Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Diebstahl an Sachen Privater: Privatstrafklage, Strafverfolgung
Band VII,1 (1910) S. 384405
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Furtum. Die römischen Juristen vertreten in der etymologischen Erklärung des Wortes verschiedene Ansichten; sie stellen das Wort zusammen mit ferre (s. Paul. Dig. XLVII 2, 1), mit fraus (Sabin. bei Paul. Dig. XLVII 2, 1), mit furvus (quod clam et obscure fiat, Labeo bei Paul. Dig. XLVII 2, 1. Varro bei Gell. I 18, 4. Isid. V 26, 19), mit dem griechischen φώρ (Gell. I 18, 4. Paul. Dig. XLVII 2, 1). Die heutige Sprachwissenschaft stellt f. zusammen mit ferre und φώρ, fur ist der ,Wegträger‘, f. die ,Wegtragung‘ und das ,Weggetragene‘, s. (grundlegend) G. Curtius Studien z. griech. u. lat. Gramm. III 199ff. Brugmann Grundriß der vergl. Gramm. I 85. 255. Kretschmer Ztschr. f. vgl. Sprachforschg. XXXI 462. Streitberg Indogerm. Forschg. III 309. 326. 327. Conway ebd. IV 213ff. Sommer Handb. der lat. Laut- u. Formenl. 82. 384. Mommsen Röm. Strafrecht 733. Hitzig Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XXIII 316.

Furtum ist nicht nur die Entwendung, sondern auch das entwendete (weggetragene) Objekt, die res furtiva, so auch die klassischen Juristen, Paul. Dig. XLVII 2, 4. XII 6, 36. Ulp. Dig. XLVII 2, 3 pr. 7, 2.

Furtum im engeren Sinn ist nur der Diebstahl an Sachen Privater. Wegnahme von Staatsgut und von Göttergut ist von Anfang an vom f. getrennt und besonderer rechtlicher Behandlung unterstellt worden, s. Art. Peculatus, Sacrilegium. Während für diese beiden Arten der Entwendung frühzeitig öffentliche Strafverfolgung (s. Art. Crimen) einsetzt, ist das f. im engeren Sinn zu allen Zeiten Privatdelikt geblieben; die öffentliche Verfolgung tritt erst spät und zunächst nur für qualifizierte Fälle daneben auf, s. u.

Die geschichtliche Entwicklung des f. zeigt die Entwicklungsstadien der Privatdelikte: Privatrache (Selbsthülfe), Privatstrafe, öffentliche Strafe. Einflüsse des griechischen Rechts sind unverkennbar, besonders in den zwölf Tafeln. Das f. erscheint als das wichtigste Vermögensdelikt; die späte Entwicklung der andern Vermögensdelikte, besonders des Betrugsdelikts (actio doli, crimen stellionatus), und das Bestreben, die Lücken der Gesetzgebung durch Anwendung der actio furti auszufüllen, führten die Jurisprudenz zu einer Überspannung des f.-Begriffs.

A. Begriff des Furtum.

Sieht man zunächst von den Besonderheiten des f. usus und f. possessionis (s. u. 5) ganz ab, so ergibt sich, daß im allgemeinen als fur derjenige bezeichnet wird, qui invito domino alienam rem contrectat. Gai. III 195. Ulp. Dig. XLVII 2, 52, 19. Paul. sent. II 31, 1 u. Dig. XVI 3, 29 pr. XLVII 2, 67, 1. Tryphon. Dig. XIII 1. 20. XXVI 7, 55, 1. L 16, 225. Vorbildlich war für die klassischen Juristen wohl die Definition des Sabinus (s. Gell. XI 18, 20): qui alienam rem attrectavit, cum id invito domino facere iudicare deberet, furti tenetur. Eine vollständige Definition gibt Paulus Dig. XLVII 2, 1, 3: furtum est contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia vel ipsius rei vel etiam usus eius possessionisve. Daraus ergeben sich im einzelnen folgende Erfordernisse.

1. Objekt des f. ist eine fremde bewegliche Sache. Über den Fall des f. an eigener Sache [385] s. u. 5. Unbewegliche Sachen können nicht Gegenstand eines f. sein; die abweichende Ansicht des Sabinus, der sich auf Präjudizien beruft (Gell XI 18, 13), konnte nicht durchdringen; Gai. II 51 und Dig. XLI 3. 38 bezeichnet die Ansicht des Sabinus bereits als abolita, improbata sententia quorundam veterum; es scheint aber doch, daß auch zu seiner Zeit und später einzelne Juristen noch für die Möglichkeit des f. an Immobilien eintraten, vgl. Ulp. Dig. XIII 3, 1, 1. XLIII 16, 1, 6. XLVII 2, 25 pr. (plerique probant, fundi furti agi non posse). Pompon. Dig. X 2, 47, 1. Papin. Dig. XX 5, 1. Celsus Dig. XLVII 2, 25, 1 (letzte Worte). Die auch in der Bezeichnung erscheinende ursprüngliche Beschränkung des f.-Begriffs auf Mobilien hängt mit der ursprünglichen Beschränkung des Privateigentums auf bewegliche Sachen zusammen. Ersatz für die fehlende Diebstahlsklage gewährten bei Immobilien im Falle gewaltsamer Besitzentziehung das interdictum unde vi und die condictio, s. Ulp. Dig. XIII 3, 2 und XLVII 2, 25, 1. Beweglich ist auch die durch die Diebstahlshandlung vom Grundstück getrennte, beweglich gemachte, Sache, Ulp. Dig. XLVII 2, 25, 2. Paul. Dig. XLVII 2, 26, 1. Neben den beweglichen Sachen werden als Objekte der Diebstahlshandlung auch freie Menschen erwähnt, Gai. III 199: interdum etiam liberorum hominum furtum fit, veluti si quis liberorum nostrorum qui in potestate nostra sint sive etiam uxor quae in manu nostra sit sive etiam iudicatus vel auctoratus meus subreptus fuerit. Zugelassen wird hier nur die actio furti, nicht die condictio furtiva, Paul. Dig. XLVII 2, 38. Die Gleichstellung dieser Personen mit Sachen erklärt sich daraus, daß sie wie diese der Gewalt des Hausherrn unterworfen waren, die auch in andern Beziehungen als sachenrechtliche Gewalt auftritt (vindicatio, mancipatio). Unmöglich ist ein Diebstahl an herrenlosen Sachen; nicht erforderlich ist dagegen, daß die Sache gerade dem Bestohlenen gehört, der Diebstahlsbegriff wird sogar dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Dieb selbst der Eigentümer ist (f. rei suae, s. u. 5).

2. Die Handlung des Täters muß in einer contrectatio rei bestehen. Damit wird eine körperliche Behandlung der Sache gefordert, animo furtum non admittitur (Paul. Dig. XLI 2, 3, 18); neben contrectare werden besonders noch folgende Bezeichnungen verwendet: attrectare, surripere, subtrahere, amovere. Gleichgültig ist, ob der Dieb die Sache erst in seinen Gewahrsam bringt oder bereits vor der Tat in seinem Gewahrsam hatte; der Begriff des f. umspannt also Diebstahl und Unterschlagung, in letzterem Fall wird besonders von intercipere, intervertere gesprochen. Beispiele von Unterschlagung: Sabinus bei Gell. XI 18, 13. Dig. XVII 2, 51 pr. Alfen. Dig. XIX 2, 31. Paul. Dig. XVI 3, 29 pr. XVII 1, 22, 7. XLI 2, 3, 18. Diocl. et Maxim. Cod. Iust. VI 2, 16. Mit der contrectatio ist das Delikt vollendet. Gleichgültig ist, ob die contrectatio mit Gewalt oder heimlich erfolgt, der Begriff des f. umfaßt beides, es genügt, daß die Handlung invito domino sich vollzieht. Erst gegen Ende der Republik wird in der Redeweise die heimliche Entziehung von der gewaltsamen getrennt; es hängt dies damit [386] zusammen, daß Gesetzgebung (Ersitzungsverbot der lex Iulia et Plautia) und Edikte für die letztere besondere Bestimmungen treffen, so daß sich neben das Delikt des f. das besondere Delikt der rapina stellt. So finden sich schon gegen Ende der Republik die Juristen veranlaßt, zu betonen, daß die Clandestinität keine Voraussetzung des f. sei (s. Bericht des Gell. XI 18, 19). Die klassischen Juristen seit Iulian suchen die Verbindung zwischen f. und rapina dadurch wiederherzustellen, daß sie den Raub als qualifizierten Diebstahl betrachten, raptor fur improbior (Iulian. Dig. IV 2, 14, 12. XLVII 8, 2, 10. Gai. III 209). Dem Raub ist die Anwendung der Gewalt wesentlich, der Diebstahl kann sowohl gewaltsam wie heimlich begangen werden: rapuisse – aliud furtum fecisse, quod vel clam fieri potest (Paul. Dig. XII 2, 28, 5). Daraus erklärt sich der Versuch, f. etymologisch mit furvus in Verbindung zu bringen (s. o.), ebenso die Verwendung von furtim, furtive im Sinn von clam, s. Ulp. Dig. XLI 2, 6 pr. Paul. Dig. XLVII 7, 8, 1; vgl. zu diesen Fragen Mommsen Röm. Strafrecht 737ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 785ff. Pernice Ztschr. der Savigny-Stiftg. XVII 216ff. Die Jurisprudenz hat den Begriff der contrectatio festgehalten (vgl. Ulp. Dig. XLVII 2, 52, 19), aber erheblich ausgeweitet; contrectatio liegt überall vor, wo der Dieb durch seine Handlung animo lucri faciendi den Bestohlenen um eine Sache oder einen andern Vermögenswert bringt. Neben dem Wegnehmen (amovere) der Sachen werden erwähnt: wissentliche Annahme nicht geschuldeter Zahlungen und Eintreiben fremder Forderungen unter betrüglichen Angaben über die Legitimation, Scaev. Dig. XIII 1, 18. Ulp. XLVII 2, 43 pr. Papin. Dig. XLVII 2, 81, 5ff. Paul. Dig. XLVII 2, 67, 3. Diocl. u. Max. Cod. Iust. VI 2, 19; die Veräußerung einer fremden Sache durch den malae fidei possessor, Iavol. Dig. XLVII 2, 74. XLVI 3, 78. Iust. Inst. II 6, 3; die Durchstreichung und Zerstörung (ebenso auch die Entwendung) einer Schuldurkunde, wenn der Gläubiger dadurch um sein Geld kommt, weil er ohne das Beweisinstrument das Geld nicht eintreiben kann, Labeo (bei Ulp.) XLVII 2, 27, 3. 31, 1. Paul. II 31, 4. Dig. XLVII 2, 28. Pompon. (bei Ulp.) Dig. IX 2, 41, 1; dolose Verleihung falscher Maße (maiora pondera) an den Verkäufer, wenn dieser infolge falschen Maßes zu billig verkauft, Mela (bei Ulp.) XLVII 2, 52, 22. Es leuchtet ein, daß, zumal in den letzten Fällen, der Tatbestand sich weit von dem ursprünglichen Begriff der contrectatio entfernt; die Ausweitung des f.-Begriffs erklärt sich aus dem Bestreben der Gesetzgebung, mit der Diebstahlsklage die Lücken auszufüllen, die sich infolge der mangelhaften Entwicklung der Betrugsklage (actio doli, crimen stellionatus) ergaben; ein Fall von Verwendung der actio furti an Stelle der späteren actio praescriptis verbis Sabin. bei Ulp. Dig. XIX 5, 17, 5. Für die weite Ausdehnung des f.-Begriffs kommt auch die Unbestimmtheit des ursprünglichen Kondiktionenbegriffs in Betracht, s. u. D. Ein Korrektiv gegen maßlose Ausdehnung des Diebstahlsbegriffs auf alle Fälle vorsätzlicher Vermögensentziehung bildet das neu formulierte Requisit des animus lucri faciendi (s. u. 4). [387]

