Rauchopfer für Kranke und Sterbende und deren Freunde/III. Gebete für Sterbende

« II. Gebete für Kranke Wilhelm Löhe
Rauchopfer für Kranke und Sterbende und deren Freunde
Register nach dem Alphabet
IV. Gebete an Kranken-, Sterbe- und Todtenbetten »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
III.
Gebete
für
Sterbende.

A. Allgemeine Sterbensgebete.
1. Tägliche Todesbereitung. 66–72.
2. In Anfechtung der Sünden. 73. 74.
3. Wider die Verzweiflung. 75. 76.
4. Gläubiges Halten an Christo. 77.
5. Das Credo auf dem Sterbebette. 78.
6. Um Beständigkeit in der ungewissen Todesstunde. 79. 80.
7. Um Versöhnlichkeit und das Heil der ganzen Welt. 81. 82.
8. Die Sprache des Evangeliums vom Tode zu verstehen. 83.
9. Wider die Furcht des Todes. 84. 85.
10. Um einen seligen Abschied. 86.
11. Um das Ende des Leides und den Anfang der ewigen Freude. 87.
12. Gebet eines Kranken, dessen Kräfte schwinden. 88.
13. Gebet eines alten Mannes um ein seliges Ende. 89.
14. Um das ewige Leben. 90.
15. Sehnsucht nach der ewigen Heimath. 91. 92
16. Um den jüngsten Tag. 93.
17. Um herzliches Verlangen nach Christo. 94.
18. Sehnsucht, daheim zu sein bei dem Herrn. 95.
19. Gewißheit des ewigen Lebens. 96.
20. Eines Sterbenden friedlicher Abschied aus der Zeit. 97.
21. Freude des ewigen Lebens. 93–101.
22. Fröhliches Gespräch eines Herzens, welchem gegeben ist, mit Freuden heimzufahren. 102.
B. 23. In der Stunde des Todes.
103–130.
C. In den letzten Zügen.
24. Zwei Gebete. 131. 132.
25. Kurze Seufzer der Alten. 133–150.
26. Drei Vater unser, in Sterbensnöthen zu beten, mit andern
schönen Gebeten und den acht Versen St. Bernhards.
150–157.
D. Anhang.
27. Vor dem letzten Abendmahlsgenuß. 159–163.
28. Gebete nach dem letzten Abendmahlsgenuß. 164–166.
29. Danksagung für die heiligen Sakramente und Bitte um das göttliche Wort bis ans Ende. 167.
30. Erinnerung an die heilige Taufe. 168.


|

Der Erden Leben ist ein Tod,
 Erfüllt mit Kummer, Kreuz und Noth:
Der Tod kann erst ein Leben geben.
 Wer selig in dem Herren stirbt,
 Der lebt im Sterben und erwirbt
Ein unvergleichlichs Freudenleben,
 Das unserm Geist bleibt unbekannt,
 Bis er gelangt ins Himmelsland.
 Da ruht er dann in sanfter Rast,
 Befreit von aller Arbeitslast:
Ihm folgen seine Tugendwerke.
 Da reicht ihm Gott die Palmenkron,
 Und er erhebt im höhern Ton
Des Höchsten Gnad und Preis und Stärke,
 Der ewig-heilig wird genannt.
 O selig-schönes Freudenland.


 Ach Gott, am letzten Ende
 Dich gnädig zu mir wende!

M. Christian Scrivers 
Geistlich gesinnter Patient. 


|
1.
Tägliche Todesbereitschaft.
 66.* Himmlischer, lieber Vater, es ist dein ernster Wille, daß ich bei guter Gesundheit und Vernunft, sonderlich aber in Krankheit mich bereiten und schicken soll, von diesem Jammerthal selig und wann dirs gefällt abzuscheiden, damit mich der Tod nicht etwa unversehens überfalle, und ich in unbußfertigem Leben dahinsterbe wie die Gottlosen. Ach Herr, zu solcher Bereitung bin ich so gar langsam und trägen Herzens! Hilf du mir selber durch deinen heiligen Geist, daß ich mich bei Zeiten bereite zu sterben, daß ich dein Wort immerdar vor Augen habe, desselben mich tröste, darnach in allem meinen Thun mich richte, dich täglich in wahrem| Glauben an Christum, deinen Sohn, anrufe, mich fleißig zum Sakramente halte, alle Sünde, so viel möglich, abschaffe, mich mit meinem Nächsten versöhne und meinem Beruf christlich nachgehe, nicht behalte, was einem andern gebührt, und mein Weib, Kinder und Gesinde und alle, die du mir befohlen hast, zur Furcht Gottes halte und vermahne, daß ich in Krankheit für mich bitten laße, die Absolution und das heilige Sakrament empfahe und mich gänzlich deinem Willen ergebe und im Glauben, Hoffnung, Geduld und Anrufung beharre. Ach Herr, behüte mich, daß ich solches nicht spare und aufziehe von einem Tage zum andern oder gar bis die letzten Züge herbeigehen, da dann die Kraft gering wird, die Leibesschmerzen überhand nehmen und alle Anfechtungen größer werden; sondern hilf gnädiglich, daß ich in der Zeit, und zwar täglich, sonderlich in Krankheit, mich also schicke und bereite, daß ich auch wirklich bereit sei, wenn du mich von dieser elenden Welt abfordern willst,| und dann fröhlich und selig im Herrn entschlafen möge. Amen.

 67.* O gütiger Gott, du hast dem Menschen ein Ziel gesetzt, welches er nicht übergehen kann. Er hat seine bestimmte Zeit, die Zahl seiner Monden steht bei dir. Alle unsre Tage hast du gezählt, welche doch schnell dahinfahren, als flögen wir davon. Alle unsre Jahre sind wie ein Rauch oder Schatten, der plötzlich vergeht. Der Mensch ist doch wie Gras, das bald verdorrt, und wie eine Blume auf dem Felde, die verwelket. So lehre mich nun erkennen und bedenken, daß es ein Ende mit mir haben muß, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß. Siehe, meine Tage sind eine Hand breit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben! Herr, lehre mich doch bedenken, daß ich sterben muß und allhier in dieser Pilgerschaft keine bleibende Statt habe.

|  Thue mir kund mein kurzes und vergängliches Wesen, daß ich oft und viel gedenke an mein Ende, auf daß ich in dieser Welt nicht mir selber, sondern dir lebe und sterbe, damit ich im Glauben wacker und fröhlich erwarte den Tag meiner Heimfahrt und der Erscheinung deines lieben Sohnes Jesu Christi und geschickt zu derselbigen mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen eile.
.
 Begnadige mich mit einem seligen Abschied, wenn mein Stündlein kommt, daß ich selig sterbe, ein vernünftiges Ende nehme im wahren Bekenntnis, daß mein Verstand und meine Sinne nicht verrückt werden, und ich nicht aberwitzige Reden oder Lästerworte wider dich, meinen Herrn, und wider meine Seligkeit führe. Behüte mich vor einem schnellen bösen Tod und vor der ewigen Verdammnis. Laß mich nicht plötzlich und unversehens mit meinem Stündlein überfallen werden, sondern mich zuvor mit wahrer Buße und rechtem Glauben bereiten, und wenn es kommt, so mache| mich freudig und unverzagt zu dem zeitlichen Tode, der mir nur die Thür aufthut zum ewigen Leben, und laß mich, deinen Diener, alsdann im Frieden fahren; – denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel. Gib, daß mein letztes Wort das sei, welches dein lieber Sohn am Kreuz gesprochen hat: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“ – und wenn ich nicht mehr reden kann, so erhöre mein letztes Seufzen, durch Jesum Christum! Amen.
 68.* Hilf mir, mein Herr Jesu Christe, daß ich aller Güter und Herrlichkeiten dieser Welt gebrauche als ein Pilgersmann, der morgen wandern soll. Laß mein Herz nicht mehr begehren, als das liebe tägliche Brot zu meiner Nothdurft. Gib, daß ich genügsam sei und wie ein Schäflein mit Geringem und Wenigem fürlieb nehme.| Behüte mich, daß ich mir ja keinen Mammon mache und mein Vertrauen auf nichts Vergängliches setze, damit es mir nicht hinderlich sei in meiner Sterbestunde. Hilf aber, mein Herr, und neige mein Herz, daß ich erwähle das rechte gute Theil, nemlich dich, meinen Erlöser, meinen Seligmacher, und an dir alle meine Lust und Freude habe. Verleihe mir, daß ich nur an meiner Seele reich und im Glauben herrlich und in dir fröhlich sei; so habe ich genug hie zeitlich und dort ewiglich, kann williglich die Welt segnen und fröhlich und unverhindert von hinnen scheiden. Amen.
 69. Herr Jesu Christe, der du so willig und bereit warest zu deinem Leiden und deinem Vater gehorsam wurdest bis zum Tode, ja zum Tode des Kreuzes, und sprachest: „Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst“; ich bitte dich, mein Heiland, gib mir allezeit ein gehorsam Herz, daß ich, wenn mein Stündlein da| ist, mich willig ergebe und gerne sterbe. Du kennst, Herr, meine Blödigkeit und weißt, daß Fleisch und Blut solches nicht vermag. Herr, lenke mich nach deinem Willen, leite mich in deinen Fußstapfen, gib, daß ich mich dir mit Leib und Leben ganz vertraue. Mein Herr und mein Gott, du allertröstlichster Heiland, du bist gut, und alles, was du thust, ist gut, und hast es niemals böse gemeint, niemals böse gemacht, du hast nie keinen verderbt, der auf dich gehofft hat. Hie bin ich, Herr, in deiner Gnadenhand. Leb ich, so leb ich dir; sterb ich, so sterb ich dir; ich lebe oder sterbe, so bin ich dein und werde ewig unverloren sein. Das ist gewislich war! Amen.
(Junger Leute.)
 70.* Ach mein Gott, wie ist doch der Mensch gleich wie nichts! Wie fährt seine Zeit und alle seine Herrlichkeit dahin wie ein Schatten, und er weiß nicht, ob er jung oder alt sterben soll, kann sich auch| weder mit Gewalt, noch mit Reichthum wider den Tod schützen. Hilf mir, mein Gott, daß ich von meiner Jugend auf solches immerdar zu Herzen nehme, meinen Weg unsträflich wandle, und mich nach deinem Worte richte. Regiere mich durch deinen heiligen Geist, daß mein Herz nicht verkehret werde, daß ich nicht poche auf meine Jugend, noch mich verlaße auf Gesundheit und Stärke, auf Ehre, Reichthum und Schönheit. Gib, daß ich täglich die Hauptsumma aller Lehren und Gebote wohl betrachte: „Fürchte Gott und halte seine Gebote, denn das gehört allen Menschen zu: denn Gott wird alles Werk vor Gericht bringen, das verborgen ist, es sei gut oder böse“. Mein Gott, schreibe mir solches in mein Herz, und gib, daß ichs nicht allein wiße, sondern auch thue und mich darnach richte bis an mein Ende. Amen.
 71.* O Herr Gott, laß mich sterben, damit ich aufhöre zu sterben. Denn| so lange wir hier leben, fühlen wir ohn Unterlaß des Todes Stachel, kranken und sterben alle Tage; aber wenn wir vor der Welt todt sind, da leben wir erst und dürfen uns in Ewigkeit vor keiner Gefahr und Sterben mehr fürchten, weil unser zeitlicher Tod ist ein Ende des Todes und ein Anfang des Lebens. Amen.

 72. Wenn ich nach deinem gnädigen Willen aus diesem Leben abscheiden soll, so verleihe mir, o Gott, eine sanfte Hinfahrt, daß ich in wahrer Erkenntnis und Bekenntnis deines Sohnes, meines Herrn Jesu Christi, ruhiglich absterbe, nicht lange gepeinigt werde, daß ich im Frieden ruhe und endlich theilhaft werde der Auferstehung deiner Heiligen, dir fröhlich für alle deine Wohlthaten an Leib und Seele danke und dich sammt der ganzen himmlischen Kirche in alle Ewigkeit lobe und preise. Amen.

Polykarpus. 


|
2.
In Anfechtung der Sünden.
 73. Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm, denn deine Pfeile stecken in mir, und deine Hand drückt mich. Es ist nichts gesundes an meinem Leib vor deinem Dräuen, und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde. Mein Herz bebt, meine Kraft hat mich verlaßen, und das Licht meiner Augen ist nicht bei mir. Es hat mich Leiden umgeben ohne Zahl. Es haben mich meine Sünden ergriffen, daß ich nicht sehen kann: ihrer ist mehr, denn Haar auf meinem Haupt, und mein Herz hat mich verlaßen. Es haben mich umfangen des Todes Bande, und Höllenangst hat mich getroffen. Siehe, mein Gewißen gibt Zeugnis und steht wider mich. Ich fühle eitel Todesangst und habe keine Ruhe vor dem schrecklichen Anblick der Hölle. Ich| liege, wie im tiefen Waßer, da kein Grund ist, und stecke in tiefem Schlamm. Meine Seele ist voll Jammers, und mein Leben ist nahe bei der Hölle. Ich liege geachtet gleich denen, die zur Hölle fahren. Mein Herz zagt und ängstet sich in meinem Leibe, und des Todes Furcht ist auf mich gefallen. O Herr Gott, errette mich! Eile, mir zu helfen! Führe meine Seele aus der Höllenangst! Vergib mir all meine Sünden, aus welchen der Teufel eitel hohe, große Berge macht, hinter welchen ich deine Gnade nicht sehen soll. Laß mir doch einen Anblick werden deiner Barmherzigkeit und beraube mich nicht deiner göttlichen Huld. Tröste mich wieder, mein Gott, auf daß mein Herz gestillet und fröhlich werde. Du bist ja größer, als unser Gewißen, du kannst es, ob es uns gleich anklagt, doch durch dein Evangelium und fröhliche Botschaft wohl zum schweigen bringen, und wiewohl meine Sünden mächtig und blutroth sind, so ist doch deine Gnade viel mächtiger und du kannst mich| schneeweiß machen. So sei nun wieder zufrieden meine Seele! Was betrübst du dich und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, der meines Angesichtes Hilfe und mein Gott ist. Er wird dich aus der Angst reißen; denn der Herr thut dir Gutes. Er errettet dich aus allen deinen Sünden durch den unschuldigen Tod Jesu Christi, welcher das heilige unbefleckte Opfer für unsere Missethat geworden ist. Amen.
Dr. M. Luthers Seufzen in Anfechtung der Sünden.

 74. Mein allerliebster Gott, wenn du es so willst haben, daß dies die Stunde sei, die du mir versehen hast, so geschehe dein gnädiger Wille!

 Drauf hat er seine Augen emporgehoben und mit großer Brunst seines Herzens das Vaterunser und den sechsten Psalm gar ausgebetet und darnach gesagt:
Mein allerliebster Gott, du bist ja ein Gott der Sünder und Elenden, die ihre Angst, Noth und Jammer fühlen| und deiner Gnade, Trost und Hilfe herzlich begehren, wie du sprichst: „Kommt her zu mir, Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“. Herr, ich komme auf deine Zusage, ich bin in großer Angst und Noth, hilf mir um deiner Gnade und Treue willen! Amen.


