ADB:Heise, Georg Arnold
Bd. 4 S. 610), war, besuchte nachher das Handelsinstitut des Prof. Büsch und zuletzt das Gymnasium seiner Vaterstadt. Hatte er sich als junger Mensch wohl mit dem Gedanken Ingenieur zu werden getragen, so bewog ihn die Kleinheit seines Wuchses davon abzugehen und der Einfluß seines Oheims, des Senators, spätern Bürgermeisters Joh. Arnold Heise (s. u.), sich dem Studium der Jurisprudenz zu widmen. Michaelis 1798 bezog er die Universität Jena. Hier lebte er in engem Freundeskreise mit einer größeren Zahl seiner Landsleute, wie den Brüdern Gries und dem Naturforscher Lichtenstein, und gewann unter den Lehrern nahe Beziehungen zu Feuerbach und Hufeland. Im Hause des letztern lernte er im Sommer 1800 Savigny kennen, mit dem er von da ab in beständigem Verkehr blieb. Ostern 1801 siedelte H. nach Göttingen über, unter dessen juristischen Lehrern ihn besonders Pütter, Martens, Hugo und Martin anzogen, der letztere ihm ein naher Freund ward. Ostern 1801 bestand er das juristische Doctorexamen, die Promotion auf Grund einer Dissertation de successoribus necessariis folgte am 16. Januar 1802 nach. Einen Theil der Zwischenzeit benutzte er auf Pütters Rath zu einem Aufenthalte beim Reichskammergericht zu Wetzlar. Am 1. März 1802 trat er als außerordentlicher Beisitzer in das damals sehr beschäftigte Göttinger Spruchcollegium und begann von Ostern 1803 ab Vorlesungen über Lehnrecht, Reichsprozeß und deutsches Privatrecht zu halten. Obschon die Wahl dieser Fächer weniger seiner auf das Civilrecht gerichteten Neigung als den Rücksichten des akademischen Bedürfnisses entsprang, so wurden die Vorlesungen doch mit vielem Beifall aufgenommen, so daß die Regierung den beliebten Docenten, als ihm im Frühjahr 1804 eine Professur in Jena angetragen wurde, „wegen seiner bezeigten ruhmvollen Fähigkeiten“ zum Extraordinaris beförderte. Doch war seines Bleibens in Göttingen nur noch für kurze Zeit. Als ihm durch Savignys Vermittlung im selben Sommer ein Ruf an die Universität Heidelberg, welche die neue Landesherrschaft in freiem und großartigem Sinne zu reorganisiren begonnen hatte, zu Theil wurde, machte es die politische und finanzielle Lage Hannovers der Regierung unmöglich, H. den Anerbietungen Badens gegenüber zu halten. Vor seiner Uebersiedlung verheirathete er sich in Neuengleichen nahe bei Göttingen mit Betty Isenbart, der Tochter eines hannoverschen Obersten, die er im Hause seines Freundes Martin kennen gelernt hatte. Die zehn Jahre, welche H. in Heidelberg zubrachte, waren trotz mancher häuslichen Sorgen und des vaterländischen Verfalls, der den an seiner norddeutschen Heimat hängenden Patrioten tief bekümmerte, eine glückliche, glänzende Zeit. Die Universität blühte auf, nicht zum wenigsten durch Heise’s Wirksamkeit, seine Lehrthätigkeit wie seine Bemühungen, neue Kräfte insbesondere der juristischen Facultät zu gewinnen. Schon im nächsten Jahre gelang es, Thibaut von Halle für römisches Recht, Martin von Göttingen für den Proceß nach Heidelberg zu ziehen. Dem juristischen Triumvirat, wie man sie gern nannte, traten bald noch Klüber und K. Sal. Zachariae hinzu. Heise’s Vorlesungen waren nicht blos römisch-rechtliche; deutsches Privatrecht, Kirchenrecht, Handelsrecht, Practica gehörten zu seinem Kreise, wenn auch [667] Pandekten, die er mit Thibaut abwechselnd las, sein Hauptcolleg bildeten. An sie knüpfte sich eine litterarische Leistung, die, so bescheiden sie in Form und Umfang war, doch maßgebenden Einfluß auf den juristischen Unterricht der deutschen Universitäten erlangte. Der „Grundriß eines Systems des gemeinen Civilrechts“, zuerst 1807 in Heidelberg veröffentlicht, bot zwar nichts als Ueberschriften, Litteraturangaben und kurze, die systematische Stellung einzelner Lehren rechtfertigende Anmerkungen, wurde aber der Anstoß dazu, die bisher beim Vortrage der Pandekten befolgte Legalmethode, welche sich an die Ordnung der Digestentitel, nachher an die der Institutionen band, zu verlassen und eine natürliche, im Rechte selbst begründete Reihenfolge der Materien, die zuerst Hugo 1789 vorgeschlagen, dann aber selbst wieder aufgegeben hatte, an die Stelle zu setzen. Die wiederholten Auflagen, die der Grundriß 1816 und 1819 erlebte, und die bis 1833 sich erneuernden Abdrücke der dritten Ausgabe, die immer häufiger werdende Methode, anstatt