3. Die contrectatio muß eine contrectatio fraudulosa sein; gefordert wird damit eine vorsätzliche Begehung, die Schuldform muß dolus sein, culpa genügt nicht. Infolgedessen muß der Täter doli capax sein, dies gilt auch für den Anstifter und Gehilfen, Gai. III 197. 208. Labeo bei Ulp. Dig. XLVII 2, 23. Pedius bei Ulp. Dig. XLVII 2, 50, 2. Ulp. Dig. XVII 2, 51 pr. XLVII 2, 46, 7. Paul. II 31, I. So ist kein Diebstahl vorhanden, wenn der Dieb aus Rechtsirrtum oder aus faktischem Irrtum die Sache für die seinige oder für herrenlos hielt, oder wenn er glaubte, er handle mit Zustimmung des Berechtigten, Gai. III 197; anderseits liegt auch kein Diebstahl vor, wenn die Sache objektiv keine fremde war, während sie der Dieb als fremd ansah, oder wenn der Eigentümer mit der contrectatio einverstanden war, während der Dieb dies Einverständnis nicht kannte, Gai. III 197. 198. Ulp. Dig. XLVII 2, 43, 6. 10. 11. Proculus bei Pompon. Dig. XII 4, 15. Paul. sent. II 31, 27. Andere Formulierung und zum Teil andere Entscheidungen, mit stärkerer Betonung des subjektiven Moments und der Unsittlichkeit der Gesinnung, Sabin. bei Gell. XI 18, 21. Pompon. Dig. XLVII 2, 46. 8. Celsus Dig. XLVII 2, 43, 10. Wenn der Diebstahlsvorsatz auch mit dolus malus vel fallacia (Ulp. Dig. XVII 2, 51 pr.) bezeichnet wird, so wird mit dem letzteren Wort besonders auf die durch die actio furti gedeckten Betrugstatbestände verwiesen (s. o. 2 am Ende).

4. Der Diebstahl setzt gewinnsüchtige Absicht des Diebes, animus lucri faciendi, voraus. In die Definition scheint das Requisit erst von Paulus aufgenommen worden zu sein, der es aber selbst an anderer Stelle (in der kürzeren Definition in den Sententiae II 31, 1) nicht erwähnt. Anscheinend hat schon Sabinus (Gell. XI 18, 21) den Ausdruck verwendet, ohne die gewinnsüchtige Absicht von der diebischen, fraudulösen Absicht zu unterscheiden. Die Juristen nach Sabinus stellen das Requisit des animus lucri faciendi häufig auf, es dient ihnen insbesondere dazu, den Diebstahl gegen die Fälle abzugrenzen, in denen zwar der Verletzte einen Schaden erleidet, der Täter aber keinen Gewinn erzielt; daß der Vermögensvorteil dem Dieb verbleibt, ist nicht erforderlich; Diebstahl ist auch gegeben, wenn der Dieb die gestohlenen Sachen verschenkt oder unentgeltlich ausleiht, Sabinus bei Gell. XI 18, 21 und bei Ulp. Dig. XLVII 2, 43, 4. Paul. Dig. XXV 2, 21, 1. XLVII 2, 1, 3. XLVII 7, 8, 2. XLI 3, 4, 10. Pompon. Dig. XLVII 2, 44, 1. Gai. Dig. XLI 1, 9, 8. XLVII 2, 55, 1; vgl. noch Pernice Labeo2 II 155. Ferrini Archiv. giurid. XLVII 424ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 784ff. Hitzig Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XXIII 317.

5. Neben dem f. rei erwähnt die Definition des Paulus noch ein f. usus und ein f. possessionis.

Furtum usus liegt vor, wenn der Dieb durch die Kontrektation nicht den Vorteil andauernden Behaltens, sondern nur den Vorteil vorübergehenden Gebrauches erreichen will. Regelmäßig handelt es sich hiebei um Fälle, wo der fur bereits im Einverständnis mit dem Eigentümer besitzt und nun die Sache gebraucht, wo ihm ein Gebrauchsrecht überhaupt nicht oder doch nur in geringerem Umfang, als er Gebrauch ausübt, zusteht. Derartige Gebrauchsanmaßungen werden schon von [388] den republikanischen Juristen nach den Grundsätzen des f. behandelt, die Bezeichnung f. usus mag jünger sein, vgl. Brutus und Quintus Scaevola bei Gell. VI 15. Gai. III 196. Paul. sent. II 31, 29 und Dig. XVI 3, 29. Ulp. Dig. XIII 6, 5, 8. Pompon. Dig. XII 4, 15. F. usus kann auch gegeben sein, wenn der Dieb sich durch die Kontrektationshandlung erst zum Zwecke des Gebrauchs den Besitz verschafft (bestritten), s. Paul. Dig. XLVII 2, 83, 2. Ulp. Dig. XIII 6, 14. XLVII 2, 52, 20. Viel zweifelhafter ist, was unter f. possessionis verstanden werden soll; entscheidend kann nicht sein, daß der Dieb lediglich Besitz erwirbt, oder daß der Bestohlene notwendig Besitz gehabt haben muß, denn beides kann auch bei f. rei vorkommen. Während man früher das f. possessionis mit der Institutionenparaphrase des Theophilus auf die Unterschlagung (s. o. 2) bezog, beziehen es die Neueren auf die Fälle des f. rei suae. Im allgemeinen gilt der Satz rei nostrae furtum facere non possumus (Paul. II 31. 21. Iul. Dig. XLVII 2, 60); ausnahmsweise wird aber ein f. possessionis an eigener Sache angenommen, wenn der nichtbesitzende Eigentümer, um sich das commodum possessionis zu verschaffen, die Sache demjenigen wegnimmt, der sie kraft eines dinglichen Rechtes oder als redlicher Besitzer oder als Forderungsberechtigter mit Retentionsbefugnis (z. B. Kommodatar mit Retentionsrecht wegen Impensen) besitzt; Hauptbeispiel: der Verpfänder nimmt die Sache dem Faustpfandgläubiger weg, vgl. Cass. bei Paul. Dig. XLI 3, 4, 21. Gai. III 200. Paul. II 31, 19. 21 und Dig. XLVII 2, 15, 1. 20, 1. 88. Labeo Dig. XLI 3, 49. Ulp. Dig. XIII 7, 22 pr. XLVII 2, 19, 5. 6. 80. Iul. Dig. XLVII 2, 60. F. possessionis liegt wohl auch dann vor, wenn der Schuldner die noch in seinem Besitz und Eigentum stehende speziell verpfändete Sache gegen den Willen des Hypothekargläubigers veräußert, Iulian. Ulp. und Paul. Dig. XLVII 2, 19, 6. 67 pr. Allgemeiner Satz bei Paul. sent. II 31, 86: qui rem suam furatur, ita demum furti actione non tenetur, si alteri ex hoc non noceatur. Das f. possessionis ist jüngeren Datums; die ältern Definitionen des f. (contrectatio rei alienae, contrectare invito domino), die lex Atinia (s. u. E) über die Ersitzung von res furtivae, vielleicht auch die actio oneris aversi (s. u.) operieren mit einem f.-Begriff, der das f. rei suae nicht mit umspannt, Cass. bei Paul. XLI 3, 4, 21. Paul. Dig. XLVII 2, 20, 1. Vgl. hierzu bes. Wächter in Weiskes Rechtslexikon u. Diebstahl III 361ff. Ferrini Archiv. giurid. XLVII 423ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 784ff. Voigt Röm. Rechtsgesch. II 968ff.

6. In den Quellen begegnet mehrfach die Wendung ope consilio furtum factum; die Worte ope consilio werden heute meistens (anderer Ansicht Cohn) nicht auf den Täter (so Cohn), sondern auf den Gehilfen und auf den Anstifter bezogen. Daß die Worte in den zwölf Tafeln vorkamen, ist nicht nachgewiesen, ebensowenig, daß diese – abgesehen von der Bestimmung über das f. conceptum – überhaupt eine Bestimmung über Gehilfenschaft enthielten. Andrerseits gehört diese ursprünglich durchaus asyndetisch auftretende Wortverbindung gewiß der ältesten Rechtssprache [389] an; die bei Cic. de nat. deor. III 74 erwähnte Formel stammt aus der Zeit des Legisaktionenprozesses und ist vorbildlich gewesen für die bei Gai. IV 37 erwähnte Formel des Formularprozesses. Wenn vielleicht in früherer Zeit (s. die Gegner des Labeo in Dig. L 16, 53, 2) unter ope consilio nur die materielle und subjektive Seite derselben Gehilfentätigkeit verstanden wurden, so trennen die klassischen Juristen seit Labeo die beiden Ausdrücke so, daß ope auf den Gehilfen, consilio auf den intellektuellen Urheber bezogen wird, s. Labeo Dig. L 16, 53, 2. Ulp. Dig. XLVII 2, 50. Anstifter und Gehilfen werden dem Täter als dem f. faciens gegenübergestellt (s. z. B. Gai. III 202. Ulp. Dig. XIII 1, 6. Paul. Dig. XLVII 2, 34); sie haften wegen des Diebstahls (tenentur furti), mit der Strafklage, vorausgesetzt, daß in der Person des Täters eine contrectatio vorliegt, Lab. Dig. L 16, 53, 2. Ulp. Dig. XLVII 2, 36 pr. 52, 19; ist diese wegen persönlicher Verhältnisse des Täters nicht als f., sondern als delictum sui generis zu werten, so haften Anstifter und Gehilfe doch nach den Grundsätzen des f., Ulp. Dig. XLVII 2, 52 pr. Bestritten war die Frage, ob Anstiftung und Beihilfe auch dann vorliege, wenn die angeratene und unterstützte Handlung keine contrectatio war, aber durch nachträglich hinzutretende Umstände hinterher rechtlich zum f. wurde, s. Pompon. und Ulp. XLVII 2, 36 pr. Sabinus und die antiqui bei Ulp. IX 2. 27, 21. Vgl. M. Cohn (Conrat) Beiträge z. röm. Recht II 1ff. Lenel Edictum perpetuum 260ff. Pernice Labeo2 II 142. Cuq Instit. jurid. I 342ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 786ff.

