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Artikel „Homeyer, Carl Gustav“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 44–53, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Homeyer,_Carl_Gustav&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 09:27 Uhr UTC)
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Homeyer: Carl Gustav H., wurde am 13. Aug. 1795 zu Wolgast in Neu-Vorpommern, das damals noch schwedisch war, geboren. Sein Vater Johann Friedrich H., aus einem ehedem in Hildesheim ansässigen Geschlechte stammend, war ein angesehener, wohlhabender Kaufmann und Schiffsrheder, seine Mutter die Tochter des Archidiaconus Droysen zu Wolgast. Der Sohn besuchte die Stadtschule unter Rector Nitz, bis der Vater beim Herannahen der französischen Invasion im November 1806 mit der Familie nach Schweden flüchtete, zuerst in Ystad, dann in Stockholm wohnte, endlich in Gothenburg bis 1815 dauernden Aufenthalt nahm. Der junge H. kehrte schon 1810 nach Deutschland zurück, lebte bei einem Verwandten, dem Bibliothekar und Professor Friedrich Rühs, zuerst in Greifswald, dann in Berlin, wohin dieser als Professor der Geschichte an der neubegründeten Universität 1811 berufen wurde. Bis Anfang 1813 besuchte H. das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium und ließ sich dann als studiosus juris immatriculiren. Dem Aufruf des Königs zu den Waffen zu folgen, der Lehrer und Lernende der jungen Hochschule entführte, hinderte ihn der Befehl des Vaters zur Rückkehr nach Gothenburg. Vom Herbst 1813 ab verweilte er fünf Semester in Berlin, juristischen und historischen Studien unter Savigny und Eichhorn, Göschen und Rühs ergeben. Ostern 1816 suchte er Göttingen auf und hörte hier Hugo, Heise und Meister. Nach Jahresfrist siedelte er nach Heidelberg über; Vorlesungen bei Thibaut, Welcker, Gensler wurden begonnen, aber vor Ende des Semesters riefen ihn häusliche Verhältnisse, namentlich andauernde Krankheit seines Vaters († 1818), in die Heimath zurück. Zum zweiten Mal in Berlin immatriculirt, diente er vom April 1818 bis dahin 1819 als Freiwilliger bei den Gardepionieren und bestand im Sommer 1819 sein juristisches Doctorexamen vor der Berliner Facultät. Die Pflege des auf der Reise erkrankten Oheims Rühs rief ihn aus den Vorbereitungen zur Promotion nach Florenz. Nachdem er ihn († am 1. Februar 1820) zu Livorno bestattet, warf ihn selbst das Uebermaß von Anstrengungen, denen er sich unterzogen, auf das Krankenlager, während dessen er im Hause des bekannten Kunsthistorikers v. Rumohr in Florenz sorgsame Pflege fand. Längere Erholung in der pommerschen Heimath förderte ihn soweit, daß er im Sommer 1821 seine Dissertation „Historiae juris Pomeranici capita quaedam“ vorlegen konnte. Nach stattgehabter Disputation, zu deren Opponenten ein junger Studiosus aus Lüneburg, Kraut, gehörte, auf den ihn Savigny aufmerksam gemacht hatte, wurde er am 28. Juli 1821 promovirt. Gleichzeitig erwies er dem Oheim Rühs den letzten Liebesdienst, indem er dessen nachgelassene Schrift: „Ausführliche Erörterung [45] der zehn ersten Kapitel der Schrift des Tacitus über Deutschland“ (Berlin 1821) in die Oeffentlichkeit brachte. Schon in seinen letzten Studienjahren hatte H. das Ziel akademischer Thätigkeit ins Auge gefaßt und war, wie er selbst bekennt, besonders durch Savigny auf das Studium des deutschen Rechts und seiner Quellen hingewiesen. Noch im Jahre seiner Promotion habilitirte er sich in Berlin als Privatdocent bei der juristischen Facultät und begann im Januar 1822 mit einer Vorlesung über Wechselrecht seine Thätigkeit. Da an Eichhorn’s Stelle, der 1817 Berlin mit Göttingen vertauscht hatte, kein Germanist berufen war, boten Homeyer’s Vorlesungen eine erwünschte Ergänzung des Lehrplans. Am 3. November 1824 wurde er zum außerordentlichen, am 20. Mai 1827 zum ordentlichen Professor ernannt und blieb sein ganzes Leben der Berliner Universität getreu. Seit dem 18. September 1823 war er mit Pauline Stenzler, Tochter des Superintendenten zu Wolgast, verheirathet. 1845 übernahm er neben seiner Professur das Amt eines außerordentlichen Mitgliedes des Obertribunals, 1850 trat er in die Akademie der Wissenschaften, 1854 in das Herrenhaus ein. Damit sind die Daten seines äußeren Lebens erschöpft. Im Gegensatz zu den bewegten Jugendjahren zeichnete ein ruhiger Entwicklungsgang Mannes- und Greisenalter aus. Um so reicher war dies einfach verlaufende Leben an innerer und in sich zusammenhängender, von Stufe zu Stufe fortschreitender und sich selbst übertreffender fruchtbarer Arbeit.

Seine erste wissenschaftliche Thätigkeit galt Aufgaben, für die ihm durch Heimath und Herkunft das Interesse nahe gelegt war. Seine Doctordissertation, Bruchstück eines umfänglichen, auf eine pommersche Rechtsgeschichte gerichteten Planes, hat das Verdienst, eine Quelle des 16. Jahrhunderts, den sogenannten wendisch-rügianischen Landgebrauch des Mathäus von Norman, fürstlichen Landvogts auf Rügen, welchen die landläufige Ansicht für ein Zeugniß slavischen Rechts nahm, als Aufzeichnung des in der juristischen Praxis und Gewohnheit der Insel lebenden deutschen Rechts nachgewiesen zu haben. Als in den Jahren 1822 und 1823 von dem Kopenhagener Professor, Kolderup-Rosenvinge, ein Grundriß der dänischen Rechtsgeschichte erschien, unternahm H. eine Uebersetzung und Bearbeitung des trefflichen dänischen Buches für das germanistische Publikum, das von dem hohen Werth des skandinavischen Rechts für die Geschichte des deutschen damals wie später mehr sprach als wußte. Die Schrift, 1825 erschienen, zeigt nicht nur, wie sehr ihr Verfasser, der von früh auf neben der deutschen skandinavische Sprache und Litteratur kannte, zu solch vermittelnder Thätigkeit geeignet war, sondern auch, wie tief und selbständig er in die Rechtsquellen beider Nationen einzudringen und die Resultate seiner rechtsvergleichenden Studien bündig und geschmackvoll darzulegen vermochte. Von diesen Anfängen aus schritt er alsbald zu der Arbeit fort, welche das Werk seines Lebens, der Mittelpunkt seiner Thätigkeit, die Grundlage seines wissenschaftlichen Ruhmes werden sollte. In der Absicht, für exegetische Vorlesungen eine brauchbare Handausgabe zu liefern, veranstaltete er 1827 eine Edition des Sachsenspiegels, die erste seit nahezu hundert Jahren, die erste vollendete nach manchen vergeblichen Versuchen der Zwischenzeit, zuletzt noch Cropps in Lübeck (s. oben IV. S. 610); ein deutliches Zeichen, wie sehr den neuerwachten Studien des deutschen Rechts eine Beschäftigung mit seinen lautersten Quellen Bedürfniß war. Und hatte die historische Rechtsschule auf dem Felde des römischen Rechts das Glück, gleich in den Anfängen ihres Wirkens die Commentarien des Gaius wieder aufzufinden, so war es auf dem Gebiet der germanistischen Studien eine kaum geringer zu schätzende Gunst des Schicksals, daß eine Reihe der wichtigsten unter sich zusammenhängenden Quellen in einer mustergültigen Form der Benutzung zugänglich gemacht und damit so gut wie wiedergeboren wurden. Denn [46] die Herausgabe des Sachsenspiegels im J. 1827 wurde der Anstoß für die weitere Thätigkeit ihres Urhebers wie für die anderer. Eine wissenschaftliche Natur wie die Homeyer’s vermochte auch die Aufgabe, Lehrzwecken von bescheidenem Umfange zu dienen, nur in rechter Gründlichkeit zu verfolgen, während sein allezeit bewährtes praktisches Geschick ihn davor bewahrte, den Rahmen einer handlichen Ausgabe zu überschreiten. Er bricht mit der Methode der Vorgänger, die nur einen oder einige Texte des Sachsenspiegels herausgreifen und abdrucken, und sucht statt dessen in engem Raume die charakteristischen Entwicklungsformen des Rechtsbuches zur Anschauung zu bringen. Neben einem vorzüglichen Grundtext, den ihm eine schon lange berühmte Berliner Handschrift von 1369 lieferte, gibt er Varianten aus 17 anderen Texten, läßt durch die Druckeinrichtung den Unterschied von ursprünglichen Bestandtheilen und Zusätzen hervortreten, macht den Inhalt durch Paragrapheneintheilung und Artikelüberschriften übersichtlich und erleichtert das Verständniß durch ein ausführliches Register und in der Einleitung niedergelegte Winke über den Sprachgebrauch. Die Arbeit hatte das Glück einen Beurtheiler, einzig in seiner Art, zu finden. F. A. Nietzsche, Secretär des Oberappellationsgerichts zu Dresden, seit langer Zeit H. unbewußt mit Vorarbeiten für eine Sachsenspiegelausgabe auf breitester Grundlage beschäftigt, leitete eine Besprechung der Homeyerschen Edition in der Hallischen Allgemeinen Literaturzeitung (December 1827 Nr. 294–297) durch ein umfassendes Verzeichniß der Handschriften und Ausgaben und eine daran geknüpfte Genealogie der Texte des Sachsenspiegels ein, prüfte an dem aus diesem Material gewonnenen Maßstabe Homeyer’s Verfahren und zollte ihm die vollste Anerkennung, wenn er auch für eine die ganze Entwicklung des Rechtsbuches darlegende wissenschaftliche Ausgabe Wahl eines anderen Grundtextes und Benutzung eines größeren handschriftlichen Apparats befürwortete. Die Anzeige vermittelte eine litterarische Verbindung zwischen H. und Nietzsche. Sie verabredeten die gemeinsame Publication eines „Die Rechtsquellen des Mittelalters“ umfassenden Werkes, in welchem Nietzsche das Landrecht des Sachsenspiegels, Homeyer das Lehnrecht und den Richtsteig übernehmen sollte. Als der gewonnene Verleger wegen Mangels an Subscribenten zurücktrat, wurde eine Verbindung mit den Monumenta Germaniae historica zu Stande gebracht, welche nun ihr Programm auf eine Veröffentlichung der Rechtsbücher und Stadtrechte erweiterten. Mit dem Tode Nietzsche’s im J. 1833 fiel der ganze Plan zusammen, aber die Aufgabe, eine Ausgabe der sächsischen Rechtsbücher, würdig ihrer selbst und ebenbürtig den Anstrengungen, welche den Quellen des römischen Rechts von Juristen und Philologen seit langer Zeit gewidmet wurden, zu veranstalten, sah H. nach wie vor als seine Verpflichtung an. Die Beihülfe, die ihm dazu durch den Erwerb des Nietzsche’schen Nachlasses ward, war keine erhebliche. Als sich daher im J. 1835 die Nothwendigkeit einer zweiten Ausgabe des Sachsenspiegels herausstellte, konnte er noch nicht so weit über die Grenze des bisher Erreichten hinausgehen, als er für wissenschaftlich geboten hielt; aber doch immer wesentliche Vorzüge gegen früher bieten. Die Zahl der verglichenen Texte war auf 24 gestiegen, die ausführlich in der Einleitung beschrieben werden, die Gliederung derselben im Anschluß an die von Nietzsche aufgestellte Classification gegeben, den für die Geschichte des Rechtsbuches so wichtigen Vorreden eine eigene Abhandlung gewidmet. Dazu kamen die Anführung von Parallelstellen aus anderen Rechtsquellen und Litteraturangaben zu jedem Artikel des Sachsenspiegels, Auszüge aus der Glosse, eine Concordanz mit dem Schwabenspiegel und dem Rechtsbuch nach Distinctionen, die Erweiterung des Registers zu einem index verborum et rerum: alles Arbeiten, ebenso unscheinbar und mühsam als fruchtbar für das Verständniß und die Brauchbarkeit des Rechtsbuches. Schon ein Jahr später ließ H. ein „Verzeichniß [47] deutscher Rechtsbücher des Mittelalters und ihrer Handschriften“ folgen und unter der Hand verbreiten, das neben seinem allgemeinen Zweck einer Uebersicht über das gesammte, dem Verfasser bekannt gewordene Rechtsbüchermaterial den speciellen einer Vorbereitung für ein größeres Sachsenspiegelwerk verfolgt, diesen stets festgehaltenen Plan, für den er durch die so angeregte Aufmerksamkeit der Mitforscher eine möglichste Vollständigkeit zu erreichen hoffte. Die größere, durch die umfassenden Vorarbeiten nöthig gewordene Pause der Herausgeberthätigkeit, die jetzt eintrat, gestattet es, auf Homeyer’s übrige Wirksamkeit einen Blick, zum Theil vorausgreifender Art, zu werfen. Seine Vorlesungen wechselten regelmäßig zwischen deutscher Rechtsgeschichte im Sommer und deutschem Privatrecht im Winter, bis er seit Ende der dreißiger Jahre das Verhältniß umkehrte. Neben jene trat anfangs noch als ein selbständiges Colleg das Lehnrecht, seit 1830 wurde es mit dem Privatrecht verbunden; ebenso erging es dem neben dem Privatrecht bis Winter 1835/36 vorgetragenen Handelsrecht. Nur Wechselrecht hat er nachher noch als eigenes Colleg behandelt. Seit dem Winter 1828/29 bis 1844/45 gehörte zu seinen Vorlesungen auch preußisches Landrecht. Zu kleinern, öffentlichen Vorträgen wählte er: deutsches Gerichtswesen, Seerecht, Wechselrecht, Ständerecht, Bauernrecht, Landstände (1839/40, 1845/46), Sachsenspiegel. Als im J. 1827 unter Hegel’s Auspicien die „Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik“ ins Leben gerufen wurden, finden wir unter den hervorragenden, ihre Redaction bildenden Männern auch H., und da die Zeitschrift, wie er selbst sagt, der rechtsgeschichtlichen Richtung freien Ausdruck gestattete, so hat er während der Jahre 1827–1834 zu ihren fleißigsten Mitarbeitern gezählt. Rasch folgt sein Bericht der neuen litterarischen Erscheinung, kurz und bündig oder eingehend und ausführlich je nach Maß und Bedeutung der zu besprechenden Schrift. Die verschiedensten Theile des germanistischen Rechtsgebiets bieten ihm Stoff, neben gemeinrechtlichen provinzialrechtliche Werke, wie die von Kamptz, Temme, Bornemann über preußisches Recht, von Reyscher über altwürtembergische Statutarrechte; deutsche und skandinavische; Quellenarbeiten und Editionen von Gaupp, Weiske, Bunge, v. Freyberg; Schriften dogmatischer und rechtshistorischer Art; auch in das rein historische Gebiet wird wol einmal hinübergegangen, wie in der Anzeige der beiden ersten Bände von Pfister’s Geschichte der Deutschen, mit welchen sich die große Heeren-Ukert’sche Sammlung 1829 und 1830 eröffnete. Noch heute wird man die Mehrzahl dieser gedankenreichen Recensionen mit Interesse und mit Nutzen lesen. Regelmäßig geben sie nicht blos Bericht über die einzelne Erscheinung, sondern zeichnen den Verlauf der litterarischen Entwickelung und den Platz, den die neue Schrift darin einzunehmen befähigt ist, oder der Referent schöpft aus dem reichen Schatze seiner eigenen Forschungen, um das Gebotene zu vervollständigen oder zu berichtigen; es genügt daran zu erinnern, daß manche Errungenschaften der neueren germanistischen Wissenschaft hier zuerst vorgetragen worden sind, wie der Unterschied der beiden durch „Jahre“ und durch „Tage“ bezeichneten Alterstermine des deutschen Rechts, der Gegensatz in der Theorie der beiden Schwerter, welche