über ausgeführte Compendien über bloße Grundrisse zu lesen, zeigen, wie Heise’s Beispiel nachwirkte, nachdem er längst das Katheder verlassen hatte. Die übrige litterarische Thätigkeit Heise’s ist nicht in einer Wiederaufnahme der Göttinger Pläne und Vorarbeiten, die dem Lehnrecht, insbesondere auch einer kritischen Ausgabe der libri feudorum galten, sondern in seiner Theilnahme an den verschiedenen litterarischen Organen zu verfolgen, in denen sich das verjüngte Heidelberg sammelte. Gleich der erste Band der von Daub und Creuzer herausgegebenen Studien (1805) enthält einen Aufsatz von H. über „die Gewissensfreiheit im Staate“, der sich gegen die verschwommenen Ansichten des damals und nachher viel gebrauchten, auch von H. selbst bei seinen Vorlesungen zu Grunde gelegten kirchenrechtlichen Compendiums von Wiese wendet und energisch für die Rechte des Staates eintritt, ohne aber dabei die Gefahr einer allzu großen Machteinräumung an den letztern zu vermeiden. Die Heidelberger Jahrbücher von 1808–12 hatten sich zahlreicher Recensionen aus Heise’s Feder zu erfreuen. Der erste und einzige Band der „Rechtsgutachten und Entscheidungen des Spruchcollegii der Universität Heidelberg“ (1808), von Martin auch zu dem Zweck herausgegeben, um dem Publikum von dieser Thätigkeit der regenerirten Hochschule Kenntniß zu geben, brachte von H. die „Erörterung eines merkwürdigen Successionsfalles“. Der Ruf der westfälischen Regierung hatte H. nicht zur Rückkehr nach Göttingen vermocht; als aber die wiederhergestellte hannoversche Regierung sich durch Heerens Vermittlung im Frühjahr 1814 mit der gleichen Aufforderung an ihn wandte, sagte er zu. Er erhielt ein Gehalt von 1100, bis zum Eintritt in die Honorenfacultät von 1200 Thalern zugesichert. während seine Heidelberger Stelle anfangs mit 1300, seit 1808 mit 1600 Gulden dotirt war. Ende Mai begann er seine Vorlesungen über Lehnrecht und Handelsrecht, denen er im Winter die Pandekten folgen ließ, seine Mitbewerber Waldeck[WS 1] und Hugo bald überflügelnd. Mit dem Tode des ersteren im Sommer 1815 rückte H. in die Promotionsfacultät ein. Seine Vorlesungen erfreuten sich des reichsten Beifalls an der damals glänzend besuchten Universität; sein Pandektenauditorium zählte gegen 250 Zuhörer. Besondern Anklang fanden daneben seine Vorträge über Handelsrecht, eine Disciplin, die er, wenn auch nicht geschaffen – er las selbst über den Grundriß des Handelsrechts von Martens (1797) – doch in dem Rahmen des akademischen Unterrichts eingebürgert hat. Bei dem großen Umfang seiner amtlichen Thätigkeit, namentlich der bis dahin unerhörten materiellen Vollständigkeit, in der er die Pandekten vortrug, blieb zu litterarischen Arbeiten keine Zeit übrig, so daß in dieser Göttinger Periode nichts von ihm erschienen ist, als eine neue umgearbeitete Ausgabe des Grundrisses (1816) und ein kurzes Schreiben vom J. 1817 an Savigny in Veranlassung der großen Entdeckungen Niebuhrs in Verona (Ztschr. f. [668] geschichtl. Rechtwiss. Bd. 3, Heft 2). Der Göttinger Erfolge ungeachtet währte Heise’s Lehrthätigkeit nur vier Jahre. Es hat ihm zu keiner Zeit an anhänglichen, treu ergebenen Schülern gefehlt; es mag genügen, die bekanntesten Namen unter ihnen zu nennen, in Heidelberg: Cropp, dü Roi, Overbeck, alle drei später seine Lübecker Collegen, Mittermaier, in Göttingen C. W. Pauli und Bluhme. Aber der Mangel wirklicher Theilnahme und wissenschaftlichen Eifers bei der Mehrzahl der Studirenden blieb ihm bei allem äußerlichen Erfolg nicht verborgen und bewog ihn zusammen mit der immer stärker hervortretenden Vorliebe für eine praktische Wirksamkeit auf den Antrag der hannoverschen Regierung, die schon mannigfach bei legislatorischen Fragen sein Gutachten eingeholt hatte, das Amt eines vortragenden Raths im Justizdepartement anzunehmen. Gegen Ende Mai 1818 siedelte er nach Hannover über. Die Anhänglichkeit der Collegen folgte ihm in die neue Stellung, und als die Universität im December 1819 zum erstenmal berufen wurde, sich in der zweiten Kammer der allgemeinen Ständeversammlung des Königreichs vertreten zu lassen, erkor sie den Oberjustizrath H. zu ihrem Abgeordneten. Schon als H. Heidelberg verließ, hatte sich das Gerücht verbreitet, er betrachte Göttingen nur als Station auf dem Wege nach Hamburg, und er selbst dessen kein Hehl gehabt, daß er einem