3.
Wider die Verzweiflung.
 75. O Herr Jesu Christe, mehre meinen Glauben und mein Vertrauen in dich, daß ich nicht an deiner göttlichen Gnade verzage und nicht in der allergrößesten Sünde, dem Unglauben, verzweifle. O Herr, davor behüte mich! Deine im heiligen Evangelium verheißene Gnade laß nicht aus meinem Herzen kommen. Du bist mein einziger Trost und Hoffnung.| Stehe mir bei in dieser Angst. Laß meine arme Seele nicht in die Hände meiner grausamen Feinde kommen, und gestatte ihnen keine Gewalt über mich, sondern beweise an mir deine Güte zu dieser Stunde, denn du bist mein Seligmacher und Erlöser.
 76.* Barmherziger Gott, leider habe ich oft deine heiligen Gebote überschritten, dich meinen Gott und Herrn verachtet, erzürnet und heftig beleidigt. Darum ist mir mein Gewißen hart beschwert und verwundet, daß ich darob fast kleinmüthig und zaghaft bin. Wiewohl mir dein heilig Wort Vergebung meiner Sünden aus lauter Gnaden unwiderruflich zugesagt, so ist doch mein Glaube schwach und der Teufel stark, der mir gerne allen Trost stehlen und aus dem Herzen reißen wollte. Darum ruf ich zu dir, o heiliger Vater, laß mich an deiner göttlichen Gnade nun und nimmermehr verzagen, daß ich nicht in die allergrößten Sünden des Unglaubens und der| Verzweiflung falle, oder darein verwillige. Stärke mich, daß ich mitten im Tode auf dich, mein Leben, hoffe, und an deiner Barmherzigkeit und Hilfe nicht verzage, auf daß ich nicht, wie der gottlose Cain, meine Sünden größer achte, denn daß sie mir könnten vergeben werden. O Christe, Gottes Sohn, du lebendiger Brunn aller Gnaden, der du überfließest mit eitel Quellen der Barmherzigkeit, zu dir rufe ich von ganzem Gemüthe: mehre meinen Glauben auf dein heiliges, bitteres Leiden und Sterben. Denn das ist je gewislich und unwidersprechlich wahr, daß ein einiges Tröpflein deines allerheiligsten Blutes, für mich vergoßen, viel kräftiger und mächtiger ist, denn alle meine größten und mächtigsten Sünden. Sieh mich an mit den Augen deiner Barmherzigkeit, wie du den lieben Petrus angesehen hast, nachdem er dich verleugnet und sich verflucht hatte, auf daß ich nicht wie Judas, der Verräther, verzweifle und Sünde in den heiligen Geist begehe. O Gott, heiliger| Geist, du milder Schatz, stehe mir bei in meiner letzten Noth! Wenn mich der böse Feind anklagt, und mein Gewißen mich beschuldigt, wenn mich erschreckt der Höllen Anblick und ich mit eitel Todesnöthen und greulichen Anfechtungen umfangen bin, wenn mich die ganze Welt verläßt und alles wider mich steht; so tröste mich, daß meine Hoffnung mir nicht entfalle. Bekräftige mein Herz mit deinem Zeugnis und Versiegelung, daß ich festiglich glaube eine Vergebung der Sünden, die mir und allen, so der Verheißung Gottes trauen, widerfahren wird. Laß mich des Bundes meiner heiligen Taufe eingedenk sein und mich der Verheißung: „Wer glaubt und getauft wird, der wird selig werden“ von Herzensgrund annehmen und trösten. Amen.


|
4.
Gläubiges Halten an Christo.
 77. Herr Jesu Christe, wenn ich dich und dein theures Verdienst betrachte, so habe ich einen großen tröstlichen Haufen wahrer Zeugen deiner herzlichen Liebe und meiner ewigen Seligkeit. Ich habe an dir, so oft ichs bedarf, ein ganzes Herz voll Zeugen. Sehe ich deine Person an, so bist du nicht allein wahrer Gott, sondern auch ein wahrhaftiger Mensch mir zu Ehren und Nutz: ist das nicht ein gewaltiger Zeuge meiner Seligkeit? Wenn ich deine Rede höre, so viel Worte, so viele Zeugen habe ich, daß ich nicht soll verdammt werden. Wenn ich deine Wunder beschaue, so viele Wunderwerke, so viele Zeugen habe ich, daß ich in keiner Noth soll verlaßen werden. Sehe ich dich im Oelgarten, so viel Blutstropfen, so viel Zeugen fallen auf die Erde, daß| meine Sünden gebüßt sind. Beschaue ich dich im Richthause, so viele Striemen bei deiner Geißelung an dir bluten, so viel Zeugen sagen mir deines Vaters Gnade zu. Wende ich mich zu dir ans Kreuz, so kann ich die Zeugen meines Trostes nicht zählen. Deine Dornenkrone bezeuget, daß mir soll die Krone der Ehren geschenkt werden. Deine aufgespaltete Seite zeugt von deiner und deines Vaters ungefälschten herzlicher Treue. Deine Wunden zeugen, daß ich Gottes Kind sein soll; dein Tod zeugt, daß ich soll leben; dein Grab zeugt, daß ich im Grabe nur soll ruhen; deine Auferstehung und Himmelfahrt zeugt, daß ich soll aus dem Grabe gehen zur ewigen Freude. Herr Jesu, an dir hab ich genug zum Leben und zum Sterben. Du wollest dich ja allezeit meinem Herzen zeigen, so habe ich einen großen, gewünschten Zeugenhaufen, welcher mich alles meines Trostes kräftig versichert und überzeugt. Dafür sei, o Herr Jesu, dir ewiges Lob und Dank gesagt! Amen.


|
5.
Das Credo auf dem Sterbebette.

 78. Ich glaube an Gott Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden.

 Ich setze meinen Trost, Hoffnung und Zuversicht allein in die bloße Gnade und Barmherzigkeit Gottes, daß mir derselbige allein – und keine Kreatur, sie sei, so heilig sie immer wolle – helfen kann in aller meiner Noth und Angst.

 Und weil er mein Vater ist, so glaub ich festiglich, daß er mir von Herzen gerne helfen wolle und mir Beistand thun in aller meiner Noth und mich nimmermehr verlaßen weder hier noch dort.

 Und weil er allein ein allmächtiger Herr ist, so glaube ich, daß er mich könne beschirmen und erhalten vor allem, das mir zuwider ist. Denn er allein meinen Feinden stark genug ist durch seine Allmacht.

|  Und weil er auch ist ein Schöpfer Himmels und der Erden, so glaube ich, daß er alle Kreaturen in seiner Hand habe, daß mir derselben keine einen Schaden zufügen kann, ohne seinen väterlichen Willen.

 Darum bin ich allein von diesem allmächtigen Herrn, Vater und Schöpfer, gewärtig aller Güter und des ewigen Lebens. Denn all Ding allein von ihm kommt und gegeben wird. Ja, er will sich selbst ganz und gar mir geben mit allem, was er ist und hat, mit Himmel und Erde, sammt allen Kreaturen, daß sie mir dienen und nütze sein müßen und mich fördern zum ewigen Leben.


 Ich glaube an Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unsern Herrn, der empfangen ist von dem heiligen Geiste, geboren aus Maria, der Jungfrau, gelitten unter Pontio Pilato, gekreuzigt, gestorben und begraben, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage wieder auferstanden| von den Todten, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und Todten.

 Ich glaube von Herzen, daß Jesus Christus, des Vaters eingeborner Sohn von Ewigkeit, habe um meinetwillen die Menschheit an sich genommen, sei vom heiligen Geiste ohne Manneszuthun empfangen und von der heiligen, reinen Jungfrau Maria, als von einer rechten natürlichen Mutter geboren, daß solcher Mensch sei wahrhaftig Gott, als eine ewige unzertrennliche Person, aus Gott und Mensch geworden.

 Ich glaube auch, daß solcher Gottes- und Marien-Sohn, unser Herr Jesus Christus, habe für mich armen Sünder gelitten, sei für mich gekreuzigt und gestorben, damit er mich von den Sünden, Tod und ewigem Zorn Gottes durch sein unschuldiges Blut erlöst hat. Er hat für mich des Todes Angst selbst erlitten und die ewige Hölle selbst empfunden und überwunden, auf daß| ich mit Gott versöhnt und aller meiner Feinde Herr würde.

 Ich glaube, daß ich ohne dies Sterben des Sohnes Gottes, unsers Herrn Jesu Christi, weder mit Werken, noch mit Verdiensten Gottes Gnade und die Seligkeit erlangen kann.

 Ich glaube, daß Christus Jesus, mein Bruder, vom Tode sei erstanden um meiner Gerechtigkeit willen und mir den Tod und die Hölle gefangen genommen habe, daß sie mir nimmer schaden können. Denn ich bekenne, daß ich des ewigen Todes sterben müßte, wo mir Christus Jesus nicht zu Hilfe gekommen wäre und meine Sünd und Schuld, Vermaledeiung und den ewigen Tod als ein unschuldiges Lamm auf sich genommen hätte, für mich durch sein Leiden nicht bezahlt und für mich die Vermaledeiung wäre worden. Ich glaube, daß er noch täglich für mich stehe und mich vertrete, als ein treuer, barmherziger Mittler, Heiland und einiger Priester und Bischof meiner Seele.

|  Ich glaube, daß Christus mit Gott zugleich alle Dinge regiere und erfülle, aller Dinge auch gewaltig sei im Himmel und auf Erden, ein Herr über alle Herren, König über alle Könige, auch über alle Kreaturen im Himmel, auf Erden und unter der Erden, über Tod und Leben, über Sünde und Gerechtigkeit. Derselbige König und Herr wird mir vorgehen in meinem Leiden und Sterben, für mich streiten und kämpfen, damit ich sammt ihm ein Herr werde über alle meine Feinde immer und ewiglich.

 Ich glaube, daß der gekreuzigte Christus zukünftig werde sein am jüngsten Tag und alle die richten und verdammen, welche nicht an ihn geglaubt haben, mich aber sammt allen Gläubigen behüten vor dem strengen Urtheil der ewigen Verdammnis und zu uns sagen: „Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt“!


|  Ich glaube an den heiligen Geist, Eine heilige christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Amen.
Das ist:

 Ich glaube an den heiligen Geist, der mit Vater und Sohn ein wahrhaftiger Gott ist und vom Vater und Sohne ewiglich kommt, doch in Einem göttlichen Wesen und Natur eine unterschiedliche Person.

 Ich glaube, daß ich durch denselben, als eine lebendige, ewige, göttliche Gabe, mit dem Glauben werde geziert, vom Tode auferweckt, von Sünden gefreiet, und fröhlich und getrost, frei und sicher im Gewißen gemacht. Denn das ist mein Trutz, wenn ich solches Geistes Zeugnis in meinem Herzen empfinde, daß Gott will mein Vater sein, meine Sünde vergeben und ewiges Leben schenken.

 Ich glaube, daß der heilige Geist helfe meine Schwachheit tragen und mich vertrete mit unaussprechlichem Seufzen, mich| stärke und mein Herz erleuchte, zu erkennen die überschwänglichen Reichthümer der väterlichen Barmherzigkeit, die er, der Vater, mir gegeben und geschenkt hat aus lauter Gnaden, ohn all mein Verdienst, allein um Christi, seines lieben Sohnes, willen, durch welchen mir solches vom Vater geschenkt wird. Dies alles aber gibt mir allein der heilige Geist zu erkennen, entzündet mein Herz und erleuchtet es, daß mir solch Geschenk von oben herabkommt, wie mir Christus verheißt, da er sagt: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Waßers fließen“.

 Ich glaube, daß eine heilige, christliche Kirche sei auf Erden, d. i. die Gemeinde und Zahl oder Versammlung aller Christen und Heiligen, darin Ein Gott, Ein Herr, Ein Geist, Ein Glaube, Eine Taufe ist, welcher Kirche einiger Bräutigam und Gemahl ist Christus Jesus, unser Heiland.

 Ich glaube, daß die Kirche sei der geistliche Leib, und Christus sei ihr einiges| Haupt. Ich glaube, daß Christus dieses seines Leibes, seiner Kirche, Heiland sei und sich selbst für sie gegeben habe, auf daß er sie heiligte, und habe sie gereinigt durch das Waßerbad im Wort, auf daß er sie ihm selbst darstellete, eine heilige Gemeinde, die nicht habe Flecken oder Runzel oder des etwas, sondern daß sie heilig sei und unsträflich, ein Pfeiler und Grundveste der Wahrheit.

 Ich glaube, daß in dieser Christenheit, und wo sie ist, da ist Vergebung der Sünden, da ist ein Königreich der Gnaden und des rechten Ablaßes, und daß außer solcher Christenheit ist kein Heil, noch Vergebung der Sünden.

 Ich glaube, daß niemand selig werde, er sei denn in dieser Gemein und Kirche als ein lebendig Glied an seinem Leibe eingepflanzt.

 Ich glaube, daß in diesem Reiche nicht nur Ein Mal Vergebung der Sünden sei, sondern so oft mans begehret und holet, denn Christus ist wie ein Arzt und Krankenwärter,| der nichts thut, denn der Kranken warten, ihnen aushelfen, sie stärken und gesund machen, und wie Jes. 42. sagt: „Das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen, und das glimmende Docht wird er nicht auslöschen“.

 Ich glaube eine Auferstehung des Fleisches, daß mein Leib, den die Würmer freßen sollen, wieder auferstehen werde, wie er zuvor gewesen ist; denn Christus wird ihn am jüngsten Tage auferwecken laut seiner Weißagung, da er spricht: „Das ist der Wille des, der mich gesandt hat, daß, wer den Sohn siehet und glaubt an ihn, habe das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage“, und: „Wer mein Fleisch ißt und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage“.

 Ich glaube, daß nach diesem Leben ein ewiges Leben sein werde, daß ich mit Christo immer und ewiglich leben werde, laut seiner Zusage, da er spricht: „Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, wer mein Wort hört| und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist schon vom Tode zum Leben hindurchgedrungen“; und: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben“; und: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, so jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich“; desgleichen: „Ich bin das lebendige Brot (spricht Christus), vom Himmel kommen; wer von diesem Brote eßen wird, der wird leben in Ewigkeit“. Amen.