7. Besondere Bestimmungen gelten für den Sklavendiebstahl. Wegnahme fremder Sklaven wird als f. und gleichzeitig als plagium nach der Lex Fabia de plagiariis bestraft, s. Art. Plagium und vorläufig Mommsen Röm. Strafr. 780ff. Wenn der Sklave dem Herrn durchbrennt (servus fugitivus), wird er dadurch (s. Diocl. und Maxim. Cod. Iust. VI 1, 1) res furtiva im Sinne des Ersitzungsverbots (s. u.), er haftet aber nicht mit der actio furti; wer ihm zur Flucht geraten hat (sollicitator), kann infolgedessen auch nicht wegen Anstiftung zu einem f. haften; der Dritte, der den flüchtigen Sklaven aufnimmt und vor dem Herrn versteckt, macht sich des f. schuldig (qui fugitivum celat, fur est), in diesem Fall haftet dann auch der Ratgeber. Verleitung zur Flucht, sowie Aufnahme des flüchtigen Sklaven fallen überdies unter die Strafbestimmungen der lex Fabia (s. o.). Vgl. Plagium, Lex Fabia, Receptor; sodann Cicero pro Rab. ad pop. 8. Callistrat. Dig. XLVIII 15, 6, 2. Ulp. Dig. XI 3. 11, 2. XLVII 2, 36. 48, 1 und Coll. XIV 3, 5. Paul. sent. II 31, 33 und Coll. XIV 2, 1. Marcian. Dig. XLVII 2, 63. Constant. Cod. Iust. VI 1, 3–6. In der Kaiserzeit werden zahlreiche Bestimmungen erlassen, die im besonderen die Beteiligung polizeilicher Organe bei dem Aufspüren und Einfangen flüchtiger Sklaven regeln, vgl. tit. Dig. XI 4.

B. Actio furti (die Privatstrafklage).

Es muß unterschieden werden 1. das Recht der zwölf Tafeln, 2. das Recht des praetorischen Edikts, 3. das Recht der Kaiserzeit.

1. Die zwölf Tafeln enthielten neben einigen [390] Rechtssätzen über besondere Arten des f. auch mehrere allgemeine Bestimmungen über das f. Inwieweit diese Bestimmungen Neuschöpfung oder Feststellung bereits geltenden Rechts enthalten, läßt sich nicht mit genügender Sicherheit ermitteln; da bezüglich einer Bestimmung (Behandlung des f. necmanifestum, poena dupli) die Anlehnung an Solonisches Recht als sicher gelten darf, ist die Vermutung gerechtfertigt, daß auch in andern Punkten griechisches Recht vorbildlich gewesen ist. Betreffs Regelung des Diebstahls im griechischen Recht vgl. Meier-Schoemann-Lipsius Att. Prozess I 275ff. 451ff. II 633ff. Gilbert Jahrb. f. Philol. Suppl. XXIII 449ff. Dareste La science du droit en Grèce 88. 150ff. Pernice Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XVII 222ff. Schulin Röm. Rechtsgesch. 320ff.

a) Die zwölf Tafeln unterscheiden prinzipiell f. manifestum und f. necmanifestum; f. manifestum wird ursprünglich nur dann angenommen, wenn der Dieb auf der Tat ertappt wird (deprehenditur dum furtum fit), vgl. Sabin. bei Gell. XI 18, 4. Gai. III 184. Pompon. Dig. XLVII 2, 7, bei den klassischen Juristen zeigt sich (seit Sabinus?) die Tendenz, den Begriff auszudehnen auf den Fall, wo der Dieb nach der Tat, aber noch mit der gestohlenen Sache vor der Bergung der letzteren ertappt wird (deprehendi cum furto); man nahm an, daß erst mit der Bergung finis faciendi erreicht sei, Sabin. bei Gell. XI 18, 11. Cass. und Ulp. Dig. XLVII 2, 5. Iul. und Ulp. Dig. XLVII 2, 3, 2. Celsus Dig. XLVII 2, 7, 2. Paul. sent. II 31, 2. Bericht über verschiedene Theorien Gai. III 184. Die Schwankungen erklären sich daraus, daß die ältere Zeit wegen der Schwere der Strafe (Kapitalstrafe) mehr Bedenken tragen mußte, den Begriff des f. manifestum auszudehnen, als die spätere Zeit mit ihrer leichteren Strafe (Geldstrafe). Nicht erforderlich ist, daß der fur manifestus gerade vom Bestohlenen selbst ertappt wird, Paul. Dig. XXII 1, 24, 2. Ulp. Dig. XLVII 2, 3, 1. 7, 3; andrerseits genügt auch nicht ein inaktives Zusehen des Bestohlenen bei der Tat. Ulp. Dig. XLVII 2, 7, 1. Die rechtliche Behandlung des f. manifestum steht im Zeichen der Privatrache. Selbsthilfe, die des f. necmanifestum im Zeichen der Privatstrafe; für den letzteren Fall, nicht für den ersteren, hat das Gesetz den Preis fixiert, um den sich der Bestohlene die Rache abkaufen lassen muß; nur das f. necmanifestum, nicht das f. manifestum. verträgt eine Abstufung der Strafe nach dem Wert der gestohlenen Sache. Die strengere Ahndung des f. manifestum erklärt sich aus der Evidenz der Schuld des Diebes und der damit gegebenen größeren Entrüstung des Bestohlenen. Ob die gesetzliche Regelung der poena furti necmanifesti die Abschwächung eines ursprünglich auch hier zugestandenen Racherechts oder umgekehrt die erste Verleihung einer bisher in solchen Fällen überhaupt nicht gewährten Rechtshilfe bedeutet, läßt sich nicht ermitteln; meist wird ohne hinlängliche Begründung ohne weiteres das erste angenommen, es ist aber im besonderen nicht nachgewiesen, daß das Tötungsrecht jemals auch bei f. necmanifestum gegolten habe. Zu der prinzipiellen Unterscheidung von f. manifestum und f. necmanifestum vgl. Handjery Observationes [391] de furtis pro diversitate probationum varie punitis (1857). Jhering Geist d. röm. Rechts I5 128. Voigt Zwölf Tafeln II 559ff. Gulli Archiv. giurid. XXV 46ff. v. Bar Handb. d. deutsch. Strafr. I 10ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 775ff. Cuq Institutions juridiques I 341. Pernice Labeo2 II 1, 79. Mommsen Röm. Strafrecht 750.

b) Bezüglich des f. manifestum bestimmen die zwölf Tafeln: wird der Dieb zur Nachtzeit auf der Tat betroffen (si nox furtum faxit) oder wehrt er sich, zur Tageszeit betroffen, mit der Waffe (telum) gegen die Ergreifung, so darf ihn der Bestohlene töten; er soll aber in diesem Fall rufen (endo plorato) und dadurch Personen heranziehen, die später die Rechtmäßigkeit der Tötung bezeugen können. Gell. XI 18, 7. XX 1, 8. Cic. pro Tull. 52. Paul. V 23, 9. Gai. Dig. IX 2, 4, 1. XLVII 2, 55, 2. Ulp. Collat. VII 3, 2. Die Tötung unter diesen Voraussetzungen ist rechtmäßige Tötung (iure caesus esto). Daß das Tötungsrecht auch dritten Deprehendenten zugestanden habe, ist nicht nachgewiesen und paßt nicht zum Grundgedanken dieses singulären Tötungsrechts. Dieser Grundgedanke ist Privatrache, Selbsthilfe; nicht erforderlich ist, daß die Voraussetzungen der Notwehr vorliegen (anders später, s. u. 3). Über dieses Tötungsrecht der zwölf Tafeln und analoge Bestimmungen anderer Rechte, besonders des griechischen Rechts, vgl. Voigt Zwölf Tafeln II 560. Jhering Geist des römischen Rechts I5 130ff. Pernice Labeo2 II 1, 78ff. Brunnenmeister Tötungsverbrechen im altröm. Recht 141ff. v. Seeger Abhdlg. a. d. Strafrecht 219ff. Löffler Schuldformen I 59ff. Hitzig Schweiz. Ztschr. f. Strafrecht IX 20ff.

Liegen die besonderen Voraussetzungen des Tötungsrechts nicht vor oder macht der Bestohlene davon keinen Gebrauch, so wird der fur manifestus, wenn er Sklave ist, körperlich gezüchtigt (verberatio) und vom Tarpeischen Felsen gestürzt; ist er eine freie Person, so wird er ebenfalls körperlich gezüchtigt und dem Bestohlenen zugesprochen (addicitur), inpuberes sollen praetoris arbitratu körperlich gezüchtigt werden, gleichzeitig soll der Schaden gedeckt werden, Gell. XI 18, 8. XX 1, 7. XVIII 11, 8. Gai. III 189.