der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel vertreten. Es geht durch diese Berichte etwas von der Freudigkeit einer jungen Wissenschaft; neue Mitarbeiter, wie Wilda, Bunge werden willkommen geheißen; man ist glücklich in dem Zusammenwirken, weist auf nothwendige Arbeiten hin, ist bereit dies oder jenes Feld dem Mitstrebenden zu überlassen. Nichts von der kühlen Vornehmheit anderer Zeiten, noch von ihrer „einschläfernden Condescendenz“. Die Bereitwilligkeit zur Anerkennung des Großen und Bedeutenden erhält ihren Werth durch die freimüthige Kritik des Mangelhaften und Schwächlichen, das sich über Verdienst Ansehen erworben hat. Grimm’s Rechtsalterthümer werden in einer ausführlichen Anzeige (1830 Nr. 65–70) [48] ebenso freudig als das neue Gestirn, das den Studien des deutschen Rechts aufgegangen, begrüßt als eine eingehende Darlegung (1828 Nr. 91–94) die Schattenseiten der Mittermaier’schen Grundsätze des deutschen Privatrechts streng und genau aufdeckt. Im Bereich neuer Quellenausgaben wird ebenso sehr gegen die gemächlichen umsichtlosen, als gegen die breitspurigen Editionen Front gemacht und immer wieder auf die Nothwendigkeit hingewiesen, Veröffentlichungen von Quellen und über Quellen so zu gestalten, daß das noch unzugängliche Publikum für diese Studien gewonnen werde. – Mit dem Beginn der vierziger Jahre waren Homeyer’s Vorarbeiten so weit gediehen, daß er mit der Fortsetzung seiner Ausgaben der sächsischen Rechtsbücher hervortreten konnte. Der Sachsenspiegeledition von 1835 war der Nebentitel „Des Sachsenspiegels erster Theil“ gegeben; jetzt folgten unter der Bezeichnung „Des Sachsenspiegels zweiter Theil nebst den verwandten Rechtsbüchern“ im J. 1842: Band I mit dem sächsischen Lehnrecht und dem Richtsteig Lehnrechts, im J. 1844: Band II mit dem Auctor vetus de beneficiis, dem Görlitzer Rechtsbuch und dem System des Lehnrechts, jeder Band mehr als 600 Seiten stark. Hier war es auf Ausgaben von abschließendem, erschöpfendem Charakter abgesehen und bald einigten sich die Urtheilsfähigen in dem Anerkenntniß, daß dies Ziel nicht blos erreicht, sondern in einer mustergültigen Form auch für die Zukunft verwirklicht war. Ueber hundert Handschriften und Drucke des Lehnrechts waren classificirt, sechzig bei Herstellung der Ausgabe verwerthet; als Grundtext war wiederum die durch Vollständigkeit und Correctheit ausgezeichnete Berliner Handschrift von 1369 benutzt, ihr aber noch als hochdeutscher Nebentext der der Quedlinburgensis beigegeben. Den Ausgaben war jedesmal eine Geschichte des Rechtsbuches vorangeschickt und der Inhalt der sächsischen Rechtsbücher sammt den zu seiner Aufhellung dienlichen Urkunden am Schlusse des zweiten Bandes (S. 261–640) zu einer eingehenden systematischen Darstellung des Lehnrechts derart benutzt, daß man sie, die eigentlich nur einen Ersatz für das dem Landrecht beigegebene alphabetische Inhaltsverzeichniß liefern wollte, wol als die vollkommenste Arbeit über ein mittelalterliches Rechtsinstitut bezeichnen darf, welche unsere Litteratur besitzt. Ist dem sächsischen Lehnrecht neuerdings einmal nachgerühmt worden, daß es an Fülle und Klarheit des Inhalts, wie an Schönheit der Darstellung es mit jeder anderen Rechtsaufzeichnung aufzunehmen vermöge (Sohm), so hat dieser würdigste Gegenstand auch die seiner würdigste Bearbeitung gefunden. Die einem verwitternden Rechtsinstitut zugewandte Mühe hatte H. die Muße des besten Mannesalters gekostet. Die Freunde hatten wol geklagt, die Arbeit entziehe ihn zu sehr den Interessen der Gegenwart, den juristischen Zeitfragen, in die der Germanist vor allem einzugreifen berufen sei. Wenn er solche Stimmen auf den bedeutsamen Gegenstand seiner Thätigkeit, der selbst ein Glied von der größten Wichtigkeit in dem Entwickelungsgange der deutschen Nation und ihres Rechts bilde, oder auf seine akademischen Vorträge verwies, die ihn genugsam zu den Forderungen des Rechts der Gegenwart hinüberführten, so muß ihn doch selbst dies Wirken nicht vollauf befriedigt haben gegenüber dem Wunsche, das schöne und erfolgreiche Streben so mancher Freunde zu theilen, die nie unterbrochene, aber in unseren Tagen neu belebte nationelle und gemeinsame Entwickelung unseres Rechts zu fördern und zu leiten. Ungeachtet der drohenden Arbeitslast übernahm er daher im J. 1845 die Stelle eines Mitglieds des Obertribunals, und hatte er sich schon seit 1828 an der Spruchthätigkeit der Berliner juristischen Facultät lebhaft betheiligt, so weisen die Entscheidungen des höchsten preußischen Gerichtshofes eine große Reihe von Urtheilen, die von ihm ausgearbeitet sind, auf. Nach dem Zeugniß Kundiger fallen von den in Band 13–53 der Entscheidungen des königlichen Obertribunals (1847–65) veröffentlichten Erkenntnissen etwa 70 auf H. Die befürchtete Hemmung [49] der wissenschaftlichen Thätigkeit blieb nicht aus. Als er am 4. Juli 1850 seine Antrittsrede als Mitglied der Akademie hielt, konnte er als Publikation der letzten vier Jahre nur seinen Antheil an den oberstrichterlichen Entscheidungen bezeichnen. Wenn ihn damals Trendelenburg als einen Genossen begrüßte, der aus dem Verständniß der deutschen Sprache und deutschen Geschichte das deutsche Recht aufhelle, dem nationalen und sittlichen Sinne der Rechtsordnungen nachspüre und gleich seinem Vorgänger Karl Friedrich Eichhorn die Gegenwart des Rechts mit seiner Geschichte und die Geschichte des Rechts mit seiner Gegenwart zu beleuchten bemüht sei, so hat H. darin weit mehr als eine Anerkennung für die Vergangenheit eine Aufforderung für die Zukunft erblickt. Er wurde eines der fleißigsten Mitglieder der Akademie. Seine Mittheilungen in den Monatsberichten wie seine Abhandlungen sind Zierden ihrer Schriften wie der deutschen Rechtswissenschaft. Daß ihm aber die Fortführung der alten Pläne vor allem am Herzen lag, zeigt zunächst die neue, jetzt dem Buchhandel übergebene Gestalt des Verzeichnisses der „Deutschen Rechtsbücher des Mittelalters“ (1856), die er seit 1836 fortwährend vervollständigt und berichtigt hatte, so daß nun fast 300 Handschriften mehr als früher beschrieben werden konnten. Schon das folgende Jahr brachte den „Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis“ (1857). Eine Ausgabe, zu der er sich seit 30 Jahren gerüstet hatte, schließt sie einerseits ab und ist andererseits bei allem Reichthum übersichtlich und handlich geblieben. Mit dem glücklichem Takt, der ihn so oft geleitet, hatte er schon damals die Handschrift, eine Berliner von 1382, ausfindig gemacht, die er jetzt als Grundtext festhalten konnte; gegen 70 Handschriften waren classificirt, über 60 zu einer streng und knapp gehaltenen Variantensammlung benutzt; ein obersächsischer Nebentext ist einer Oschatzer Handschrift ebenfalls von 1382 entnommen. Unter den in der reichhaltigen Einleitung erörterten Gegenständen tritt die mit sichtlicher Liebe behandelte Person des Autors, des märkischen Ritters Johann v. Buch, hervor. Dem von Beigaben aus verwandten processualischen Arbeiten begleiteten Texte folgt eine Darstellung des Gerichtswesens auf Grund des Richtsteiges, in der besonders ausführlich die in der Litteratur der letzten Zeit verhandelten auf das deutsche Beweisverfahren bezüglichen Fragen zur Sprache kommen. Es stand endlich noch aus, das Hauptwerk des ganzen Rechtskreises, von dem er einst ausgegangen, einer abschließenden Bearbeitung zu unterziehen, wie sie den übrigen Gliedern von seiner Hand im Laufe der Jahre zu Theil geworden war. Zur Vorbereitung dessen erschien 1859 in den Abhandlungen der Akademie: „Die Genealogie der Handschriften des Sachsenspiegels“, welche gegen 180 Texte in drei Classen und deren Unterabtheilungen gliedert und damit Licht und Ordnung in die kaum übersehbare Masse bringt. 1861 trat die darauf gegründete dritte umgearbeitete Ausgabe „Des Sachsenspiegels erster Theil oder das Sächsische Landrecht“ an die Oeffentlichkeit. Wol durfte er zufrieden auf eine endlich an ihr Ziel gelangte Thätigkeit zurückblicken, der es gelungen das unvergleichliche Denkmal in größerer Reinheit und Fülle vor die Augen zu stellen. Welcher Fortschritt gegen die früheren beiden Ausgaben gemacht war, zeigen die 59 vollständig, die 60 in beschränktem Maße benutzten Texte, die in den Summarien zur Berücksichtigung gekommene neuere Litteratur, die Bereicherung des Glossars, die Vermehrung der Glossenauszüge und der aus den Bildern zum Sachsenspiegel geschöpften Erläuterungen, ganz besonders aber die Erweiterung der Einleitung; denn nicht nur, daß eine Uebersicht über die lateinischen Uebersetzungen des Sachsenspiegels, ein Verzeichniß seiner Drucke und der ihm verwandten Rechtsdenkmäler aufgenommen ist, sondern jetzt zum erstenmale ist, gleichwie in den Einleitungen zum sächsischen Lehnrechte und den Richtsteigen, eine Geschichte des Rechtsbuches gegeben, in der alle die zahlreichen, den Sachsenspiegel betreffenden geschichtlichen [50] Fragen, wie Entstehungszeit, Verfasser, Heimath, Sprache, Beziehung zur sächsischen Weltchronik, zu einer sachlich ausgiebigen und doch formell knappen Erörterung kommen. Mit einer nahezu gleichzeitig ausgegebenen akademischen Abhandlung: „Die Extravaganten des Sachsenspiegels“ (1861), welche die in einigen Handschriften vorkommenden, dem Texte ferner liegenden Zuthaten sammelt und mit sacherläuternden Bemerkungen begleitet, durfte das Sachsenspiegelwerk als beschlossen angesehen werden. Denn wenn auch eine große Zahl der akademischen Abhandlungen H.’s demselben Rechtsdenkmal gilt, so sind sie doch selbständiger Art und haben es nicht mehr mit der Edition der Quelle zu thun. Gleich in den ersten Jahren seiner Mitgliedschaft in der Akademie nöthigte ihm das Auftreten des Oberrevisionsraths Dr. Alex. v. Daniels gegen den Sachsenspiegel, den er als eine Verzerrung und Verstümmelung des Schwabenspiegels darzustellen suchte, eine Schutzschrift ab, die zuerst in den Monatsberichten der Akademie (August 1852), dann nach einer Replik des Gegners in einer zur Duplik bereicherten Gestalt als selbständige Schrift unter dem Titel „Die Stellung des Sachsenspiegels zum Schwabenspiegel“ (1853) ausgegeben wurde. Ein bald darauf in der Innsbrucker Bibliothek gemachter Handschriftenfund, der ein bisher unbekanntes Mittelglied zwischen Sachsen- und Schwabenspiegel, den Deutschenspiegel, ans Licht förderte, verschaffte bei allen Unbefangenen der altbewährten Ansicht von dem Verhältniß beider Rechtsbücher zu einander eine neue Stütze. In diesem Sinne besprach H. die Entdeckung von Professor J. Ficker in der Akademie (December 1857), ohne allerdings die verkehrte Gelehrsamkeit des Herrn v. Daniels zum Schweigen zu bringen. Andere seiner Arbeiten gehen aus von der Erklärung einzelner Sachsenspiegelstellen, um deren Bedeutung für neu aufgetauchte wissenschaftliche Controversen zu erörtern, wie die zu Savigny’s sechszigjährigem Doctorjubiläum verfaßte Abhandlung „Die Stellung des Sachsenspiegels zur Parentelenordnung“ (1860), oder um daran die historische und dogmatische Darlegung eines ganzen Rechtsinstituts zu knüpfen, wie die über die Heimath nach altdeutschem Recht, mit der er seine Thätigkeit als Akademiker eröffnete (1852), und die über den Dreißigsten (1864). Der Geschichte der Rechtsbücher sind gewidmet: „Der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts“ (1854), das Beste, was wir bis jetzt über die Glosse, deren zweckmäßige Bearbeitung er immer für ebenso wünschenswerth als überaus schwierig erachtete, besitzen; „Johannes Klenkok wider den Sachsenspiegel“ (1855), eine Darstellung der von dem genannten Augustinermönch provocirten kirchlichen Verfolgung des Rechtsbuches in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts unter Mittheilung oder Verzeichnung der einschlägigen Urkunden; „Informacio ex speculo Saxonum“ (1857), ein Bericht über eine Schrift dieses Titels aus dem 15. Jahrhundert, welche sich der Grundsätze des sächsischen Gerichtswesens gegen die Abweichungen und Mißbräuche der westfälischen Fehmgerichte annimmt. Kleinere in den Monatsberichten der Akademie niedergelegte Mittheilungen, seinen letzten Lebensjahren angehörig, besprachen auf Grund neuer Veröffentlichungen den Autor und die Heimath des Sachsenspiegels (October 1866); die Straßburger Handschriften des Sachsen- und des Schwabenspiegels, die zum Theil durch das Bombardement vom August 1870 zu Grunde gegangen sind (Februar 1871); Fragmente von Sachsenspiegelhandschriften seiner eigenen Bibliothek (Mai 1871). Geringer ist die Zahl der Arbeiten, die ohne directen Zusammenhang mit dem Sachsenspiegel entstanden sind. Der Erwerb eines Druckes der sogenannten Reformation Kaiser Friedrich III. veranlaßte ihn in einer eindringenden Untersuchung der Entstehung und den litterarischen Schicksalen dieses unächten Actenstücks nachzugehen (Juni 1856); eine Handschrift des Quedlinburger Stadtbuches, welche er durch den Freiherrn August v. Haxthausen kennen lernte, führte zu der Abhandlung „Die [51] Stadtbücher des Mittelalters, inbesondere das Stadtrecht von Quedlinburg“ (1860), die der Veröffentlichung und Erläuterung des Manuscripts eine Classification der Stadtbücher und eine alphabetisch geordnete Sammlung aller erreichbaren Nachrichten über solche Stadtbücher, die den privaten Rechtsgeschäften der einzelnen Bürger dienen, vorangehen läßt. Derselben Vermittlung entstammen die im März 1873 der Akademie vorgelegten Nachrichten über eine Sammlung Magdeburgischer nach Groß-Salze gerichteter Schöffenurtheile. Aus einem reichhaltigen und sorgsam erwogenen Urkundenmaterial erwuchsen die beiden, das mittelalterliche Fehderecht beleuchtenden Abhandlungen: „Das Friedegut in den Fehden des deutschen Mittelalters“ und über die Formel: „Der Minne und des Rechts eines andern mächtig sein“ (1866). Documente des Oldenburger Archivs aus dem 16. Jahrhundert gaben den Stoff zu einem Vortrag über das Handzeichen des ostfriesischen Häuptlings Haro von Oldersum (Mai 1862), der einen ihn seit längerer Zeit lebhaft beschäftigenden Gegenstand nahe berührte. Die Arbeitskraft auch eines fleißigen Gelehrten in der Kraft seiner Jahre wäre vollauf durch ein Material wie das im Vorstehenden besprochene in Anspruch genommen. Den Anforderungen, die H. an sich stellte, hat das nicht genügt. Noch in den letzten Decennien seines Lebens hat er sich einer neuen umfassenden Arbeit unterzogen, sie durch umsichtige Vorbereitungen gefördert und zu einem glücklichen Ende