6.
Um Beständigkeit in der ungewissen Todesstunde.
 79. O Herr, ewiger Gott, in dem all unser Heil und Trost steht, du bist der Anfang und das Ende aller Dinge, vor welchen| du ewig warest und nach denen du ewig sein wirst, dem allein unser Ende bewußt ist. Ich bitte dich, du wollest mir Gnade verleihen, daß ich allezeit durch Betrachtung meines letzten Endes in der Liebe und Furcht möge wachsen, und wollest mich in wahrem, rechtem Glauben, Liebe und Hoffnung erhalten und weder Anfechtung des Teufels, des Fleisches, der Welt, der Marter, noch der Pein am Ende meines Lebens mich laßen überwinden, daß ich etwa ihrethalben möchte verzagen oder verzweifeln an deiner Gnade und Barmherzigkeit. Du wollest mir aus väterlichem Herzen mittheilen das zarte unschuldige Leiden und Sterben Jesu Christi, unsers Herrn, deines geliebten Sohnes; dessen Tod und Marter wollest du nehmen für meine Buße. O guter Vater, halte mich in deiner Hut und thue meiner armen Seele wohl, ehe mir mein Herz zerbricht, und mein Mund nimmer spricht; ehe sich meine Augen verwenden, komm mir zu Hilf, o Vater aller Barmherzigkeit, durch das Wort, welches| Jesus, dein lieber Sohn, unser Herr, an seinem letzten Ende in höchster Marter und Pein zu dem Schächer gesagt hat: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“, mit welchem ich, o Vater, meinen Geist befehle in deine Hände. Amen.
 80. Allmächtiger Gott, himmlischer Vater, weil Trübsal bei geübten Christen bringt Geduld, Geduld bringt Erfahrung, Erfahrung bringt Hoffnung, Hoffnung aber läßt nicht zu Schanden werden; so bitte ich dich, der du bist meine Zuversicht von meiner Jugend an, da ich noch an meiner Mutter Brüsten war, meine Burg und mein Gott, auf den ich hoffe, du wollest mich in keinerlei Widerwärtigkeit laßen zu Schanden werden, sondern mich trösten durch dein seligmachendes Wort, daß ich nicht verschmachte in meinem Elend. Beweise an mir deine wunderliche Güte, du Heiland derer, die dir vertrauen. Dein heiliger Geist vertrete mich aufs beste mit unaussprechlichem Seufzen, auf daß ich von| Herzen sagen möge: „Was betrübst du dich meine Seele? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichtes Hilfe und mein Gott ist“. Siehe, du läßest mich erfahren viele und große Angst und machst mich wieder lebendig und holst mich wieder aus der Tiefe der Erde. Du machst mich sehr groß und tröstest mich wieder. Warum sollte ich denn nicht auf dich hoffen, weil du so gnädig bist? Warum sollte sich mein Herz nicht freuen, daß du so gerne hilfst? Ja, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde, und wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Theil. Bewahre mein Herz vor sündlichem Vertrauen auf menschlichen Arm. Behüte mich vor Vermeßenheit auf eigene Werke und Verdienst. Laß mich nicht hoffen auf den ungewissen Reichthum, sondern auf dich, den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich allerlei zu genießen. Gib, daß in Lieb und Leid mein Herz allein an dir hange,| auf daß keinerlei Trübsal, Angst oder Gefahr von dir mich scheide. Erfülle mich mit allerlei Freude und Frieden im Glauben, daß ich völlige Hoffnung habe durch die Kraft des heiligen Geistes, und dadurch eine gute Ritterschaft übe und dir getreu bleibe bis in den Tod, damit du mir die Krone des Lebens gebest, nemlich die ewige Freud und Seligkeit, die mir dein lieber Sohn durch sein theures Verdienst erworben hat, welchem mit dir und dem heiligen Geiste sei Lob und Ehre in alle Ewigkeit. Amen.
7.
Um Versöhnlichkeit und das Heil der ganzen Welt.


 81.* Ach, himmlischer Vater, weil ich durch den Glauben an den Namen Jesu| dein Kind geworden bin, so gib mir, in Wahrheit deinem Befehle nach zu thun, nemlich den Feind zu lieben, die mir fluchen, zu segnen, zu bitten für die, die mich beleidigt haben. Herr, ich will ihnen allen gänzlich verziehen haben. Weil aber mein Herz mir unerforschlich ist, und ich etwa ohne es zu wißen noch einen Neid in mir tragen möchte; so bitte ich, du wollest mein Herz erforschen und erfahren, und so es an einem Orte fehlete, daß mir geholfen würde. Denn wie du, Vater, deine Sonne aufgehen läßest über Böse und Gute, auch regnen über Gerechte und Ungerechte, also begehre ich jedermanns Heil nach deinem göttlichen Willen. Mein Gott und Herr, wie gerne wollte ich, daß es jedermann wohlgienge, besonders denen, die um deines Wortes willen in Banden liegen und verfolgt werden. O gerechter Gott, so du meinen Feinden Gutes thust, warum sollte ich es ihnen nicht gönnen? Dein Wille geschehe, nicht der meinige. – Verschaffe auch, lieber| Vater, durch deinen heiligen Geist, daß die, die ich beleidigt habe, mir auch vergeben, ihren Seelen zu Nutz. Mir ist ja leid, daß ich jemals jemand vervortheilt, betrogen oder geärgert habe. Herr, sei uns allen gnädig und barmherzig, durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, unsern Herrn und Heiland! Amen.

 82.* O Herr, himmlischer Vater, ich bitte dich durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, verzeihe allen, die mich je mit Worten, Werken oder Gedanken beleidigt haben, und gib ihnen in ihr Herz, daß auch sie und alle, die ich je beleidigt habe, mir verzeihen. Denn es reut mich, und thut mir leid, daß ich je christliche Liebe gebrochen und nicht im Frieden nach deinen Geboten und deinem Willen gelebt habe.

 Ach lieber Vater, erbarme dich aller gefangenen, armen, bekümmerten, kranken und betrübten Menschen, und tröste die ganze Welt und führe sie zur Erkenntnis| deines heiligen Wortes, daß sie lernen erkennen deinen Willen und wandeln in deinen Geboten, daß dein heiliger Name auf der ganzen Erde groß und heilig werde in aller Menschen Herzen. Erwecke in ihnen dein Reich, daß alle Menschen auf Erden nach deinem Willen leben mögen, wie die lieben Engel im Himmel. Speise die Leiber, speise die Seelen mit deinem heiligen Worte, welches ist das wahre, lebendige Himmelsbrot selbst, das aus dem Himmel herabgestiegen ist, Jesus Christus. Wer davon ißet, d. i. von Herzen glaubt, den wird nimmermehr hungern noch dürsten, denn es tilgt aus den Hunger der Seelen und wirket Vergebung der Sünden und lehrt uns auch von Herzen verzeihen allen denen, die uns beleidigen. O Herr, allmächtiger Vater, wollest mich nicht in Versuchung kommen laßen in meinen Todesnöthen, sondern wollest mich erlösen von dem Uebel, das ist vom Teufel, aller seiner List und dem Greuel des Unglaubens, und um deiner Ehre willen, o du, des die Kraft,| Herrlichkeit und das Reich ist, mir Armen väterliche Treu erzeigen in Christo Jesu, meinem Erlöser! Amen.


8.
Die Sprache des Evangeliums vom Tode zu verstehen.
 83.* Herr Gott, heiliger Geist, nimm du mein Herz ein und erfülle es mit der tröstlichen Gnade meines Herrn Jesu Christi. Lehre mich nun auf meinem Sterbebette unterscheiden Gesetz und Evangelium, nicht fürchten die gestrengen Worte des Gesetzes vom Tode, sondern lehre mich die heilsame, trostreiche Sprache des Evangeliums verstehen. Laß mich dieselbe nicht allein mit den Ohren vernehmen und mit dem Munde nachsprechen, sondern hilf, daß ich allezeit, sonderlich in der Stunde| meines Abschieds, glaube und empfinde, daß ich nicht sterbe, sondern im Frieden entschlafe, nicht ins Grab, sondern in meine Kammer gelegt werde, nicht verwese, sondern ruhe und raste, bis du mich wieder auferwecken wirst. So lege ich mich nun, Herr Jesu, in deine Arme, wie ein Kind in die Arme seiner Mutter, befehle dir meine Seele, schlafe ein und ruhe so fein, indes deine Augen wachen und deine Hand und dein Geist mir Leib und Seele behüten! Gelobt sei dein heiliger Name! Amen.


9.
Wider die Furcht des Todes.
 84. Herr Jesu Christe, der du gestorben und vom Tode wieder erstanden bist, und mich auch vom ewigen Tod erlöset und den zeitlichen in einen sanften Schlaf verwandelt| hast: ich bitte dich, mein Gott, gib, daß ich mich vor dem Tode nicht zu hart entsetze, noch vor dem finstern Grabe zu sehr fürchte, sondern einschlafe, wann es dir gefällt, und in mein Ruhebettlein gehe, wann du willst, mit gewisser, fröhlicher Hoffnung, daß ich deine Stimme bald hören, aus dem Grabe hervor in das ewige Leben eingehen werde, da lauter Schönheit, Freude die Fülle und liebliches Wesen sein wird zur Rechten Gottes immer, und ewiglich. Amen. O trauter Heiland! Amen!
 85. O du frommer Gott, herzliebster, einiger, ewiger Vater, wie ist doch unsere verderbte Natur wegen der anklebenden Sünde so voll Schrecken und Furcht, daß wir uns alle natürlicher Weise vor dem Tode entsetzen und viele Menschen das Sterben für ihr Verderben halten, da doch der Tod denen, die dich von Herzen lieben, ein süßer Schlaf ist, und sie, obwohl sie sterben, den Tod nicht schmecken, sondern durch den| Tod zur Unsterblichkeit und zum ewigen Leben hindurchdringen, weil dein Sohn Christus Jesus, unser einiger Heiland, dem Tode seine Macht genommen hat, dem Tode ein Gift und der Hölle eine Pestilenz geworden ist. Ich bitte dich von Grund meines Herzens, verleihe mir deinen heiligen Geist, stärke damit mein blödes und furchtsames Herz, daß ich vor dem Tode ja nicht erschrecke und seine Bitterkeit in Ewigkeit nicht mehr schmecke, sondern denselben mit gläubigen Augen nach deinem Worte anschaue und darum ihn halte für meinen Gewinn, der viel mehr trägt, als Gold und Silber, – für meine Ruhe, da ich armer Tagelöhner nach der mühseligen Arbeit alles Elends Feierabend mache, – für meine Friedensfahrt, da ich aus dem Kriege und stätigen Kampfe mit so viel Feinden werde beurlaubt, – für meine heilsame Arznei, die alle Krankheiten und Siechtage endet, – ja für eine Thür des ewigen Lebens, für eine Pforte der Ehren, für einen sichern| Hafen des ewigen Vaterlandes, für einen Geburtstag der künftigen Seligkeit, ja für eine große Wohlthat, auf daß ich also nach einem seligen Stündlein ein herzlich Verlangen trage und mit dem alten Tobias wünsche: „Ach Herr, erzeige mir Gnade, und nimm meinen Geist weg im Frieden; denn ich will lieber todt sein, denn leben“. Vollbringe deinen heiligen und allezeit guten Willen an mir, mein Gott, um deiner ewigen Liebe willen. Amen.


10.
Um einen seligen Abschied.
 86. O Herr Christe, du einziges Heil der Lebendigen und ewiges Leben der Sterbenden, deinem allerheiligsten Willen unterwerfe und ergebe ich mich ganz und gar, und stelle es dir heim, ob dir gefällig sei, meine arme| Seele in dieser armen Hütte meines Leibes zu deinem Dienste länger zu erhalten, oder aber, daß sie von hinnen scheide. Denn ich bin gewiß, was deiner ewigen Barmherzigkeit vertraut und empfohlen ist, das wirst du nicht zu Grunde und untergehen laßen. Darum will ich dies mein elendes, schwaches, zerbrechliches und mühseliges Fleisch willig und billig übergeben und hinlegen mit Hoffnung und Zuversicht der fröhlichen Auferstehung, in welcher ich mit meinem Leibe werde viel herrlicher und seliger begabt werden. Diese meine arme Seele, bitte ich, Herr Jesu Christe, wollest du durch deine Gnade und Barmherzigkeit wider alle Anfechtungen und Versuchungen befestigen und stärken, und wider alle List und Vorwürfe des leidigen Satans mich umringen mit dem Schilde deiner ewigen Barmherzigkeit, wie du vor Zeiten deine lieben heiligen Märtyrer wider allerlei grausame Pein, wider Marter und Tod unüberwindlich erhalten hast. Ich sehe wohl,| daß ich mir selber ganz und gar nicht helfen kann; allein in deine unaussprechliche Güte und Barmherzigkeit setze ich alle meine Hoffnung und Vertrauen. Ich habe kein gutes Werk, noch Verdienst, welches ich vor dir anziehen und hervorheben könnte; Uebel und Arges aber sehe ich leider mehr denn zu viel. Darum alleine durch deine ewige und neutestamentliche Gerechtigkeit hoffe ich zur Zahl der Gerechten gezählt zu werden. Denn mir bist du geboren, um meinetwillen hast du Hunger und Durst gelitten, mich hast du gelehrt, für mich hast du gebetet und gefastet, um meinetwillen hast du so viele gute Werke gethan in diesem Leben, so viel Elend, Noth und Jammer ausgestanden, und für mich dein kostbares Leben in den Tod gegeben. So laß mich nun, allerliebster Herr Jesu Christe, dessen genießen, was du mir mit freiem, gutem Willen geschenkt hast, nämlich deiner selbst, o meine Gerechtigkeit. Dein theures Blut wolle abwaschen alle meine Übertretung und Missethat. Deine Unschuld| decke meine Schuld, durch dein Verdienst wollest du mich dem obersten Richter zu Gnaden befehlen, und wenn das Uebel überhand nimmt, so mehre deine Gnade in mir, auf daß mein Glaube nicht wanke, die Hoffnung nicht stammele, die Liebe nicht erkalte, die arme, schwache menschliche Blödigkeit durch die Schrecken des Todes nicht gar dahingerißen und unterworfen werde; sondern wenn die leiblichen Augen gebrochen sind, die Augen des Herzens und Gemüthes von dir nicht abgewendet werden, und wenn der Zunge ihr Gebrauch genommen, doch das Herz ohne Unterlaß zu dir schreien möge. Herr Jesu Christe, in deine Hände befehle ich meinen Geist! Dir sammt dem Vater und heiligen Geist sei Lob und Preis immer und ewiglich! Amen.


|
11.
Um das Ende des Leides und den Anfang der ewigen Freude.
 87. Herr Jesu Christe, die Stunde meines Abschieds nahet sich, meines Lebens Ende ist vorhanden. O wie herzlich gern will ich sterben und bei dir sein. Ich will diesen verweslichen und sündlichen Leib gern ablegen, daß du mich mit dem unsterblichen, geistlichen, unsündlichen wieder anziehest. Bis hieher bin ich nur ein Gast und Pilgrim gewesen auf dieser Erden: nun aber nahe ich allererst zu meinem rechten Vaterland. Bis hieher habe ich auf dem ungestümen Meere in großer Gefahr, Noth, Trübnis und Elend mein Leben zugebracht; aber nun, Herr, komme ich zum Ufer und steige aus aufs Land, aufs Land der Lebendigen und aller Auserwählten. Bis hieher hab ich gelebt im finstern Thal, nun komm ich ans Licht.| So lange habe ich meine Zeit zugebracht in Jammer, Noth und Elend; nun geht meine Ruhe und Freude, nun geht erst mein Leben an; so lange bin ich todt gewesen! Komm, du lieber Tod, ich bin unerschrocken vor dir; denn das mir nach dir folgen wird, des bin ich genugsam versichert. Komm, lieber Tod, und nimm mich hinweg! Führe mich zu meinem Herrn Christo, ich begehre hier nicht zu bleiben. Lege mich immer ins Grab hinein, wie du meinen Herrn Christum auch hinein gelegt hast: ich werde doch im Tode nicht bleiben, so wenig als mein Herr Christus. Ist mein Herr aus dem Grabe erstanden, so werde ich auch darin nicht verschloßen bleiben. Komm, lieber Tod, und säume nicht, ich warte dein. Du bist mein Eingang zum Leben, ein Ende aller meiner Trübsal, Krankheit, Jammer und Elends, ein Anfang aller meiner Wohlfahrt, Lebens und Seligkeit. Zwar bist du schrecklich anzusehen, Fleisch und Blut entsetzt sich vor dir; aber mein Herr Christus hat es| mit mir so weit gebracht, daß ich mich vor dir nicht mehr fürchte und entsetze. Komm, mein Freund, komm, ich will vor dir nicht fliehen. Komm und thue mir auf das Fenster zum Licht und die Thür zum Leben, daß ich hineingehe und bei meinem Herrn Christo ewig lebe! Amen.


