ihrem Titel getragen, solange sie bestand; beigesteuert hat er in den späteren Bänden außer dem ebengenannten Aufsatz, wol dem letzten was er publicirt hat, nur noch die Abhandlung über die ursprüngliche Einrichtung der Provinzialverwaltung im fränkischen Reich (Bd. 8 v. J. 1835). – Solange E. in Göttingen war, betheiligte er sich auch an den Göttinger Gel. Anzeigen, deren Redaction sein Vater von 1813 bis zu seinem Tode führte. Außerdem sind einzelne Recensionen von ihm in der Jenaer allg. Litt.-Ztg. 1804, in der Hallischen allg. Litt.-Ztg. 1815 und 1834, in der Augsburger Allg. Ztg. enthalten. Die Angabe, [475] E. habe ein Drama „Chriemhildens Rache“ verfaßt, beruht auf einer durch die Aehnlichkeit der Vornamen und den Verlagsort Göttingen herbeigeführten Verwechslung mit dem Bd. V. S. 729 erwähnten Mathematiker. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte E. fortwährend kränklich theils auf seinem Landgute, theils bei seinem Sohne Otto E., der früher als Staatsprocurator zu Elberfeld, nachher als Appellationsrath zu Köln wohnte. Bald nachdem er sein Doctorjubiläum gefeiert, zu dem der König von Preußen den Stern des rothen Adlerordens, der König von Hannover das Commandeurkreuz des Guelfenordens verliehen hatten, verkaufte er sein Gut an den König von Würtemberg. Nach wiederholten Schlaganfällen starb er am 4. Juli 1854 zu Köln im Hause seines Sohnes.

Dies so glänzend aufsteigende Leben voll Frische und Energie gewährt in seinem plötzlichen Erlahmen und der lang andauernden Periode des Hinsiechens einen wehmüthigen Anblick; um so erfreulicher wirkt die Betrachtung der wissenschaftlichen Thätigkeit. Mag auch hier das frühe Nachlassen der ursprünglichen Kraft nicht zu verkennen sein, es bleibt ein Leben, der consequenten Durchführung eines großen und neuen Gedankens gewidmet und für seine Anstrengungen durch die tiefgreifendsten Erfolge belohnt.

Um Eichhorn’s Stellung in der Geschichte der geistigen Entwicklung zu erkennen, muß man von der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte ausgehen. Mit Recht heißt er der Vater der deutschen Rechtsgeschichte. Er hat diese Wissenschaft geschaffen, und für ihn selbst bildete sie den Untergrund seiner gesammten Thätigkeit. Alle seine übrigen Arbeiten wurzeln in dieser. Rechtsalterthümer hat es vor E. gegeben, wenngleich nach Methode und Inhalt sehr unzureichende. Deutsche Rechtsgeschichte als solche existirte nicht: man verband sie entweder mit der Geschichte des römischen Rechts oder behandelte nur einzelne Theile derselben, in sehr ungleichmäßiger Auswahl und ohne haltbare wissenschaftliche Methode. Die Geschichte des Privatrechts war ein Tummelplatz von Hypothesen, die des öffentlichen Rechts vorzugsweise eine politische Geschichte, eine Geschichte der äußeren Wandlungen des deutschen Reichs, ohne Rücksicht auf dessen innere Entwicklung noch auf die der Territorien überhaupt. E. war der erste, der das ganze Gebiet des deutschen Rechts nach allen seinen Theilen von den ältest erreichbaren Zeiten bis auf die Gegenwart herab zum Gegenstand geschichtlicher Betrachtung machte. Es war ein kühnes Unternehmen, das Bild des Ganzen nicht blos zu skizziren, sondern auch auszuführen, ohne sich auf Untersuchungen des Einzelnen stützen zu können. Namentlich für den schwierigsten Theil der Aufgabe, die älteren und mittleren Zeiten, mangelte es durchaus an brauchbaren Vorarbeiten. Niemand hat besser als E. erkannt und stärker als er es betont, was der Wissenschaft in solcher Lage vor allem noth thue. Und doch, wer wird es nicht als ein Glück für die Rechtsgeschichte preisen, daß E. den Muth und die Kraft besaß, zugleich die Erforschung und die Darstellung des ganzen Ganges deutscher Rechtsentwicklung auf sich zu nehmen. Was ihm „ane helphe und ane lere“ gelang, war ein Werk aus einem Gusse, wohlgeordnet und in sich zusammenhängend. Es verbindet Staatsgeschichte mit der Rechtsgeschichte; dort die politischen Wandlungen des deutschen Staatskörpers und seiner Theile verfolgend, hier das Staatsrecht des Reichs wie der Territorien, das Kirchenrecht, das bürgerliche Recht, den Proceß und das peinliche Recht darstellend. Wie die Verbindungen und Wechselwirkungen unter den Rechtstheilen blosgelegt werden, so auch die Fäden, die die einzelnen Stufen der Entwicklung mit einander verknüpfen. Synchronistisch ist das Bild des Ganzen in gesonderte Darstellungen großer Zeiträume zerlegt. Klar gegliedert bauen sich nach einander vor uns auf die germanische Zeit, die fränkische Monarchie, [476] das heilige römische Reich deutscher Nation, die Entstehung und Geschichte des deutschen Staatensystems. Dem Jahrtausend, das die beiden ersten Perioden ausmachen, ist Band I zugewiesen; die dritte, die sich in zwei durch das Jahr 1272 geschiedene Zeiträume sondert, füllt die beiden mittleren Bände, die Periode von 1517–1815 den vierten Band. Schon die Oekonomie des Werkes zeigt, welche Absicht seinen Verfasser leitete. Von Anfang seiner Thätigkeit bis zuletzt hat er als sein Ziel das rechte Verständniß, die gründliche Erfassung des geltenden Rechts, soweit es auf nationalen Grundlagen ruht, vor Augen gehabt. In den Dienst dieser Aufgabe stellte er die Rechtsgeschichte: sie sollte die sichere Basis für die Wissenschaft des bestehenden Rechtes bilden. Während die modernen Rechtsgeschichten unserer Vorlesungen und Bücher nach Albrecht’s Ausdruck das Bild eines Kegels gewähren, wächst bei E. das Interesse, je mehr er sich den Zeiten nähert, in welchen die Wurzeln der heutigen Rechtszustände liegen. Allerdings faßt er seine Aufgabe nicht im Sinne eines dürftigen Pragmatismus; um eine ausreichende Grundlage des spätern Rechts ist es ihm zu thun. das rechte Maß gibt ihm sein praktischer Sinn. „Sein Standpunkt ist überall in der frischen Gegenwart“, hat einer seiner Schüler von ihm gesagt, „er schaut rückwärts, um dadurch für die Gegenwart zu lernen.“ Er treibt nicht Rechtsgeschichte um ihrer selbst willen, und bestimmt grenzt er seinen Standpunkt gegenüber dem der Rechtsalterthümer ab. Aber andererseits ist ihm die geschichtliche Betrachtung der Rechtsinstitute nicht ein bloßes Beiwerk, ein geistreicher Schmuck, eine Methode, die ebenso gut durch eine andere ersetzt werden könnte, sondern, da das heutige Recht nur das Product einer vielhundertjährigen Entwicklung, das letzte Glied in der Kette der Erscheinungen ist, eine Sache der Nothwendigkeit. Die Verbindung von Geschichte und Recht und die Verwendung der Geschichte für das Recht war nichts absolut neues. Die Göttinger Publicistenschule des vorigen Jahrhunderts, Pütter an ihrer Spitze, hatte schon ähnliches, wenigstens auf einem Rechtsgebiete versucht. Und unverkennbar knüpft E. an Pütter, seinen Lehrer, an. Aber welcher Unterschied besteht zwischen einer Benutzung der deutschen Geschichte zu dem Zweck, die noch bestehenden Reichsinstitutionen zu erklären und vorkommende Rechtsstreitigkeiten gründlich entscheiden zu können, und einer Erforschung der deutschen Geschichte, um daraus den eigenthümlichen fortwirkenden Geist des deutschen