Das Vorgehen gegen den Dieb ist Vollziehung einer kapitalen Privatstrafe (capitale crimen bei Serv. Aen. VIII 205); neben dem Dieb wird dem Bestohlenen auch die gestohlene Sache zugesprochen, Paul. sent. II 31, 13; ob die addictio des freien Diebs diesen zum servus oder zum adiudicatus des Bestohlenen mache, war unter den veteres bestritten, Gai. III 189; die strengere Ansicht, die auch Gell. XX 1, 7 vertritt, hat mehr innere Gründe für sich, s. Mommsen Strafrecht 751. Girard Manuel de droit romain3 403 (nimmt eine geschichtliche Entwicklung an). Die Geltendmachung der kapitalen Privatstrafe wird ausgeschlossen, wenn sich der Bestohlene mit dem fur manifestus vergleicht (pacisci) und so auf die Strafverfolgung, sei es gegen Entgelt oder ohne solches, verzichtet, Ulp. Dig. II 14, 7, 14. Paul. ebd. 17, 1; ein Betrag, gegen dessen Entrichtung der Kläger verzichten muß, ist nicht vorgesehen. Über das Verfahren sind wir nur mangelhaft unterrichtet; der Vergleich mit dem griechischen Recht macht wahrscheinlich, daß das Verfahren [392] ein schleuniges war, der Kläger brachte wohl, begleitet von den aufgerufenen Zeugen, den Dieb und die gestohlene Sache vor den Magistrat (ἀπάγειν), der nun selbst die verberatio vornehmen läßt und die addictio vollzieht; regelmäßig fand das Verfahren damit sein Ende; vgl. auch Pompon. Dig. XII 4, 15. Zu einer Verweisung vor den Geschworenen mußte es nur dann kommen, wenn der Sachverhalt nicht liquid war, wenn der Beklagte das Vorliegen eines furtum manifestum leugnete, oder wenn er ein die Strafverfolgung ausschließendes pactum geltend machte; vgl. (abweichend, besonders in der Frage, wer die addictio vollzieht) Mommsen Strafr. 751. Voigt Zwölf Tafeln II 561. Cuq Instit. jurid. I 342. Girard Manuel de droit romain3 403. Hitzig Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XXIII 322.

c) Für das f. necmanifestum sahen die zwölf Tafeln eine Geldstrafe vor, poena dupli, Gai. III 190. Gell. XI 18, 15; vorbildlich war wahrscheinlich die athenische Gesetzgebung, die auch von Gellius erwähnt wird. Die Strafe ist Privatstrafe; sie fällt an den Verletzten; sie ist ein gesetzlich fixiertes Lösegeld, durch dessen Entrichtung der Dieb sich von jeder Ausübung der Rache durch den Bestohlenen befreit. Der Gesetzestext bezeichnete die Klage des Bestohlenen als adorare furto und sprach wahrscheinlich von pro fure damnum decidere, diese Wendung begegnet noch in der Formel bei Gai. IV 37. 45; die klassischen Juristen brauchen sie sowohl vom Angeklagten (dies die Regel) als vom Ankläger, vgl. Ulp. Dig. IV 4, 9, 2. XIII 1, 7 pr. XLVII 2, 46, 5. Paul. Dig. XLVII 2, 42, 1. Diocl. u. Max. Cod. Iust. VI 2, 13. Poena dupli und pro fure damnum decidere sind nicht identisch, die Quellen reden nirgends von pro fure damnum duplione decidere, sondern stellen pro fure damnum decidere und actionem dupli pati einander gegenüber, Ulp. Dig. IV 4, 9, 2. Das Verfahren erstrebt zunächst einen Vergleich; kommt es dazu, so fällt das weitere Verfahren weg; kommt es nicht dazu, so wird ein Gericht angeordnet, das nach Prüfung der faktischen Voraussetzungen den Wert schätzt und auf den doppelten Wert verurteilt. Der Vergleichsvorschlag wird vom Ankläger gemacht; der Praetor lädt den Angeklagten ein, diesen Vorschlag anzunehmen (praetor pretio dato pacisci iubet), ansonst er die Frage an den Richter verweisen werde; es scheint auch die Decisionssumme als taxatio in die Formel (Anweisung an den Richter) aufgenommen zu werden; auf ein solches Verfahren (es wird mit der confessio in iure verglichen) weisen meines Erachtens hin Ulp. Dig. III 2, 6, 3. IV 4, 9, 2. Die Leistung des Doppelten hat Strafcharakter, sie wird durch Herausgabe der gestohlenen Sache nicht abgewendet; der Bestohlene hat neben der actio furti die rei vindicatio; in Fällen, wo die letztere nicht mehr (wegen Untergangs der Sache) oder überhaupt nicht möglich (ursprünglicher Ausschluß der rei vindicatio bei res necmanicipi?) ist, ist die actio furti das einzige Hilfsmittel des Bestohlenen. Mit der decisio ist nicht identisch das pactum; pactum ist der weitere Begriff; es kann auch außerhalb des Prozesses, auch ohne Entgelt vorkommen.

d) Neben f. manifestum und f. necmanifestum [393] erwähnt Gell. XI 18, 9 (vgl. XVI 10, 8) noch ein f. per lancem liciumque conceptum, das die zwölf Tafeln proinde ac si manifestum foret bestrafen; ähnlich Gai. III 192ff. Es handelt sich dabei um eine feierliche Haussuchung, die der Bestohlene selbst vornimmt; vor der Haussuchung muß er genau angeben, was er sucht, Paul. sent. II 31, 22. Plaut. Poen. 761ff. Die eigentliche Haussuchung muß er nackt, nur mit einem Schurz bekleidet, und eine Schüssel (lanx) haltend, vornehmen. Einen Eid des Beklagten, daß er die gesuchte Sache nicht verborgen halte, erwähnt Macrob. Sat. I 6, 30. Ähnliche Bestimmungen über Form und die Wirkung der erfolgreichen Haussuchung, besonders über das Kostüm des Suchenden haben sich in andern Rechten (deutsches, nordisches, griechisches, slavisches usw.) gefunden; auf die Erklärung der Erscheinung an sich und ihrer Verbreitung ist viel Scharfsinn, aber auch viel Phantasie verwendet worden; wahrscheinlich liegen praktische Erwägungen, nicht sakrale Vorstellungen zu Grunde; daß, wer im Besitz der gestohlenen Sache gefunden wird und diese nicht herausgegeben hat, als Dieb behandelt wird, hängt mit der mangelhaften Behandlung des Schuldmoments im älteren Recht zusammen.

Verschiedene Ansichten über f. lance licio conceptum: Vangerow De furto concepto ex lege XII tabularum 1845. Voigt XII Tafeln II 573. Krüger Ztschr. d. Savigny-Stiftg. V 219. Cuq Institutions juridiques I 343ff. Esmein Mélanges d’histoire du droit 237ff. Gerard Manuel3 403. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 777. Pernice Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XVII 182. Mommsen Röm. Strafrecht 748 und außerdem Jhering Vorgesch. der Indoeuropäer 14ff. Leist Graecoital. Rechtsgeschichte 247. Dareste Etud. d’hist. du droit 300. Sohm Prozess der Lex Salica 85. Grimm Deutsche Rechtsaltertümer 639ff. Neben dem f. lance et licio conceptum erwähnen die Quellen auch ein einfaches f. conceptum, das sich in Voraussetzungen und Wirkungen vom f. lance et licio unterscheidet; die Haussuchung erfolgt einfach vor Zeugen; wird dabei gefunden, so haftet derjenige, bei dem gefunden wird, ob er selbst der Dieb ist oder nicht, auf das Dreifache (actio furti concepti), er erhält aber, wenn er nicht der Dieb ist, seinerseits in demselben Betrag (als Regreßklage) eine actio furti oblati gegen denjenigen, der ihm die Sache zugetragen hat; die Sache muß er dem Bestohlenen herausgeben; vgl. Gai. III 186. IV 173, Paul. sent. II 31, 3–5. Gell. XI 18, 12. 13. Gai. III 191 führt auch diese beiden Klagen auf die zwölf Tafeln zurück; hiernach kennt dieses Gesetz zwei nach Form und Rechtsfolgen verschiedene Arten der Haussuchung. Dies wird auch heute mehrfach (z. B. Vangerow, Voigt, Girard) angenommen. Andere weisen die actio furti concepti auf das Dreifache erst dem Praetor zu (Mommsen, Krüger). Die erstere Annahme stimmt schlecht zu der juristischen Ökonomie der ältesten Zeit und übersieht, daß in anderen Rechten auch zu der Haussuchung lance et licio Zeugen zugezogen wurden. Die andere Annahme (actio furti concepti auf das triplum eine Schöpfung des Praetors) steht im Widerspruch zu Gai. III 191 und wohl auch zu Gell. XI 18, 12 (accepta ex egregiis [394] veterum moribus) und verträgt sich überdies schlecht mit der Annahme, daß das f. oblatum eine Schöpfung der zwölf Tafeln sei. Das Verhältnis der einschlägigen Klagen ist wohl folgendes: die zwölf Tafeln kennen nur eine Form der Haussuchung, die feierliche, alt überlieferte, lance et licio, und nur eine Wirkung der erfolgreichen Haussuchung, die Behandlung als fur manifestus; als man später (vor der Regelung im Edikt) zur Einsicht gelangte, daß die bloße Präsenz einer fremden Sache im Hause einer Person noch keinen Beweis der Schuld des letzteren ergeben könne, und als man gleichzeitig aus dieser Erwägung dem mit der Sache Betroffenen die Regreßklage gegen den Zuschiebenden gewähren wollte, mußte man an die Haussuchung eine andere Wirkung knüpfen, d. h. eine solche, die einen Regreß überhaupt möglich macht; deswegen gewährte man jetzt dem Bestohlenen einfach eine actio auf einen Geldbetrag (triplum) und beschränkte die strenge Haftung (f. manifestum) auf die Fälle offensichtlicher Schuld und Renitenz, d. h. auf den Fall der Verweigerung der rechtmäßig angebotenen Haussuchung und auf den Fall der Verweigerung der Herausgabe der konzipierten Sache. Gab der Beklagte heraus, so kam er mit einer Geldstrafe des Dreifachen davon (Paul. sent. II 31, 14) und erhielt in demselben Betrag eine Regreßklage gegen den Offerenten. Dieser Abschwächung der Wirkung scheint die Vereinfachung der Form der Haussuchung gefolgt zu sein. So erklärt sich auch die Regelung der einzelnen Fälle im praetorischen Edikt, s. u. Daß nicht erst dieses, sondern bereits das Zivilrecht eine ganze Reihe von Fällen unterschied, ergibt Gell. XI 18, 12 deutlich.

e) Actio furti noxalis. Auf die zwölf Tafeln wird von Gai. IV 76 auch die actio furti noxalis (s. Art. Noxa und vorläufig Art. Delictum a. E.) zurückgeführt. Diese kann sich nur auf das f. necmanifestum der Gewaltunterworfenen beziehen, da nur für dieses ein gesetzliches Lösegeld (duplum) bestimmt ist, das hier der Gewalthaber für den Gewaltunterworfenen zahlt. Bei dem f. manifestum richtet sich die Privatrache (s. o. b) direkt gegen den Gewaltunterworfenen; der Gewalthaber entgeht dieser Wirkung (Verlust) nur, wenn es ihm gelingt, sich mit dem Bestohlenen über eine Abfindungssumme zu verständigen (pacisci), die er für das Delikt des Gewaltunterworfenen als Lösegeld zahlt, gerade so wie bei Selbstbegehung für das eigene Delikt. Einen Mittelweg zeigt die Behandlung des impubes fur manifestus, wenn die einschlägige Bestimmung (Gell. XI 18, 8, s. o. b) auf eine gewaltunterworfene freie Person zu beziehen ist.

2. Das praetorische Edikt hat in erster Linie die Kapitalstrafe für das f. manifestum ersetzt durch eine Geldstrafe, poena quadrupli; auf denselben Betrag, wie diese actio furti manifesti, gehen auch die actio furti prohibiti (adversus eum qui furtum quaerere volentem prohibuerit) und die actio furti non exhibiti (adversus eum qui rem apud se quaesitam ei inventam non exhibuit), beide Überreste der ursprünglichen Gleichstellung von f. manifestum und f. lance et licio conceptum (s. o. 1 d). Diese neuen praetorischen Klagen sind erst nach der lex Aebutia entstanden; sie sind actiones honorariae (ex propria [395] praetoris iurisdictione pendent), werden aber wegen ihrer Anlehnung an die zwölf Tafeln in mehrfacher Beziehung wie actiones legitimae behandelt (Gai. IV 111).

Die Strafe des Doppelten bei f. necmanifestum und die Strafe des Dreifachen bei f. conceptum und bei f. oblatum behält der Praetor bei. Für einige besondere Fälle sind Spezialedikte und Formeln aufgestellt. Vgl. im allgemeinen über die einschlägigen Reformen des Edikts Gai. III 189ff. Gell. XI 18, 10ff. Paul. sent. II 31, 1–5. Iust. Inst. IV 1, 4 und Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 1322ff. Voigt Röm. Rechtsgesch. II 966ff. Girard Manuel de droit romain3 404ff.

Der gleichartigen Bestrafung (Geldstrafe) der einzelnen furta entspricht im praetorischen Recht auch die gleichartige prozessualische Behandlung. Die actio furti ist eine actio famosa, s. Art. Infamia. Die Infamie trifft denjenigen, der furti suo nomine condemnatus paetusve est, Iul. Dig. III 2, 1. Ulp. Dig. III 2, 6. Macer Dig. XLVIII 1, 7. Gai. IV 182 und Dig. XXV 2, 2. Paul. sent. II 31, 15. Iust. Inst. IV 16, 2. Lex Iul. municip. 110ff. Eid des Beklagten (furtum se non fecisse) und Eid des Klägers (f. factum esse) werden erwähnt, wohl nur als iusiurandum voluntarium, (s. Art. Iusiurandum), Ulp. Dig. III 2, 6, 4. XII 2, 13, 2. XLVII 2. 52, 27. Pompon. bei Paul. Dig. XII 2, 28, 9; für die Annahme eines irreferiblen iusiurandum necessarium ergibt Paul. XXV 2, 12 keinen genügenden Anhaltspunkt; vgl. Demelius Schiedseid und Beweiseid 64. Von der Formel der actio furti necmanifesti ist bei Gai. IV 37 die intentio überliefert; die condemnatio scheint eine taxatio enthalten zu haben, Ulp. Dig. L 16, 192. Iavol. Dig. XII 3, 9. Vermutungen über die Bedeutung dieser taxatio bei Lenel Edictum perpetuum 263ff. Voigt Röm. Rechtsgesch. II 974. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 1324. Hitzig Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XXIII 326.

Die actio furti erscheint den klassischen Juristen als reine Strafklage, poenam tantum persequitur; vor der Ausbildung der condictio furtiva (s. unter C) kam ihr praktisch auch eine Ersatzfunktion in denjenigen Fällen zu, wo die Sache selbst mit der rei vindicatio nicht erhältlich war. Die Klage steht denjenigen zu, cuius interest, rem non surripi, rem salvam esse, Gai. III 203. Ulp. Dig. XLVII 2, 10. Paul. sent. II 31, 4. Pomponius und die von ihm zitierten republikanischen Juristen Dig. XLVII 2, 77.

Solches Interesse ist nicht nur bei dem Eigentümer der Sache vorhanden, sondern auch bei andern dinglich Berechtigten, bei dem redlichen Besitzer; auch bei dem Forderungsberechtigten, wenn dieser eine fremde Sache alieno nomine definiert und seinem Gegenkontrahenten unbedingt für die Rückgabe der Sache einstehen muß; Allgemeines und einzelne Fälle s. Gai. III 203–207. Ulp. Dig. VII 1, 12, 5. XLVII 2, 10. 12. 14. 52, 10. Mela bei Ulp. Dig. XLVII 2, 52, 18. Paul. sent. II 31, 17. 19. 30 und Dig. XLVII 2, 15, 1. 20, 1. 87. Das Interesse muß ein berechtigtes sein, Pomp. Dig. XLVII 2, 76, 1. Paul. Dig. XLVII 2, 11. Die Klage geht immer auf Geld; die zu multiplizierende Größe ist regelmäßig der Sachwert, verum rei pretium (corpus aestimatur), [396] ausnahmsweise, besonders wenn eine dritte Person (nicht der Eigentümer) klagt, das eigene Interesse des Klägers (utilitas aestimatur); Allgemeines und einzelne Fälle (besonders Diebstahl von Urkunden) s. Ulp. Dig. XLVII 2, 27. 46, 4. 50 pr. Paul. sent. II 31, 32 und Dig. XLVII 2, 32. Cels. Dig. XLVII 2, 68, 1. Iavol. Dig. XLVII 2, 75. Die Klage ist auf der aktiven Seite vererblich, auf der passiven nicht, Paul. sent. II 31, 6. Ulp. Dig. XLVII 1, 1; vgl. aber betreffs des ersten Punkts die Bedenken der republikanischen Juristen bei Cic. ad fam. VII 22, bezüglich des zweiten die einschlägigen allgemeinen Bemerkungen über die Deliktsobligationen unter Actio (poenalis) und Delictum. Die Noxalklage findet jetzt auch im Falle des f. manifestum Anwendung.

Das Edikt enthielt überdies im Titel de furtis (vgl. Ulp. Dig. L 16, 195, 3) zwei besondere Bestimmungen über die Noxalklage. Die erste Bestimmung bezieht sich auf den Fall si familia furtum fecisse dicatur und sieht vor, daß der Herr, wenn seine Sklaven oder einzelne seiner Sklaven ohne sein Wissen stehlen, sich von jeder Haftung befreit, wenn er dem Bestohlenen denjenigen Betrag entrichtet, den dieser erhielte, wenn ein Freier die Tat begangen hätte (si unus liber furtum fecisset); in diesen Betrag ist sowohl die Strafsumme als die Ersatzsumme einzurechnen; die Bestimmung scheint noch aus republikanischer Zeit zu stammen, vgl. Dig. XLVII 6. Paul. Dig. IX 4, 31. Die zweite Bestimmung, wohl ein Anhang zur ersten, betrifft den besonderen Fall, si familia publicanorum (Zollpächter) furtum fecisse dicatur; das Besondere dieses Edikts (nicht zu verwechseln mit dem allgemeinen Publicanenedikt bei Ulp. Dig. XXXIX 4, 1) besteht in einer Verschärfung der Haftung; der Beklagte verwirkt das Recht der noxae datio, wenn er nicht die vom Bestohlenen zum Zweck der Identifizierung verlangte Exhibition der lebenden Sklaven vornimmt, vgl. Ulp. Dig. XXXIX 4, 12, 1 und Dig. L 16, 195, 3. Beide Bestimmungen standen auch im Provinzialedikt. Gai. Dig. IX 2, 32. XXXIX 4, 13. Vgl. zu beiden Bestimmungen Lenel Edictum perpetuum 267ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 35ff. 1327ff. Voigt Röm. Rechtsgesch. II 991ff. Mommsen Röm. Strafrecht 103. 747. Eine weitere Ediktsbestimmung bezog sich auf den Fall des servus testamento manumissus, der Nachlaßsachen vor Antritt des Erben beseitigt, tit. Dig. XLVII 4, vgl. Lenel 266. Karlowa II 1326ff. Weitere besondere Fälle s. unter Abschn. F.

3. Die Gesetzgebung der Kaiserzeit hat an der durch das Edikt gegebenen Regelung der actio furti wenig mehr geändert; die Unterscheidung f. manifestum-quadruplum, f. necmanifestum-duplum bleibt bestehen und gilt noch im Iustinianischen Recht, Ulp. Dig. IV 4, 9, 2. XLVII 2, 50 pr. Gai. Dig. XLVII 2, 55, 3. Paul. Coll. XI 6, 1. Das Tötungsrecht gegenüber dem fur manifestus (Nachtzeit, Verteidigung mit Waffen) wird eingeschränkt; die Bestimmung der zwölf Tafeln wird jetzt so verstanden, daß die Voraussetzungen der Notwehr gefordert werden, Ulp. Coll. VII 3, 2 und Dig. XLVIII 8, 9. Paul. Coll. VII 2, 1, s. Pernice Labeo II2 81ff. und Hitzig Schweiz. Ztschr. f. Strafr. IX 24ff. Begehung bei [397] Nachtzeit und Waffengebrauch gelten sonst nur noch als Qualifikationsgründe, Ulp. Dig. XLVII 17, 1 und Coll. VII 4, 1; furti faciendi causa cum telo ambulare fällt überdies unter die lex Cornelia de sicariis, Marcian. Dig. XLVIII 8, 1 pr. Paul. sent. V 23, 1. Neben die alte private Haussuchung tritt, zunächst für das Aufsuchen flüchtiger Sklaven, eine Haussuchung der Bestohlenen unter Mitwirkung polizeilicher Organe, Ulp. Dig. XI 4, 1, 2 (Lex Fabia). XI 4, 3, vgl. auch Plaut. Merc. 663ff.; mit der Ausbildung einer Haussuchung verschwindet die actio furti concepti; das Iustinianische Recht kennt sie nicht mehr.

C. Condictio furtiva (die Ersatzklage).

Neben der actio furti wird in den Quellen als zweite Klage aus dem Tatbestand des f. erwähnt: die condictio ex furtiva causa, später auch condictio furtiva genannt. Während die actio furti als actio poenalis nur auf Strafe geht, ist die condictio durchaus Ersatzklage; mit ihr will der Bestohlene rem persequi, recipere, Gai. Dig. XLVII 2, 55, 3. Paul. Dig. XVII 2, 50. Ulp. Dig. XI 3, 11, 2. XIII 1, 7, 1. Der Ausdruck furti teneri, furti agere wird im strengeren Sprachgebrauch für die actio furti reserviert und dem condictione teneri, condicere gegenübergestellt, Gai. Dig. XLVII 2, 55, 3. Ulp. Dig. XIX 5. 17, 5 und XVI 2, 10, 2, wie wohl auch die condictio furtiva als actio bezeichnet wird (Gai. IV 4). Die Klage steht nur dem bestohlenen Eigentümer zu, Ulp. Dig. VII 1, 12, 5. XIII 1, 1 und 10, 2. XLVII 2, 14, 16; er verliert die Klage, wenn er nach dem Diebstahl suo facto dominium amittit, z. B. durch Veräußerung oder Freilassung, Ulp. Dig. XIII 1, 10, 2. 12 pr. Die Klage geht nur gegen den Dieb selbst und gegen dessen Erben, nicht auch gegen Anstifter und Gehilfen, Paul. Dig. XIII 1, 5. Ulp. Dig. XLVII 1, 1 pr. XII 2, 13, 2. Da die Klage Ersatz-, nicht Straffunktion hat, geht sie auch gegen den Erben des fur, Paul. XIII 1, 5. Ulp. Dig. XII 2, 13, 2. XIII 1, 7, 2; sie kann auch angestellt werden, nachdem der Bestohlene die Strafsumme erhalten oder sich bezüglich dieser mit dem Dieb verglichen hat, Ulp. Dig. XIII 1, 7 pr.; der Dieb haftet hier extra poenam, Gai. IV 4.

Die Klage geht auf Herausgabe, bezw. auf Ersatz; dieser ist auch dann zu leisten, wenn ohne Verschulden des Diebes, casu, die Sache bei diesem untergegangen ist; es gilt der Satz fur semper in mora esse videtur, Ulp. XIII 1, 7, 2. 8, 1. Tryph. XIII 1, 20; hat der Dieb die gestohlene Sache verarbeitet, so kann das Arbeitsresultat kondiziert werden, eine Entschädigung für die Arbeit erhält der Dieb nicht, Paul. Dig. XIII 1, 13. Gai. II 79. Ulp. Dig. XLVII 2, 52, 14. Wertsteigerung nach dem Diebstahl kommt dem Bestohlenen zu gut, Tryphon. Dig. XXV 2, 29. Ulp. Dig. XIII 1, 8, 1. Die condictio ist gerade infolge dieser Rechtssätze für den bestohlenen Eigentümer günstiger als die ihm auch zustehende rei vindicatio.

Die condictio steht dem bestohlenen Eigentümer nicht zu, wenn er die gestohlene Sache bereits wieder erhalten hat (recepta re), auf Grund eines durchgeführten Eigentumsstreits, Pomp. Dig. XLVII 2, 9, 1. Gai. Dig. XLVII 2, 55, 3, oder infolge erlaubter Wegnahme der Sache bei manifestum f. [398] (Ulp. Dig. XIII 1, 10 pr.) oder infolge freiwilliger Herausgabe seitens des Diebes (Ulp. Dig. XIII 1, 8); anders bei der actio poenalis, Ulp. XLVII 2, 48 pr. Über das Verhältnis von rei vindicatio und nachfolgender condictio furtiva vgl. bes. Pomp. Dig. XLVII 2, 9, 1.

Der zu vergütende Schade ist der einfache Schade, eine Vervielfältigung tritt nicht ein; daraus ergibt sich, daß im normalen Fall der Bestohlene das Dreifache erhält, das duplum (f. necmanifestum) als Strafe, dazu das simplum als Ersatz. Iul. Dig. XLVII 6, 2.

Alter und Herkunft der condictio sind bestritten; jedenfalls gehört die Klage noch der republikanischen Epoche an; Sabinus und spätere Juristen erwähnen einschlägige Streitfragen, die schon von den veteres behandelt worden seien, Sab. (Ulp.) Dig. XII 5, 6. Tryphon. Dig. XIII 1, 20. Fulcinius (Paul.) Dig. XIII 1, 18; Q. Mucius kennt die condictio furtiva im Fall der f. usus Pomp. Dig. XIII 1, 16. Allem Anschein nach stammt die Klage aus einer Zeit, wo verschiedene andere Klagen, mit denen sie später konkurriert, noch nicht existierten, so daß sie Ersatz für diese fehlenden Klagen bildete. Mommsen (Strafrecht 757ff.) bringt das Aufkommen der actio condictio furtiva in Zusammenhang mit dem ,Ehegattendiebstahl‘ (actio rerum amotarum), Pernice (Labeo II 1, 233) mit der lex Calpurnia repetundarum; gegen den ersteren s. Hitzig Schweiz. Ztschr. f. Strafr. XIII 219ff., gegen den letzteren Girard Nouv. rev. hist. XIX 417ff.

Unter allen Umständen ist die geschichtliche Entwicklung der condictio furtiva im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung der condictio (s. d.), speziell mit der Entwicklung der condictio wegen Ungerechtfertigtheit des Habens zu würdigen. Wenn schon die veteres, wie später Sabinus und Celsus (s. Iul. Dig. XII 5, 6), den allgemeinen Satz vertraten, quod ex iniusta causa apud aliquem sit, posse condici, so darf weiter angenommen werden, daß das ex furtiva causa Besessene von Anfang an unter den Begriff der iniusta causa fiel. Da nach der Grundauffassung der Kondiktionen an den Kondiktionsbeklagten etwas gelangt sein muß, erklärt sich, daß einzelne Tatbestände, die für die actio furti genügen können, für die condictio nicht genügen, s. Ulp. Dig. XLVII 2, 21, 10. In einer Beziehung unterscheidet sich die condictio furtiva von den gewöhnlichen condictiones; während diese sonst dem gewesenen Eigentümer gegen den nunmehrigen Eigentümer zustehen und auf Eigentumsverschaffung gerichtet sind, klagt bei der condictio furtiva der Bestohlene, der Eigentümer geblieben ist, gegen den Dieb. Die Formel der condictio, auf dare oportere lautend, paßt daher nicht für die condictio furtiva; die römischen Juristen geben das zu, erkennen die Singularität als solche an und versuchen sie zu begründen (so Gai. IV 4: quo magis pluribus actionibus fur teneatur). Ob der Richter etwa durch eine besondere Klausel ausdrücklich angewiesen wurde, auch dann das dare oportere als gegeben anzusehen, wenn der Kläger selbst Eigentümer war, aber den Besitz durch Diebstahl an den Beklagten verloren hatte (so Karlowa II 782), steht dahin; notwendig war eine solche Klausel jedenfalls erst, [399] als ein fester Sprachgebrauch unter dem dare und dare oportere lediglich die Eigentumsverschaffung verstand; es ist aber wahrscheinlich, daß dieser Sprachgebrauch nicht von Anfang an bestanden hat, s. Bekker Actionen I 105.

Trotz des vorhandenen Eigentums des Klägers geht die condictio furtiva, wie die anderen condictiones, auf den Sachwert, nicht auf den Besitzwert, sie ist condictio rei, nicht condictio possessionis; neben dieser condictio furtiva des bestohlenen Eigentümers finden sich bei einzelnen Juristen Spuren einer condictio possessionis des bestohlenen Besitzers, s. Celsus bei Ulp. Dig. XLVII 2, 25, 1. XIII 3, 2. Aristo und Neratius Dig. XIII 1, 12, 2.

D. Die öffentliche Strafverfolgung.

Das ältere römische Recht kennt für Diebstahl an Sachen im Privateigentum prinzipiell nur die private Strafverfolgung (actio furti). Nur der Erntediebstahl (Abweiden und Abmähen zur Nachtzeit oder mit Anwendung von Zaubermitteln) ist in den zwölf Tafeln mit öffentlicher Strafe (Todesstrafe) bedroht, Plin. n. h. XVIII 12. 41. Senec. nat. quaest. IV 7. Mommsen Strafrecht 772. Dagegen gehört die Bestrafung der fur manifestus trotz ihrer Schwere (Kapitalstrafe) ganz dem Privatstrafrecht an.

Mit der Ausbildung der leges iudiciorum publicorum (s. vorläufig Art. Crimen) sind einzelne qualifizierte Fälle von Diebstahl in das öffentliche Strafrecht einbezogen worden; so fällt z. B. das furti faciendi causa cum telo ambidare unter die lex Cornelia de sicariis, das alienam rem vi auferre unter die lex Iulia de vi privata; über Sklavendiebstahl und lex Fabia de plagiariis s. o. A 7. Wichtiger ist, daß schon in republikanischer Zeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit Diebstahl nach den Grundsätzen der coercitio (s. d.) von den Magistraten geahndet werden konnte und daß die Ausbildung des Polizeiwesens, in Rom insbesondere die Einführung der praefectura vigilum, ein gesteigertes Einschreiten der öffentlichen Organe gegen Diebe ermöglichte. So wird in Rom dem Praefectus vigilum, in der Provinz dem Statthalter aufgegeben, Diebe und Räuber aufzuspüren und einzufangen, Paul. Dig. I 15, 3. Ulp. Dig. I 18, 13 pr.; für diese Tätigkeit kommen neben den militärischen und nichtmilitärischen Gehilfen und Dienern des Statthalters die Polizeiorgane der Gemeinden in Betracht; die Papyri nennen die δημόσιοι τῆς κώμης im allgemeinen und im besonderen den ἀρχέφοδος; Aufbieten von einzelnen Dörflern als Diebsfänger (ληστοπιασταί) zur Unterstützung der δημόσιοι im BGU 325 und dazu Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1892, 815, vgl. über die Ausgestaltung des Polizeiwesens überhaupt Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1891, 845ff. Besondere gesetzliche Bestimmungen über das Zusammenwirken des Bestohlenen, des Statthalters und der Gemeindebehörden bei der Aufsuchung flüchtiger Sklaven s. tit. Dig. XI 4 (de fugitivis).

Aus der polizeilichen Tätigkeit der kaiserlichen Beamten hat sich allmählich eine strafrichterliche entwickelt. Die kaiserliche Gesetzgebung grenzt die Kompetenzen der Beamten ab, gewährt nur den höheren Beamten das Recht, die schwereren [400] Strafen zu verhängen und trennt polizeiliche und richterliche Funktion. Das Verfahren in Diebstahlssachen ist im allgemeinen nach den Grundsätzen der extraordinaria cognitio geordnet; die klassischen Juristen und Iustinians Kompilatoren behandeln die verschiedenen Fälle des qualifizierten Diebstahls als crimina extraordinaria. Die öffentliche Strafverfolgung wird übrigens zunächst nicht für den Diebstahl schlechthin, sondern lediglich für einzelne qualifizierte Fälle eingeführt: effractor, expilator, directarius, abactor, fur nocturnus, fur balnearius, s. u. F; erst allmählich (Ulp. Coll. VII 4, 1. Marc. Dig. XLVII 17, 2), und wohl erst in nachklassischer Zeit, ist der in den Digesten XLVII 2, 93 dem Ulpian zugeschriebene Satz aufgestellt worden, daß überall der Bestohlene, anstatt die private actio furti anzustellen, den Weg der öffentlichen Strafverfolgung beschreiten könne; dazu ist aber – vielleicht mit Ausnahme der durch besonderen Rechtssatz geregelten qualifizierten Fälle, vgl. bezüglich des abactor Arcad. und Honor. Cod. Theod. II 1, 8 – förmliche accusatio (subscriptio in crimen) erforderlich, s. Ulp. Dig. XLVII 2, 93. Macer Dig. XLVIII 1, 7. XLVII 14, 2: dieses Strafverfahren nimmt eine Mittelstellung zwischen accusatio publica und actio privata ein, Macer Dig. XLVIII 1, 7. Öffentliche Klage und Privatklage dürfen nicht kumuliert werden, Paul. sent. V 18, 1. Iul. Dig. XLVII 2, 57, 1; das Urteil im öffentlichen Verfahren kann auch Rückgabe der gestohlenen Sache anordnen, Iul. Dig. XLVII 2, 57, 1; ist über die gestohlene Sache ein Eigentumsprozeß anhängig, so muß der Strafrichter die Entscheidung dem mit der Sache befaßten Zivilrichter zur Ausfällung der Privatstrafe überlassen. Paul. V 18, 3. Ulp. Dig. XLVII 14, 1, 4; Abgrenzung der strafrichterlichen Kompetenzen, Befreiung der statthalterlichen Strafgerichtsbarkeit von Bagatellsachen, Arcad. et Honor. Cod. Theod. II 1, 8. Beispiele krimineller Behandlung des f.: Pomp. Dig. XII 4, 15. Hist. Aug. Alex. Sev. 28, 2. Sev. et Ant. Cod. Iust. II 11, 8. Valent. Theod. Arcad. Cod. Iust. Ι 26, 3. Symmach. ep. II 75. Syr.-röm. Rechtsbuch 77ff. Nov. Iust. 134 c. 13. Über die Diebstahlsprozesse in den Papyruseingaben s. Hitzig Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XXIII 331ff.

E. Das Ersitzungsverbot.

Die zwölf Tafeln haben die Ersitzung (usucapio) gestohlener Sachen (res furtivae) verboten, Gai. II 45. Iul. Dig. XLI 3, 33 pr. Da sie das subjektive Erfordernis der bona fides noch nicht aufstellen, wollten sie durch dieses Verbot zunächst dem Diebe selbst die Ersitzung unmöglich machen. Als später das Requisit der bona fides des Ersitzenden aufgestellt und damit von vornherein der Dieb von der Ersitzung ausgeschlossen wurde, blieb das objektive Hindernis der Furtivität in praktischer Bedeutung bestehen für die Fälle, wo ein dritter bona fide die gestohlene Sache erworben hatte; er kann trotz seiner bona fides wegen des objektiven Mangels nicht ersitzen. Die Bestimmung der zwölf Tafeln wurde später durch die lex Atinia wiederholt und in einer Richtung abgeändert: wenn die gestohlene Sache (das Gesetz sagt: res subrupta) in die Gewalt des Eigentümers zurückkehrt revertitur in potestatem domini), so wird [401] dadurch der frühere Makel der Furtivität getilgt (vitium purgatur), die Sache kann wieder ersessen werden. Das Gesetz (Wortlaut zum Teil bei Gellius) stammt noch aus republikanischer Zeit, wahrscheinlich aus dem Ende des 6. Jhdts., vgl. Cic. in Verr. II 1, 109. Gell. XVII 7, 3. Paul. sent. II 31, 34 und Dig. XLI 3, 4, 6. XLVII 2, 85. L 16, 215. Iul. Dig. XLI 3, 33 pr. XLVII 2, 56, 4. Labeo Dig. XLI 3, 4, 7. 49. Tryph. XLVII 2, 87. Iust. Inst. II 6, 8. IV 1, 12 und dazu Voigt Zwölf Tafeln II 207. 240. Esmein Mélanges d'histoire du droit 181ff. Pernice Labeo2 II 337ff. Girard Manuel3 305ff. Karlowa Rechtsgesch. II 407ff.

Die Tendenz der klassischen Juristen geht dahin, das Anwendungsgebiet dieser objektiven Ersitzungsunfähigkeit zu beschränken; die Ausnahmebestimmung der lex Atinia wird in ausdehnendem Sinn interpretiert von Sabin. u. Cass. Dig. L 16, 215 a. E.; bei Diebstahl von Sklavinnen gelten seit Iulian die Kinder der Sklavin dann nicht als furtivae res, wenn die Mutter bei dem Usucapienten konzipiert und geboren hat und dieser sich im Moment der Geburt noch in bona fde befand; Iul. Dig. XLI 3, 33 pr. XLI 4, 9. Ulp. Dig. XLI 3, 4, 16. XLVII 2, 48, 5. Scaev. und Marcell. bei Ulp. Dig. XLI 3, 10, 2. Pomp. Dig. XLI 10, 4. Ersitzungsverbot und actio furti werden nicht immer parallel behandelt; es kommt vor, daß die actio furti ausgeschlossen wird und die Unersitzbarkeit der Sache bleibt, s. Tryph. Dig. XXV 2, 29. Ulp. Dig. XLVII 2, 17 pr. Iust. Inst. IV 1, 12.

F. Besondere Fälle.

Im folgenden werden in alphabetischer Reihenfolge einzelne Diebstahlsfälle und diebstahlsähnliche Fälle erörtert; was bereits in den vorausgehenden Artikeln besprochen ist, oder unter anderen Stichwörtern behandelt wird, ist durch bloße Verweisung erledigt;

abactor, abigeus, abigeatus (Viehdiebstahl) s. Art. Abigeatus.

amotio rerum, amotarum rerum actio. Schon in republikanischer Zeit hat im praetorischen Edikt der ,Ehegattendiebstahl‘ (Mommsen) eine besondere Regelung gefunden. Nach der ursprünglichen Bestimmung erhielt der Ehemann als Ersatz für die ihm versagte actio furti eine besondere Klage (singulare iudicium bei Paul. Dig. XXV 2) gegen die Frau, die mit Rücksicht auf die beabsichtigte Ehescheidung (divortii consilio) während der Ehe Sachen des Ehemanns beiseite geschafft hatte; die Klage konnte erst nach Aufhebung der Ehe angestellt werden, Marcian. Dig. XXV 2, 25. Ursprung, Begründung und spätere Ausdehnung der Bestimmung hängen zusammen mit der Entwicklung des Eherechts (Vordringen der freien Ehe, Aufkommen des beiderseitigen Scheidungsrechts). Im praetorischen Edikt ist das Institut im Zusammenhang mit dem Dotalrecht behandelt; neben der Geltendmachung im Wege der Klage (actio rerum amotarum) steht dem Ehemann die Geltendmachung im Weg des Retentionsrechts gegenüber der Dotalklage, retentio propter res amotas, offen (Ulp. reg. VI 9. VII 2. Fragm. Sinait. 9). Die Retentio scheint das ältere Institut zu sein. In klassischer Zeit (vor Marcellus nicht nachweisbar) ist die Klage auch der Ehefrau zugestanden worden, Ulp. Dig. XXV [402] 2, 7. 11 pr. Paul. Dig. XXV 2, 6, 1. In der Erklärung der Singularität gehen die römischen Juristen auseinander; die einen leugnen das Vorhandensein eines f. ganz, da die Ehefrau quodammodo domina sei; andere geben das Vorhandensein des f. zu (veritate furtum est), es werden lediglich wegen des ehelichen Verhältnisses die Straffolgen gemildert; beide Theorien berufen sich auf die societas vitae; die erstere Theorie gehört dem Gedankenkreis der Manusehe an und ist jedenfalls die ältere, s. Paul. Dig. XXV 2, 1. 21, 1. Tryph. Dig. XXV 2, 29. XLII 1, 52. Überdies wird nur in Bezug auf die Klage die Anwendbarkeit der Diebstahlssätze geleugnet; in anderen Beziehungen wird angenommen: f. factum esse; die weggenommene Sache (res amota) ist als res furtiva der Ersitzung entzogen, s. o. E; der Gehilfe der amovierenden Frau haftet als fur, Tryph. Dig. XXV 2, 20. Ulp. Dig. XLVII 2, 36, 1. 52, 1; vgl. auch noch Paul. Dig. XXV 2, 3, 1. Iust. Cod. Iust. VI 2, 22 i. f.

Die Klage wird als Ersatzklage bezeichnet, licet ex delicto nascatur, tamen rei persecutionem continet (Paul. Dig. XXV 2, 21, 5); bei der Schätzung ist der Wert der Sachen zur Zeit der Wegnahme zu Grunde zu legen; spätere Werterhöhung kommt dem Kläger zu gut, wie bei der condictio furtiva (Tryph. Dig. XXV 2, 29). Die Klage wird deswegen mit der condictio furtiva verglichen und von Gaius Dig. XXV 2, 26 geradezu condictio genannt. Während der Ehe kann nach allgemeinen Grundsätzen eine condictio (ex iniusta causa) angestellt werden (Marcian. Dig. XXV 2, 25, vgl. Diocl. und Maxim. Cod. Iust. V 21, 2); von dieser unterscheidet sich die actio rerum amotarum – abgesehen von der Wertberechnung – besonders in prozessualischer Beziehung; die actio rerum amotarum scheint eine actio arbitraria zu sein; der Kläger wird bei Nichtrestitution zum Schätzungseid zugelassen (Pomp. Dig. XXV 2, 8, 1), überdies kann er, unter Vorleistung des Calumnieneides (s. Art. Calumnia), der Gegenpartei einen irreferiblen Eid zuschieben; diese muß schwören, amotum non esse; der Eid ist iusiurandum necessarium (s. Art. Iusiurandum). Ulp. Dig. XXV 2, 11. 13. Paul. Dig. XXV 2, 12. 14. XII 2, 28, 7. Vergleiche zum Ganzen: Czyhlarz Röm. Dotalrecht 348ff. Esmein Mélanges d'histoire du droit 27ff. Lenel Edictum perpetuum 245ff. Cuq Instit. jurid. I 501. II 113. Karlowa Röm. Rechttgesch. I 227ff. II 1179ff. Mommsen Strafrecht 759ff.; zur Eidesfrage Demelius Schiedseid und Beweiseid 59ff. Über ähnliche Bestimmungen des Rechtes von Gortyn (besonders betr. Eid) s. Bücheler und Zitelmann 123ff. Inscriptions juridiques grecques (fasc. III) 458ff.; vgl. auch Pap. Oxyrhynch. II 282 und Wenger Rechtshistor. Papyrusstudien 137ff. Hitzig Schweiz. Ztschr. f. Strafrecht XIII 219ff.

arbores furtim caesae. Das praetorische Edikt gewährte im Titel de furtis eine besondere Klage actio arborum furtim caesarum im Falle des arbores furtim cinxisse subsecuisse cecidisse (Ulp. Dig. XLVII 7, 7, 4); die Klage geht auf das Doppelte des Interesses (Ulp. ebd. 7); der Tatbestand ist zum Teil enger, zum Teil weiter als der des f.; enger, da furtim nur im Sinn von [403] clam verstanden wird, weiter, da animus lucrifaciendi nicht gefordert wird, Ulp. Dig. XLVII 7, 7 pr.; 1. Paul. sent. II 31, 25 und Dig. XLVII 7, 8. Gord. Cod. Iust. III 41, 2. Neben dieser praetorischen Klage wird eine actio legitima (ex lege XII tabularum) erwähnt, actio de arboribus succisissie geht auf eine feste Strafe von 25 As für jeden abgehauenen Baum, Paul. Dig. XLVII 7, 1. 11. Gai. IV 11 und Dig. XLVII 7, 2. Das Verhältnis der beiden Klagen ist bestritten; wahrscheinlich hat die jüngere praetorische die ältere abgelöst, s. Schulin Röm. Rechtsgesch. 323. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 796ff. und dazu noch Gai. Dig. XIX 2, 25, 6; anderer Ansicht Lenel Edictum perpetuum 268ff. Voigt Röm. Rechtsgesch. II 979. Mit diesen Klagen können andere konkurrieren, actio furti, actio legis Aquiliae, interdictum quod vi aut clam, Paul. XLVII 7, 1. 8, 2. 11. Ulp. Dig. IX 2, 27, 26. XLIII 24, 7, 5. Gaius Dig. XIX 2, 25, 6; ebenso öffentliche Bestrafung Gai. XLVII 7, 2.

aversio oneris, oneris aversi actio. Alfenus Dig. XIX 2, 31 erwähnt eine actio oneris aversi gegen den Schiffer, der die ihm übergebene Ladung veruntreut. Wahrscheinlich handelt es sich um eine alte Deliktsklage, die die actio furti ergänzen soll z. B. für den Fall, wo dem Schiffer Eigentum an der Ladung übertragen worden war. Das Alter der Klage ist unsicher (zwölf Tafeln ?); jedenfalls stammt sie aus einer Zeit, da die Kontraktsklage aus dem Frachtvertrag (actio locati) noch nicht entwickelt war; mit der Durchbildung der letzteren wird die actio oneris aversi überflüssig; dies auch die Ansicht des Alfenus a. a. O. Vgl. Keller Pandekten 648. Mommsen Beitr. z. röm. R. I 283ff. Lenel Edictum perpetuum 240. Pernice Labeo² II 2, 99. Cuq Instit. jurid. I 581. Schulin Röm. Rechtsgesch. 327.

balnearius fur. Bäderdiebstahl, ist qualifizierter Diebstahl und als solcher in der Kaiserzeit mit öffentlicher Strafe bedroht; Strafmaximum: opus publicum temporarium Ulp. Dig. XLVII 17, 1; Erhöhung dieses Maximums für den raptor balnearius Paul. sent. V 3, 5. Zu den fures balnearii gehören auch die capsarii, die die Verwahrung der Kleider der Badenden gegen Entgelt übernehmen, si quid in servandis vestimentis fraudulenter admiserunt Paul. Dig. I 15, 3, 5. Dem Soldaten wird schimpfliche Entlassung angedroht Paul. Dig. XLVII 17, 3. Vgl. noch Catull. 35. Tertull. de persec. 13; apol. 44. Vgl. auch die Bestimmungen des griechischen Rechts (s. Art. Κλοπή) über den Diebstahl im Hafen und im Bade, dazu Aristot. problem. 29, 14 und Pernice Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XVII 223.

caupo (nauta, stabularius). Nach praetorischem Recht haften diese drei Personen für Diebstähle (und Sachbeschädigungen), die in ihren Räumen an Sachen der Reisenden verübt werden. Der Wirt steht im besonderen für die deliktischen Handlungen seiner Gehilfen ein. Die Klage geht auf das Duplum; die Haftung wird als obligatio quasi ex delicto bezeichnet; der Geschädigte hat die Wahl, ob er diese Quasideliktsklage gegen den Wirt, oder die gewöhnliche Deliktsklage (actio furti) gegen den wirklichen Täter anstellen will. Der Wirt befreit sich durch noxae datio, wenn der Täter sein Sklave ist, nicht wenn es ein fremder [404] Sklave oder ein Freier ist, Ulp. Dig. XLVII 5. IV 9, 7. Paul. sent. II 31, 16. 18 und Dig. IV 9, 6. Iust. Inst. IV 5, 3. Goldschmid Ztschr. f. Handelsrecht III 67ff. (= Vermischte Schriften II 408ff.). Lenel Edictum perpetuum 266ff. Cohn Beitr. z. röm. Recht II 15ff. Mommsen Strafrecht 103. Karlowa Röm. Rechtsgeschichte II 1320ff.

directarius s. d.

domesticum f. Wird von Gewaltunterworfenen (Sklaven, Hauskindern) an Sachen des Gewalthabers, von Freigelassenen an Sachen des Patrons, von Taglohnarbeitern an Sachen des Dienstherrn, bei dem sie arbeiten, ein Diebstahl begangen, so hat der Bestohlene keine Zivilklage und auch die öffentliche Anklage wird nur in schweren Fällen zugelassen. Der Ausschluß der Klage wird von Ulp. Dig. XLVII 2, 17 pr. damit begründet, daß der Bestohlene kein Rechtsmittel brauche, da er selbst kraft seiner Hausgewalt gegen den Dieb vorgehen könne (ipse potest in furem statuere). Für die Gewaltunterworfenen wird der Ausschluß auch damit motiviert, daß sie kein eigenes Vermögen haben, nihil habent unde satisfaciant; konsequent wird daraus geschlossen, daß auch der Gewalthaber das Kind nicht bestehlen kann; in beiden Fällen wird für den filius familias miles qui habet castrense peculium eine Ausnahme gemacht, s. Ulp. Dig. XLVII 2, 52, 4–6. Paul. Dig. XLVII 2, 16; weiter schließt das Pietätsverhältnis actiones famosae (die actio furti gehört dazu) gegen Eltern und Patron aus, Ulp. Dig. XXXVII 15, 5, 1. Abgesehen von der Klageverweigerung wird das f. domesticum wie ein gewöhnliches f. behandelt, so in Bezug auf die Haftung der Gehilfen (Ulp. Dig. XLVII 2, 36, 1) und das Ersitzungsverbot (Iust. Inst. IV 1, 12. Ulp. Dig. XLVII 2, 17 pr., vgl. Tryph. Dig. XXV 2, 29). Das Domestizitätsverhältnis muß zur Zeit der Kontrektation vorhanden gewesen sein, Freilassung nach der Tat hebt die Unzulässigkeit der Klage nicht auf. Vgl. (außer den bereits zitierten Stellen) Paul. Dig. XLVII 2, 90. Marcian. Dig. XLVIII 19, 11, 1. Ulp. Dig. IV 4, 11 pr. Alex. Cod. Iust. III 41, 1; aus der Literatur: Wächter in Weiskes Rechtslexikon s. Diebstahl III 381ff.

effractor, s. d.

expilator, s. d.

familia, furtum a familia factum (Gesindediebstahl) s. o. S. 396.

grassator, s. d.

nauta, s. o. caupo S. 403.

nocturnus fur, s. o. S. 391.

onus aversum s. o. S. 403.

peculatus, s. d.

plagium, s. d. und o. S. 389.

raptor, rapina, s. d.

receptator, s. d.

saccularius, s. d.

sacrilegium, s. d.

stabularius, s. o. S. 403.

tignum furtivum. Die zwölf Tafeln gewährten eine Klage auf das Doppelte gegen denjenigen, der gestohlene Baumaterialien (tignum furtivum) mit seinem Gebäude oder Weinberg verbunden hatte (qui convictus est iunxisse aedibus vineaeve). Die Klage ist von Hause aus eine Strafklage [405] und als solche im Edikt im Titel de furtis untergebracht. Da das Gesetz in demselben Fall die Trennung (der Materialien vom Gebäude) verbot und so dem Bestohlenen die Durchführung der rei vindicatio unmöglich machte, wirkt die actio de tigno iuncto praktisch regelmäßig als Ersatzklage; im Iustinianischen Recht scheint sie ganz Ersatzklage geworden zu sein, da neben ihr die rei vindicatio auch da verweigert wird, wo diese (wegen nachträglicher dauernder Trennung der Baumaterialien) an sich möglich wäre, Ulp. Dig. XLVII 3, 1. 2. Paul. Dig. VI 1, 23, 6. XXIV 1, 63. Iust. Inst. II 1, 29. Literatur: Lenel Edictum perpetuum 264ff. Czyhlarz Grünhuts Ztschr. f. Privatr. und öffentl. Recht XXI 94ff. Dernburg Pandekten6 I 2, 96. Pernice Labeo2 II 318.

Literatur (zum ganzen Artikel): Luden De furti notione secundum ius Romanum (1831). Wächter Art. Diebstahl, in Weiskes Rechtslexikon (1841). Rein Röm. Kriminalrecht (1844) 293ff. Rosenberger Furtum im klass. röm. Recht (1879). M. Cohn Beitr. zum röm. Recht II (1880) 1ff. Desjardins Traité du vol dans l’antiquité et spécialement en droit romain (1880). Kuntze Exkurse über röm. Recht (1880) 146ff. Voigt Die XII Tafeln II (1883) 553ff. Schirmer Zur Lehre vom Furtum, Ztschr. d. Savigny-Stiftg. V (1884) 207ff. Krüger Furtum conceptum, prohibitum usw., ebd. 219ff. Schulin Röm. Rechtsgesch. (1889) 320ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 774ff. 1322ff. Cuq Instit. juridiq. I 340ff. II 470ff. Voigt Röm. Rechtsgesch. II 966ff. Girard Manuel de droit romain3 399ff. Pernice Parerga VII 4, Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XVII 222ff. Landucci Storia d. dir. rom.2 908ff. 1022ff. Mommsen Röm. Strafrecht 733ff. Hitzig Beitr. z. Lehre vom furtum. Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XXIII 315ff.

[Hitzig. ]