12.
Gebet eines Kranken, dessen Kräfte schwinden.
 88. Ach du barmherziger, ewiger, gütiger Gott, du Gott der Geister und des Fleisches, du Herr der Lebendigen und der Todten, du weißt, daß ich meine Seele von deinen göttlichen Händen empfangen habe, den Leib aber hast du von der Erde und Staub gemacht. Dieweil aber nunmehr die Zeit vorhanden ist, daß| die Erde das Ihrige wiederum fordert und begehret, so will ich hiemit den Leib der Erden bis zu seiner Zeit wiederum geben, die unsterbliche Seele aber, die du mit deinem heiligen göttlichen Munde in diesen meinen irdischen Leib geblasen hast, die auch dein geliebter Sohn Jesus Christus mit seinem heiligen Tode so theuer erkauft hat, die dir allein zugehört und dein eigen ist, in deinen gnädigen väterlichen Schutz und Schirm treulich befohlen haben, mit inniglicher herzlicher Bitte, du wollest sie, weil sie von dir erschaffen und von dir herkommen ist, für deine Kreatur und Geschöpf wiederum erkennen und annehmen um Jesu Christi meines einigen Heilandes willen, welcher mit dir und dem heiligen Geist, wahrer Gott, lebt und regieret in alle Ewigkeit. Amen.


|
13.
Gebet eines alten Mannes um ein seliges Ende.
 89.* Ach du mein herzlieber Herr und Gott, der du der Brunn des Lebens bist und unsern Odem in deiner Hand hast, Herr, ich bin voll Krankheit und Schmerzen, das Gedächtnis nimmt ab, der Verstand wird gering, meine Augen werden dunkel und starren vor Alter, mein Angesicht ist jämmerlich, mein Odem schwach, mein Herz ist matt, mein Gebein hanget an meinem Fleische. Ich gehe krumm und sehr gebückt, dazu ganz traurig, ich bin wie eine Haut im Rauch, meine Gelenke beben und haben keine Kraft mehr, denn meine Kraft hat mich verlaßen. Meines Herzens Freude hat ein Ende, mein Leben hat abgenommen vor Betrübnis, meine Tage sind dahingefahren wie ein Wind. Ach Herr, ich sehne mich nach dem Tode, wie sich| ein Knecht nach dem Schatten sehnt, und warte auf mein Ende, wie ein Tagelöhner auf den Feierabend. Ich habe Lust, die irdische Hütte abzulegen und bei Christo zu sein: gefällt es dir, so spanne aus, lieber Vater, spanne mich aus, ich habe mich in dieser argen Welt gar müde gearbeitet, ich begehre keines Lebens mehr, ich will lieber todt sein. Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn. Herr, du hast meinem Leben ein Ziel gesetzt, das werde ich nicht übergehen, erzeige mir die Gnade und nimm meine Seele im Frieden, schicke mich alt und lebenssatt zum Grabe. Herr, ich bin in des Todes Rachen und werde doch in des Todes Rachen nicht bleiben. Ich werde nicht aufwachen, noch aufstehen, so lange der Himmel bleibt, und werde doch in der Auferstehung der Todten mit allen Seligen auferstehn; bald werd ich nicht mehr leben und doch mit dir ewig leben. Laß mich nicht mit Unwillen und Qual, sondern willig und fröhlich sterben und ehrlich| in mein Grab kommen. Gib mir zu seiner Zeit, du Fürst des Lebens, den Geist des Lebens wieder! Laß mich in der Auferstehung des Lebens auferwecket werden und zu deiner Freude und Herrlichkeit eingehen! Amen.


14.
Um das ewige Leben.
 90. Herr Jesu Christe, gib mir ein herzlich Sehnen und Verlangen – nicht nach allem dem, was die Welt für herrlich, groß und köstlich hält, sondern allein nach deinem Reich, daß ich zu dir möge kommen und der ewigen Seligkeit theilhaftig werden. O selig, überselig, wen du in dein Reich angenommen und deiner ewigen Güter theilhaftig gemacht hast. Nur eins bitte ich von dir, Herr Jesu| Christe: mache es hie in diesem Leben mit mir, wie du willst, gib mir, was dir wohlgefällig, aber laß mich in deinem Hause wohnen und nimm mich auf in die ewigen Hütten. Hier ist doch nichts als Eitelkeit, alles vergänglich, Asche und Staub: wer kann aber deines ewigen Reiches Freud und Herrlichkeit aussprechen? O Herr, regiere und leite mich durch deinen Geist, daß ich dieser Herrlichkeit nicht beraubet werde. Erhalte mich in deiner Furcht, Liebe und Erkenntnis, daß ich nach diesem Leben auch möge eingehen zu der künftigen Herrlichkeit, welche größer ist, als jemand hier auf Erden sagen oder denken kann. O Herr Christe, verleihe mir Geduld, daß ich alle Betrübnis und Widerwärtigkeit dieses Lebens möge überwinden in der Hoffnung der großen Herrlichkeit, welche du uns bereitet hast, und weil es nicht anders sein kann, denn daß wir durch viel Betrübnis, Angst und Noth und Widerwärtigkeit eingehen zum ewigen Leben. Laß uns alles| gering oder vielmehr für gar nichts achten, was wir hie müßen leiden und ausstehen, und unser Herz und Gedanken alleine wenden auf die folgende Freud und Herrlichkeit. Laß mich ja kein Unglück, Kreuz oder Widerwärtigkeit, auch keine zeitliche Lust und Liebe von diesem deinen Reiche abwenden, sondern gib mir deine Gnade, daß ich Tag und Nacht darnach denke und trachte, all meinen Trost, Freud und Hoffnung dahin stelle und nach dem rechten Vaterland ein herzlich Verlangen habe, nicht anders als ein Hirsch nach frischem Waßer! Amen.
 91. Ach du mein herzlieber Herr und Gott, gleichwie der Hirsch begehret des Waßerbrunnens, also begehret meine Seele, Gott, zu dir; meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott; wann werde ich doch dahin kommen und erscheinen vor Gottes Angesicht? Will denn nicht bald ein Ende haben mein kurzes Leben, auf daß ich in mein Ruhebettlein möge eingehen, darinnen| ich nicht werde wieder aufwachen, bis der Himmel zerbricht! Denn wenn ich gleich viel warte, so ist doch das Grab mein Haus. Eins bitte ich dich dazu gar herzlich: ach Herr, laß dir doch meine arme Seele, die du so theuer erkauft hast, in meinen letzten und höchsten Nöthen empfohlen sein, und weil sie der Sünde halben noch in deiner göttlichen Ungnade haftet, so wollest du an deine grundlose Barmherzigkeit und an das reichliche Verdienst deines eingebornen Sohnes, ja auch an die große Schwachheit meiner menschlichen Natur gedenken und deine väterliche Gnade jetzt nicht von mir abwenden; denn wer kann doch ein Bild, das von Ruß und Staub verderbt ist, beßer verneuern und zurecht bringen, als der Meister, der es gemacht hat? Wo soll und kann ich, deine arme Kreatur, auch anders Hilfe suchen, denn allein bei dir, meinem herzlieben Gott und Schöpfer? Darum hilf mir, denn die Angst ist nahe, und laß doch meinen Geist, den du mir gegeben hast,| wiederum zu dir gehen, so will ich dich loben für und für und deinen hochheiligen Namen preisen ewiglich. Amen.


15.
Sehnsucht nach der ewigen Heimath.
 92. O allerliebster Herr Jesu, du bist ja meine Stärke, mein Trost, meine Zuversicht und mein Erlöser. Herr, meine Ehre und Ruhm, auf den ich traue, an den ich glaube, und den ich von Herzen lieb habe. Du bist meine Wonne, meine feste Burg und meine einige Hoffnung. O komm, lieber Herr Jesu, mein Bräutigam! Ich habe dich ja in meinem Herzen; ich laße dich nicht, bis du mich einführest in das Reich deiner Herrlichkeit. Du bist mein Erlöser, der mich zu Ehren setzet und mein Haupt aufrichtet, du bist| mein Heil und mein Segen: nimm mich auf, mein Gott, wie du aufnahmest den armen Schächer, der zu dir schrie, da du starbest am Kreuze. O komm, lieber Tod komm mit einem seligen Stündlein! O seliges Stündlein, wie verlangt mich nach dir, wie lieb bist du mir, wie sehne ich mich nach dir! O komm und zeige mir, den meine Seele liebet! O wie schön, wie lieblich bist du, du liebes, seliges Stündlein! Verzeuch nicht, bleibe nicht länger außen, denn die Tage meines Lebens haben ein Ende, und meine Jahre sind dahingefahren wie ein Schatten. Komm, mein Gott, und laß mich einen kleinen Vorschmack deiner Freuden empfinden. Blicke mich an mit deiner Gnade und hilf mir; erlöse mich aus diesem vielfältigen Elend und von der Hand meiner Feinde. Errette meine Seele aus dem Kerker dieses Jammerthales und bringe sie durch deine Gnade dahin, wo mein lieber Herr Jesus ist und herrschet. Ich habe ja bisher dies Elend bauen müßen, wie mein Vater| Adam verdient hat. Ach, daß ich einmal eingehen sollte in den Lustgarten meines Herrn und die edlen Früchte seiner Gnade genießen! Lieber Tod, du bist wohl schwarz und greulich, aber mir bist du schön und lieblich, freundlich und holdselig. – O komm, du liebes Stündlein! Komm, komm, mein Gott, komm mit einer seligen Heimfahrt und thue meiner Seelen auf die Thür des Lebens, die du aufgethan hast meinem Herrn Jesu, wie du mir auch durch ihn verheißen hast, auf daß ich im Frieden ruhe und meine Wohnung sei im ewigen Zion. Laß mich einmal ablegen das sterbliche Kleid meines Leibes, damit ich umgeben bin, und anziehen die Kleider des Heils und der ewigen Freude. O wie verlangt meine Seele nach ihrem Freunde, ja nach ihrem ewigen Bräutigam: meine Seele dürstet nach dir, meinem lebendigen Gott. Ei so höre doch das Seufzen des Gefangenen und rette mich von meinen Banden! Laß mich eingehen in den ewigen Weinberg des Herrn Zebaoth,| daß ich nicht mehr in Sünden müßig stehe! Amen.

 Herr Jesu! Siehe, ich komme zu dir. O lieber Herr Jesu, nimm auf, welchen du mit deinem Blut erworben und wieder erkauft hast! Amen.

Hieronymus. 


16.
Um den jüngsten Tag.
 93. Herr Jesu Christe, eile doch und verzeuch nicht und bringe herzu den seligen Tag, da die Hoffnung unserer herrlichen Erlösung soll erfüllt werden; denn eben darum hast du uns heißen bitten im heiligen Vaterunser: „dein Reich komme“. Weil du uns denn solches zu bitten befohlen hast, so gib auch Gnade| und Hilfe, daß wir fleißig darum bitten und daneben festiglich glauben, daß wir endlich zu solcher Herrlichkeit kommen werden. Gib auch, daß derselbige fröhliche, selige Tag unserer Erlösung und Herrlichkeit bald komme, und wir solches alles erfahren, wie wirs im Wort hören und glauben. Amen.


17.
Um herzliches Verlangen nach Christo.
 94. Herr Jesu Christe, mein Bruder, wahrer Gott und Mensch, Herzenskündiger, der du alle Winkel meines Herzens weißt und erforschest: du weißt, daß ich dich lieb habe, und du mir lieber bist, als Himmel und Erde und alles, was darin ist. Ich bitte dich um deiner Barmherzigkeit willen, durch welche du mich vom| ewigen Tode erlöst hast, du wollest mir verleihen, daß ich immer und bis in alle Ewigkeit eine herzliche Begierde und Verlangen zu dir habe, und daß ich dich also möge lieben, daß alles vornehmen und thun, alle meine Gedanken, Worte und Werke, in Summa mein ganzes Leben allein auf dich, meinen einigen und höchsten Schatz gerichtet sei, und ich aller zeitlichen und vergänglichen Dinge vergeße, daß ich alle Stunden möge leben und wandeln, wie es dir gefällig ist, und wenn ich lang am Sorg- und Kreuzeskarren in dieser Welt geschleppet, daß ich nicht mehr fortziehen kann, so bitte ich von Herzen: ach Herr, löse auf, spanne aus und bringe mich zur Ruhe; ich will gern bei dir sein und dich von Angesicht zu Angesicht in ewigen Freuden anschauen. Solches verleihe mir gnädiglich um deines allerheiligsten Namens willen! Amen.


|
18.
Sehnsucht, daheim zu sein bei dem Herrn.
 95. Herr Jesu Christe, mein Trost und meine Wonne, wie verlangt meine Seele nach dir! Wie ein Hirsch schreit nach frischem Waßer, also schreit auch meine Seele nach dir. Meine Seele dürstet nach dir, meinem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, daß ich dein Angesicht schaue? – Herr Jesu, du ewige Weisheit, du weißt meine Zeit, meine Tage stehen in deinen Händen. Ach wann? Sobald du willst, Herr Jesu! Mein Herz sehnt sich zur Ruhe, zur ewigen, lebendigen Ruhe, aus dieser Finsternis zum Lichte, aus dem Trauern zur Freude, aus der Unruhe zum Frieden[,] aus der Mühseligkeit zur Herrlichkeit, aus der Schwachheit zur Vollkommenheit. Herr Jesu, du weißt alle Dinge, du weißt auch daß dich meine Seele herzlich lieb hat und trägt ein sehnliches Verlangen, dein| Angesicht zu schauen. Sieh doch, allerliebster Heiland, wie fließen die Thränen der Liebe aus meinen Augen. Merke doch, daß meine Augen vor Freude weinen, und mein Herz vor Liebe krank ist, seufzt, dürstet, verlangt und wünscht, bei dir daheim zu sein und auf deinem Schooße, in deinen Armen zu ruhen. Mein Herr und Gott, wie wohl wird mir da sein! Fröhlich wird meine Seele und mit großen Freuden ausrufen: „Hie ist gut sein! Hie ist gut sein!“ Herr Jesu, gedenke an mich in deinem Reich und sprich zu meiner Seele: „Heute sollst du mit mir im Paradiese sein!“ Amen.


19.
Gewißheit des ewigen Lebens.
 96. Herr Jesu Christe, du bist allein mein rechtes, einiges und ewiges Theil,| das ich erwählt habe, und ich bin gewiß und in meinem Herzen versichert, es werde nicht von mir genommen werden. O du großer Bürge, wer wollte an dir verzagen? O du allmächtiger Hirte, wer will mich aus deiner Hand reißen? O du liebreicher Heiland, der du die Liebe selber bist, wer will mich von deiner Liebe scheiden? Du bist ja mein, und ich, bin dein, du lebst in mir, und ich in dir. Du hast mich manchen Freudenblick empfinden laßen und den Vorschmack der ewigen Wonne schon angezündet in meinem Herzen. Ja, Herr Jesu, ich fühle das Zeugnis deines heiligen Geistes in meinem Herzen, welcher Zeugnis gibt meinem Geiste, daß ich ein Kind Gottes und dein ewiger Miterbe bin. Du bist der Weinstock, und ich eine Rebe an dir. Du bist der Baum des Lebens, und ich dir fest eingepfropft durch meinen Glauben. Du bist der Bräutigam, und ich dein vertrautes Herz, mit dir verbunden, mit dir| vereinigt, mit dir verknüpft durch einen ewigen unauflöslichen Bund, welchen keine Noth noch Tod, kein Teufel, keine Angst, kein Schrecken zertrennen soll ewiglich. Mein Herr, mein Gott, mein Hort, mein Trost, meine Lust, du Wonne meines Herzens, du Freude aller meiner Kräfte, wie soll ich an dir mich genugsam freuen? Wann werde ich dahin kommen, daß ich dein tröstlich Angesicht schaue?

 O allerliebster, freundlicher Herr, dir leb ich, dir sterb ich, dein bin ich todt und lebendig, – bin ganz versichert, versiegelt, bekräftigt, bestätigt, überzeugt in meinem Herzen, daß ich ein auserwählter Erbe bin der ewigen Seligkeit. Gelobt sei der Herr, mein Gott, der meine Seele so wohl versichert und getröstet hat! Amen.



|
20.
Eines sterbenden friedlicher Abschied aus der Zeit.

 97. O mein Gott und Vater, du läßest mich nun gehen den Weg alles Fleisches und meinen armen Leib durch Krankheit und Schmerzen so sehr geschwächt werden, daß ich nichts anderes vor mir sehe, als einen seligen Feierabend meines Lebens.

 Wohl mir und aber wohl, o himmlischer Vater, daß ich nun zur Ruhe komme von aller meiner Arbeit und errettet werde von allem Bösen, vornemlich daß nun die Sünde mit mir wird absterben, und ich bald kommen werde in die Gesellschaft der vollkommenen Gerechten im Himmel.

 Ich danke dir mit demüthigem Herzen für alle deine Wohlthaten, mit welchen du mich in meinem Leben überschüttet hast, und daß du mich als ein Glied deiner| Kirche bei deinem heiligen Wort und Sakramenten so gnädig erhalten, behütet und beschirmt hast, mich auch jetzt durch Krankheit und den Tod allgemach bei der Hand nimmst, um mich in dein himmlisches Haus einzuführen. Sei mir ein gnädiger Gott und rechne mir meine vielfältigen Sünden nicht zu, sondern rechne mir zu die Gerechtigkeit Jesu Christi, welche ich mit wahrem Glauben ergreife, und laß mich in dem theuern, vollkommenen Verdienste desselben sterben und ewig selig werden. Ich befehle dir und deiner väterlichen Gnade alles, was ich bin und habe, wie denn auch alles dein ist und ich alles von dir empfangen habe. Ich befehle dir meinen schwachen Leib, daß du die Schmerzen desselben linderest und milderest und ihm bald helfest zu seiner Ruhe. Ich befehle dir meine seufzende und kämpfende Seele, daß sie von den bösen Geistern befreit, von den guten Engeln bald getragen werde in Abrahams Schooß. Ich befehle dir auch alle meine hinterlaßenen| Freunde: sei du ihr Gott und führe sie zu seiner Zeit auch in dein seliges Reich. Erhöre mich, mein Gott, um Jesu Christi willen! Amen.


21.
Freude des ewigen Lebens.

 98. Ach Herr, wie dürstet meine Seele! Tränke sie mit deinem Troste, o du Brunquell des Lebens! Ach, wie schmachtet, wie dürstet meine Seele nach dir, Herr, mein Gott! Wann soll ich kommen und erscheinen vor deinem Angesichte? Mich gelüstet, zu schauen deine Klarheit, und mein Herz hat groß Verlangen nach deiner Güte!

Augustinus. 

|  99. O Jesu von Nazareth, erbarme dich mein! O du Sohn David, erbarm dich mein! O du Brunnquell der Gnaden, erbarme dich mein! Erhöre den Kranken, der dich anschreit! Herr, du wahres Licht, der du vorübergehst, warte des Blinden, der dich anruft! Reiche mir deine Hand, daß ich zu dir komme und in deinem Lichte das ewige Licht sehen möge! Amen.
Bernardus Clarivallensis. 

 100. O mein Gott, du wahrhaftiger Gott, ich bitte dich, gib mir, was du mir verheißen hast, nemlich daß meine Freude vollkommen werde. Indes verleihe mir, daß mein Herz ohn Unterlaß daran gedenke, meine Zunge ohne Unterlaß darnach trachte, mein Mund ohn Unterlaß davon singe, meine Seele darnach hungere, mein Fleisch und Blut darnach dürste, und alles, was an mir ist, ein sehnlich Verlangen darnach trage, bis| ich vollends eingehe, mein Herr, zu deinen Freuden und daselbst bei dir ewig bleibe!

Amen.


 *101. Freue dich, meine Seele, die du durch Christi theures Blut erlöset bist, freue dich in Gott, deinem Heiland. Gehe mit Loth aus Sodom und sieh dich nicht um; geh aus Egypten durch das rothe Meer in das Land, darin man Milch und Honig speist; sieh gen Himmel und vergiß der Erden. Du bist zum Himmel erlöst, zum Himmel geheiligt, zum Himmel erwählt. Dein Bürgerrecht ist im Himmel, da ist dir schon ein Sitz zubereitet. Lege gern ab dein unrein Fleisch, die schwere Bürde: es steht dir der Himmel offen, wie bei der Taufe Christi. Thut dir die Auflösung wehe, leide dich ein wenig, es ist um eine kleine Zeit zu thun. Dulde und leide; es ist beßer, eine kleine Zeit dies leiden, als länger in dieser Welt gepeinigt werden. Du wirst nicht sterben, sondern leben und Gottes| Werk verkündigen. Mit dir, mein Leib, hat es die Gelegenheit, daß von Gott beschloßen ist, daß du wiederum zur Erden werdest, davon du gemacht bist, wie dir solches zuvor durch so viel und mancherlei Krankheit angezeigt und verkündigt ist. Darum gib dich zur Ruh, geh in deine Kammer, schließ die Thür nach dir zu, verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe. Deine Verwesung wird deine Reinigung sein, du wirst herrlich wieder hervorkommen. Du wirst gesäet in Unehre, aber auferstehen in Herrlichkeit. Du hast getragen das Bild des irdischen Adam, du wirst auch tragen das Bild des himmlischen: in deinem Fleische wirst du Gottes Angesicht sehen. Du wirst voller Freude sein, wenn du auferwecket wirst. Nach seinem Bilde wirst du gewißlich auferstehen und nicht verloren werden deinem Herrn, der da ist Gebein von deinem Gebein und Fleisch von deinem Fleische. Wenn er dich wieder hervorrufen wird,| wirst du ohne alle Verhinderung hervorgehen. Der da Lazarum, welcher schon in Verwesung übergegangen war, wieder lebendig und frisch hervorgebracht hat, wird solche Kraft auch in deiner Auferstehung beweisen. Du leidest jetzt Marter und Pein: es ist um ein kleines, so wirst du frei sein und zur Ruhe kommen. Es komme nur der Tod und löse auf, was nach dem Falle aufgelöst werden muß; er wird mir kein Schade sein, sondern ein Gewinn: also komm ich zu Frieden und ewiger Freude.
.
 Nur, o Sohn Gottes, mein Heiland, der du mich aus der Hölle gerißen hast und erlöst aus der Hand des Todes, stehe mir bei an meinem letzten Ende. Zu dir erhebe ich mein Gemüth und meine Hand und mein mattes Herz. Dich rufe ich an, der du in das Elend unsers Fleisches herabgefahren bist, daß ich gen Himmel aufführe, der du gestorben bist am Kreuze, daß ich, wenn ich sterbe, wieder lebe. Verlaß mich nicht, mein Gott; weiche nicht| von mir, eile mir zu helfen, du Herr meines Heils. Du Wort des ewigen Vaters, hilf, daß aus meinem Herzen nicht entfalle dies Wort: „Das ist das ewige Leben, daß sie dich, daß du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“, für den Christ, d. i. daß er gesalbt ist zu einem Hohenpriester und König. Hilf auch, daß ich nicht vergeße, daß du zum Schächer an seinem letzten Ende gesagt hast: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Hilf, daß meine Seele sanft, still und friedlich aus ihrer Herberge abscheide und mein Geist zu dir gehe, der du das Leben bist. In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöset, Herr, du treuer Gott. Du hast meine Seele aus dem Tode gerißen, meine Augen von den Thränen, meinen Fuß vom Gleiten. Ich will wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen. Hab ich schon übel gelebt, so weiß ich doch, daß du dich mein erbarmet hast, daß du mein Gott und mein Bruder bist,| mein Leben und meine Arznei, mein Heiland und meine Freude, meine Ehre und mein Triumph. Nun läßest du deinen Diener im Frieden fahren, denn meine Augen haben dich, mein Heiland, gesehen. Ich begehre abzuscheiden und bei Christo zu sein. Die Welt hat mir Mühe genug gemacht, ich ziehe heim in mein herzliebes Vaterland, in den Himmel. O Herr, ich warte auf dein Heil. Zukomme dein Reich! Erlöse uns vom Uebel! Amen.


22.
Fröhliches Gespräch eines Herzens, welchem gegeben ist, mit Freuden heimzufahren.
 102. Ja, mein Herr Jesu Christe, du bist für mich gestorben, du hast mir deinen Vater versöhnt, du hast meine Sünde gebüßt, du hast den Tod verschlungen und mir das ewige Leben erworben. Das glaub ich von Herzen und halte mich an dich| festiglich. Darum habe ich in meinem Herzen Friede und Freude, Trost und Wonne und achte des Todes nicht. Ja, Herr Jesu, durch dich habe ich Vergebung aller meiner Sünden, bin vor Gott gerecht und rein, habe an ihm einen gnädigen lieben Vater, bin sein liebes Kind und Erbe seines Himmelreichs. Mein Herr Jesu, ich bin dein Eigenthum, du hast mich erkauft mit deinem Blute und erlöst aus der Hölle. Ja, du bist mein Bruder, und ich dein Miterbe; denn alles, was du hast, ist auch mein. Ja, ich bin deine herzliebe Braut und völlig dein, du hast mich theuer erworben. Auch bin ich ein Tempel und Wohnung deines heiligen Geistes, durch welchen ich versiegelt und versichert bin im Glauben. Ja, dein Geist hat mich mit dir, meinem Herrn, also verbunden, vereinigt und so fest verknüpft, daß ich auch bin Bein von deinem Bein, und Fleisch von deinem Fleische, und es müßten eher alle Kreaturen zu Grunde gehen, ehe mich etwas von deiner Liebe scheiden sollte. Was| sollte mir denn der Tod thun? Wahrlich nichts mehr, denn daß er mich näher zu dir, meinem Herrn Jesu, brächte. Derhalben achte ich des Todes gleich wie nichts, habe das Leben im Herzen und rede von nichts, als vom Leben. Denn Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn. Ja, ich singe und sage mit dem lieben Hiob: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, er wird mich hernach aus der Erden auferwecken, und werde darnach mit dieser meiner Haut umgeben werden, und werde in meinem Fleische Gott sehen. Denselben werde ich mir sehen, und meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder“. Herr Jesu Christe, du weißt, daß ich auch an dich glaube, und mit solchem meinem Glauben dir fest anhange; ja, auch ich weiß, daß ich an dich glaube und finde die Süßigkeit deines Trostes, ja den Vorschmack des ewigen Lebens in meinem Herzen. Du bist in mir und ich in dir; alles, was dein ist, das ist auch mein, nemlich Leben, ewige Wonne und Freude: was achte ich| des Vergänglichen? Wenn ich nur dich habe, so habe ich alles, was mich hie zeitlich und dort ewiglich erfreuen mag. Weg mit allen zeitlichen Lüsten, mit aller Herrlichkeit dieses Lebens und allen vergänglichen Dingen. Herr Jesu, du bist meine Wonne, du bist meine Freude, du bist mein Reichthum, du bist meine Ehre, mein Ruhm, meine Herrlichkeit, meine Lust und ewiger Ueberfluß. Herzlich lieb habe ich dich, Herr, meine Stärke, Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils und mein Schutz. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde, und wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Theil. Solcher Glaube, solche Liebe gegen dich, mein Herr Jesu, hat mein Herz also eingenommen und mich also gestärkt, daß mir alle Dinge, auch der Tod selber, zum besten dienen müßen. Laß kommen das Stündlein,| wann du willst: ich weiß und bin gewiß, daß ich an dir und durch dich habe das Leben und volle, ewige Genüge. Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Halleluja!


23.
In der Stunde des Todes.
 103. Herr, ewiger Gott, himmlischer Vater, weil es ja dein Wille ist, und es dir also gefällt, daß ich jetzt sterben soll, so geschehe dein Wille. Hie bin ich, lieber Vater! Ich danke dir für alle deine Wohlthat, die du mir im Leben erzeigt hast, sonderlich aber für diese Wohlthat, daß du mir deinen lieben Sohn Jesum Christum durch dein Wort hast geoffenbart, daß ich ihn habe lernen erkennen und nun gewiß| weiß, daß er mein Heiland, Erlöser und Seligmacher ist, der mir mit seinem Leiden und Sterben deine Gnade und Huld erworben hat. Ich bitte dich auch, sei mir gnädig und vergib mir alle meine Sünden, mit denen ich mein Leben lang wider dich gesündigt habe. Es ist mir alles herzlich leid, so weit ichs denken kann. Vergib mirs nach deiner großen Barmherzigkeit um deines lieben Sohnes Jesu Christi willen, wie du in deinem Worte verheißen hast, wie ich denn auch allen denen von Herzen vergeben habe, die wider mich jemals gehandelt haben, und laß dir meine arme Seele befohlen sein. Ich befehle dir auch alle, die du mir in dieser Welt befohlen hast, sonderlich mein armes Weib etc.; du wollest hinfort ihr Vater sein und sie versorgen, wie du denn zugesagt hast, daß du willst ein Vater der Waisen und Richter der Wittwen sein. Herr, dein Wille geschehe! In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöset, du getreuer Gott! Amen.
1597. 

|  104. Allmächtiger, barmherziger, himmlischer Vater, zu dir rufe ich in dieser meiner großen Noth. Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe. Verlaß mich nicht, dein armes Geschöpf! O treuer Gott! ich hoffe auf dich. Gedenke, o Herr, nicht der Sünde meiner Jugend noch meiner Uebertretung, gedenke aber mein nach deiner großen Barmherzigkeit und Güte, die von der Welt her gewesen ist. Verwirf mich nicht von deinem Angesichte, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. Ach Herr, die Angst meines Herzens ist groß, führe mich aus meinen Nöthen. Sieh an meinen Jammer und Elend und vergib mir alle meine Sünde. Meine Seele dürstet nach dir, nach dem lebendigen Gott, wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue? Errette mich bald, dein armes Kind, verkürze mir des Todes Qual. Laß mich, o Gott, von dir nicht abgeschieden werden. Erhalte mich in wahrem Glauben.| Dein guter Geist, der stärke mich und stehe mir bei, daß ich nicht wanke noch verzage. Dir, mein Gott, befehle ich meinen Leib, und Seele; du hast sie erkauft, o treuer Gott, dir gehört sie allein, hole sie nur bald wieder heim und „reiß sie aus des Todes Qual, führ sie zu dir ins Himmels Saal durch Jesum Christ, der allzeit ist mein einger Trost und ewigs Heil, meins Herzens Freud und bester Theil, auf den ich scheid aus allem Leid, ins Reiche dein aus dieser Pein. Auf Seinen Namen sprech ich das Amen“. Amen. Herr Jesu! Amen.
 105.* Allmächtiger, ewiger, barmherziger Herr und Gott, der du bist ein Vater unsers lieben Herrn Jesu Christi, ich weiß, daß alles, was du zugesagt hast, du auch halten willst und kannst. Du kannst nicht lügen. Dein Wort ist wahrhaftig. Du hast mir im Anfang deinen lieben Sohn Jesum Christum zugesagt. Derselbige ist kommen und hat mich vom| Teufel, Tod, Hölle und Sünde erlöset. Darnach zu mehrer Sicherheit hast du aus gnädigem Willen die Sakramente der heiligen Taufe und des Altars, seinen wahren, natürlichen Leib und Blut im Brot und Wein mir geschenkt, darin mir angeboten Vergebung der Sünden, ewiges Leben und himmlische Güter. Auf solch dein Anerbieten habe ich derselbigen gebraucht und im Glauben mich auf dein Wort fest verlaßen und sie empfangen. Deshalb zweifle ich nun gar nicht, daß ich wohl sicher und zufrieden bin vor dem Teufel, Tod, Hölle und Sünde. Ist dieses meine Stunde und dein göttlicher Wille, so will ich mit Fried und Freude auf dein Wort gerne von hinnen scheiden und dahin fahren in deinen Schooß! Amen.
Dr. Martin Luther. 