hinausgeführt. Schon beim Abschluß des Richtsteigs 1857 sprach er es als liebsten Wunsch aus, bei etwa noch beschiedener Muße den Stoff zusammenstellen zu können, der in ungeahnter Fülle sich für die alten Haus- und Hofmarken der germanischen Stämme ergeben habe. Schon der erste Anstoß zu dem neuen Unternehmen ist bezeichnend für seine Art zu arbeiten. Sein feiner Sinn verstand die alten Ordnungen des Rechts nicht blos in Pergamenten und Büchern, sondern auch in den kümmerlichen, verblaßten Resten noch lebender Uebung zu entdecken. Geschichte und Praxis zugleich führten ihn auf das Thema der Hausmarken: die vom Hantgemal handelnden Stellen des Sachsenspiegels einerseits, ein im J. 1851 beim Obertribunal verhandelter Prozeß andererseits, in welchem die Kirchstuhlsgerechtigkeit eines Hofes bei Danzig mittelst der beiden Objecten gemeinsamen Marke bewiesen werden sollte. Die bereits erwähnte Abhandlung über die Heimath suchte die Verbindung zu knüpfen zwischen dem Handzeichen und dem mit diesem versehenen Haupt- und Stammgute eines Geschlechts, nach dem sich die Heimath der Geschlechtsgenossen bestimme. Der akademische Vortrag über das germanische Loosen (December 1853) zeigte dann die Verwendung von Marken als Looszeichen in dem friesischen Volksrecht des 9. Jahrhunderts wie in dem gegenwärtigen Gebrauch der Insel Hiddensee bei Rügen. Die hier gesammelten Spuren wurden vervollständigt durch den Beitrag Homeyer’s zu den „Symbolae Bethmanno Hollwegio oblatae“, zu welchen sich die „Juris Consulti Philologi Berolinenses“ 1868 vereinigten. Ein 1853 zuerst versandtes Flugblatt „Die Haus- und Hofmarken“, das noch viermal bis 1868 und jedesmal bereichert ausgegeben wurde, lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Gegenstand und führte dem Verfasser Nachrichten aus allen Theilen Deutschlands und Skandinaviens, stellenweise auch aus England und Frankreich über die noch fortlebende Sitte zu, der er selbst auf Reisen in Deutschland und in der Schweiz sorgsam nachging. Nachdem er October 1868 der Akademie in Beiträgen zu den Hausmarken über die Erfahrungen der letzten Jahre berichtet, trat er 1870 mit dem Werke: „Die Haus- und Hofmarken“ hervor, denen auf 44 lithographirten Tafeln eine Auswahl der gesammelten Zeichen beigegeben ist, welche in dem Werke selbst ihre Gliederung nach Fundort und nach den verschiedenen Gebrauchszwecken erhalten. Die historisch-dogmatische Darstellung verbindet damit die in den Rechtsquellen alter und neuer Zeit enthaltenen Bestimmungen [52] über das Zeichenwesen und schildert das Aufkommen und Zurücksinken der Einrichtung. Mit den 1872 der Akademie vorgelegten Nachträgen zu den Hausmarken schließt auch dieser Zweig der Thätigkeit Homeyer’s ab. – Eine stille und feine Gelehrtennatur, wie H. war, ist er wenig außer durch seine wissenschaftlichen Schriften in die Oeffentlichkeit getreten. Der Germanistenversammlung zu Lübeck im J. 1846 hat er beigewohnt, aber in den Verhandlungen wird sein Name nicht genannt. Nachdem ihn 1854 die Universität Berlin zur Berufung ins Herrenhaus präsentirt, hat er es zwar hier wie überall mit seiner Pflicht ernst genommen, an den Debatten sich aber selten betheiligt. Zum Berichterstatter über wichtige staats- und privatrechtliche Vorlagen ist er wiederholt bestellt worden; so namentlich über die die Umwandlung der Lehen in den verschiedenen preußischen Provinzen bezweckenden Gesetzentwürfe; bei aller Neigung zum Erhalten und der durch seine Studien genährten Vorliebe für das Lehnsinstitut, war er doch weit entfernt die Bedürfnisse der Gegenwart zu verkennen, so daß gerade seiner energischen Fürsprache die Auflösung des Lehnsverbandes in Pommern durchzuführen gelungen ist. Außerdem hat er über Fragen des Eherechts, des ehelichen Güterrechts, des Ansiedlungswesens, der Pfarrdotationen etc. dem Herrenhause berichtet. Am bekanntesten ist seine politische Thätigkeit als Referent im October 1858 geworden. Einer der bedeutsamsten, folgenreichsten Staatsacte der neueren Zeit, die Einrichtung der Regentschaft in Preußen an Stelle des durch dauernde Krankheit verhinderten Königs Friedrich Wilhelm IV. ist auch dadurch denkwürdig, daß der erste Germanist Deutschlands als Sprecher der Volksvertretung fungirte. Namens der Commission beider Häuser des Landtags legte er in der gemeinsamen Sitzung vom 25. October den die Nothwendigkeit der Regentschaft anerkennenden Bericht vor, der möglichst den entgegengesetzten Verfassungsinterpretationen der verschiedenen Parteien gerecht zu werden suchte. Als sich Niemand aus der Versammlung zum Worte meldete, bat er nach einem so beredten Schweigen den einstimmig eingebrachten Commissionsantrag auch einstimmig und einmüthig anzunehmen, was dann auch geschah. H. hatte sich keiner bestimmten Partei des Herrenhauses fest angeschlossen, doch stimmte er durchgehends mit der streng conservativen Fraction. König Friedrich Wilhelm IV. hatte ihn 1854 zum Mitgliede des reactivirten Staatsraths und zugleich mit seiner Berufung ins Herrenhaus durch Cabinetsordre vom 27. November 1854 auch zum Kronsyndicus ernannt. Von den in letzterer Eigenschaft ausgeführten Arbeiten ist nur das Rechtsgutachten über die das Herzogthum Lauenburg betreffenden Erbansprüche bekannt geworden. – Seines ursprünglich zarten Körpers ungeachtet hatte H. sich durch Abhärtung, körperliche Uebungen. Seebäder, lange kräftig und frisch erhalten. Erst als er die Siebzig überschritten, fühlte er ein Nachlassen seiner Kräfte. 1866 bat er um Enthebung von der Stelle als Obertribunalsrath, 1868 um Dispensation von der Verpflichtung, Vorlesungen zu halten. Auch nach dieser Zeit hat er noch im Winter deutsche Rechtsgeschichte, im Sommer über den Sachsenspiegel gelesen, bis er im Januar 1872 vom Katheder herabsteigend die ersten Spuren eines Schlaganfalles empfand. Von da ab lebte er zurückgezogen im Schooße der Seinigen und entschlief sanft am 20. October 1874. Drei Tage darauf wurde er auf dem Friedhofe der Matthäigemeinde beerdigt. – Mehr als hundert Semester hatte er an der Berliner Universität gewirkt, eine Zeitlang unter großem Beifall. Mochte sein Vortrag, von einer wenig starken Stimme gestützt, auch nichts glänzendes an sich haben, so erfreute er doch durch die Wärme und den edeln Stil, die alle seine Schriften auszeichnen. Die tiefe Kenntniß, die aus der vollen Beherrschung des Gegenstandes geschöpfte Selbständigkeit und Klarheit des Redners, der schmucklos und doch formvoll und abgerundet darzustellen verstand, wirkten auf jeden empfänglichen [53] Zuhörer gewinnend für die Sache wie für den Vortragenden. Man empfand stets, daß er mit Kopf und Herz zugleich bei seinem Gegenstande war. Weit größer als der Kreis seiner unmittelbaren Schüler ist die Zahl derer, die er durch seine Schriften belehrt hat und fortwährend belehrt. Das gilt von seinen Quellenausgaben wie von seinen Abhandlungen. Wie jene von nachfolgenden Editoren zum Muster genommen sind, ohne erreicht worden zu sein, so ist auch die liebevolle Versenkung in die Institute des deutschen Rechts mit gleicher Umsicht und gleicher Feinheit des Verfahrens, das sich der Unterschiede zwischen der Benutzung römischer und moderner Rechtsquellen und derer des deutschen Mittelalters bewußt ist, nicht wieder verbunden worden. Aus dem weiten Gebiete der Rechtswissenschaft haben Homeyer’s Schriften sich einen begrenzten Kreis von Stoffen und Quellen erwählt. Aber diese Selbstbeschränkung ist nie in ihrem Werthe durch Einseitigkeit beeinträchtigt worden. Er weiß, daß seine Rechtsbücher der Ergänzung und Controlle durch die Urkunden so fähig wie bedürftig sind; neben den Zeugnissen des Rechts verstehen seine Forschungen die Sprache und die Geschichte für ihre Zwecke nutzbar zu machen. Es ist auch nicht blos das historische und das nationale Recht, was ihn beschäftigt; das geltende Recht, das aus der Uebung verschwindende wie das neu entstehende, ziehen ihn an, und für das Handelsrecht, namentlich das Seerecht, das ihn „den gebornen Seehandelsmann und Rheder“, wie er sich einmal scherzhaft nennt, besonders interessirt, macht er wiederholt den Gesichtspunkt geltend, daß hier das Gemeinsame nicht in nationaldeutschen Ideen zu suchen sei, sondern in solchen des allgemeinen europäischen Verkehrs, die kaum für Deutschland überhaupt eine besondere Farbe angenommen haben, und dringt deshalb auf die Benutzung und Vergleichung der fremden Rechte, des französischen und des englischen u. a. In der von vielseitigster Bildung getragenen Arbeit in fest umgrenztem Felde wird die Erklärung seiner großen und dauernden Erfolge liegen. Erinnert man sich dazu der Anspruchlosigkeit seines Wesens, seines uneigennützigen, selbstlosen Charakters, seiner schlichten Frömmigkeit, seines Fleißes, der inmitten der Anforderungen der großen Stadt, des Berufes und der Gesellschaft dem vorgesteckten Ziele unverdrossen nachstrebte und dies Ziel erreichte, so ergibt sich das wohlthuende Bild eines deutschen Gelehrtenlebens im schönsten Sinne, einer harmonischen, liebenswürdigen Persönlichkeit, die getreu bis in den Tod gewirkt und ihres Amtes gewartet hat.

Homeyer, Antrittsrede (Monatsber. der Berl. Akad. 1850 S. 301–8). Wagener’s Staats- und Gesellschaftslexicon Bd. IX S. 612. Deutscher Reichsanzeiger u. kgl. preuß. Staatsanzeiger, bes. Beilage Nr. 3 vom 17. Januar 1875 S. 4–7. Brunner, C. G. Homeyer. Ein Nachruf (Preuß. Jahrb. 36 [Juli 1875] S. 18–60). Boretius, G. Homeyer (Zacher, Ztschr. f. deutsche Philologie, VI. [1875], S. 217–21). Siegel, Berichte der kais. Akad. der Wiss., Wien 1875 S. 25–33. Böhlau, Ztschr. f. Rechtsgeschichte, XII. (Weimar 1876), S. 291–99.