Rechts zu erkennen! Ein zweiter, geistreicherer Mann, auf den E. sich stützt, ist Justus Möser. Einzig und wenig verstanden steht er nach Eichhorn’s Bezeichnung unter den Erforschern der deutschen Einrichtungen da. E. hat mit ihm gemein die pietätvolle Versenkung in den Geist der Vorzeit, das Streben ihn zu verstehen und ihm gerecht zu werden, wo die älteren Schriftsteller mit fröhlicher Ironie selbstbewußt auf die barbarischen Zustände herabsehen; ebenso auch die Aufmerksamkeit auf die innern Vorgänge des deutschen Lebens, die Entwicklung, die sich z. B. in den Grundbesitzverhältnissen, der ständischen Gliederung vollzieht, während die Vorgänger nur für die Kämpfe des Kaiserthumes mit der Kirche und den Fürsten ein Auge haben. Unzweifelhaft hat Möser aber auch einen nachtheiligen Einfluß auf E. ausgeübt. Erst allmählich hat er sich von den kühnen Phantasien des osnabrückischen Geschichtsschreibers freigemacht und die Erkenntniß der ältesten Rechts- und Verfassungsverhältnisse aus den gleichzeitigen Quellen geschöpft. Darin beruht das weitere große Verdienst Eichhorn’s, die Geschichte unmittelbar aus den echten Quellen dargestellt zu haben. Es ist bezeichnend, wie er, der den praktischen Zweck der Rechtsgeschichte so stark betonte, diesen doch nur in rechter Wissenschaftlichkeit und Gründlichkeit zu erreichen für möglich erachtet. Die Geschichte des Rechts „quellenmäßig und wahr“ bearbeitet zu haben, dies redliche Bestreben nimmt er für sich in Anspruch. Er berücksichtigt Rechts- und Geschichtsquellen neben [477] einander, mit ruhiger und besonnener Kritik sucht er in ihr Verständniß einzudringen und sie mit einander in Zusammenhang zu setzen. Ohne zu modernisiren oder dem Stoff eine ihm fremde Construction aufzuzwängen geht er zu Werke. In vollster Objectivität, ohne persönliche Zwischenrede, ohne Zeichen der Sympathie oder Antipathie des Verfassers ist die Darstellung gehalten, selbst da, wo sie Zeiten und Zustände berührt, an denen er selbst unmittelbaren Antheil sei es in Schmerz sei es in Freude genommen hat. Nicht daß er urtheilslos den Ereignissen, die er zu erzählen hat, gegenüberstände. Sein gut protestantischer Glaube, sein deutscher Sinn, seine Verehrung für Preußen verleugnen sich nicht. Aber gerecht und leidenschaftslos wägt er ab und läßt sein Urtheil mehr durch die Zusammenstellung der herben Thatsachen als durch Worte zum Ausdruck kommen.

Zur gerechten Würdigung Eichhorn’s darf man endlich nicht vergessen, in welcher Zeit sein Werk entstand. Die „Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte“ war nicht eine litterarische Unternehmung wie andere mehr. Es war die Zeit der französischen Gewaltherrschaft, der Unterdrückung alles nationalen Lebens, als er den Blick auf das nationale Recht richtete. Er war nicht so wol von dem Gedanken geleitet, in der Beschäftigung mit der großen glücklichen Vergangenheit des deutschen Volkes einen Trost gegenüber der unerfreulichen Gegenwart zu finden; sein praktisch-geschichtlicher Sinn lenkte zur Vorzeit zurück, um die Gegenwart und ihre Rechtsgestaltung gründlich und richtig durch Vergleichung zu verstehen. Als eines der nationalen Besitzthümer grub er das verschüttete Recht wieder auf wie Andere in jener Zeit die Sprache, die Litteratur, die Geschichte. Das verachtete und verkannte, bestenfalls als eine ergötzliche Antiquität behandelte Recht brachte er wieder zu Ehren und wirkte an seinem Theile zur Wiedererhebung der Nation mit, noch ehe er das Schwert zu ihrer Befreiung in die Hand nahm.

Seiner Thätigkeit, der schriftstellerischen wie der Lehrthätigkeit, ward der großartigste Erfolg zu Theil. In Göttingen erneuerten sich jene Tage des 18. Jahrhunderts, da die Jugend der Nation zu den Füßen seiner Rechtslehrer saß. „Sein lebendiger schneller Vortrag hatte etwas ungemein Anregendes, Ergreifendes; überall führte er auf die Quellen zurück und zwang gleichsam seine Zuhörer zu ihrem Studium“, so schildert einer seiner Schüler seine Lehrweise, die von einem „schönen Vortrage“ wenig an sich gehabt habe. „Die einfache, offene, unmittelbare Darlegung der behandelten Sache fesselte und führte Schaaren seiner Zuhörer zu einer dauernden, ernsten Beschäftigung mit den von ihm behandelten Gegenständen.“ In die Wissenschaft wie in die Praxis trugen die Schüler seine Lehre hinaus. Sein Buch, wie die rasch einander folgenden Auflagen beweisen, verbreitete sich in weiten Kreisen ungeachtet seines Umfanges und einer Darstellung, der sich zwar Reinheit, aber in keiner Weise Durchsichtigkeit und Gefälligkeit der Sprache nachrühmen läßt. Die germanistischen Docenten und Schriftsteller der nächsten Generation waren fast alle seine Zuhörer. Es genüge die Namen Rogge, Gaupp, Homeyer, Albrecht, Kraut, K. v. Richthofen, H. A. Zachariae zu nennen. Sie und andere unternahmen die Arbeiten, die er als die wünschenswerthesten für die Ausbildung des deutschen Rechts in jenem Aufsatze über das Studium des deutschen Rechts bezeichnet hatte. Die Erforschung und Ausbeutung der unerschöpflichen deutschen Rechtsquellen, die Monographieen über deutsche Rechtsinstitute, die Herausgabe der mittelalterlichen Rechtsbücher, die Specialrechtsgeschichten einzelner Länder und Städte, alle diese Erscheinungen der germanistischen Wissenschaft der nächsten Jahrzehnte, einer litterarischen Strömung, die selbst die Nachbarländer Deutschlands ergriff, gehen auf seine Anregung zurück. An den Universitäten bürgerte sich die deutsche Rechtsgeschichte als ein Bestandtheil des juristischen Cursus ein. In den Kreisen [478] der Geschäftsmänner und Praktiker verbreiteten seine Vorträge und Schriften eine umfassende und gründliche Kenntniß dieser Disciplin, umfassender und gründlicher als es z. B. heutzutage der Fall ist. Dazu mußte allerdings ein geschlossenes Ganzes, ein systematischer Aufbau, wie er E. gelungen war, sich besser eigenen, als die Forschung, die nach ihm kam und zunächst die einzelnen Stücke und Steine, daraus er seinen Bau gezimmert, auf ihre Zuverlässigkeit und Haltbarkeit zu prüfen die Aufgabe hatte.

Die Mängel des Eichhorn’schen Werkes hängen größtentheiles mit seinen Vorzügen eng zusammen. Wer das Ganze der deutschen Rechtsgeschichte unter Dach und Fach bringen wollte, durfte sich weder bei einer zu sehr ins Einzelne gehenden Prüfung der Materialien auf ihre Solidität noch bei der zierlichen Detailbehandlung der Werkstücke aufhalten. Er mußte kräftig zugreifen und auf sein Ziel losarbeiten. Sollte in den weitschichtigen, mannigfaltigen und undurchforschten Stoff Zusammenhang kommen und die Herstellung fester, greifbarer Gestalten gelingen, so mußten Combinationen gewagt, Hypothesen zu Hülfe genommen werden. Es kann nicht auffallen, daß neben allem, was dem historischen Sinn durch Intuition geglückt ist, auf diesem Wege Ergebnisse gewonnen wurden, welche die nachfolgende kritische Forschung nicht zu bestätigen vermochte. Nicht selten haben gerade die durch den glänzendsten Scharfsinn gestützten Combinationen, welche lange Zeit alle Welt blendeten, vor einer nüchternen Erfassung der Quellenzeugnisse aufgegeben werden müssen. – Wer Großes wie E. wollte, mußte sich beschränken. Allgemeine deutsche Rechtsgeschichte zu schreiben, war seine Absicht. Ein solcher Plan war einer doppelten Gefahr ausgesetzt, und E. ist keiner von beiden entgangen. Er hat particuläre Erscheinungen übersehen, auch wo sich in ihnen, wie so oft im deutschen Recht, dessen bedeutsamste Züge bargen, und als Zeugniß des gemeinen Rechts verwandt, was nur als particuläre Quelle seiner Zeit gedient hat. Die Scheidung der deutschen Rechtsbildung nach den Stammesgegensätzen kommt nicht in der gebührenden Weise zur Geltung: ein Mangel, der zum Theil durch das unzureichend benutzte Material verschuldet ist. Die Gattung von Quellen, welche uns das geübte Recht vor Augen führen, findet bei ihm nicht die Beachtung, welche die Ueberlieferungen des gesetzten Rechts erfahren. Doch darf man nicht vergessen, daß die Urkunden, auf deren Publication und übersichtliche Zusammenstellung er wiederholt gedrungen hat, zur Zeit, als er sein Buch schrieb, größtentheils ungenügend veröffentlicht waren.

Man hat zu den Mängeln des Eichhorn’schen Werkes auch wol den gezählt, zu stabil geblieben zu sein, anstatt mit der fortschreitenden Wissenschaft sich zu verjüngen. E. hat allerdings an seinem Buche fortwährend gebessert und im J. 1834 nach einem erneuten Studium der Volksrechte, Capitularien und Formeln eine durchgreifende Umarbeitung der älteren Rechtsgeschichte vorgelegt. So entschieden darin ein Abstreifen früherer Mängel lag, so datirt doch gerade von dieser Zeit das Erwachen der Opposition. Hatte er bisher nur gegenüber Mitarbeitern auf demselben Gebiete sein Feld abgrenzen müssen, so spricht die Vorrede zur fünften Auflage schon von „Gegnern sehr verschiedener Art“ und nimmt ihnen gegenüber Stellung. Nachdem E. Jahrzehnte lang die Wissenschaft fast unbedingt beherrscht und die jüngere Generation sich darauf beschränkt hatte, die Lücken auszufüllen, die er gelassen hatte, waren allmählich der durch ihn selbst großgezogenen Forschung die Mängel und Fehler klar geworden, die der Arbeit des Meisters anhafteten. Man erkannte immer deutlicher, daß es nicht genüge, Einzelnheiten zu berichtigen, sondern daß Grundansichten aufgegeben werden mußten. Die Gefolgschaft erwies sich nicht als das treibende Element, das die Stammesverbindungen der deutschen Völker, die Entstehung des Königthums und das Lehnswesen hervorbrachte; die Resultate jener vielbewunderten, [479] von C. Balbo ins Italienische übersetzten Abhandlung, die den Ursprung der deutschen Städteverfassung in römischen Einrichtungen fand, wurden glänzend widerlegt; das Privatrecht des deutschen Mittelalters stellte sich nicht als das einheitliche aus dem Sachsenspiegel erkennbare Recht dar, wie E. angenommen hatte. Daß sich E. zu diesen und anderen Ergebnissen der neuern Forschung ablehnend verhielt, erklärt sich doch nur zum kleinen Theil daraus, daß seine Arbeitskraft so früh gebrochen war. Die Hauptsache lag wol darin, daß ein Eingehen auf die Ansichten der Gegner den Entschluß zu einem völligen Umbau seines Werkes bedeutet hätte. Aber wenn auch sein Buch, lange Zeit der Mittelpunkt der rechtsgeschichtlichen Studien, jetzt zu einem großen Theile nur noch die Bedeutung des litterärgeschichtlichen Ausgangspunktes hat, so darf nicht vergessen werden, daß er die Bahn gebrochen und die richtige Methode gezeigt, daß er über viele Punkte der Rechtsentwicklung uns dauernd ins Klare gesetzt hat und, wie groß auch die Zahl der hervorragenden Kräfte ist, die sich der von ihm geschaffenen Wissenschaft zugewandt haben, von keinem seiner Nachfolger in der geistigen Durchdringung des gesammten Stoffes erreicht worden ist.

Von der rechtsgeschichtlichen Arbeit ging E. an die Darstellung der Theorie des heutigen Rechts. Die Methode konnte für ihn keine andere sein als die historische. Der ihm nächstliegende Gegenstand war das deutsche Privatrecht, das er bereits achtzehnmal in Vorlesungen behandelt hatte, als er sich zur schriftstellerischen Bearbeitung anschickte. Bis dahin hatten J. F. Runde’s Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts die Lehre wie die Praxis beherrscht; für viele war das siebenmal in den J. 1791–1823 neuaufgelegte Buch die einzige Quelle, aus der sie die Kenntniß dieser Disciplin schöpften. Mag auch E. selbst, wie er es liebte, den Gegensatz zu seinem Lehrer mehr verdeckt als hervorgehoben haben, sein Werk ist ein entschiedener Protest gegen das Verfahren des Vorgängers, der, um aus den deutschen Particularrechten, den wichtigsten Erscheinungsformen des deutschen Privatrechts, das gemeine deutsche Recht zu erkennen, die Natur der Sache zu Hülfe nimmt; denn er ermittelt nicht auf philosophischem Wege, was ein angebliches Naturrecht an Rechtsnormen über ein Lebensverhältniß ausgebildet hat und erklärt das Ergebniß für anwendbares gemeines Recht, sondern er sucht die rechtliche Idee auf historischem Wege zu erforschen und durch die Vergleichung der Particularrechte zu bestimmen, was als wesentlich oder gemeinrechtlich, was als zufällig oder particularrechtlich zu behandeln sei. Hat sich diese Methode nach Eichhorn’s Vorgang immer mehr Geltung verschafft, so ist ihm auch die Vertiefung der deutschen Privatrechtswissenschaft zu danken, die durch die gründliche Bearbeitung wichtiger deutscher Particularrechte gewonnen ist. In der Erkenntniß, daß die deutschen Particularrechte nicht isolirte Erscheinungen, sondern Erzeugnisse des einheitlichen rechtbildenden Geistes seien, hat er immer und immer wieder dazu aufgefordert, diese zu bearbeiten, und wenn er selbst auch nur die Anfänge eines Erfolges gesehen hat, so darf doch die nachmalige Blüthe dieses Zweiges rechtswissenschaftlicher Thätigkeit auf seine Anregung zurückgeführt werden.

Der zweite Gegenstand, an dem E. sein Programm, die in der Rechtsgeschichte erlangten Resultate für die praktische Theorie des geltenden Rechts zu verwerthen, durchführte, war das Kirchenrecht. Mochte er anfangs selbst die Disciplin mit Hinweisung auf G. L. Böhmer’s Buch vorgetragen haben, so richteten sich seine „Grundsätze des Kirchenrechts der katholischen und evangelischen Religionspartei“ mit voller Bestimmtheit gegen die von jenem und in dem vielgebrauchten Wiese’schen Lehrbuche befolgte naturrechtliche Methode und ermittelten aus den Quellen die kirchenrechtlichen Normen. Namentlich fällt das als Eichhorn’s Verdienst ins Gewicht, die Wissenschaft des evangelischen [480] Kirchenrechts auf den Boden der Geschichte zurückgeführt zu haben. Obschon E. dies Buch in weit größerer Muße als die übrigen, die größtentheils unter dem Drang der akademischen Geschäfte entstanden waren, ausgearbeitet hatte und es selbst für sein reifstes Werk hielt, so hat es doch keinen seinen Vorgängern gleichen Beifall gefunden, was vorzugsweise seinen Grund in dem Erscheinen nach dem Abschluß seiner lebhaftem Lehrwirksamkeit haben mag; denn wenn seine Bücher auch nicht als Compendien dienen konnten, so sollten sie doch als Hand- und Hülfsbücher beim Unterricht benutzt werden und sind auch so benutzt worden.

Für das dritte der von ihm vertretenen dogmatischen Fächer hat E. kein systematisches Werk hinterlassen. Von seiner Art und Weise, das Staatsrecht zu behandeln, geben die seinen Zuhörern in Göttingen und Berlin mitgetheilten Grundrisse und ein aus den Nachschriften seines Collegs unberechtigt hergestelltes Buch von E. de Schwartzkopf. Exposé du droit public de l’Allemagne (Genève 1821) einen ungefähren Begriff. Unter den neuern Systemen des Staatsrechts nähert sich das Werk H. A. Zachariae’s, der seine Methode wesentlich durch E. bestimmt nennt, am meisten dem Eichhorn’s. Das Aufgeben seines ursprünglichen Vorhabens ein deutsches Staatsrecht zu schreiben, wie anderer litterarischer Pläne hat er selbst aus seinem leidenden Körperzustand erklärt oder auch wol mit dem Hinweis auf die Verheimlichung wichtiger Quellen wie der Bundestagsprotokolle gerechtfertigt. Die Unzulänglichkeit des historischen Materials, mit dem er zu arbeiten gewohnt war und das ihm nicht blos durch die Kurzsichtigkeit der Regierungen vorenthalten wurde, sondern vornehmlich in Folge der Unfertigkeit des neuen politischen Lebens der deutschen Bundesstaaten fehlen mußte, mag leicht den Hauptantheil an dem Verzicht haben. Recht bezeichnend nannte er das deutsche Staatsrecht eine Wissenschaft, die fast von neuem geschaffen werden mußte. „Die gegenwärtigen Verhältnisse“, schrieb er im J. 1829, „machen es sehr schwierig, sich eine genauere praktische Kenntniß des Staatsrechts zu verschaffen, wozu sonst bei den Reichsgerichten so treffliche Gelegenheit war; auch gehört zum Vortrag des Staatsrechts weit mehr Umsicht und zweckmäßige Verbindung des Historischen und Philosophischen der einzelnen Lehren; daher der große Mangel an Publicisten, welche diesen Namen wirklich verdienen.“ Es wird daraus erklärlich, daß die in seinen Vorlesungen nachgeschriebenen Hefte eine stärkere doctrinär-philosophische Färbung zeigen, als man erwarten sollte, wie ja auch Pütter in seinen staatsrechtlichen Arbeiten neben dem historischen Element das rationell-systematische sehr erheblich mitwirken läßt. Die kleinen Schriften zeigen E. als scharfsinnigen und gewandten Juristen; besonders gelungen sind die aus dem Gebiete des Privatfürstenrechts, in dem er den strengen Grundsätzen seines „verewigten großen Lehrers“ folgt. Wo sich die Erörterung politischer Fragen in den Abhandlungen und Gutachten nicht vermeiden läßt, will er doch nicht von dem Standpunkt des Skepticismus abweichen, der dem Privatmann für die Erörterungen dieser Art allein zieme. Am eingehendsten hat er seine Stellung zu den die Zeit bewegenden staatsrechtlichen Problemen in den Schlußparagraphen seiner Rechtsgeschichte bezeichnet. Lebenserfahrung und Studium hatten ihn zu einem Anhänger der streng conservativen Richtung gemacht. Er verkennt nicht die Reformbedürftigkeit der Rechtszustände; aber die populären Wege der Umgestaltung haben seinen Beifall durchaus nicht. Die modernen Verfassungen und Volksvertretungen, die Justizreformen verwirft er; leider ist der Plan, seine eigenen Ansichten über Landstände, über Geschwornengerichte zu entwickeln, unausgeführt geblieben. Nur unter äußerster Schonung aller wohlerworbenen Rechte sollen Aenderungen des Bestehenden zugelassen werden. Die Gesetzgebung über Aufhebung bäuerlicher Lasten fand deshalb [481] schon aus formellen Gründen nicht seine Zustimmung. Dem unbegüterten Adel kann er keine Berechtigung für die Gegenwart zugestehen; für eine politische Stellung desselben verlangt er unveräußerlichen Grundbesitz und befürwortet eine darauf abzielende Umwandlung der Lehen. Wie er über die Fragen der nationalen Reform dachte, läßt sich schwer erkennen. Innerhalb des deutschen Bundes betonte er streng den völkerrechtlichen Charakter und verfocht den Standpunkt der preußischen Regierung, wonach die Bundesjustiz zwar zur Entscheidung von Rechts-, nicht aber von Interessestreitigkeiten competent sein sollte, eine Unterscheidung, die wenig Beifall finden konnte und in einer besonderen Schrift von Jarcke widerlegt wurde. Eine Natur wie die seinige mußte durch die politischen Stürme des J. 1848 und der folgenden aufs tiefste verstimmt werden; noch mehr als zuvor zog er sich vom Leben zurück. Die unwiderrufliche Verbindung zwischen Herrscher und Volk, welche, von Hohen und Niedern gleich innig empfunden, allein vermag, Unterthanen zu einem Volk und einen Fürsten zum Souverän zu erheben, war ihm die Grundfeste des preußischen Staates. Ihre Lockerung führte den Sturz des J. 1806 herbei, wie die Vereinigung zwischen Regierung und Unterthanen in der Stunde der Entscheidung, in welcher sich kund gab, daß der Beherrscher des preußischen Staats einem Volk gebiete, die Erhebung des J. 1813 bewirkte. Daß von Preußen die Zukunft Deutschlands abhänge und seine politische Wiedergeburt ausgehen müsse, sprach er gegen ihm Nahestehende oft und mit der größten Entschiedenheit aus.

K. v. Richthofen, Köln. Ztg. Juli 1854 (wiederholt in der Krit. Ueberschau, II. 321–330); ders., Staatswörterbuch von Bluntschli und Brater, III. 237–266. Reyscher, Zeitschr. f. deutsches Recht, Bd. XV. 436–454. R. v. Mohl, Zur Gesch. und Litt. der Staatswiss., II. 593–602. H. A. Zachariae in Göttinger Professoren (Gotha 1872) S. 121 ff. Roth, Die rechtsgeschichtlichen Forschungen seit Eichhorn in Zeitschr. f. Rechtsgesch. Bd. I. Rudorff, v. Savigny, das. Bd. II., S. 27. Homeyer, Monatsber. der Berl. Akad. 1850. S. 303 ff. Brunner, Preuß. Jahrb., Bd. 36 (1875) S. 22 ff. Acten des Göttinger Universitätscuratoriums.[2]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 469. Z. 3 v. o.: „Oehringen“ ist zu streichen. [Bd. 12, S. 795]
  2. S. 481. Z. 22 v. u.: Vgl. Karl Friedrich v. Eichhorn. Sein Leben und Wirken nach seinen Aufzeichnungen, Briefen, Mittheilungen von Angehörigen, Schriften beschrieben von Dr. Joh. Friedr. v. Schulte. Stuttgart 1884. [Bd. 20, S. 747]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zn