 106. Herr Jesu Christe, mein Leben, meine Zuflucht, mein einiger Trost, mein Erlöser und Seligmacher, auf den ich alle meine Hoffnung und Vertrauen setze, nimm| dich meiner gnädig an! Du bist ja mein Schöpfer, du hast mir das Leben gegeben, du hast mich aufs neue wieder geschaffen, da ich in Sünden gestorben. Du hast mir unaussprechliche Gnade und Barmherzigkeit erzeigt. Herr, laß mich dir in Gnaden befohlen sein! Thue mir auf die Thür zum Leben! Du Sohn David, erbarme dich mein, erleuchte meine Augen, daß ich nicht im Tode entschlafe. Laß mich in deinem Lichte von hinnen abscheiden zum ewigen Lichte! Herr, ich warte auf dich! Komm, Herr Jesu Christe, wann du willst, und versetze mich aus diesem elenden Leben in die ewige Herrlichkeit und Seligkeit! Amen.
 107.* Ich habe übel gelebt und bekenne, daß ich durch mein Verdienst das Himmelreich nicht erlangen kann. Aber mein Herr Jesus Christus hat das Himmelreich durch zweierlei Recht: einmal durch die Erbschaft des Vaters, daß er der eingeborene Sohn Gottes ist, vom Vater geboren in Ewigkeit,| und das Himmelreich ererbt hat; zum andernmal durch das Verdienst seines Leidens, daß er der Jungfrau Sohn ist, und das Himmelreich durch sein heilig unschuldig Leiden erworben hat. Das erste Recht zum Himmelreiche, daß er natürlicher, ewiger Erbe dazu ist, behält er für sich; das andere Recht aber, daß ers durch sein Leiden erworben hat, schenkt er mir. Desselben Geschenkes nehme ich mich an und werde nicht zu Schanden. Amen.
Bernardus Clarivallensis. 

 108.* Lieber Herr Jesu, ich weiß, wenn ich aufs beste gelebt habe, so habe ich doch verdammlich gelebt. Aber des tröste ich mich, daß du für mich gestorben bist und mich besprengt hast mit deinem Blute aus deinen heiligen Wunden. Denn ich ja auf dich getauft bin und dein Wort gehört habe, durch welches du mich berufen und mir Gnade und Leben zugesprochen hast und mich heißest glauben. Darauf will ich| dahin fahren, nicht in dem ungewissen ängstlichen Zweifel und Gedanken: „Ach, wer weiß, was Gott im Himmel über mich urtheilen will“; denn ich lebe nun des gnädigen Urtheils, das Gott über und wider des Gesetzes Urtheil vom Himmel gegeben hat: „Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das ewige Leben“!
 109.* Lieber Herr Jesu Christe, ob ich gleich das Gesetz nicht erfülle und obschon noch Sünde vorhanden ist, und ich mich vor dem Tode und der Hölle fürchte; so weiß ich doch dies aus dem Evangelio, daß du mir alle deine Werke geschenkt und gegeben hast. Des bin ich gewis, du lügst nicht, deine Zusage wirst du wahrhaftig halten, und zum Zeichen habe ich die Taufe empfangen. Darauf verlaß ich mich. Weil du denn, lieber Gott, mein bist, so will ich gerne sterben, denn also gefällt es dir, lieber Vater, und der Tod kann mir nicht schaden: er| ist verschlungen im Sieg. Und dir, lieber Herr Gott, sei Dank, der du uns den Sieg gegeben hast durch unsern Herrn Jesum Christum! Amen.
Dr. M. Luther. 

 110. Lieber Vater, wiewohl ich nicht weiß, wo ich hinfahren soll, oder wo die Herberge ist, doch weil ichs versucht habe, was der Glaube ist, so will ich wieder an dem Wort hangen. Du hast mir fortgeholfen, da ichs auch nicht sehen oder begreifen konnte, so wirst du auch jetzt helfen. Amen.

Dr. M. Luther. 

 111. Lieber Gott, in deiner Hand steht meine Seele, du hast sie erhalten in meinem Leben, und habe noch nie erkannt, wo du sie hingesetzt hast; darum will ich auch nicht wißen, wo du sie jetzund hinthun wirst. Das allein weiß ich wohl: sie steht in deiner Hand, du wirst ihr wohl helfen. Amen.

Dr. M. Luther. 

|  112. Herr, ich weiß niemand weder im Himmel, noch auf Erden, zu welchem ich eine tröstliche Zuflucht möchte haben, denn zu dir durch Christum. Ich muß mich nackend ausziehen von allen (fremden) Werken und Verdienst. Herr, ich habe keine Zuflucht, denn zu deinem göttlichen Schooß, darin der Sohn sitzt. Wenn ich die Hoffnung nicht habe, so ists verloren.
Dr. M. Luther. 

 113. O Herr, unser Leben ist nichts anders, als eine mühsame und beschwerliche Wanderschaft, unsere Lebenstage sind wenig und böse; ich bin ihrer überdrüßig wegen meiner Sünde. O lieber Gott, ich bitte dich, wie Elias unter dem Wachholderbaum: Es ist genug, Herr, daß ich so lange gelebt habe in diesem Jammerthal! Nimm meine Seele in deine gnädige Hand; denn ich bin nicht beßer, denn meine Väter. Amen.


|  114* Herr, du siehst, wie arglistig der Satan ist, der sich nicht damit begnügt, daß er wie ein brüllender Löwe in diesem Leben herumgehe und suche, wen er verschlinge, sondern, wenn deine Kinder am schwächsten und ihrem Elende am nächsten sind, ihnen am meisten zusetzt. Du wollest ihn von mir hinwegtreiben und meine Seele von ihm erretten. Er will mich mit dem Tode erschrecken, den meine Sünden verschuldet haben, aber tröste du meine Seele mit deinem heiligen Geiste, und laß sie deinen Trost fühlen und des ewigen Lebens gewiß sein, welches du mir durch dein Blut erworben hast. Mildere meine Schmerzen, mehre in mir den Glauben und die Geduld, und so es dein heiliger Wille ist, so mache meines Jammers ein Ende, denn meine Seele bittet dich herzlich mit dem alten Simeon: Herr, nun wollest du deinen Diener im Frieden laßen dahinfahren, wie du ihm verheißen hast.
|  115.* Herr Jesu, der du bist die Auferstehung und das Leben, wer an dich glaubt, der wird leben, ob er schon stirbt. Ich glaube, daß ich wieder werde auferweckt werden, obschon nach meinem Tode mein Leib in der Erde wird verzehrt werden. Ich werde dich sehen, mein Herr und mein Gott, in diesem meinem Fleische. Verleihe mir die Gnade durch dein bitteres Leiden und Sterben, daß ich an demselben Tage einer von denen sein möge, zu welchen du die holdseligen Worte sprechen wirst: „Kommet her, ihr Gebenedeiten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt“. Amen.
 116.* Ach mein allerliebster Herr Jesu Christe, bleibe bei mir, denn es will Abend werden und die Tage meines betrübten Lebens haben sich geneigt. Die Lippen meines Mundes können sich vor großer Schwachheit nicht mehr bewegen. Meine Zunge kann dein heilig Lob nicht mehr aussprechen. Der kalte Todesschweiß dringt| mit Gewalt herbei. Darum, o treuer Heiland, laß mich in dieser meiner letzten Noth nicht umkommen, noch verzagen. Hast du mich doch die Zeit meines mühseligen Lebens nie verlaßen. Ach, so verlaß mich doch nicht erst jetzt in dieser meiner größten Noth! Komm mir zu Hilfe, du treuer Gott, denn es ist sonst kein Helfer, als du, Herr, allein. Gedenke, daß ich ein Glied bin an deinem Leibe. Laß mich im Frieden hinfahren, und laß mir dein heilig Wort eine Leuchte sein zum ewigen Leben. Bleibe mit deinem heiligen Geiste bei mir, bis sich Leib und Seele von einander scheiden. Erhalte mich bei guter Vernunft. Verkürze mir die Qual des Todes, und laß mich, wie Stephanum, den Himmel offen sehen. Erquicke mich mit der Kraft deines blutigen Schweißes am Oelberge in diesem meinem letzten Ende, und nimm mich mit Gnaden von diesem Leben und Jammerthal zu dir in die ewige Glorie! Amen.
| 117* O Herr Jesu, jetzt ist es noch um ein Gänglein zu thun, jetzt komme ich vors Meer, da keine Wege sind, da aller Menschen Wege aufhören; aber du bist der einige, wahrhaftige, unbetrügliche Himmelsweg, an dich halte ich mich mit dem Glauben, daß ich möge in dir, an dir, durch dich und mit dir ins himmlische Freudenleben gehen und bei dir ewig bleiben! Amen.

 118.* Ach, Herr, allmächtiger Gott, nun ist meine Zeit dahin, und mein Leben wird abgerißen. Da leide ich noth, daraus du, Herr, alleine kannst helfen; verkürze und lindere mir dieselbe. Mir ist um Trost sehr bange; o Herr, nimm dich meiner Seele herzlich an, daß sie nicht verderbe, und wirf alle meine Sünde hinter dich zurück, um des theuern Verdienstes Jesu Christi, deines Sohnes, willen! Amen.


 119.* Gütiger Herr Jesu Christe, erbarme dich meiner und sieh mich armen| Sünder an mit den Augen deiner Barmherzigkeit, mit welchen du im Saale Petrum ansahest, da er dich verleugnete, das sündige Weib am Tische in des Pharisäers Hause, den Schächer am Kreuze. Wirke durch deine Gnade in mir, daß ich mit Petro meine Sünde beweine, mit dem sündigen Weibe dich von ganzem Herzen liebe und mit dem Schächer dein Angesicht ewiglich schaue! Amen.
Skt. Pauli Gebet.

 120. „Ich werde schon geopfert, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird, nicht mir aber allein, sondern allen, die seine Erscheinung lieb haben“. Amen.


|  121. Herr Jesu Christe, der du in deinem Tode zu deinem Vater geschrieen und deine Seele in seine Hände befohlen hast, stehe mir bei an meinem Ende und hilf mir den Tod, den letzten Feind, ritterlich überwinden. Erhöre mich, wenn ich rufe, und gib mir, wenn mein Herz bittet. Errette mich von den Feinden meiner Seele und erlöse mich aus allen Schmerzen. Tröste mich, wenn ich seufze, und stärke mich, wenn ich erschrecke. Erquicke mich, wenn ich schwach bin, und nimm meinen Geist auf, wenn ich verscheide. Amen.
 122. Mein Gott, meine Barmherzigkeit, meine Zuflucht: nach dir trage ich Verlangen, zu dir flehe ich, zu dir, dem Brunnen der Vergebung aller Sünden, eile ich! Verschmähe mich Armen nicht, der ich jetzt in so großer Gefahr stehe; komm mir gnädig zu Hilfe in diesen großen Nöthen. Ich kann mich selbst nicht erlösen durch meine Werke, sondern du, Herr, erlöse| mich und erbarme dich mein. An meinem Verdienste verzweifle ich, aber auf deine Barmherzigkeit vertraue ich, – und zwar verlaße ich mich mehr auf deine Barmherzigkeit, als ich verzweifeln sollte wegen meiner bösen Werke. Du bist meine Hoffnung, mein Gott. Ach Herr, lieber Gott, der ich dir lieb war zur Erlösung, du wirst mich auch jetzt nicht verachten noch verschmähen, daß ich sollte verdammt werden. Ich komme nun zu dir, der du deine Hilfe niemand versagst: ich begehre aufgelöst und bei dir zu sein. In deine Hände befehle ich meinen Geist. Siehe mich an, du Gott der Wahrheit, und verleihe mir, mein Gott, daß ich im Frieden ruhen möge, der du in vollkommener Dreieinigkeit lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
 123. O Herr Jesu Christe, alle, die in dich getauft sind, die sind in deinen Tod getauft. Ich will mit deiner Hilfe fröhlich und gerne sterben, der Hoffnung,| daß, wie ich deiner Trübsal theilhaftig bin, ich auch deiner ewigen Glorie werde theilhaft werden. Amen.

 O Herr Jesu Christe, du hast am Kreuze gebetet: „Vater, vergib ihnen“. Also, Herr, verzeihe auch ich allen, die wider mich gehandelt haben, auf daß du mir alle meine Sünden auch verzeihest.


 O Herr Jesu Christe, du hast am Kreuze gerufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlaßen“? Herr, verlaß mich nicht in meinen Todesnöthen.


 O Herr, du hast am Kreuze gesprochen: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Also, Herr, befehl ich jetzo meine Seele in deine Hände. Du hast mich erlöset, Herr, du treuer Gott! Amen.


 124. O Herr Jesu Christe, ich bitte dich durch deine grundlose Barmherzigkeit, du wollest meine Seele stärken auf den| fernen Weg, den ich nach deinem göttlichen Willen jetzt gehen muß in ein so gar unbekanntes Land. Ich glaube, daß du um meiner Sünden willen gestorben und mir dieselben aus Gnaden verziehen und das ewige Leben zugesagt hast. Dieses meines Glaubens, o Herr, seiest du Zeuge. Das soll auch mein letzter Wille sein, in solchem Glauben auf deine lautere Barmherzigkeit zu sterben. Und ob ich durch Schmerzen, Unvernunft oder Anfechtung würde oder wollte abfallen, o Herr, so laß mich im Unglauben oder Verzweiflung nicht sterben; sondern stärke mich und mehre meinen Glauben, daß mir kein Uebel schaden möge. Allein auf deine Hilfe verlaß ich mich; sie erhält mich auch in allen Nöthen und mache mich selig! Amen.
 125. Ach du heiliger Geist, unser Trost, Stärke, Kraft und Versicherung, du Unterpfand der ewigen Erbschaft, stehe mir nun bei in meinen letzten Nöthen. Du hast mich ja von Jugend auf geführet und geleitet.| Du bist allezeit bei mir gewesen als mein einiger Beistand. Verlaß mich nun in meiner letzten Stunde nicht. Weiche nicht von mir, sondern vollende in großer Gnade, was du in mir angefangen hast. Bleibe du bei mir als in deinem Tempel und Wohnung bis auf meinen letzten Odem. Tröste, stärke und erhalte mich zum ewigen Leben. Erhalte mich in festem Glauben und Hoffnung. Treibe alle meine Feinde zurück. Thue du mir meinen Mund und Augen zu und laß mich im Frieden entschlafen! Amen.
Johannes Huß.
 126. O du allergnädigster Herr Jesu Christe! Zieh uns Schwache zu dir; denn wo du uns nicht ziehen wirst, so können wir nicht folgen. Gib uns einen starken Geist, der da willig sei, obgleich das Fleisch schwach ist, daß es doch durch deine Hilfe folge. Denn ohne dich vermögen wir nichts zu thun, am allerwenigsten um deinetwillen in den Tod zu gehen. Gib uns einen willigen| Geist, ein unerschrocken Herz in rechtem Glauben, eine feste Hoffnung, daß wir um deinetwillen auf das geduldigste und mit Freuden von uns legen unser Leben! Amen.


Wann dem Kranken die Sinne schwinden wollen.
 127. Ach du gnädiger und barmherziger Gott, bleibe bei mir, denn es will Abend werden, die Tage meines betrübten Lebens haben sich geneigt, die Lippen meines Mundes können sich vor großer Schwachheit meines Leibes nicht mehr regen und bewegen, so ist auch meine Zunge so schwer worden, daß ich dein heiliges, göttliches Lob äußerlich nicht wohl mehr kann aussprechen. Derhalben so stärke du, Herr, meine Seel und Herz innerlich, daß ich nicht aufhöre dich zu loben, dieweil noch ein lebendiges Blutströpflein in meinem| schwachen Herzen sein wird. Wenn meine Ohren schon nicht mehr werden hören, was Menschen mit mir reden, so laß mich doch hören, was du, herzlieber Herr und Gott, zu mir redest; denn du wirst Friede zusagen und reden über dein Volk. Und wenn auch meine arme Seele, die sonst mit nichts denn allein mit dir, ihrem gnädigen Gott, sich will trösten laßen, von diesem meinem armen sterblichen Leibe abscheiden wird, so laß sie dir, weil ich sie von dir empfangen habe, um deines geliebten Sohnes willen befohlen sein, und sie in Frieden von hinnen zu dir fahren. Hast du mich doch die Zeit meines Lebens nie verlaßen; ach, Herr, so verlaße mich doch nicht erst jetzt in meinen höchsten und letzten Nöthen; denn ich begehre nicht zu leben, es sei denn, daß du mich mit dir und in deiner Gnade sterben läßest. Dir sei Lob, Ehr und Preiß in Ewigkeit. Amen.
|
Gebet des Mannes Gottes Dr. Martin Luther
am 18. Februar 1546.
Im Sterben.
 128. O mein himmlischer Vater, Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, du Gott alles Trostes, ich danke dir, daß du mir deinen lieben Sohn Jesum Christum geoffenbart hast, an den ich glaube, den ich gepredigt und bekannt habe, den ich geliebet und gelobet habe, welchen der leidige Pabst und alle Gottlosen schänden, verfolgen und lästern. Ich bitte dich, mein Herr Jesu Christe, laß dir mein Seelchen befohlen sein. O himmlischer Vater, ob ich schon diesen Leib laßen und aus diesem Leben hinweggerißen werden muß, so weiß ich doch gewiß, daß ich bei dir ewig bleibe und aus deinen Händen mich niemand reißen kann. Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Vater, in deine| Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöset, Herr, du treuer Gott! Amen.
 129. Allmächtiger Schöpfer und Vater, ich habe meinen Lauf vollendet und gehe nach deinem Willen den Weg alles Fleisches, und bin getauft, absolviert und mit deines Sohnes Fleisch und Blut gespeiset, zum ewigen Leben versiegelt und habe dein Wort gehört, glaube auch und bin gewiß, du faßest und verwahrest meine Seele in deiner Hand. Ich befehle dir jetzt meinen Geist zu treuen Händen. Du treuer Gott, der du mich erlöset und zum ewigen Leben berufen hast, stärke und erhalte mich in meinen letzten Nöthen und löse mich auf oder spanne mich aus, errette mich aus Todesbanden und laß mich im Frieden fein ruhiglich entschlafen, und sammle mich in mein Ruhebettlein, darin ich sehnlich der fröhlichen Erscheinung deines Sohnes warte, bis mein verborgen Leben in Christo wieder offenbar werde durch Jesum Christum, der| meinen Tod überwunden hat und ein Herr des Lebens ist. Amen.

 Also hat Gott die Welt geliebt etc.

 Ich glaub an Gott den Vater allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erde etc.


Späte Buße eines sterbenden Weltkindes.
 130. Meine Seele, du mußt diese Welt gesegnen, und du, mein irdischer Leib, mußt nun wieder zur Erde werden. Siehe, da kommt der Tod, der Speisemeister der Verwesung, der schlägt dich an allen deinen Gliedern, nimmt dich gefangen und sagt, es sei nun Zeit, du müßest vor das erschreckliche Gericht Gottes. O weh mir Armen, mir schauert die Haut bei seinem Anblick, der kalte Schweiß träufelt von meinem Haupte, mein Angesicht erbleichet, meine Sprache will vergehen, mein Odem wird kurz, mein Auge bricht, meine Sinne fallen darnieder, wie Sternlein in die Nacht, alle meine Seelenkräfte schwinden, mein ganzer Leib neiget sich schon dem Grabe| zu. Die Angst meiner Seele ist groß, ich werde berufen vor den strengen Richterstuhl zu treten. Ich wollte gern verbergen meine Sünden, und meine Missethat verhehlen, aber siehe, es ist alles am Tage, auch meine verborgenen Fehler stehen hier offenbar und schreien mir zu: „hier sind wir, hier sind wir“. O wehe, wehe, wehe mir, daß ich nicht im Herrn sterbe, daß mir meine Werke nachfolgen, und meine Missethaten mit mir gehen. Wie ist meine Seele geängstigt, sie wollte gerne bleiben, wo sie ist, aber die Hütte zerfällt; wie schrecklich ists außer dem Leibe zu wallen, den wartenden Strafen entgegen zu gehen. O daß ich nur eine Stunde Frist hätte, um mit meinem Gott versöhnt zu werden! Ich suche allenthalben Hilfe und find ihrer nicht. Ihr Augen, die ihr sonst so hell gewesen, könnt ihr denn nichts erspähen, das mir helfen könnte? Ihr Ohren, die ihr sonst so ferne hörtet, könnet ihr denn nicht vernehmen, von wannen meine Hilfe kommt? Und du, allzeit fertige, ruhmredige| Rathgeberin meines Lebens, Meisterin meiner Thaten, eitle Vernunft, warum schweigest du jetzo in der großen Noth, warum liegst du mit mir in den Todesnöten, die du mir Hoffnung gabest, ein Licht zu sein im dunkeln Thale, und ein Flügel der Rettung, wenn niemand mehr hilft? Ach, ihr lieben Freunde, ihr Genoßen meiner Freuden, scherzet mir jetzt wie sonst die Betrübnis aus dem Herzen, und überwindet mit euern Freuden die Angst, die Leib und Seel verzehrt! Wie steht ihr so stumm, ihr leidigen Tröster; wie bin ich betrogen durch eure Freundschaft; wie empfind ich so schrecklich, daß verflucht ist, wer sich auf Menschen verläßt! Alles umsonst und vergebens! Hier ist keine Hilfe, kein Rath, es umgeben mich schon die Todesschmerzen und die Bäche Belials erschrecken mich. O wie schändlich hat mich der Satan betrogen, mein Fleisch zu Fall gebracht, die Welt verführet, und wie wehe thut mirs nun! O könnt ich noch einmal wieder zurückkehren und mein Leben| aufs neue beginnen, wie ganz anders wollt ich thun! Rechne doch nun mit mir in Gnaden und nicht im Zorn, du großer Gott! Ich komme zwar langsam, aber ich komme doch zu dir. Ich habe mich zwar verspätet, aber ich bin doch noch auf dem Wege, es ist noch Zeit, daß du mich hörest, mir helfest, ach komm bald, komm bald, ich warte dein mit Verlangen. O Jesu, du Heiland aller Sünder, du König der Gnaden, mein Stundenglas läuft aus, mein Leib fällt hin, hier ist kein Bleiben mehr, meine Sprache verfällt, mein Gedächtnis ist dahin; dich behalt ich im Sinn, du alleiniger Retter. Bleib du bei mir, hilf um deiner Brudertreue willen, daß ich nicht wie ein armes Feldhühnlein in die Sporen des Habichts gerathe. Wer ist mühseliger und beladener als ich? Erquicke mich in meinem Jammer; ich suche dich, laß dich gnadenreich finden; ich bitte dich, erhöre mich; ich klopf in allerhöchster Bedrängnis an deine Thür; ach thue mir auf, daß ich entrinne dem Jäger! Um Gnade,| Gnade schrei ich, laß mich ein zu den Schächer, der auch Gnade fand, nimm mich in deine Ruhe, mache mich zu einem ewigen Denkmal deiner seligmachenden Barmherzigkeit! Ach, weil ich nicht mehr reden kann, so nimm mein letztes Seufzen an! Amen.


24.
In den letzten Zügen.
 131. Nach dir verlanget mich, Herr Christe, wie einen Hirschen nach dem frischen Waßer. Herr, hie liege ich, erquicke meine Seele, eröffne mir die Thür deiner Gerechtigkeit, mache mir die Pforten auf zum Leben, daß ich hineingehe, bei dir bleibe, dich lobe und preise in Ewigkeit. Herr, ich bin der von den Mördern Verwundete: nimm mich auf dein Rößlein und führe mich zur ewigen Freude. Ich bin das| irrende Schäflein: o Herr Christe, nimm mich auf deine Schultern und trag mich zu der Heerde, zu dem Haufen aller frommen Patriarchen, Propheten, Märtyrer und Auserwählten. Komm, du frommer Herr Christus, löse mich auf, ich will mit dir davon. Ich bin bereitet, Herr, ich will und begehre zu sterben, daß ich zu dir komme, dich sehe von Angesicht zu Angesicht! Amen.

 132. O mein Gott, mein Herr und mein Vater, jetzt beweise meiner armen Seele also, daß sies inne werde, du seiest mein Fels, meine Burg, mein Schild, mein Hort, meine Zuversicht, meine Hilfe, mein Schirm und Schutz, damit ich in diesen großen Nöthen vor meinen Feinden durch deine göttliche Gnade, Hilf und Beistand behalten werde. Herr, auf dich traue ich, laß mich nimmermehr zu Schanden werden. Amen.



|
25.
Kurze Seufzer der Alten.
S. Mart. Mollers Manuale.

 133. Herr, nun läßest du deinen Diener im Friede fahren, wie du gesagt hast. Denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preiß deines Volkes Israel.


 134. Vater, in deine Hände befehl ich meinen Geist.


 135. In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöset, Herr, du getreuer Gott.

 136. Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!


 137. Ei du süßer Jesu Christ, der du| Mensch geboren bist, behüt mich vor der Höllen.

 138. Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget.


 139. Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ, dieweil es Abend worden ist: dein göttlich Wort, das helle Licht, laß ja bei uns auslöschen nicht.


 140. Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein.


 141. Ach mein herzliebes Jesulein, mach dir ein rein sanft Bettelein, zu ruhn in meines Herzens Schrein, daß ich nimmer vergeße dein.


 142. Fromm bin ich nicht, das ist mir leid, bekenn mein Sünd, such Gnad bei Zeit; an Christ glaub ich unnützer Knecht, sein Blut allein macht mich gerecht.


|  143. Von allem Uebel uns erlös, es sind die Zeit und Tage bös; erlös uns von dem ewgen Tod und tröst uns in der letzten Noth. Bescheer uns, Herr, ein seligs End, nimm unsre Seel in deine Händ. Amen, das heißt: es werde wahr, stärk unsern Glauben immerdar; hilf, daß wir ja nicht zweifeln dran, was wir hiemit gebeten han. Auf dein Wort, in dem Namen dein, so sprechen wir das Amen fein.

 144. Jesu, der süße Name dein im Tod erquickt die Seele mein.


 145. Die Seele, die du hast erlost, der gib Herr Jesu, deinen Trost.


 146. Herr Jesu Christ, mein Trost und Freud, ich wart auf dich zu jeder Zeit. Komm, wann du willst, ich bin bereit.


 147. Komm, Herr Christe, komm, du treuer Gott, und machs mit mir ein Ende.| Erwürg den letzten Feind, den Tod, führ mich aus dem Elende. Bring mich ins rechte Vaterland, weil du dein Blut an mich gewandt. Laß mich im Fried heimfahren.

 148. Ein Herz, mit Reu und Leid gekränkt, mit Christi theuerm Blut besprengt, welchs seufzt zu Gott mit rechtem Glauben gleich einer girrenden Tauben, das wird doch endlich recht getröst, aus aller Angst und Noth erlöst. Drum glaub, bet, hoff, hab klein Geduld, so wird dir Gott im Himmel hold. Preisen wirst du die Güte sein in seiner Kirch und großen Gmein.


 149. Gottes, des ewigen Vaters Gut, des Herren Jesu theures Blut, des heilgen Geistes Trost und Muth soll sein mein ewiges Erbgut.


 150. Herr Jesu, komm behende, gib mir ein seligs Ende, nimm meine Seel in deine Hände! Amen.



|
26.
Drei Vater unser,
die man in sterbenden Nöthen den Kranken vorbeten soll, die du dir selber magst sprechen im Leben und Sterben, mit andern schönen Gebetlein und den acht Versen St. Bernhards.

 151.* Kyrie, eleison. Christe, eleison. Kyrie, eleison. O Herr Gott, erbarme dich mein.

Vater unser.

 Du Seligmacher der Welt, mache mich selig, der du durch dein Kreuz und kostbares Blut die Welt erlöst hast. Du mein Gott, ich bitte dich andächtiglich, erhöre mich, und hilf mir.


 Allmächtiger Gott, in die Hände deiner unaussprechlichen Barmherzigkeit befehle ich meine Seele, meinen Leib, meine Sinne und Rede, meine Anschläge, Vernunft, Gedanken, Wort und| Werk, mein Thun und Laßen und alles, was mir für Seele und Leib nöthig ist, meinen Eingang und Ausgang, meinen Glauben und Wandel, mein Leben und meinen Abschied, mein Sterben und letztes Ende, meine Ruhe und Rast und die Auferstehung meines Leibes mit allen Auserwählten zur ewigen Freud und Seligkeit.

 O Herr Jesu Christe, um deiner Todesangst und deines allerheiligsten Gebetes willen, das du für uns am Oelberg gebetet hast, da dein Schweiß wie Blutstropfen zur Erde fiel, bitte ich dich und flehe dich an, du wollest die Fülle deines blutigen Schweißes, den du in großer Furcht und Angst williglich vergoßen hast, dem allmächtigen Gott, deinem himmlischen Vater, für die Fülle meiner Sünden darbringen und opfern und mich nicht verlaßen in der Stunde meines Todes, in aller meiner Angst und Noth, die ich um meiner Sünden willen verschulde.


|  152.* Kyrie, eleison. Christe, eleison. Kyrie, eleison. O Herr Gott, erbarme dich über mich.
Vater unser.

 O Herr, heilige mich in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit. Dein Wort vom Kreuze sei mir eine Hilfe und Macht wider die greulichen Anläufe des Bösewichts.

 O Herr Jesu Christe, der du für uns am Kreuze gestorben bist, ich bitte dich in herzlichem Vertrauen, das ich zu dir habe, daß du die Bitterkeit aller deiner Pein, welche du für uns arme Sünder am Kreuz, und allermeist da deine heilige Seele von deinem Leibe ausgieng, gelitten hast, dem allmächtigen Gott, deinem himmlischen Vater, für meine Seele aufopferest und mich in meinem Ausgang von aller Pein und Leiden, die ich um meiner Sünde willen sammt aller Furcht verschuldet habe, behüten, der du lebst und regierest, Gott in Ewigkeit! Amen.


|  153.* Kyrie, eleison. Christe, eleison. Kyrie, eleison. O Herr Gott, sei mir gnädig und barmherzig.
Vater unser.

 O Herr, beschirme, segne und heilige mich armen Sünder durch dein allmächtiges Wort und wende von mir ab alle Noth der Seelen und des Leibes.


 Herr Jesu Christe, der du durch den Mund deines heiligen Propheten gesagt hast: „Ich habe dich je und je geliebt, und aus lauter Liebe habe ich dich zu mir gezogen“, ich bitte dich, du wollest deine Liebe, welche dich vom Himmel zur Erde und in die Bitterkeiten deines Leidens getrieben hat, darbieten und zeigen dem allmächtigen Vater zum Heile meiner armen Seele. Befreie mich von allen Leiden und Strafen, die ich um meiner Sünden willen billig fürchte, und laß meine Seele in dieser Stunde des Todes zu ewigen Freuden und Ehren gelangen.

 O Herr Jesu Christe, der du mich mit| deinem edlen Blute erlöst hast, schreibe deine heiligen Wunden, dein bitter Leiden und Sterben mit deinem kostbaren Blute in meine Seele, daß ich möge erkennen und allezeit vor Augen haben deine Schmerzen und Pein, die du für mich erlittest, an denen ich schuldig gewesen bin.

 O Herr Jesu Christe, mache mich theilhaftig der Frucht des Sakraments der Taufe, in welchem ich aus dem heiligen Geiste durch dein Leiden und Sterben wiedergeboren bin zu einem Kinde Gottes, nach Verheißung und Zusage deines heiligen Wortes. Also will ich, wenn du willst, sterben als dein Kind, auf solche Verheißung deiner Gnade, mir in der Taufe zugesagt, da du gesprochen hast: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“ Herr, ich bin ja getauft, so habe ich dir auch meinen Glauben bekannt. Darum glaube ich deinem Worte, ich werde durch deine Gnade selig werden. Amen.


|
Andere Gebete zu gleichem Gebrauche.

 154. O Herr Jesu Christe, mache mich empfänglich für die Frucht des Sakraments deines wahren Leibes und Blutes, in welchem du mir tröstlich zusagst Verzeihung meiner Sünden. Denn derselbe dein Leib ist für mich und meine Sünden in den Tod gegeben, und dasselbe dein Blut ist zur Vergebung meiner Sünden vergoßen. Darauf bist du gestorben und hast mir das Sakrament zu einem Pfand und Wahrzeichen gelaßen und mich dadurch versichert, daß mir alle meine Sünden vergeben und verziehen sind und das ewige Leben mir zugesagt und mein ist. Denn du, die Wahrheit selber, sprichst: „Wer mein Fleisch ißet und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben“. Das verleih mir, Herr Gott! Amen.


 155. Allmächtiger, ewiger Gott, barmherziger Vater, nimm hin für meine Sünden die Genugthuung und Bezahlung deines eingebornen Sohnes, unsers Herrn Jesu| Christi. O Herr, laß mich genießen seines Leidens. Erlaß mir alle meine Sünden. Straf mich nicht in deinem Grimm und Zorn. Gehe nicht mit mir in das strenge Gericht. Gib mir Geduld in meiner Krankheit und verlaß mich ewig nimmer. Amen.

 156. Lob, Ehr und Dank sei dir gesagt, mein allerliebster Herr Jesu Christe, für deine heilige Menschwerdung, für deine Marter und bitteres Leiden und Sterben, aus welchem ich erkenne, daß du mein Erlöser und Seligmacher bist. Ich glaube, daß du die Welt, die Sünde, die Hölle und den Teufel überwunden hast, daß dieselben mir nicht schaden mögen. Des vertröste ich mich, darauf baue ich, da will ich mich laßen finden, allein sei mir gnädig und barmherzig, wie ich an deiner wahrhaftigen Zusage nicht zweifle. Herr, laß mich nicht in diesen großen Nöthen. Amen.


|
Das letzte Gebet.

 157. Mein Gott und Herr, der Genesung hab ich mich verziehen. Die Zeit ist hie, daß mein Leib im Erdreich und meine Seel und Geist bei dir ruhe. Aber daß mir meine Sünden vergeben werden, das begehr ich, und ich glaube deinem Wort, sie seien mir alle vergeben. Darauf will ich sprechen das Bekenntnis meines Glaubens, in dem ich begehre zu sterben und erfunden zu werden: „Ich glaub an Gott Vater Himmels und der Erden etc.“ Amen.


Die acht Verse St. Bernhards.

 158. O Herr, erleuchte meine Augen, daß ich nicht im Tod entschlafe, daß mein Feind nicht spreche, er habe mich überwunden.

 In deine Hände befehle ich meinen Geist, denn du, Herr Gott, die Wahrheit, hast mich erlöset.

|  Ich habe geredet mit meiner Zunge: Herr, thue mir kund mein letztes Ende[.]

 Und die Zahl meiner Tage, wie viel der sind, daß ich wiße, was mir gebricht.

 Thue an mir ein Zeichen im Guten, daß es die sehen, die mich haßen, und zu Schanden werden, denn du Herr, hast mir geholfen und hast mich getröstet.

 Herr, du hast zerbrochen meine Bande. Ich will dir opfern die Opfer des Lobes und anrufen deinen Namen.

 Es ist von mir gangen in Flucht mein Leben, und ist niemand, der da suche meine Seele.

 Ich habe gerufen zu Dir, Herr. Ich habe gesprochen: Du bist mein Gott, meine Zuversicht und mein Heil im Lande der Lebendigen.



|
Anhang.

Gebete vor und nach dem letzten Abendmahlsgenuß.
27.
Vor dem heiligen Abendmahl.

 159. Ewiger, barmherziger Gott, ich armer Sünder komme zu dir, zu holen Gnade, Heil, Gesundheit und Seligkeit, denn ich weiß mich der bei keiner Kreatur, weder im Himmel noch auf Erden zu erholen. Darum bitte ich dich durch deine göttliche Zusagung, wollest mich, das Werk deiner Hände, gnädiglich annehmen. Verleihe uns, was du verheißest, und gib uns, was du gebietest. Amen.


 160. Allmächtiger Gott, himmlischer Vater, dieweil du uns das Brot des| Lebens, Jesum Christum, vom Himmel herab geschenkt hast, auf daß wir dadurch zum ewigen Leben gespeiset würden; so bitten wir dich von Herzen: mach uns nach deiner Speise hungrig und gib uns diesen unsern Herrn und Erlöser wahrhaftig und gegenwärtig in rechtem Glauben zu empfahen, durch welchen wir zum ewigen Leben ernährt werden. Amen.

 161. Allmächtiger, barmherziger Vater, zu dir schreien alle Hungrigen und werden gespeist. Wir bitten dich von Herzen, erwecke in uns einen Hunger der Gerechtigkeit und speise uns mit dem wahren Himmelsbrote, das du der Welt geschenkt hast zum ewigen Leben, welches ist Christus Jesus, dein eingeborner Sohn, unser einiger Erlöser mit seinem wahrhaftigen gegenwärtigen Leib und Blute im heiligen Sakrament des Abendmahls. Amen.


 162. Starker Gott, meine Kraft ist schwach; ich eile aber zu dir, meinem Arzte.| Nimm dich meiner Seele herzlich an, hernach erbarme dich auch meines kranken Leibes. Ich habe wider dich gesündigt, darum mußte ich dem Arzte in die Hände fallen; aber strecke deine Hand aus zu mir, so werde ich von meinem Falle wieder aufstehen. Ich leide Noth, lindre mirs. Mein Herz bebt, stärke mich. Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe, es ist nichts Reines an meiner Seele, es ist nichts Gutes in meinem Fleische, es ist kein Friede in meinen Gebeinen. Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen. Habe ich Gnade vor deinen Augen funden, so gehe nicht vor deinem Knechte vorüber. Ich bringe dir einen kranken Leib, gib du mir eine gesunde Seele. Wie der Hirsch schreit nach frischem Waßer, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Vergib mir nur meine Sünde und alsdann gib mir Leben oder Tod, so muß mir alles zum Besten dienen. Herr Jesu, dein Leib und Blut sei eine Arznei meiner Seele. Lebe ich, so ist es eine| Kraft des neuen Lebens. Sterbe ich, so ist es ein Zehrpfennig in ein anderes Leben. Heiliger Geist, seufze du das Abba in meinem Herzen, wenn mir die Worte sterben in meinem Munde. Zeige mir nichts, als Jesu Wunden, darein will ich mich verbergen. Wenn mein Geist in Aengsten ist, so gib mir Zeugnis, daß ich Gottes Kind bin. Kündigt mir das Gesetz den Tod an, so predige du mir das ewige Leben in Christo. Ich laße mir an deiner Gnade genügen, die in den Schwachen mächtig ist. Machst du mich, mein Gott, gesund, so will ich dir lebenslang dafür danken. Soll aber dies der letzte Weg in der Welt sein, so führe mich bald dahin, wo ich ewig gesund bin. Alles nach deinem Willen! Amen.
 163. Gott Vater, du starker Gott, meine Kraft ist schwach, aber du bist meine Stärke. Reiche deinem matten Kinde deine unverkürzte Vaterhand. Reiß mich vor allem aus dem Rachen des ewigen Todes,| und alsdann erquicke mein Herz in den Banden dieses Todes. Es ist nichts Gesundes in meinem Leibe, es ist aber auch leider nichts Gutes in meinem Fleische, keine Ruhe in meinem Gewißen, kein Friede in meinen Gebeinen. Habe ich Gnade vor dir funden, so nimm dich meiner Seele herzlich an und erlöse mich von dem Leibe dieses Todes. Vergib mir meine Sünde und alsdann gib mir Leben oder Tod, so muß mir alles zum Besten dienen. Laß diesen Weg mich bringen vor die Pforte des Himmels und verschließe mir alsdann dein Herze nicht. Du hast gesagt: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen“.
.
 Gott Sohn, du treuer Heiland, ich bin todtkrank, aber du bist mein Leben. Verbirg dich nicht, du Arzt Israelis; dein Leib und Blut sei meine Arzenei; dein gnädiges Wort sei mein Balsam; deine Angst mein Trost; dein Sterben mein Leben. Wie der Hirsch schreit nach frischem Waßer, so dürstet meine Seele| nach deinen Wunden. O laß mich bald dahin kommen, wo ich dein Angesicht schaue. Ich eile zu dir, heile mich; ich zeige dir meine Wunden, verbinde mich; ich schütte mein Herz vor dir aus, erfülle es mit deiner Gnade, laß es nicht gar aus sein mit mir. Soll ich leben, o so gib mir neue Kraft zum Leben; soll ich sterben, o so gib mir einen Zehrpfennig in ein anderes Leben.
.
 Gott heiliger Geist, du kräftiger Tröster! Die Worte sterben mir in dem Munde, schreie du das Abba in meinem Herzen. Der Tod ist in diesem Topf, mein Fleisch voller Sünde; aber in Jesu Wunden ist mein Leben. Diese Brünnlein haben Waßers die Fülle. Wirf das Holz des Lebens in das bittre Waßer meiner Krankheit. Bewege mir ein Bethesda in den Wunden Christi. Verwandle diese Strafe der Sünde in einen Schlag der Liebe. Mit dem unschuldigen Lamme Gottes gib mir auch dessen heilige Geduld, so will ich dir danken mein Leben lang. Soll aber| dieses der letzte Tag auf der Welt sein, so bringe mich bald dahin, wo ich ewig gesund bin.

 Heilige Dreifaltigkeit, du lebendiger Gott, dir befehle ich mein Leben und Sterben, dein bin ich gesund und krank. Sei du mir nur nicht schrecklich, meine Zuversicht in der Noth. Hilf mir zeitlich, hilf mir ewig! Wie du hilfst, so ists gut und selig. Willst du mir nicht aufhelfen, so wirst du mir doch aushelfen! Amen.



28.
Nach dem heiligen Abendmahl.
 164. Ich danke dir, allerliebster Heiland Jesus Christus, daß du mich in dieser meiner Leibesschwachheit mit deinem eigenen Leib und Blut gespeist und getränkt und dich also meiner Seele herzlich angenommen hast, daß sie nicht verdürbe. Hast du mir nun das Große erwiesen,| so erweise mir auch das Geringere und nimm dich meines schwachen und kranken Leibes, den du auch theuer erkauft hast und einmal zum ewigen Leben erwecken wirst, getreulich an und mildere mir meine Schmerzen. Pflanze in meinem Herzen die christliche Geduld, daß ich mich deinem Willen jederzeit gehorsamlich untergebe, einen guten Kampf des Glaubens kämpfe, den Lauf dieses irdischen Lebens mit Freuden vollende und, wenn meine letzte Stunde kommt, mit Fried und Freuden dahin fahre. Am jüngsten Tage laß mich fröhlich von den Todten auferstehen und die Krone der Gerechtigkeit, das ewige Leben aus Gnaden erlangen um deines theuern Verdienstes willen! Amen. O Herr Jesu! Amen.
 165. O Herr, nun laß deinen Diener im Frieden fahren; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zu einer Glorie deines Volkes Israel.| Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, wie es war von Anfang, nun und allezeit und ewiglich! Amen.

 166. Herr Jesu Christe, mein Herr und mein Gott, der du am Stamme des Kreuzes deine Arme und Hände ausgebreitet hast, uns arme Sünder allesammt zu empfahen und zu dir zu ziehen: siehe, ich gebe und lege mich in deine Hände und schwinge mich in deine Arme und verberge mich in deine heiligen Wunden. Da will ich leben und sterben und fröhlich singen: „Herr, nun läßest du deinen Diener im Friede fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preiße deines Volks Israel“! Amen.



|
29.
Danksagung für die heiligen Sakramente und Bitte um das göttliche Wort bis ans Ende.

167. O du ewiger, wahrer, barmherziger Gott und Vater, ich danke dir durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, in Kraft und unaussprechlichem Seufzen des heiligen Geistes, daß du mich im Namen und Kraft der heiligen Dreifaltigkeit hast laßen taufen, daß du mich hiemit zu deinem Kinde aufgenommen, zur Vergebung aller meiner Sünden durch der Schlüßel Gewalt absolviert und mit deines Sohnes wahrem Leib und Blut gespeiset und getränkt hast zur Stärkung meines Glaubens und zur Vergebung aller meiner Sünden.

 Ich bitte dich, herzlieber Vater, du wollest mich durch deinen heiligen Geist in wahrem Glauben und gewisser Zuversicht| bis an mein Ende erhalten, daß ich im Friede wie der heilige Simeon einschlafe und mit allen Gerechten zur ewigen Freude und Herrlichkeit erstehe, durch deinen allerliebsten Sohn Jesum Christum, meinen Heiland! Amen.


30.
Erinnerung an die heilige Taufe.
 168. Mein Gott und Herr, sei eingedenk deines heiligen Bundes, den du mit mir in der heiligen Taufe gemacht hast, da du mich zu Gnaden und in deine Kindschaft annahmst und sagtest: „Wer glaubt und getauft wird, der wird selig“. Weil du denn, mein Gott und Vater, dich so treulich mit mir verbunden hast, so steht auch mein Trost und meine Hoffnung allein zu dir, wie ich getauft sei in| dem Namen Gottes des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes, also werdest du mein Beschirmer, Tröster und Erlöser sein, aus aller Noth helfen und mich forthin beschirmen vor allem, das mir schaden kann. Darum kehre ich mein Herz zu dir in allen Nöthen und glaube festiglich, du werdest mich nimmermehr verlaßen, sondern durch Jesum Christum ewig selig machen. Amen.


« II. Gebete für Kranke Wilhelm Löhe
Rauchopfer für Kranke und Sterbende und deren Freunde
IV. Gebete an Kranken-, Sterbe- und Todtenbetten »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).