Rufe der befreiten Vaterstadt folgen würde. Aber die Justizreformpläne von 1814 hatten sich zerschlagen. Erst gegen Ende des Jahrzehntes schickten sich die vier freien Städte an, das ihnen durch Art. 12 der deutschen Bundesakte eingeräumte Recht, einen gemeinsamen obersten Gerichtshof zu errichten, zur Ausführung zu bringen, und einstimmig erwählten die Senate H. im April 1820 zum Präsidenten des Lübecker Oberappellationsgerichts. H. erklärte sich zur Annahme bereit und wurde bei Berathung der provisorischen Geschäftsordnung wie der Besetzung der Rathsstellen zugezogen. Ihm besonders hat das Gericht die Gewinnung einer seiner größten Zierden, Friedrich Cropps zu danken. Am 13. November 1820 wurde das Gericht eröffnet, das bis zu seiner Aufhebung durch das Gerichtsverfassungsgesetz des deutschen Reichs (31. October 1879) des höchsten Ansehens in der deutschen Rechtsprechung genoß. Mehr als die Hälfte seiner fast sechzigjährigen Lebensdauer hat das Lübecker Oberappellationsgericht unter Heise’s Leitung gestanden. Seiner Fürsorge und Umsicht war es zu danken, daß es stets die bewährtesten Kräfte in sich vereinigte, daß seine Arbeiten sich durch Gründlichkeit, Scharfsinn und strengste Gerechtigkeit auszeichneten. In der Mehrzahl der unter seinem Vorsitz entschiedenen Prozesse übernahm er das Correferat; sein Votum charakterisirte sich wie durch die Universalität seines stets präsenten Wissens so durch eine ungemeine Klarheit der Darstellung. Alle, die ihm nahe standen, preisen in ihm die ausgezeichnete Vereinigung des tüchtigsten Praktikers und des gründlichsten Theoretikers. Um so mehr ist es zu beklagen, daß die großen Anforderungen der gerichtlichen Thätigkeit ihm wenig Muße zu der wissenschaftlichen Beschäftigung übrig ließen, zu der er sich bei der Annahme des Lübecker Amtes Hoffnung gemacht hatte. Von seinen lange fortgesetzten Studien und Sammlungen zur Kritik römischer Rechtsquellen, namentlich des justinianeischen Codex, ist sowenig etwas ans Licht getreten als von seinen früheren, den lehnrechtlichen Quellen gewidmeten Arbeiten. Seine Pandektenvorlesungen circulirten in immer erneuerten, theuer bezahlten Abschriften an den Universitäten; eine Adresse von mehr als hundert Jenenser Studenten, Buchhändler, gelehrte Freunde baten ihn um die Veröffentlichung seiner Vorträge; Wening-Ingenheim (in Landshut) gab 1822 ein Lehrbuch des Civilrechts heraus, das nicht blos wie es sagte, nach Heise’s Grundriß bearbeitet, sondern im Wesentlichen aus Heiseschen Pandektenheften zusammengestellt war. Allen diesen Aufforderungen glaubte er sich aus Rücksichten auf sein Amt und Unterschätzung seiner litterarischen Bedeutung [669] versagen zu müssen. Die einzige schriftstellerische Leistung der Lübecker Zeit sind die drei Beiträge, die er zu den beiden Bänden der von ihm und seinem Collegen Cropp herausgegebenen „Juristischen Abhandlungen“ (1827 und 1830) lieferte. Erst nach seinem Tode hat sein jüngster College, Wunderlich „Heise’s Handelsrecht“ nach dem Originalmanuscript seiner Göttinger Vorlesungen (1858) veröffentlicht. Nach kurzem Kranksein, bis ans Ende seinem Amte getreu bleibend, starb er zu Lübeck am 6. Februar 1851. – Er hinterließ zwei Töchter, von denen die ältere mit dem Sohne seines Collegen, dem Senator Dr. Herm. Wilh. Hach, die jüngere mit dem Lübecker Arzte Dr. W. von Bippen vermählt war.
Heise: Georg Arnold H., wurde den 2. August 1778 zu Hamburg geboren. Sein Vater Ludwig Barthold H. war ein angesehener begüterter Kaufmann, wie auch seine Mutter, Marianne Behrmann-Rotenburg, einer reichen hamburgischen Handelsherrnfamilie entstammte. Die großen commerciellen Erschütterungen zu Ausgang des Jahrhunderts brachen den Wohlstand des Vaters, so daß er 1799 sein selbständiges Geschäft aufgeben und die Stelle eines Bevollmächtigten bei einer Assecuranzgesellschaft annehmen mußte. Der Sohn, anfangs mit seinen Brüdern durch Hauslehrer unterrichtet, unter denen der früheste und einflußreichste der Candidat der Theologie, Paul Lorenz Cropp, der Vater seines späteren Freundes und Collegen (s.- W. von Bippen, Georg Arnold Heise. Halle 1852. Acten des Göttinger Universitätscuratoriums.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Johann Peter Waldeck (* 20. Mai 1751 in Kassel; † 16. Juli 1815) Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen.