Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Ulpianus, römischer Jurist
Band V,1 (1903) S. 14351509
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88) Domitius Ulpianus (der Gentilname wird wiederholt genannt: Dio LXXX 1. Hist. Aug. Alex. 68, 1. Lactant. Inst. V 11. Aur. Vict. Caes. 24. Alex. Sev. Cod. IV 65.4. VIII 37, 4. Diocl. Cod. IX 41, 11, 1. Iust. Cod. VI 49, 7, Ib. Paul. Dig. XIX 1, 43. Mod. Dig. XXVII 1, 13, 2) ist von allen römischen Juristen derjenige, von dessen [1436] Schriften uns die grössten Reste erhalten sind und den wir darum auch am genauesten kennen. Dass er mit dem bei Athenaios öfters erwähnten Rhetor Οὐλπιανός Nr. 87 nicht verselbigt werden darf, ergiebt sich aus allem, was über diesen gesagt wird, (s. die in Kaibels Ausgabe III p. 564 zusammengetragenen Stellen, insbesondere XV 686 c über seinen Tod; vgl. Kämmerer Observ. iur. civ. 135ff.).


I.

Als seine Heimat nennt Ulpian selbst die Stadt Tyros (Dig. L 15, 1 pr.: Tyriorum colonia, unde mihi origo est, womit doch wohl der Geburtsort [Bremer 82f.], nicht blos die Herkunft der Familie [Zimmern I 368, 4. Puchta § 268. Karlowa I 739f.] angedeutet werden soll). Über seine Anfänge fehlen uns zuverlässige Nachrichten. Die Stellen seiner Schriften, welche eine Bekanntschaft mit den Verhältnissen des Ostens (die sich ja teilweise schon durch seine Abstammung erklären) bekunden, berechtigen ebensowenig, wie diejenigen, welche über gallische Zustände handeln, zu bestimmten Schlüssen auf eine öffentliche Stellung, die er dort eingenommen haben sollte (Bremer 83ff. [vgl. u. S. 1439]; Ztschr. d. Savignystift. IV 84ff.). Ein so gesuchter Respondent wie Ulpian (u. S. 1438), an den Anfragen aus allen Reichsteilen einliefen, ein Mann, der, wie es scheint, zeitweilig auch Vorsteher des Amtes a libellis war und als solcher die kaiserlichen Rescripte vorzuarbeiten hatte (u. S. 1457), musste schon aus dieser seiner Praxis eine genauere Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse haben. Immerhin muss die Möglichkeit, dass er, wie so mancher andere, der die Ritterlaufbahn durchmachte, zunächst in provincialen Stellungen beschäftigt gewesen ist, zugegeben werden. Alles, was wir sicher von ihm wissen, zeigt ihn uns in Rom thätig.

Die früheste Nachricht, welche eine zeitliche Bestimmung zulässt, ist die, dass Ulpian Assessor im Consilium des Praefectus praetorio Papinian (203 [oder 205 ?] –211) gewesen ist (Hist. Aug. Pesc. 7, 4; Alex. 26, 6). In seiner weiteren Laufbahn stehen nur die letzten Daten fest. In einer Constitution Kaiser Alexanders vom 31. März 222 (Cod. VIII 37, 4) wird er als Praefectus annonae und in einer anderen vom 1. December 222 (ebd. IV 65, 4) als Praefectus praetorio erwähnt (über die Erhebung zu letzterem Amt s. auch Dio LXXX 1. Zonar. XII 15 p. 571 Dind. Zosim. I 11). Damit ist aber die Notiz in der v. Pesc. 7, 4, dass Ulpian zur Gardepraefectur unmittelbar vom Amt a libellis befördert worden sei, schwer in Einklang zu bringen. Denn diese seine Stellung müsste, wenn man die Nachrichten vereinigen wollte, zwischen jene beiden Praefecturen gesetzt werden, was wegen des kurzen Zeitraumes von 8 Monaten recht bedenklich ist, zumal da auch eine Stufenfolge von der Praefectura annonae zu dem (niederen) Amt a libellis ohne Beispiel ist. Ebenso misslich ist es, an eine gleichzeitige Wahrnehmung dieser beiden Ämter zu denken (vgl. Karlowa I 740f.). Völlig erfunden ist indessen das Amt a libellis schwerlich; es empfängt eine gewisse Stütze dadurch, dass Ulpian in der v. Alex. 26, 4 (vgl. auch 15, 6) und bei Eutrop. VIII 23 als magister scrinii unter Kaiser Alexander [1437] erwähnt wird, vor allem aber dadurch, dass Ulpian, wie seine Schriften zeigen, die Archive in weitgehender Weise nach kaiserlichen Rescripten durchforscht hat (vgl. u. S. 1457), wozu ihm gerade dieses Amt die beste Gelegenheit bot. Da aber seine litterarische Thätigkeit uns in die Zeit vor Caracallas Tod (217) führt, so dürfte wohl auch seine Wirksamkeit a libellis entgegen der Hist. Aug. einer früheren Periode angehören. Ausserdem erfahren wir, dass auch eine Überlieferung umlief, nach welcher Ulpian schon von Antonius Elagabal zum Praefectus praetorio erhoben sein sollte (v. Alex. 26, 5 als unbestimmt; Aur. Vict. Caes. 24 als sicher: Alexander habe ihn in diesem Amt erhalten). Die Nachricht verdient keinen Glauben, da sie den bestimmten Daten der Constitutionen widerspricht. Schliesslich wird auch berichtet, Ulpian sei von Elagabal verbannt worden (v. Heliog. 16, 4; vgl. u. S. 1509).

Über Ulpians Gardepraefectur ist Genaueres bekannt. Dieses Amt wurde zunächst an zwei erprobte Officiere, Flavianus und Chrestus, übertragen, und darauf Ulpian ihnen auf Betreiben der damals ihren jugendlichen Sohn völlig leitenden Kaiserinmutter Iulia Mammaea zunächst zugesellt, dann aber, wie es scheint, übergeordnet (Zosim. I 11. Zonar. XII 15 p. 571 Dind.; abweichend v. Alex. 51, 4: primum repugnante matre deinde gratias agente). Hierbei hat wohl sicherlich die Erkenntnis mitgewirkt, dass dem Praefecten, der mehr und mehr zum Stellvertreter des Kaisers geworden war, Erfahrung in der Verwaltung und insbesondere auch Rechtskenntnis zu Gebote stehen müssten. Ausschlaggebend scheint aber das Bestreben gewesen zu sein, einen Mann an die Spitze zu stellen, der es wagen würde, der Unbotmässigkeit der Soldaten entgegen zu treten und den Hof von ihnen unabhängig zu machen, eine Aufgabe, der Flavianus und Chrestus nicht genügend gerecht geworden waren. Jedenfalls hat Ulpian seine Stellung in diesem Sinne aufgefasst und war infolgedessen begreiflicherweise bei den ihm untergebenen Praetorianern in hohem Grade verhasst. Eine Verschwörung gegen sein Leben wurde zur rechten Zeit entdeckt, und seine beiden Collegen fielen als deren Anstifter (so Zosim. I 11, nach dessen Bericht die Kaiserin schleunigst eingriff und Ulpians Gegner beseitigen liess; dagegen berichtet Dio LXXX 2 [und nach ihm Zonar. XII 15 p. 571 = Dind.], Ulpian habe seine Collegen getötet, um ihre Stelle einzunehmen; beide Darstellungen lassen sich ohne Zwang mit einander vereinigen; von einer Schuld Ulpians darf man kaum reden; man hatte ihm nachgestellt, und der Hof wollte die Macht in seine Hände legen). Seitdem war Ulpian der einflussreichste Mann im Reiche (vgl. die teilweise etwas übertriebenen Äusserungen bei Dio LXXX 1: καὶ τὰ λοιπὰ τῆς ἀρχῆς ἐπέτρεψε πράγματα. Hist. Aug. Alex. 15, 6. 26. 5. 51, 5: pro tutore habuit Sync. Chron. I p. 673 Dind.: ὑπαγόμενος Οὐλπιανοῦ τοῦ νομοθέτου τῇ γνώμῃ)]). Nicht nur gehörte er zum Consilium Alexanders (v. Alex. 26, 6. 68, 1; vgl. 31, 2: ex assessore?); wichtiger noch war es, dass er stets persönlichen Zutritt zum Kaiser hatte (v. Alex. 31, 2), und regelmässig dessen Entscheidungen in Regierungsgeschäften und Rechtssachen [1438] vorzuarbeiten hatte (v. Alex. 15, 6; vgl. 27, 2). Ob ihm später noch ein anderer Praefect beigegeben wurde, muss dahingestellt bleiben. In Betreff des Juristen Iulius Paulus folgt dies nicht notwendig aus v. Alex. 26, 5, wie Hirschfeld Verw.-Gesch. 235 annimmt; die Stelle verlangt nicht Gleichzeitigkeit beider Praefecturen, sie schliesst die Ernennung des Paulus nach Ulpians Tode nicht aus (vgl. Karlowa I 745). Die Schwierigkeit von Ulpians Stellung lag nach wie vor bei dem militärischen Corps, an dessen Spitze er gestellt war und das er sich durch die strenge Zucht, in der er es zu halten suchte, immer mehr verfeindete. Wiederholt brach der Aufstand offen aus (Dio LXXX 2. Zonar. XII 15 p. 571 Dind. v. Alex. 51, 4). Schliesslich vermochte auch der Kaiser ihn nicht mehr zu schützen; vor seinen Augen wurde Ulpian bei einer nächtlichen Meuterei der Praetorianer ermordet (Dio LXXX 2. 4. Zonar. a. a. O. Zosim. I 11. Syncell. Chron. I 673 Dind.).

II.

Über Ulpians juristische Ausbildung sind wir nicht unterrichtet. Man pflegt ihn als Papinians Schüler anzusehen, weil er als dessen Assessor erwähnt wird (o. S. 1436). Das hat auch seine Berechtigung; aber Ulpian muss doch derzeit schon einigermassen als Jurist bekannt gewesen sein, denn ein so hochstehender Beamter wie der Praef. praetorio hat seine Hülfsarbeiter gewiss nicht gerade unter den Anfängern ausgewählt. Auch sonst können wir ihn mehrfach als Ratsmann von Magistraten nachweisen (Dig. IV 2, 9, 3. XL 2, 8; dazu Basil. XLVIII 2. 6). Die erste dieser Stellen (praetorem me adsidente interlocutum esse) hat Anlass zu der Behauptung gegeben, Ulpian habe seine öffentliche Laufbahn als Assessor bei einem Praetor begonnen (Bruns in Paulys Realencycl. Bd. VI S. 2697; ähnlich Bremer 38, 116. 58, 237. Krüger 215, 142). Aber diese Ansicht ist nicht zu billigen, denn die Entscheidung des Praetors, von der die Stelle spricht, ergeht auf Grund einer Constitution Kaiser Caracallas während seiner Alleinherrschaft, also zu einer Zeit, als Ulpian jedenfalls nicht mehr in seinen Anfängen stand. Und ferner ist, wenn auch in älterer (vgl. Cic. de orat. I 168) und jüngerer (Seneca de tranq. animi 3, 4) Zeit Assessoren bei der Ausübung der praetorischen Jurisdiction erwähnt werden, doch zweifelhaft, ob wir es dabei mit der Assessur als Amt zu thun haben, ob es sich nicht um blosse unständige Ratsmänner handelt, gleichviel, ob man sich diese als Mitglieder eines Consilium (vgl. Karlowa I 191. Hitzig Assessoren 21f.) oder als einzelne rechtskundige Berater (Mommsen Staatsr. I³ 310, 1. Pernice Ztschr. d. Savignystiftung XIV 143, 4) vorstellt.

Die gewöhnliche Thätigkeit der römischen Juristen, das Begutachten von Rechtsfragen, lässt sich auch bei Ulpian nachweisen. Rechtsfälle aus seiner Praxis werden oftmals von ihm selbst (z. B. ad ed. 373, 3. 397 II 2. 402 II 2. 903 II. 1042, 20. ad Sab. 2866. Disp. 38. 71. 74, 1. 81. 86 pr. 87 pr. 1. 91, 3. 92. 102, 1. 108 I. 109, 4. 135. 144. de fideic. 1867, 3. 1895); seine Responsa (S. 1446) sind überhaupt nur als eine Sammlung eigener Entscheidungen anzusehen) und gelegentlich auch von anderen (Paul. Dig. XLX 1, 43. [1439] Macer Dig. L 5, 5. Alex. Cod. VIII 37, 4) erwähnt. Gewiss hat ihm auch das Ius respondendi nicht gefehlt.

An diese seine praktische Thätigkeit hat sich, wie üblich, die Unterweisung junger Leute angeschlossen (vgl. den Art. Rechtsunterricht). Zweifellos ist Ulpian also auch Rechtslehrer gewesen; nennt er doch selbst den Modestin seinen Schüler (Dig. XLVII 2, 52, 20. Ob er auch theoretischen Unterricht erteilt hat, wissen wir nicht; dass er Institutiones und Regulae verfasste, ist ein schwacher Beleg dafür). Insbesondere bietet die Bekanntschaft, die er mit den Verhältnissen des Ostens zeigt (Bremer 83ff.; vgl. o. S. 1436) keinen genügenden Anhalt, ihn vor seiner Wirksamkeit in Rom zum Professor in Beryt zu machen (Bremer 87f.). Doch soll auch hier nur vor der allzu grossen Zuversichtlichkeit solcher Schlüsse gewarnt werden.; wir werden später (S. 1506) selbst auf einen Punkt hinweisen, der durch eine Thätigkeit Ulpians in einer entfernteren Provinz – möglicherweise auch als Rechtslehrer – eine befriedigende Erklärung finden würde.

III.
Die einzelnen Schriften Ulpians.
A. Commentare.

1. Ad edictum praetoris 81 B. (Lenel Paling. II 421ff. frg. 170–1756). Was die Zeit der Herausgabe – wir wählen mit Absicht diesen Ausdruck – anlangt, so begegnet die erste sichere Spur im 10. Buch, wo in frg. 364 I 3 eine constitutio imperatoris nostri ad Cassium Sabinum angeführt wird. Damit ist ohne Frage das uns im Cod. Iust. VII 49, 1 erhaltene Rescript Caracallas vom 19. December 212 gemeint, wenn dort auch (augenscheinlich infolge einer Corruptel) Gaudius als Adressat genannt ist. Auch in frg. 329 aus dem 9. Buche wird unter dem imperator noster Caracalla zu verstehen sein (freilich wird das nicht durch Cod. Iust. IX 2, 3 bewiesen [so Fitting 39], denn Kaiser Alexander beruft sich hier, so wie die Stelle lautet, nicht auf ältere Constitutionen, sondern auf die leges publicorum iudiciorum). Die folgenden Bücher (10–50) bieten eine Reihe von zuverlässigen kaiserlichen Constitutionen (Nachweise bei Fitting 39f.). Hiernach sind sie nach Severus Tode unter Caracallas Regierung (211–217) veröffentlicht worden. Und zwar haben wir zwei auf das J. 212 weisende Spuren: in Buch 22 frg. 657 wird die in diesem Jahr ergangene bekannte Constitutio Antoniniana, welche allen reichsangehörigen Freien das Bürgerrecht verlieh, erwähnt; in Buch 26 frg. 773 I 2 wird nochmals auf die schon im 10. Buch hervorgehobene Constitution vom 19. December 212 und zwar als auf eine jüngst erlassene hingewiesen. Viel Zweifel hat die Frage nach der Zeit der Herausgabe des 52. Buches (51 bietet keinen Anhalt) hervorgerufen. Im frg. 1255, 16 wird ein Rescript des Imperator Antoninus Augustus, also des regierenden Kaisers Antoninus mitgeteilt, das aber kurz darauf (§ 25) als constitutio divi Antonini, also als eine Verordnung des verstorbenen Kaisers Antoninus bezeichnet wird. Zweifellos ist Caracalla gemeint (Cod. VI 54, 6; dazu Mommsen Ztschr. f. Rechtsgesch. IX 114, 57 und jetzt auch Fitting Castr. Peculium XXXVI 17). Von den beiden widersprechenden [1440] Angaben aber verdient die erstere den Vorzug. Ulpian teilt hier das Rescript, wenn auch in berichtender Form, so doch im wesentlichen wortgetreu mit (von Veränderungen der Compilatoren [oertis ex causis? servaretur] ist hier natürlich abzusehen) und erläutert es dann in seinen Einzelheiten. Es ist wenig glaubhaft, dass er hier, wo er das Rescript als Thema für das Folgende vorausschickt, den Kaiser geradezu als lebend bezeichnet haben sollte, wenn er schon verstorben gewesen wäre, und dass er dieses letzteren Umstandes nur in einer gelegentlichen Wendung am Schlusse gedacht haben sollte. Eher ist anzunehmen, dass ein Abschreiber des Werkes oder auch erst die Compilatoren Iustinians im § 25 das ihnen bei den älteren Kaisern in der Feder liegende divi haben einfliessen lassen (vgl. Mommsen a. a. O. Pernice 444, 2). Den Widerspruch hinwegzudeuten (Fitting Castr. Pecul. XXXVI 17. Karlowa 743f.) ist ein vergebliches Bemühen (vgl. auch Krüger 217, 162). Für die Herausgabe unter Caracalla fällt aber ausserdem stark ins Gewicht, dass überhaupt in keiner Schrift Ulpians, trotz der vielen Citate von Constitutionen, eine sichere Spur seiner litterarischen Thätigkeit nach 217 begegnet. Insbesondere gilt das auch für die letzten 30 Bücher ad edictum. Wir werden der Frage ihrer zeitlichen Bestimmung später noch näher treten müssen. Hier genügt es festzustellen, dass sie überhaupt sehr wenig Kaiserbezeichnungen enthalten, dass in Buch 68 frg. 1472, 1 unter Antoninus sicher Caracalla zu verstehen ist, weil es sich um die eben erwähnte in frg. 1255 erhaltene Verordnung handelt, und dass nichts uns nötigt, über diesen Kaiser hinauszugehen (Näheres s. u. S. 1503. 1505f.). Vor allem liegt für Fitting, nachdem er seine frühere Ansicht (Alter der Schriften 40f.), dass Elagabal in Cod. Iust. VI 54, 6 als Vater Kaiser Alexanders und demgemäss als Urheber der von Ulpian in frg. 1255 mitgeteilten Constitution anzusehen sei, aufgegeben hat, kein ausreichender Grund mehr vor, noch immer, mit Überspringung des Macrinus und Elagabal, an der Entstehung der letzten 30 Bücher Ulpians unter Alexander festzuhalten. Das Ergebnis ist also vorläufig, dass das Werk so, wie es auf die Nachwelt gekommen ist, mindestens vom 10. Buch ab bis sicher zum 52. Buch unter Caracalla veröffentlicht ist, und dass auch die späteren Bücher jedenfalls nicht nach 217 entstanden sind. Ob aber nicht eine erheblich frühere, vor Severus Tod (211) fallende, erste Bearbeitung angenommen werden muss, ist eine Frage, die sich erst lösen lässt, wenn die Methode der Arbeit Ulpians und insbesondere die Art und der Umfang der Quellenbenutzung dargelegt sind (s. u. S. 1501ff.).

Die Darstellung schloss sich genau an das praetorische Edict in der hadrianisch-iulianischen Fassung an, dessen Text Ulpian Satz für Satz und, wenn es nötig erschien, auch Wort für Wort durchging und mit seinen Erläuterungen versah. Über die Einleitungen, die er seinen Ausführungen beigab, und über gelegentliche Abweichungen von seiner im allgemeinen durchgeführten Methode s. Pernice 445ff. Krüger 216. Das Civilrecht ist nur soweit behandelt, als die Formeln des praetorischen Albums oder die ergänzenden honorarrechtlichen [1441] Vorschriften es forderten (vgl. Krüger a. a. O.).

Über die Quellen des Werkes muss unten (IV–VIII) näher gehandelt werden. Vorzugsweise benutzt sind die Edictscommentare des Labeo, Pedius und Pomponius, die Digesten des Celsus, Iulian und Marcellus, die Responsa und Membranae des Neratius, die Quaestiones des Scaevola und die Quaestiones und Responsa des Papinian. Was sonst an Citaten begegnet, beruht entweder auf gelegentlicher Heranziehung anderer Schriften oder es stammt aus zweiter Hand.

2. Ad edictum aedilium curulium 2 B. (Lenel Paling. II 884ff.; frg. 1757–1797), als Anhang zum Commentar ad edictum praetoris gedacht, aber von Ulpian nicht mit diesem vereinigt. Erst der Index Flor. XXIV 1 fasst beide Werke zusammen. Für die Abfassungszeit bieten unsere Quellen keinen Anhalt, aber augenscheinlich fällt sie mit der des Hauptwerkes zusammen, und es gilt von ihnen dasselbe, was von dessen späteren Büchern gesagt und noch zu sagen ist. Auch die Quellen sind die gleichen, doch tritt zu ihnen noch der Commentar des Caelius Sabinus ad edictum aedilium curulium hinzu (u. S. 1484).

3. Ad Masurium Sabinum 51 B. (Lenel Paling. II 1019ff. frg. 2421–2992), eine Darstellung des Civilrechts, für welche die libri III iuris civilis des Sabinus (Lenel II 187ff.; vgl. die unten über das ,Sabinussystem‘ angeführte Litteratnr) als Grundlage dienten. Das Werk ist in seiner uns vorliegenden Gestalt, nachweisbar vom 6. bis 43. Buch (Belege bei Fitting 42f.), ohne Frage aber in seinem ganzen Umfange, nach Severus Tode unter Caracalla (211–217) veröffentlicht worden. Wir erfahren aber durch Kaiser Iustinian (C. Cordi 3: in antiquis etenim libris non solum primas editiones, sed etiam secundas, quas repetitas lectiones [so Cod. Casinas] veteres nominabant, subsecutas esse invenimus, quod ex libris Ulpiani, viri prudentissimi, od Sabinum scriptis promptum erat quaerentibus reperire), dass Ulpian eine zweite Ausgabe veranstaltet hatte (vgl. Dernburg Inst. d. Gaius 102, 4. Krüger 219, 174. Lenel II 1019, 2. Bremer Iurispr. antehadr. II 1, 397; anderer Meinung Karlowa I 744, der die angeführten Worte blos dahin verstehen will, dass in Ulpians Commentar gesagt worden sei, manche Schriftsteller hätten zweite Ausgaben ihrer Werke veröffentlicht; aber Iustinian spricht augenscheinlich von einer offenkundigen, sich aus dem Werke als solchem ergebenden (etwa im Eingange hervorgehobenen) Thatsache; vgl. auch Fitting Castr. Pec. XXXVII 18). Den nachclassischen Sammlungen, insbesondere den Vatican. Fragmenten und den Digesten Iustinians hat natürlich nur die zweite Ausgabe vorgelegen; aus ihr stammen also unsere Fragmente, und nur für sie können wir die Entstehung in den J. 211–217 behaupten.

Die Anordnung des Stoffes ergab sich aus der Vorlage, den Büchern des Sabinus. Auf das ,Sabinussystem‘ ist aber, da uns das Werk selbst verloren ist, nur ein Rückschluss aus den auf uns gekommenen Resten der Commentare des Pomponius, Paulus und Ulpian möglich. In den Grundzügen ist es klar erkennbar, wenn auch im einzelnen [1442] manche Zweifel übrig bleiben. Vgl. Jac. Gothofredus Fontes iur. civ. in Ottos Thes. III 249ff. Leist Versuch einer Geschichte der röm. Rechtssysteme 44ff. Voigt Abh. d. Sächs. Ges. d. Wiss. VII 321ff. Krüger 150ff. Karlowa I 687ff. Lenel Paling. I 1251ff. (Paulus). II 86ff. (Pomponius). 1019ff. (Ulpian) und die Übersicht II 1257ff. Kipp Krit. Viertel]ahrsschr. XXXIII 543ff. (Recension von Lenels Werk). Lenel Sabinussystem. Affolter Röm. Institutionssystem 13ff. Bremer Iurispr. antehadr. III 1, 408ff. Die Vergleichung der Fragmente Ulpians mit denen des Pomponius und Paulus ergiebt aber weiter auch, dass bei ersterem die letzten Abschnitte des Sabinus fehlen (in Lenels Übersicht XXI–XXX); Bluhme (Ztschr. f. gesch. Rechtswiss. IV 410, 18) und Krüger (219) haben mit Recht daraus geschlossen, dass Ulpian diese Teile nicht mehr behandelt hat, dass also das Werk unvollendet war (vgl. u. S. 1507).

Die Art und Weise der Darstellung ist dieselbe wie im Commentar zum Edict (Ziff. 1. 2) und zu den Gesetzen des Augustus (Ziff. 4–6). Ulpian ist dem Sabinus Satz für Satz gefolgt. Regelmässig werden die Worte der Vorlage als Leitsätze vorangestellt, interpretiert und zur Grundlage längerer oder kürzerer Erörterungen gemacht. Wir können das an unseren Resten deutlich erkennen, trotzdem die Compilatoren Iustinians den Text des Sabinus und Ulpian nicht getrennt und mehrfach die Grenzen verwischt haben. Wenn demnach die Frage, was von dem einen oder dem anderen Juristen herrührt, oft unentschieden bleiben muss, so giebt es doch Fragmente genug, welche die Methode Ulpians klar erkennen lassen. Als Beispiele (die sich unschwer vermehren liessen) mögen die folgenden Stellen dienen:

2431 pr. [Sab.]: Qui testatur ab heredis institutione ⟨plerumque Comp.⟩ debet initium facere testamenti. [Ulp.]: licet etiam ab exheredatione … nam divus Traianus rescripsit … 2431, 3 [Sab.]: Qui neque legaturus quid est neque quemquam exheredaturus quinque verbis potest facere testamentum, ut dicat: ,Lucius Titius mihi heres esto‘. [Ulp.]: Haec autem scriptura

2435 pr. [Sab.]: Heredes palam ita, ut exaudiri possint (Comp.: possunt), nuncupandi sunt (Comp.: sint). [Ulp.]: Licebit ergo … Quid est ,palam‘ ? …

2436, 1 [Sab.]: Si quid post testamentum mutari placuit, omnia ex integro facienda sunt. [Ulp.]: Quod vero . ..

2438, 3 [Sab.]; Uno contextu actus testari oportet. [Ulp.]: Est autem ,uno contextu‘

2446 pr. [Sab.]: Postumi per virilem sexum descendentes ad similitudinem filiorum nominatim exheredandi sunt, ne testamentum adgnascendo rumpant. [Ulp.]: ,Postumos‘ autem dicimus … § 5: ,Nominatim‘ autem exheredatus postumus videtur sive

2479 [Sab.]: Is qui heres institutus est vel is cui legitima hereditas delata est repudiatione hereditatem amittit (interpoliert: Lenel Paling. II 1034, 4. 5). [Ulp.]: Hoc ita verum est

2494, 1: Quod dicitur [Sab.]: Proximus a filio postumo heres, dum mulier praegnas est aut putatur esse, adire hereditatem non potest: [1443] sed si scit non esse praegnatem potest. [Ulp.]: accipe: proximus a venire, qui suum heredem pariturus est. Et non solum ad testatos haec verba, verum et ad intestatus pertinent. Et in eo venire idem accipias, qui … (§ 3): Quod dicitur ,si putetur esse praegnas‘ sic accipiendum est

2513, 9 [Sab.]: Post suos statim consanguinei vocantur. [Ulp.]: ‚Consanguineos‘ autem Cassius definit

2524 pr. [Sab.]: Post consanguineos admittuntur adgnati, si consanguinei non sunt. [Ulp.]: Merito, nam, si sunt consanguinei… Sed hoc sic erit accipiendum … § 1: ,Adgnati‘ autem sunt…

2531 pr. [Sab.]: Quae in testamento legi possunt ea inconsulto deleta et inducta nihilo minus valent, consulto non valent: id vero quod non iussu domini scriptum ⟨inductum deletum⟩ est pro nihilo est. [Ulp.]: ,Legi‘ autem sic accipiendum … ,inducta‘ accipiendum est

2583 II pr. [Sab.]: Locum autem religiosum facere potest cönsentiente usufructuario. [Ulp.]: Et hoc verum est

2643 [Sab.]: Cum filio familias ita legatur ,cum is in tutelam suam pervenerit‘ pubertatis tempus significatur. [Ulp.]: Et sane si impuberi filio familias legatum sit, plerumque sentiendum est quod Sabinus ait. .. ceterum si …

2716, 1 [Sab.]: Venditor si, cum sciret deberi, servitutem celavit, non evadet ex empto actionem (si modo eam rem emptor ignoravit [interpoliert? Gradenwitz Interp. 237]): omnia enim, quae contra bonam fidem fiunt, veniunt in empti actionem. [Ulp.]: Sed ,scire venditorem‘ et ,celare‘ sic accipimus … Sed et si .. . Et generaliter dixerim … (Der Schluss haec ita – ignoravit ist von Gradenwitz a. a. O. mit Recht den Compilatoren zugeschrieben).

2739 I [Sab.]: Coiri societatem et simpliciter licet, et si non fuerit distinctum, videtur coita esse universorum quae ex quaestu veniunt, hoc est si quod lucrum ex emptione venditione, locatione conductione descendit. II [Ulp.: Nec adiecit Sabinus hereditatem …

2745 I [Sab.]: Rei communis nomine cum socio furti agi potest, si per fallaciam dolore amovit vel rem celandi animo contrectet (vgl. Kipp Krit. Vierteljahrsschr. XXXIII 537f.). [Ulp.]: sed et pro socio actione obstrictus est . . . III: Merito autem adiectum est ita demum furti actionem esse ,si per fallaciam et dolo malo amovit‘, quia …

2870, 4 vgl. Gell. XI 18, 21 [Sab.]: Qui alienum quid iacens lucri faciendi causa sustulit furti obstringitur, sive scit cuius sit, sive ignoravit. [Ulp. vgl. Kipp a. a. O. 542: wahrscheinlich haben die Compilatoren ein Zwischenglied, etwa eine zustimmende Äusserung Ulpians (merito oder dgl.) gestrichen]: nihil enim ad furtum minuendum facit quod cuius sit ignoret. (§ 5): Quod si dominus id dereliquit … (§ 8): Proinde videamus, si nescit cuius esset (Comp. Ulpian: sit), sic tamen tulit quasi redditurus … (§ 11). Si iactum ex nam factum alius tulerit, an furti teneatur?

2949 III 6 [Sab.]: Eadem an alia lingua respondeatur, nihil interest. [Ulp.]: Proinde si quis … Et scriptura Sabini … patitur.

[1444] 2960 [Sab.]: Debitor mulieris iussu cius viro expromisit, deinde vir acceptam eam iussu mulieris fecit: res mulieri perit. [Ulp.]: Hoc quomodo accipimus ? … Et videtur de eo dictum …

In anderen Stellen haben uns die Compilatoren den Wortlaut des Sabinus vorenthalten, doch können wir aus den übrig gebliebenen Resten des Commentars erschliessen, dass Ulpian ihn vorangeschickt hatte. Vgl. z. B.:

2488 pr. [Ulp.]: Item quod Sabinus ait ,si cui pars exposita non est‘ excutiamus.

2502 [Ulp.]: ,Filium‘ eum definimus

2503 [Ulp.]: Quod dicitur [a Sabino] filium natum rumpere testamentum, ,natum‘ accipe et si exsecto ventre editus sit.

Überall kann es in den angeführten Stellen keinem Zweifel unterliegen, dass Ulpian Interpretationen der herausgehobenen Sätze geben will. Er bezeichnet sie an mehreren Stellen geradezu als seinen ,Text‚' (scriptura, vgl. 2431, 3. 2949), giebt Erläuterungen dazu (2431, 3. 2960), oft unter genauer Auslegung der einzelnen Worte (2435. 2438. 2446. 2494. 2502. 2513. 2531. 2716) oder Satzteile (2488. 2494, 3. 2503. 2745), erklärt sie für zutreffend (2524. 2583 II. 2745), erweitert sie (2494. 2716. 2745), schränkt sie ein (2479. 2643), fügt die neuere Rechtsentwicklung hinzu 2431, 1), knüpft weitere Fragen an (2436. 2780) u. dgl. mehr. Es ist klar, dass kein Schriftsteller seine eigenen Worte in dieser Weise interpretieren wird; sind sie aber fremde, so kann nur Sabinus ihr Urheber sein. In der That wird er an mehreren Stellen geradezu als solcher bezeichnet (2488 pr. 2643. 2739. 2949 III), und bei frg. 2870 ergiebt es sich aus Gell. XI 18. 21. Auch passt die knappe Ausdrucksweise der Fragmente trefflich zu der Charakteristik, die Persius (V 90: Masuri rubrica) und Arrian (Diss. Epict. IV 3 Μασουρίου νόμος) von Sabinus – doch wohl von dieser Schrift – geben. Als Vorbild dienten dem Ulpian auch in dieser äusseren Anlage seiner Schrift ohne Frage die Commentare des Pomponius ad Q. Mucium (vgl. Dig. VIII 3, 15. IX 2, 39 pr. XVIII 1, 66, 2. XIX 1, 40. XXIV 1, 51. XXXIII 1, 7. XXXIV 2, 10. 34 pr. XL 7, 29, 1) und ad Sabinum (XVII 2, 59).

Ausser solchen im Wortlaut vorangestellten Aussprüchen des Sabinus begegnen mehrfach auch Äusserungen dieses Juristen in blos berichtender Form. Zwar dürfen sie keineswegs alle auf die libri III iuris civilis bezogen werden (vgl. u. S. 1481), aber zum Teil rühren sie doch aus diesem Werke her. In der Regel wird man annehmen dürfen, dass in derartigen Stellen der Wortlaut des Sabinus durch die Auswahl und Streichungen der Compilatoren weggefallen ist, dass Ulpian ihn aber vorher angeführt hatte und nach längeren oder kürzeren Zwischenbemerkungen mit der indirecten Wiedergabe auf ihn zurückgriff. Wenn wir z. B. in frg. 2911 lesen mutum morbosum esse Sabinus ait, so dürfen wir annehmen, dass Ulpian den bei Gell. IV 2, 15 erhaltenen Satz des Sabinus furiosus mutusque, cuive quod membrum lacerum laesumque est, aut obest, quo ipse minus aptus sit, morbosi sunt vorangestellt und erst, nachdem er den furiosus behandelt hatte, mit jenen Worten wieder an seine Vorlage anknüpfte. Wenn es in frg. 2570 [1445] heisst nocissime quod ait Sabinus, si uxori cum liberis ususfructus legetur, amissis liberis eam habere, quale sit videndum, so lässt die Eingangsformel ,was schliesslich Sabinus sagt‘ vermuten, dass es sich um die Wiederholung eines Satzes oder Satzteiles des Sabinus handelt, der in vielleicht längerem Abstande vorangegangen war. In frg. 2974 wird eine Meinung des Sabinus unter Einschränkungen anerkannt; die Polemik setzt voraus, dass der zu allgemein gehaltene Satz des Sabinus vorher im Wortlaute angeführt war. In den Vat. frg. 269 (frg. Ulp. 2903 II) wird die Meinung des Sabinus indirect angeführt merito igitur Sabinus ait …. Der vorhergehende Wortlaut des Sabinus ist augenscheinlich in den Dig. XXIII 3, 34 (2903 I) erhalten: so Lenel z. d. St, der auch mit Recht hervorgehoben hat, dass die einleitenden Worte der Vat. frg. 269 nicht den Text des Sabinus darstellen, sondern ein Glossem sind; der Satz ut … non videatur … et … non valeat, der völlig in der Luft schwebt und dem der Infinitiv aliud esse parallel geht, der Graecismus constitutum = καθεστώς können nicht aus Sabinus Feder geflossen sein. Gerade diese Stelle ist bezeichnend für Ulpians Methode. An anderen Orten ist der Sachverhalt weniger klar erkennbar (vgl. 2710. 2711. 2817. 2869); die Möglichkeit, dass Ulpian gelegentlich auch Äusserungen seines Grundtextes in blos berichtender Form in seine Darstellung eingeflochten hat, so dass sie mehr als Beleg wie als Ausgangspunkt für seine Erörterungen dienten, muss zugegeben werden. Auch Pomponius, der ihm als Muster diente, hat es ebenso gemacht; neben den oben erwähnten directen Excerpten aus Q. Mucius und Sabinus finden sich indirecte (Dig. XXXIV 2, 34, 2. XLVII 2, 77, 1. XXII 6, 3. XXV 2, 8, 1). Vgl. auch Paulus ad Sab. Dig. XVIII 2, 14, 1. XXIV 1, 28 pr. und XVII 2, 38 pr. XXVI 1, 4 pr. XXXIII 9, 4, 2. Aber derartige Stellen sind Ausnahmen; als Regel ist festzuhalten, dass Ulpian in den weitaus meisten Fällen von dem Wortlaut des Sabinus ausging. Es ist auffallend, dass dieser Sachverhalt in der neueren Litteratur noch immer in Frage gestellt wird (vgl. Krüger 218, 169. Bremer Iurispr. antehadr. II 1, 412ff.). Im allgemeinen, wenn auch nicht hinsichtlich aller oben angeführten Fragmente, übereinstimmend: Lenel Paling. II 1019, 3; Sabinussystem 19ff. Kipp Krit. Vierteljahrsschr. XXXIII 537ff.; vgl. auch u. VI 20. Geringfügige Veränderungen des Wortlautes des Sabinus scheinen bisweilen vorgekommen zu sein; vgl. Gell. XI 18, 21 mit Dig. XLVII 2, 43, 4 (frg. 2870) und dazu Kipp 537f.

Die Quellen Ulpians sind die gleichen, wie beim Edictswerk (S. 1441), nur dass hier das Civilrecht des Cassius (S. 1482f.) und Pomponius ad Sabinum an die Stelle der dort benutzten Commentare ad edictum treten.

4. Ad legem Iuliam et Papiam 20 B. (Lenel Paling. II 939ff. frg. 1977–2045), entstanden unter Caracalla (Fitting 34. Krüger 220, 181). So abgerissen die Fragmente sind, so lassen sie doch deutlich eine starke Benutzung Iulians und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach der die Lex Iulia et Papia Poppaea behandelnden Bücher (68–85) seiner Digesten erkennen. Die [1446] Citate aus Labeo scheinen auf einen Commentar dieses Juristen zur Lex Iulia zurückzugehen (vgl. u. S. 1480). Dass sich von den sonstigen Commentaren (Marcellus, Terentius Clemens, Mauricianus [vgl. u. S. 1493]) und von den die Ehegesetze behandelnden Abschnitten der Digesten des Celsus (30–36) und Marcellus (26–30), sowie der Quaestionen (32–34) und Responsen (13–14) des Papinian, in unseren Fragmenten keine Spur findet, beruht wohl auf der ganz trümmerhaften Überlieferung dieses Werkes, das ja für die Compilatoren Iustinians wenig Stoff bot. Vgl. zu diesem Werke Ferrini Rendiconti d. R. Ist. Lomb. Ser. II vol. XXXIV 6ff.

5. [Ad legem Iuliam] de adulteriis (Lenel Paling. II 931ff. frg. 1937–1976; über den Titel s. Krüger 220, 183). Die Schrift ist möglicherweise erst nach Caracallas Tode (so Fitting 38. Krüger 220, 182. Lenel II 931, 2), wahrscheinlich aber doch ebenfalls unter der Alleinregierung dieses Kaisers entstanden; denn die Kaiserbezeichnung divi Severus et Antoninus in frg. 1947, 3 ist wenig beweiskräftig, da sie an anderen Orten bei Ulpian nachweislich für divus Severus et Antoninus verschrieben ist (vgl. Mommsen Ztschr. f. Rechtsgesch. IX 114). Benutzt sind namentlich eine Schrift des Sex. Caecilius Africanus (wahrscheinlich ein Commentar zur Lex Iulia; vgl. u. VI 46) und Pomponius (frg. 1941 pr. 1948. 1950, fraglich aus welcher Schrift). Über die Erwähnung des Labeo in frg. 1941 pr. s. u. S. 1480. Auch hier ist der Kreis der benutzten Litteratur ohne Frage erheblich grösser gewesen, als es die wenigen auf uns gekommenen Reste erkennen lassen (vgl. nr. 4). Vor allem ist auffallend, dass uns kein Citat aus Papinians Commentar zur Lex Iulia erhalten ist.

6. Ad legem Aeliam et Sentiam 4 B. (Lenel Paling. II 930ff. frg. 1933–1936). Zu einer Zeitbestimmung bieten die wenigen Fragmente keinen näheren Anhalt. Von Quellen begegnet einmal Iulian (frg. 1936, 5).


B. Praktisch-didaktische Schriften.

7. Disputationes 10 B. (Lenel Paling. II 387ff. frg. 26–169), entstanden unter Caracalla (Fitting 37. Krüger 222, 193). Die Schrift gehört zu der Gattung der gewöhnlich als Quaestiones bezeichneten Arbeiten; vgl. Bd. I S. 573. Bremer Rechtslehrer und Rechtsschulen 23ff. Der Stoff ist wie in den Digestenwerken des 2. Jhdts. geordnet; vgl. Krüger Ztschr. der Sav.-Stiftg. VII 2, 102ff.; Quellen 222. Benutzt sind namentlich die Digesten des Celsus, Iulian und Marcellus, die Responsa des Neratius, sowie Schriften von Pomponius Scaevola und Papinian. Über das Citat aus Q. Mucius in frg. 87, 3 vgl. u. S. 1475.

8. Responsa 2 B. (Lenel Paling. II 1016ff. frg. 2387–2420), kurze Entscheidungen vorgelegter Rechtsfragen, augenscheinlich aus Ulpians eigener Praxis. Die Gutachten weisen eine ganz bestimmte Gestalt auf, der gegenüber es zweifelhaft erscheinen muss, ob die wenigen Abweichungen (frg. 2398. 2411. 2396. 2413) den Text Ulpians richtig wiedergeben. Sie erscheinen regelmässig in berichtender Form, entweder blos im Accusativ c. Infinitiv ohne regierendes Verbum oder eingeleitet durch respondit unter Angabe des Consulenten [1447] (so frg. 2388. 2392. 2398 pr. 2402 pr. 1. 2403. 2405. 2409. 2414, 2). Da nun in dem letzten dieser Fragmente die Vat. frg. 44, nicht aber die parallele Stelle der Digesten (XXX 120, 2) die Worte R(espondit) Aurelio Felici haben, so ist wahrscheinlich, dass sich der Eingang, insbesondere der Name des Rechtsuchenden, im Urtexte Ulpians regelmässig fand, und dass er erst in den späteren Abschriften, an manchen Orten auch wohl erst von den Compilatoren als unwesentlich weggelassen ist. Diese typische registerartige Form der Responsen, die sich bei anderen Juristen in der Weise nicht findet, ferner aber die Thatsache, dass sich in den uns erhaltenen Stücken auch nicht die Spur einer Ordnung nach sachlichen Gesichtspunkten erkennen lässt, legt die Vermutung nahe, dass wir es hier mit einem Auszuge aus Ulpians Privatarchiv zu thun haben; der Verfasser wird die zu veröffentlichenden Gutachten, so wie sie dort aufgezeichnet waren, ausgeschrieben haben oder haben ausschreiben lassen. Zu einer Zeitbestimmung bieten die uns erhaltenen Reste des Werkes keinen Anhalt.

9. Pandectae. Der Index Flor. XXIV 7 bietet πανδέκτου βιβλία δέκα, die Digesten selbst kennen nur einen liber singularis, aus dem sie zwei Bruchstücke aufgenommen haben (Lenel Paling. II 1013; frg. 2360. 2361). Möglich ist, dass von den 10 Büchern des Werkes nur eins auf Iustinian gekommen ist (Karlowa I 742. Lenel II 1013, 5; vgl. auch Hofmann Compilation der Digesten 34), wahrscheinlicher noch, dass die Compilatoren nur einen Auszug aus dem ganzen Werke besassen. Charakter und Anlage sind aus den dürftigen Resten nicht erkennbar. Die Entstehungszeit lässt sich nicht mit Sicherheit ermitteln; frg. 2361 (imperator Antoninus constituit) könnte auf Kaiser Pius, Caracalla oder Elagabal gedeutet werden. Da aber der erstere, wenn er gemeint wäre, doch wohl als divus bezeichnet wäre, wird die Wahl auf die beiden letzteren zu beschränken sein. Und da sonst keine sichere Spur in Ulpians Werken über Caracallas Tod hinausführt, wird auch hier an diesen Kaiser zu denken sein.


C. Elementarbücher.

10. Institutiones 2 B. (Lenel Paling. II 926ff.; frg. 1908–1932), entstanden unter Caracalla (Fitting 37. Krüger 222, 200. Lenel II 926, 2). Von diesem Werke besitzen wir Bruchstücke in den Rechtsbüchern, eines (frg. 1918) auch bei Boeth. zu Cic. Top. 3, 4. Ausserdem aber haben wir eine, wenn auch wenig umfangreiche unmittelbare Überlieferung. Auf einigen, zum Einheften eines späteren Werkes verwendeten Pergamentstreifen fand Endlicher in der kaiserlichen Bibliothek zu Wien im J. 1835 Reste der Institutionen und veröffentlichte sie in demselben Jahre (de institutionum Ulpiani fragmentis Vindobonensibus nuper repertis). Seitdem sind sie öfter herausgegeben, so von Böcking und Vahlen in ihren Ausgaben von Ulpians liber sing, regularum (s. nr. 11), von Huschke Iurispr. anteiust.⁵ 617ff. und Krüger in der Collectio libr. iur. anteiust. II 157ff. Zusammenstellungen des gesamten uns erhaltenen Materials geben Bremer De D. Ulpiani institutionibus (1863) 81ff. Krüger Krit. Versuche 160ff. Lenel a. a. O. Seine Anordnung [1448] macht Schwierigkeiten. Im allgemeinen ist das von Ulpian befolgte System dem der Institutionen des Gaius ähnlich, aber doch, wie es scheint, nicht ganz das gleiche. Buch I entspricht dem Buch I des Gaius, Buch II behandelt dingliche Rechte und Erbrecht. Fraglich bleibt, wo die Forderungsrechte dargestellt waren und wo die Wiener Fragmente (namentlich frg. 1930–1932) unterzubringen sind, da nicht klar ist, wie die Blätter ursprünglich beschrieben, gefaltet und geheftet waren (vgl. Mommsen Ztschr. f. gesch. R.-W. XV 372ff. Bremer a. a. O. 24ff. Krüger a. a. O. 140ff. 146ff. Karlowa I 771f.).

11. Regulae. Der Index Flor. giebt an; XXIV 8: regularion βιβλία ἑπτά 15: regularion βιβλίον ἕν. Aus beiden Werken finden sich Bruchstücke in den Digesten Iustinians (Lenel Paling. II 1013ff.; frg. 2362–2386). Von dem letzteren besitzen wir ausserdem einen bald nach 320 angefertigten Auszug (Mommsen in Böckings Ausg.⁴ [1855] 113–119). Er ist als Anhang zur Lex Romana Visigothorum in einer in Frankreich entstandenen Hs. des 10. Jhdts. erhalten, welche die Bezeichnung tituli ex corpore Ulpiani führt. Dass es sich in der That um unseren liber singularis regularum handelt, beweisen drei unter dieser Überschrift anderweit wiederkehrende Stellen: Coll. VI 2 = tit. 5, 6–7; Coll. XVI 4, 1 = tit. 26, 1; Dig. XXII 5, 17 = tit. 20, 6. Die Hs. ist am Anfang verstümmelt (Lachmann Ztschr. f. gesch. R.-W. IX 175ff. Mommsen a. a. O. 117f. Krüger in seiner Ausg. p. 3f.). Der Schluss ist verloren; die 29 Titel des uns erhaltenen Auszuges folgen demselben System wie Gaius Institutionen, brechen aber mit der Bonorum possessio ab. Es fehlt also der Schluss der Lehre von den Universalsuccessionen, das Obligationen- und Actionenrecht. Von den uns ausserhalb des Auszuges erhaltenen Stücken stammen Dig. XLIV 7, 25 (frg. 2383) und Coll. II 2 (frg. 2384) aus diesen verlorenen Teilen.

Zur Geschichte der Überlieferung vgl. Zimmern I 21f. Heimbach Leipz. Repertorium 1834, 93ff. Savigny in Hugos Civil. Magazin IV 375ff.; Ztschr. f. gesch. R.-W. IX 157ff. ( = Verm. Schr. III 28ff. 57ff.). Lachmann Ztschr. f. gesch. R.-W. IX 174ff. Mommsen in Böckings Ausg.⁴ 109ff. Vahlen Praef. z. s. Ausg. Vff. Huschke Iurispr. anteiust.⁵ 563ff. Karlowa I 768ff. Krüger Quell. 248f. und Praef. z. s. Ausg. 3ff. Der Excerptor hat es bei den Kürzungen bewenden lassen. Textänderungen scheint er nicht oder doch nur ganz vereinzelt vorgenommen zu haben (über 26, 1 vgl. Lachmann 26. Mommsen 116. Krüger Praef. 2). Die an mehreren Stellen anstössigen Überschriften der Titel rühren jedenfalls, so wie sie uns erhalten sind, nicht von Ulpian her. Unter den neueren Ausgaben sind hervorzuheben die von Böcking⁴ (1855), von Vahlen (1856), von Huschke in der Iurispr. anteiust.⁵ 563ff. und von Krüger in der Coll. libr. iuris anteiust. Bd. II.

Sowohl das grössere aus 7 Büchern bestehende Werk, wie der liber singularis enthalten kurzgefasste Darstellungen des geltenden Rechts. In den uns erhaltenen Bruchstücken des ersteren fehlt alles gelehrte Beiwerk, insbesondere Citate; da solche aber in dem Auszuge des liber singularis [1449] vereinzelt begegnen (11, 28 Priscus. 13, 2 Mauricianus [vgl. u. S. 1493]), so ist anzunehmen, dass sie, wenn auch nur gelegentlich, in den Urtexten beider Werke vorgekommen sind. Für die Entstehungszeit kommt die Kaiserbezeichnung im lib. sing. 17, 2 hodie ex constitutione Imp. Antonini in Betracht; wahrscheinlich ist Caracalla gemeint (vgl. S. 1447).

Über das Verhältnis des grösseren zum kleineren Werke sind nicht einmal Vermutungen möglich. Die Anordnung des Stoffes im ersteren lässt sich nur zum geringsten Teil aus unseren Fragmenten erkennen; jedenfalls stimmte sie in wichtigen Punkten nicht mit der des liber singularis überein. Buch 1–4 bieten überhaupt kein klares Bild; in Buch 5 war vom Dotalrecht die Rede, in Buch 6 von den Testamenten und wahrscheinlich auch vom Intestaterbrecht, das einzige aus Buch 7 erhaltene Fragment (2381) handelt vom Ususfructus legatus. Im liber singularis begegnet das Dotalrecht schon im Titel 6, das Testament erst im Titel 20. Weder können die ersten vier Bücher des grösseren Werkes mit den im liber singularis Titel 1–5 behandelten Gegenständen (Gesetz und Gewohnheitsrecht, Freilassung, Latinität, Ehe) ausgefüllt gewesen sein, noch können die im liber singularis Titel 7–19 dargestellten Rechtsgebiete (Adoption, Patria potestas, Tutela, Cura, Recht der Lex Iulia et Papia Poppaea, Eigentumserwerb) sämtlich im Schluss von Buch 5 und Anfang von Buch 6 des grösseren Werkes ihre Erledigung gefunden haben, wenn man nicht eine ganz ungleichmässige Behandlung des Stoffes annehmen will. Schliesslich folgte im liber singularis das Intestaterbrecht auf die Vermächtnisse, während die Reihenfolge im grossen Werke die umgekehrte gewesen zu sein scheint (vgl. 2380. 2381).

Eine auffallende Gleichartigkeit der Anlage, des Gedankenganges und oft auch des Wortlautes, weist der liber singularis mit den Institutionen des Gaius auf. Man hat diese Erscheinung verschieden erklärt; die einen meinen, dass Ulpian aus Gaius geschöpft habe (Mommsen Jahrb. d. Gem. Deutschen R. III 13, 26 und in Böckings Ausg.⁴ 110f. Bremer Rechtslehrer u. Rechtsschulen 88. Karlowa I 769. Mitteis Reichsrecht und Volksrecht 147, 4. Grupe Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XX 90ff.); die anderen nehmen eine gemeinsame ältere Quelle für beide Juristen an (Kolb Roms Juristen 77. Wölfflin Krit. Vierteljahrsschrift XXXIII 172 [vgl. auch Schulze Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XII 117f. v. Mayr Condictio 140]). Jedenfalls darf man Gaius Institutionen nicht als eine durchaus originale Schöpfung ansehen. Dieser Jurist hat vielmehr eine ältere Vorlage bald mehr, bald weniger stark überarbeitet (vgl. Wlassak Processges. I 134. II 225, 10. Mitteis Jahrb. f. Dogm. XXXIX 168. v. Mayr Condictio 75. 140. 141. 145; vgl. auch Bekker Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XXIII 17 ,Schulbuch der Sabinianer in fasslichster und darum letzter Redaction'). Wohl am deutlichsten kann man dies – was bisher nicht genügend beachtet ist – aus seinen Citaten ersehen. Während wir in Gaius Commentar ad edictum provinciale (unter Pius), der erklärlichen Erscheinung begegnen, dass von allen Juristen der zeitgenössische und grösste [1450] Meister des Rechts, Iulianus, bei weitem am häufigsten (nach meiner Zählung im ganzen 18 mal), die Juristen des 1. Jhdts., dagegen erheblich seltener angeführt sind (z. B. Labeo und Proculus je zweimal, Sabinus und Cassius je sechsmal), während auch in den Resten von Gaius Schrift de fideicommissis fünf Citaten aus Iulian nur eines aus Neratius gegenübersteht, ist das Verhältnis in den Institutionen das umgekehrte: Servius und Labeo erscheinen je sechsmal, Nerva dreimal, Proculus fünfmal, Pegasus dreimal, Sabinus fünfzehnmal, Cassius zwölfmal, Iulian dagegen nur zweimal. Dass das Bild ein wesentlich anderes sein würde, wenn uns die verlorenen Blätter oder nicht lesbaren Stellen erhalten wären, ist nicht anzunehmen. Diese Erscheinung kann nicht auf Zufall beruhen, sie fordert meines Erachtens die Erklärung, dass Gaius seinen Institutionen ein älteres, etwa der zweiten Hälfte des 1., oder spätestens dem Anfang des 2. Jhdts. angehöriges und wahrscheinlich knapper gefasstes Werk zu Grunde legte, das er dann durch Hineinarbeiten des neueren Constitutionenrechts und auch wohl durch Verbreiterung der Ausführungen erweiterte, während er, was die Litteratur anlangt, mit der Hinzufügung der beiden gelegentlichen und wohl aus der Erinnerung citierten Notizen aus Iulian (II 218 Iuliano et Sexto [Pomponius? Africanus?] placuit. II 280 ,scio‘ tamen Iuliano placuisse) begnügte. Geht man hiervon aus, so ist es eine Frage von untergeordneter Bedeutung, ob der ,grosse Unbekannte‘ (Grupe 91. 97) von Ulpian direct oder durch Vermittlung des Gaius benutzt wurde; sein Vorhandensein kann man hier so wenig wie an unendlich vielen anderen Punkten der antiken Litteraturgeschichte in Abrede stellen. Dass der längere Text des Gaius sich notwendig in dem kürzeren liber singularis Ulpians wiederspiegele, hat auch Grupe nicht erwiesen. Es ist ebensowohl möglich, dass Ulpian der gemeinsamen Vorlage näher steht, und dass Gaius in seiner bekannten Art, die auch Wiederholungen und Weitläufigkeiten nicht scheut, den Urtext überarbeitet hat. Und jedenfalls stimmt unsere Annahme besser zu der bekannten Thatsache, dass sich Spuren einer Benutzung der Schriften des Gaius bei keinem der Juristen des 2. und 3. Jhdts. (über Pomp. Dig. XLV 3, 39 s. den Art. Gaius), insbesondere auch nicht in den umfangreichen Resten der übrigen Werke Ulpians nachweisen lassen, sowie dazu, dass von den in Gaius Institutionen übergangenen Gegenständen (Dernburg Inst. d. Gaius 37ff. Karlowa I 725f. 769. Herzen Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XX 213f.), sich mehrere, namentlich das wichtige Dotalrecht, ferner die Schenkungen unter Ehegatten und das Recht der Incapacitas und Caduca der Lex Iulia et Papia Poppaea bei Ulpian finden.

12. Opiniones 6 B. (Lenel Paling. II 1001ff.; frg. 2296–2359). Die Fragmente gestatten keine nähere zeitliche Bestimmung, als dass in 2339 und 2352 die Oratio Severi über Veräusserung von Mündelgrundstücken vom J. 195 bekannt ist (Lenel 1001, 2). Das Werk weist manche Besonderheiten auf, um deren willen man früher sogar an der Urheberschaft unseres Ulpian zweifeln zu müssen glaubte (Nachweise und berechtigter Widerspruch bei Kämmerer Observ. iur. civ. [1451] 173ff. Bluhme Ztschr. f. gesch. R.-W. IV 407. Zimmern I 373, 29). Einmal fehlen Citate aus der Litteratur und Anführungen von kaiserlichen Constitutionen in unseren Bruchstücken völlig. Ulpian stellt seine Ansichten als kurzgefasste Regeln und zwar fast ausnahmslos ohne Begründung hin. Das Werk gehört damit in die Classe der Regulae, Definitiones, Sententiae, in welchen die Juristen die Auctoritas prudentium kurz zusammenzufassen suchten (vgl. Huschke Iurispr. anteiust.⁵ 450). Auffallend ist ferner die Auswahl, Anordnung und Begrenzung des Stoffes. In Buch I wird von verschiedenartigen Gegenständen, unter denen die Amtspflichten des Praetors und Statthalters hervortreten, gesprochen. Buch II und III behandeln Municipalrecht und zwar in unseren Fragmenten vorzugsweise die Munera. Des weiteren wird die Ordnung des Edicts eingehalten (ob schon die beiden vorhergehenden Bücher den Titel ad municipalem betrafen [so Lenel], ist doch recht zweifelhaft); Buch IV lässt die Titel de pactis, de cognitoribus et procuratoribus, de calumniatoribus erkennen, in Buch V wird von der in integrum restitutio gesprochen, Buch VI enthält Stücke aus dem Titel de his quae cuiusque in bonis sunt (s. das Nähere bei Lenel a. a. O.). Damit brechen die Excerpte ab; sie umfassen also knapp ein Drittel des gesamten Materials des Edicts. Von den beiden Erklärungen, die man hierfür aufgestellt hat (vgl. Krüger 222. Lenel II 1001, 2), dass das Werk entweder von Ulpian unvollendet gelassen sei oder den iustinianischen Compilatoren nur unvollständig vorgelegen habe, dürfte die erstere den Vorzug verdienen. Denn das Werk ist nicht nur unvollständig, sondern der Stoff ist auch nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammengetragen und ungleichmässig behandelt, und die Darstellung ist im Vergleich zu Ulpians übrigen Werken recht unbeholfen. Es mag sich um eine von Ulpian entworfene und begonnene, aber nur teilweise ausgeführte und vielleicht auch gar nicht von ihm, sondern erst aus seinem Nachlass veröffentlichte Arbeit handeln.

D. Monographien.

13. De fideicommissis 6 B. (Lenel Paling. II 903ff.; frg. 1846–1907), entstanden unter Caracalla (Fitting 34. Krüger 220, 177). Die Anordnung des Stoffes ist ziemlich klar erkennbar; Buch 1 Allgemeine Fragen: wer kann ein Fideicommiss errichten, damit belastet und bedacht werden? Buch 2 Art und Weise der Errichtung, Singularfideicommiss. Buch 3 frg. 1871 SC. Trebellianum. frg. 1872. 1873 und Buch 4 SC. Pegasianum. Buch 5 Fideicommissarische Freilassungen. Buch 6 Fideicommissgerichtsbarkeit(?). Vgl. Lenel a. a. O. Gradenwitz Interpolationen 40; Ztschr. d. Sav.-Stiftg. VII 1, 67. Benutzt sind vor allem Maecian de fideicommissis, Iulians Digesta (B. XL frg. 1860 pr.), Marcellus Digesta (B. XV frg. 1885, 9). Papinians Responsa (B. VIII frg. 1860, 4. 6. IX frg. 1895), wahrscheinlich auch Pomponius de fideicommissis (frg. 1873, 2; vgl. u. S. 1492).

11. De sponsalibus l. sing. Erhalten sind nur zwei kurze Fragmente (Lenel Paling. II 1198; frg. 2993. 2994), die keinen Aufschluss über Anlage und Entstehungszeit geben.

15. De excusationibus l. sing. (Lenel Paling. [1452] II 899ff.; frg. 1798–1845). Aus dieser Schrift haben wir in Digesten ein directes (XXVII 1, 7) und ein indirectes Fragment (XXVII 1, 15, 16 aus Modestin. de excus. II) erhalten. Über die Frage, ob man auch Vat. frg. 123–170 hierherziehen darf, sowie über die Abfassungszeit (wahrscheinlich unter Severus und Caracalla 198–211) s. u. nr. 21.

16. De appellationibus 4 B.(LenelPaling. 10 II 379ff.; frg. 1-18). Für die Datierung bietet nur frg. 13, 2 (rescriptis imperatoris nostri Antonini) einen Anhalt. In Betracht kommen könnten Caracalla oder Elagabal; aus den o. nr. 9 angegebenen Gründen wird das Citat mit grösserer Wahrscheinlichkeit auf den ersteren bezogen.

17. De censibus 6 B. (Lenel Paling. II 385f.; frg. 19–25), entstanden unter Caracalla (Fitting 37f. Krüger 221, 191). Aus den wenigen Bruchstücken ist die Anordnung des Stoffes nicht erkennbar.

E. Schriften über Amtspflichten der Behörden.

18. De officio consulis 3 B. (Lenel Paling. II 951ff.; frg. 2047–2072), entstanden unter Caracalla (Fitting 35. Krüger 221, 186). Benutzt ist das gleichnamige Werk des Marcellus (frg. 2056, 3. 2064, 22, vgl. u. S. 1494).

19. De officio consularium 1 B. Erhalten ist nur ein kleines Bruchstück (Lenel Paling. II 950; frg. 2046), das weder über den Inhalt (Amtspflicht der Legati Augusti pro praetore?) noch über die Entstehungszeit Aufschluss giebt.

20. De officio proconsulis 10 B. (Lenel Paling. II 966ff.; frg. 2142–2251. Fragmente [aus dem Glossar des Philoxenos vermehrt] auch bei Rudorff Abh. Akad. Berl. 284ff.), entstanden unter Caracalla (Rudorff 239f. Fitting 35. Mommsen Ztschr. f. Rechtsgesch. IX 114. Krüger 220, 184). Der Stoff und seine Anordnung ist im ganzen erkennbar (Näheres bei Rudorff 240ff.). Buch 1: Einzug des Proconsuls in die Provinz, Legatus proconsulis; Buch 2: Dienstpflicht des Proconsuls im allgemeinen, insbesondere seine Iurisdiction; Buch 3: Beaufsichtigung von Vormündern und Gemeinden. Über letztere wird des weiteren in Buch 4 und 5 ausführlich gehandelt. In Buch 6 scheinen verschiedenartige Gegenstände zusammengefasst zu sein; erkennbar sind Vereinswesen, Freilassungen, Bonorum possessio; wahrscheinlich wurde hier die Civilrechtspflege im einzelnen dargestellt. Hierauf folgt in Buch 7–9 die Polizei- und Strafgewalt des Statthalters. Verfahren und materielles Strafrecht sind nicht scharf geschieden. Den Anfang scheint eine allgemeine Darstellung der Grundlagen des Strafprocesses, in der Hauptsache wohl im Anschluss an die Lex Iulia iudiciorum publicorum gebildet zu haben (frg. 2184-2189) Dann wurden die einzelnen Verbrechen behandelt, und zwar zuerst (vgl. Lenel II 975, 1) das Sacrilegium (frg. 2190), darauf (B. 7 und 8 frg. 2193-2207) die Delicte der grossen Strafgesetze der späteren Republik und früheren Kaiserzeit; erkennbar sind Lex Iulia maiestatis, Lex Cornelia de sicariis et veneficis, Lex Iulia peculatus, Lex Iulia de vi publica, Lex Pompeia de parricidis, Lex Cornelia testamentaria, ferner (B. 9 frg. 2230–2232) Lex Iulia de annona und Lex Fabia de plagiariis. [1453] Die Extraordinaria cognitio des Statthalters und die ihr unterliegenden Verbrechen scheinen in diesen Büchern (7–9) an passenden Stellen eingeflochten zu sein. Bei manchen Fragmenten bleibt ihre Stellung unklar, so namentlich bei denen des Abschnittes über die peinliche Frage (frg. 2209-2212 in Buch 8); Lenel vermutet, dass sie anhangsweise etwa bei der Lex Iulia de adulteriis eingefügt seien. Die von Lactantius (Inst. V 11; frg. 2191) erwähnte Zusammenstellung der kaiserlichen Strafbestimmungen gegen die Christen im siebenten Buch hat sich wohl eher an die Lex Iulia maiestatis als an die Sacrilegia angeschlossen. Gegen den Versuch Rudorffs, die aus der Litteratur bekannten, gegen die Christen gerichteten Verfügungen in die Fragmente Ulpians (p. 276ff.) einzureihen, hat Krüger (220, 184) mit Recht Widerspruch erhoben. In Buch 9 und 10 folgen dann Erörterungen über die Arten und den Vollzug der Strafe (frg. 2237–2250). Den Schluss bildet (B. 10) das Verlassen der Provinz durch den Statthalter (frg. 2251). Aus der Litteratur wurde zweifellos das gleichnamige Werk des Venuleius Saturninus (frg. 2221. 2223 pr.; u. S. 1493) und aller Wahrscheinlichkeit nach auch Maecianus de iudiciis publicis (frg. 2204; vgl. u. S. 1494) benutzt; ausserdem begegnet noch ein Citat aus Celsus (frg. 2158, 1).

21. De officio praetoris tutelaris l. sing. (Lenel Paling. II 960ff.; frg. 2082–2141), entstanden unter Caracalla (s. u.). Das Werk wird im Index Flor. (XXIV 22) erwähnt, die Digesten bieten drei directe (XXVII 1, 3. 5. 9 = frg. 2101. 2105. 2084) und ein indirectes (XXVII 1, 6, 13 aus Modest. de excus. II = frg. 2083) Excerpt. Ausserdem besitzen wir eine Reihe von Bruchstücken in den Vat. frg. 173–223. 232–236. 238–242 = frg. 2085ff.). Da alle diese Stellen von dem Ablehnungsrecht der Vormünder handeln, und da einzelne der hier dem Werke de officio praetoris tutelaris zugeschriebenen Stellen andrerorts unter der Inscriptio Ulpianus l. s. de excusationibus wiederkehren (vgl. Vat. frg. 240 [auch 185] mit Dig. XXVII 1, 7 [frg. 2139. 1798] und Vat. frg. 189 mit Dig. XXVII 1, 15, 16 [frg. 2104. 1805]), so ist Fitting (36f.) der Meinung, dass wir es hier mit ein und derselben Schrift zu thun haben, während Mommsen (Abh. Akad. Berl. 1859, 394ff.; Ztschr. f. Rechtsgesch. IX 113) zwei verschiedene Ausgaben desselben Werkes annimmt. Zur Unterstützung hat Mommsen darauf hingewiesen, dass die ersten Stücke des Titels de excusationibus der Vat. frg. (123–170), deren Inscriptio mit dem Anfang des Titels verloren ist, Parallelen mit den Bruchstücken des Werkes de officio praetoris tutelaris aufweisen (Vat. frg. 145 [1820] mit 222 [2130] und 151 [1826] mit 223 [2131]). Da aber in diesen Stellen (Vat. frg. 123–170) Kaiser Severus als lebend, in den Fragmenten der Schrift de officio praetoris tutelaris dagegen stets als verstorben und Caracalla als regierender Kaiser erscheint (Nachweise bei Mommsen a. a. O.) so hat Mommsen jene ersteren Kaisercitate nicht auf das letztere Werk, sondern auf den l. s. de excusationibus (nr. 15) bezogen und dieses als die erste, jenes als die zweite nach 211 angefertigte Ausgabe angesehen (zustimmend Teuffel [1454] § 376, 2. Karlowa I 742f. Lenel Paling. II 899, 1. 960, 2; abweichend Krüger 220, 189, der aber Mommsen nicht erwähnt). Zweifellos ist die nahe Verwandtschaft beider Werke, und die Zurückführung von Vat. frg. 123–170 auf Ulpianus de excusationibus hat wenigstens einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für sich. Ob man aber darum die Schrift de officio praetoris tutelaris geradezu als eine zweite Ausgabe jenes Werkes hinstellen darf, erscheint doch fraglich. Es muss in Betracht gezogen werden, dass unser sämtliches Material aus Schriften und Titeln herrührt, welche speciell von dem Ablehnungsrecht handeln, und dass in unseren immerhin zahlreichen Fragmenten doch nur eine verhältnismässig geringe Zahl übereinstimmt. Der Titel de officio praetoris tutelaris weist entschieden darauf hin, dass in dieser Schrift nicht nur die mit dem Ablehnungsrecht in Zusammenhang stehende Thätigkeit dieses Praetors, sondern seine ganze Amtspflicht, also auch die Ernennung, Bestätigung, Überwachung und vielleicht auch Absetzung der Vormünder (vgl. Jörs Unters. z. Gerichtsverfassung 36ff. Pernice Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XIV 171) behandelt war. Dem entpricht es mehr, wenn wir von einer Erweiterung und Benutzung (die vielleicht stärker gewesen sein mag, als unsere Fragmente erkennen lassen) der ersten Schrift durch die zweite, als geradezu von einer zweiten Ausgabe sprechen (vgl. auch u. S. 1508). Citate aus Juristenschriften begegnen in unseren Bruchstücken nur ganz vereinzelt (Papinian 2108. 2125, Aristo 2113).

22. De officio quaestoris (Lenel Paling. II 992; frg. 2252–2253). Wahrscheinlich bestand das Werk nur aus einem Buche und ist die Inscriptio von frg. 2253 in den Digesten (II 1, 3) Ulpianus libro secundo de officio quaestoris für libro singulari verschrieben, zumal auch der Index Flor. XXIV 23 nur diesen kennt. Vgl. Krüger 221, 187. Lenel a. a. O. 992, 6. Karlowa I 742, 2. Bremer 86. Die Entstehungszeit, sowie die von Ulpian benutzten Quellen lassen sich aus unseren Resten nicht erkennen. Die in frg. 2252 erwähnten Schriftsteller, Iunius Gracchanus (de potestatibus), Trebatius, Fenestella, sowie das SC. Druso et Porcina consulibus, stammen ohne Frage aus zweiter Hand.

23. De officio praefecti urbi l. s. (Lenel ) Paling. II 959f.; frg. 2079–2080). Da in frg. 2079 pr. 8. 14 von einer epistula divi Severi die Rede ist, und in frg. 2080 die imperatores Severus et Antoninus genannt werden, so ist auch dieses Werk nach Severus Tode und wahrscheinlich unter Caracallas Alleinherrschaft veröffentlicht. Vgl. Fitting 38. Krüger 221, 186.

24. De officio praefecti vigilum l. s. (Lenel Paling. II 960; frg. 2081). Aus den wenigen uns erhaltenen Worten ist Näheres über das Werk nicht zu entnehmen.

25. De officio curatoris rei publicae l. s. (Lenel Paling. II 958f.; frg. 2073–2078), entstanden unter Caracalla (Fitting 36. Krüger 221, 186).

26. De omnibus tribunalibus (so die Fragmente in Digesten, während der Index Flor. XXIV 5 und Lyd. de magistr. I 48 den Titel Protribunalia bieten, eine vulgäre Bezeichnung, [1455] welche auf den starken Gebrauch des Buches in der Spätzeit schliessen lässt) 10 B. (Lenel Paling. II 992ff.; frg. 2254–2295 (aus B. 1–5. 8. 9), entstanden unter Caracalla (Fitting 36. Lenel II 992, 8). Das Werk ist mit den vorhergehenden (18–25) nahe verwandt. Wie diese will es eine Anleitung für die Magistrate geben, und wie diese ist es vorzugsweise auf kaiserlichen Constitutionen aufgebaut. Aus der Litteratur sind nur vereinzelte gelegentliche Anführungen nachweisbar (Papinian frg. 2259, 2. Iulian frg. 2262. 2266). In unseren Resten heben sich folgende Gegenstände ab: Vormundschaftspflege (B. 1 und 2), iurisdictio mandata (B. 3), Gerichtsferien, Urteil, Versäumnisverfahren (B. 4), Gerichtliches Geständnis, Alimente (B. 5), Honorarforderungen, Mäklerlohn (B. 8), Exhibition, Bestattungsrecht (B. 9). Pernice (Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XIV 135ff.) hat in hohem Grade wahrscheinlich gemacht, dass Ulpian in diesem Werke eine Darstellung der Amtspflichten der Magistrate, in Rechtssachen, in welchen sie selbst ohne Geschworene entschieden (insbesondere der sog. Extraordinaria cognitio), gegeben hat. In diesen Zusammenhang hat er die einzelnen Fragmente einzureihen versucht (Gesamtplan s. p. 178f.).

F. 27. Notae schrieb Ulpian zu den Digesten des Marcellus (Lenel Paling. II 950, 5) und zu Papinians Responsa (Lenel 950, 6). Für letztere bieten uns jetzt die Berliner und Pariser Fragmente des 5. und 9. Buches ein genaueres Bild (Krüger in d. Coll. libr. iur. anteiust. III 287ff.). Die Noten scheinen danach recht zahlreich gewesen zu sein und nicht blos der Verbesserung, sondern auch zur Erläuterung der Ansichten Papinians gedient zu haben. Noten zu Papinians Quaestiones? vgl. Lenel a. a. O.

IV.

1. Wie die vorstehende Übersicht zeigt, sind Ulpians Werke zum weitaus grössten Teile unter Caracalla in den J. 211-217 herausgegeben (Näheres über ihre Entstehungsgeschichte s. u. S. 1501ff.). Der naheliegende Gedanke, dass die Masse der litterarischen Erscheinungen ihrer Gründlichkeit und Zuverlässigkeit Eintrag gethan habe, ist öfters ausgesprochen, am schärfsten von A. Pernice (Ulpian als Schriftsteller, S.-Ber. Akad. Berl. 1885, 443ff. [besonders abfällige Urteile s. S. 448, 6. 452. 458. 478. 484]). Insbesondere wird von diesem Forscher dem Ulpian der Vorwurf gemacht, dass er trotz der ausserordentlich vielen Anführungen anderer Juristen deren Werke nur zum geringsten Teil im Original eingesehen, dass er vielmehr nur einen verhältnismässig kleinen Kreis von Schriftstellern (im Edictswerk die Digesten des Celsus, Iulian, Marcellus, den Commentar des Pomponius, die Quaestionen und Responsen des Scaevola und Papinian) benutzt und diese Werke ziemlich mechanisch ausgeschrieben habe. Auch habe er nicht etwa ein Mosaik von eigener und fremder Weisheit gegeben, sondern in der Regel sei er einem einzelnen Schriftsteller auf grössere Strecken gefolgt, und auch von dessen Werke habe er nur den Teil, der dem Gegenstande, welchen er selbst gerade behandelte, gewidmet war, herangezogen (459f.). Die sonstigen Citate seien meist dem benutzten Werke entlehnt; nur selten habe Ulpian vielleicht gelegentlich auch einige ausserhalb des [1456] gewöhnlichen Kreises liegende Juristen (im Edictscommentar Pedius, Aristo, Neratius [466ff.], Iulian ad Urseium [469f.], Labeo [476]) eingesehen. Auch die von ihm angeführten Constitutionen seien grösstenteils aus anderen Werken entlehnt (454ff.). Wo er selbst spreche, gebe er zum Teil fremdes Gut, ohne es als solches zu kennzeichnen, wieder, wo er selbständig zu sein versuche, mangele es ihm meist an Schärfe und productiver Kraft (477ff.). ) So viel richtige Gesichtspunkte dieses Urteil von Pernice auch geltend macht, so enthält es doch starke Übertreibungen und bedarf deshalb beträchtlicher Einschränkungen.

Nicht zu billigen ist schon der Ausgangspunkt. Pernices Kritik beruht nur auf einem Werke Ulpians, dem Commentar ad edictum. Er hebt zwar hervor (443), dass man, um ein vollständiges Bild zu gewinnen, seine sämtlichen Werke untersuchen müsse. Aber gerade das hat Pernice unterlassen; wie er selbst sagt, will er durch seine Ausführungen über die Bücher ad edictum Ulpians Arbeitsmethode im ganzen charakterisieren; nicht blos gegen dieses Werk, sondern gegen Ulpians Schriftstellerei überhaupt will er nach den verschiedensten Richtungen hin Misstrauen erwecken. Aber höchstens für eine Classe der Schriften Ulpians könnten die Bücher ad edictum als Prüfstein dienen. Man muss nämlich, wenn man sich auf die Werke Ulpians, welche überhaupt die benutzten Quellen erkennen lassen – und es sind dies bei weitem seine wichtigsten (vgl. u. S. 1496) – zwei Gruppen unterscheiden. Die eine wird durch die Commentare (III nr. 1–6), die Schrift de fideicommissis (nr. 13) und die Disputationes (nr. 7) gebildet; für diese Werke hatte Ulpian überall Vorgänger, und aus deren Schriften hat er vorzugsweise sein Material zusammengetragen (Näheres darüber s. S. 1457ff.).

2. Anders liegt die Sache bei den Schriften über die Amtspflichten der Magistrate (nr. 18–25), de omnibus tribunalibus (nr. 26), de censibus (nr. 17) und de excusationibus (nr. 15). In diesen Werken begegnen Citate aus Juristenschriften äusserst selten. Um so grösser ist die Zahl der kaiserlichen Constitutionen, auf denen diese Werke geradezu aufgebaut sind. Die älteren von ihnen hat Ulpian allerdings wohl zum Teil aus der Litteratur geschöpft. Aber es muss hervorgehoben werden, dass es gleichartige Werke (Venuleius de off. proconsulis, Marcellus de off. consulis) oder Partien anderer Schriften (z. B. Maecian, Venuleius de iudiciis publicis), die ihm die Constitutionen in der Zusammenstellung boten, wie er sie brauchte, doch nur wenige gab. Auch standen diese Werke an Ausführlichkeit entschieden hinter denen Ulpians zurück und konnten sie ihm das Material nur bis in die Zeit des Kaisers Marcus liefern. Das letztere würde auch für die Constitutionensammlung des Papirius Iustus gelten, wenn Ulpian sie gekannt haben sollte (Pernice 456), was sich aber aus unseren Fragmenten nicht erweisen lässt. Was Ulpian sonst vielleicht an älteren oder jüngeren Constitutionen für die Werke über die Amtspflichten aus der Litteratur entlehnt hat, musste er sich aus zerstreuten Schriften zusammensuchen und für seine Zwecke ordnen; es wird sich dabei wohl mehr um gelegentliche Lesefrüchte, als um wirkliche Materialsammlung [1457] handeln. Alles das reicht aber bei weitem nicht aus, um die überaus grosse Menge von Constitutionen, die Ulpian in den gekennzeichneten Schriften verarbeitet hat, zu erklären; er muss also (vielleicht unter Zuziehung von Hülfsarbeitern) auf die Urquelle zurückgegangen sein und die Archive in weitem Umfange planmässig durchforscht und daraus die Constitutionen für seine Zwecke gesammelt haben. Das ist um so eher glaubhaft, als wir annehmen dürfen, dass er das Amt a libellis bekleidet hat (o. S. 1436), das ihn zum Bearbeiter und Verwalter der Sammlungen der Rescripte machte. Wie weit er dabei ausgeholt hat, muss eine offene Frage bleiben: die ausgedehnte Kenntnis, die er auch von den Entscheidungen des Hadrian, Pius und Marcus hat, macht die Annahme eines Zurückgreifens auch auf die Constitutionen von 180 wahrscheinlich; jedenfalls aber muss dies in ausgiebigem Masse für die späteren Erlasse geschehen sein. Mag man seine Leistungen in der Gruppierung und in der Herstellung des eigenen Textes höher oder geringer anschlagen; ohne Frage hat er für wichtige Rechtsgebiete namentlich mit seinen grösseren Büchern de officio proconsulis und de omnibus tribunalibus der Praxis seiner Zeit einen grossen Dienst erwiesen, indem er ihr das zerstreute und schwer erreichbare Material in einem bisher nicht gekannten Umfange zuführte. Das Verwaltungsrecht und das Strafrecht ist von keinem römischen Juristen so eingehend behandelt worden, als von Ulpian. Und wie nachhaltig diese seine Schriften gewirkt haben, zeigt ihre Benutzung bis tief in die byzantinische Zeit hinein.

Was die Citate von Constitutionen in den Commentaren anlangt, so hatten die Vorgänger Ulpians, deren Werke er benutzte, die kaiserlichen Verfügungen schon in grossem Umfange verarbeitet. Die Entlehnung wird also hier eine stärkere gewesen (nachweisbar z. B. ad ed. 476 pr. ad Sab. 2642 pr. 2741 II 1. Disp. 108 I. Fideic. 1857, 1) und die eigene Ausbeute aus den Archiven mehr ergänzend hinzugetreten sein. Dennoch darf man sie nicht so gering wie Pernice (454ff.) veranschlagen. Es wäre ja wunderbar, wenn Ulpian seine Sammlungen lediglich auf die Schriften über die Amtspflichten beschränkt haben und dabei an den civilrechtlichen Entscheidungen vorübergegangen sein sollte. Namentlich gilt das wieder von den jüngeren Constitutionen. Denn von den hier in Betracht kommenden Werken der Litteratur weisen nur Papinians Quaestionen ein erhebliches Material auf, in seinen Responsen und ebenso in den Schriften Scaevolas begegnen sie äusserst selten.

3. Die Hauptfrage ist, ob die Schilderung, welche Pernice von der Benutzung der litterarischen Quellen in Ulpians Büchern ad edictum giebt, wenigstens für seine Commentare zutrifft. Denn diese dürfen nicht von einander getrennt werden. Ulpian hat nicht nach Art des Celsus und Iulian den gesamten Rechtsstoff in einem grossen Werke verarbeitet (vgl. den Art. Digesta oben S. 487f.), sondern nach dem Vorgange des Pomponius eine Reihe von einzelnen Werken geschaffen, die zwar nach Massgabe des darin behandelten Stoffes von verschiedenem Umfange waren, die aber doch für ihre Gebiete die [1458] gleiche Bedeutung beanspruchen. Die Ausführlichkeit der Darstellung und die Methode der Arbeit ist in allen dieselbe. Insbesondere steht der Commentar ad Sabinum dem ad edictum an Wichtigkeit gewiss nicht nach. Pernices gelegentliche Bemerkung (465 vgl. 467), dass bei ihm andere Gesichtspunkte für die Ausbeutung der Vorlagen massgebend gewesen seien, ist wohl nur dahin zu verstehen, dass hier einzelne Werke, die für den Edictscommentar von geringerer Bedeutung waren, stärker herangezogen wurden. Andernfalls müsste entschieden widersprochen werden; unsere Fragmente weisen, wenn auch teilweise verschiedene Quellen, so doch keine andere Anlage und keine andere Art ihrer Benutzung auf (vgl. u. S. 1501ff.). Und das ist bei der Gleichartigkeit der Grundlagen – denn auch der Text des Sabinus wurde wie ein Gesetz interpretiert (S. 1442) – und der Gleichzeitigkeit der Entstehung erklärlich. Wie schon hervorgehoben, gehören ferner auch die Bücher de fideicommissis und die Disputationes (wenn in letzteren auch die eigene Praxis Ulpians mehr in den Vordergrund tritt) hierher.

a) Dass diese Werke, namentlich die Commentare (auch in ihrer endgültigen Gestalt [vgl. u. S. 1501]) zum grossen Teile Compilationen sind, zeigen unsere Fragmente deutlich genug. Ulpian verfolgt in erster Linie das Ziel, dem Praktiker eine Übersicht über die wichtigsten in der Litteratur vertretenen Ansichten zu geben und ihn anzuweisen, welcher von diesen er sich am besten anschliessen solle (vgl. Pernice 444. 452. Krüger 203). Er wählt deshalb mit Vorliebe zwischen den verschiedenen Meinungen – häufig ohne seine Gründe anzugeben (Pernice 447ff.) – und fügt das neuere Recht, das seine Vorlagen noch nicht kannten, gelegentlich auch Rechtsfälle aus seiner eigenen Praxis hinzu. Dass bei dieser Art seines Arbeitens der Wert seiner Schriften vor allem in dem verarbeiteten Material liegt, ist klar. Viel wissenschaftliche Fortschritte verdankt die römische Rechtswissenschaft dem Ulpian nicht, an schöpferischer Kraft und Schärfe des Urteils steht er entschieden hinter seinen grossen Vorgängern Celsus, Iulian, Scaevola, Papinian und auch hinter seinem Zeitgenossen Paulus zurück. Ebensowenig darf in Abrede gestellt werden, dass seinen Werken auch sonst manche Mängel (Wiederholungen [Pernice 445. 447. 452. 467. 482], Widersprüche [452f. 454, 3], Auctoritätsglauben [478]) anhaften. Trotz alledem bleibt die Frage übrig, ob Ulpian bei seiner Schriftstellerei wirklich so mechanisch verfahren ist, ob er das fremde Gut wirklich so wenig verarbeitet hat, wie Pernice es uns glauben machen will. Wäre die Darstellung dieses Forschers in vollem Masse zutreffend, so gäbe es auf dem Gebiete der classischen Rechtswissenschaft kaum etwas Banausischeres als die Schriften Ulpians.

b) Um einen richtigeren Standpunkt zu gewinnen, muss vor allem in Betracht gezogen werden, dass der weitaus grösste Teil der Schriften Ulpians uns nur durch die Digesten Iustinians bekannt ist, und dass die Compilatoren hier wie überall nicht nur überhaupt eine Auswahl getroffen, sondern auch innerhalb der von ihnen aufgenommenen Stücke starke Kürzungen vorgenommen [1459] haben (auch Pernice hebt diesen Umstand gelegentlich hervor [451. 452. 454, 3. 472. 476] legt ihm aber nicht die genügende Bedeutung bei und baut seine Schlüsse im wesentlichen auf dem Wortlaut der Digesten auf).

Nicht selten ergiebt sich das aus den Digesten selbst. So wird z. B. mehrfach die Erwähnung eines Juristen vorausgesetzt, die sich aber im überlieferten Texte nicht findet (vgl. ad ed. 398 I Pomponius adicit: wozu? 852 III 2: aus Servius adicit ist zu schliessen, dass der vorhergehende Satz einem älteren Juristen angehört und in der That erscheint er ohne Subject. 856 III 5: quae sententia ita demum mihi vera videtur: wessen Meinung, ist nicht gesagt. 1118, 8: ibidem Iulianus: ohne dass dieser Jurist vorher genannt ist. 1503, 42: et mihi videtur vera Labeonis sententia; dass der vorhergehende Satz von Labeo herrührt, ist in den Digesten nicht gesagt. Ähnlich 1592 II 8: idem Aristo, ad Sab. 20 2519, 9: idem Iulianus. 2529, 3: Marcellus notat; also muss ein Citat aus Iulian vorhergegangen sein, das aber die Digesten nicht aufweisen). Oder es wird auf eine Buchangabe Bezug genommen (ibidem, eodem libro), die aber in den Digesten fehlt (vgl. ad ed. 719, 13. 720 III 7. 922 IV 17. 1118, 8. 1142, 8. ad Sab. 2599, 15. 2611, 43). Auf Zerrüttung der Citate: durch die Compilatoren deuten auch: ad ed. 509 pr.: Arrianus … scribit, quo iure nos uti [1460] Proculus scripsit; Ulpian hat schwerlich geschrieben, dass (der ältere) Proculus einer Meinung des (jüngeren) Arrian zugestimmt habe (vgl. u. S. 1492). 1597 I 12, der Streitpunkt zwischen Iulian und Cassius musste vorher erwähnt sein vgl. Lenel Paling. II 838, 3) ad Sab. 2532 pr.: Celsus und Marcellus erscheinen als bei Aristo citiert; das kann Ulpian so nicht geschrieben haben. Vgl. auch 2672 pr.: Marcellus lib. XXXIX digestorum apud Iulianum notat; da die Stelle überhaupt stark interpoliert ist, wird man auch die Verschiebung der sich auf Iulian beziehenden Buchangabe wohl den Compilatoren zuzuschreiben haben. Vgl. auch frg. 1592 II 4. 8. III 4.

Eine genauere Einsicht in die Schriftstellerei Ulpians eröffnet sich uns aber, wenn wir solche Stücke heranziehen, die uns in einem dem Urtext näher stehenden Wortlaut ausserhalb der Digesten erhalten sind. Leider besitzen wir sie nur in geringer Zahl; das meiste Material liefern die Auszüge im Titel de usufructu der Vat. Fragmente aus Ulp. ad Sab. 17, die sich zum Teil in den Digesten wiederfinden, also auch eine Vergleichung gestatten. Die folgende Zusammenstellung enthält eine Übersicht der Citate und sonstigen für unseren Zweck erforderlichen Angaben, welche sich in diesen beiden (mit * bezeichnet) Rechtsbüchern oder einem von ihnen finden (frg. 2548–2574 Lenel).

*2548 pr. Et ita lib. IV dig. Marcellus probat in eo qui… Vat. 59. 60. Dig. VII 3, 1.
2. … et Labeo quidem putabat… sed verior est Iuliani sententia, secundum quam … Hac ratione et Iulianus scribit … Diese Citate sind Dig. VII 3, 1, 2 gestrichen.
2549. … si … legaverit, verum est quod Maecianus scripsit lib. III quaestionum de fideicommissis … Plus admittit Maecianus Dig. VII 1, 72.
*2550 1. Et ita Iulianus lib. XXXV dig. scribit. Vat. 61–63. Dig. VII 4, 1, wo aber das Citat fehlt.
*2551 pr. … unde tractatum est … quod et Maecianus temptat, et puto …
     1. … quaesitum est …: et Papinianus lib. XVII quaest. scribit …
     2. Idem Papinianus quaerit … Quae sententia habet rationem: neque enim …; placet enim nobis.
Dig. VII 4, 3 (pr. = Vat. 64 verstümmelt).
2554 2. … certissimum est.… et ita et Iulianus. Dig. VII 4, 5, 2–3.
2555 II 5. Si massae usus fructus legetur … Cassius apud Urseium scribit …, quam sententiam puto veram. Dig. VII 4, 10.
7. In navis quoque usu fructu Sabinus scribit. si quidem …, si autem …: quam sententiam puto veriorem, nam et …
8. … quaeritur: ego puto.
Der Comparativ deutet auf Streichung abweichender Ansichten durch die Compilatoren hin.
Auch hier sind wohl die Nachweise beseitigt.
2557 pr. Pomponius quaerit … et ait
1. Sed … quaerendum est: et puto …
2. Idem Pomponius quaerit … et ait dubitare se de hoc quaestione: sed verius est quod Marcellus notat
Dig. VII 4, 29.
Jedenfalls waren die Zweifel des Pomp. angegeben: das zeigt der Comparativ verius est. Auch ist wahrscheinlich ein Citat aus Iulian ausgefallen, auf das sich die Note des Marcellus bezog.
2558 1. … Hac ratione Labeo scribit …: quam sententiam puto veram. Dig. VII 1, 7.
2. Quoniam igitur … Celsus scribit. lib. XVIII dig. … Unde Celsus … quaerit … Modica igitur refectio … et ita Marcellus lib. XIII scribit. [1461] Die Dig. haben: Celsus scribit Celsus u. s. w.
3. Cassius quoque scribit lib. VIII iur. civ. … et Aristo notat haec vera esse. Neratius autem lib. IV membr. ait …
2559 I pr. … nam et Celsus lib. XVIII dig. scribit … Dig. VII 1, 9.
2. Sed … , Sabinus ait … , quam sententiam puto veram.
4. Huic vicinus tractatus est, qui solet in eo quod accessit tractari: et placuit … Sed …, Pegasus scribit … Quae sententia non est sine ratione, nam … Dieser Anfang klingt sehr nach den Compilatoren: Ulp. hat wohl das Material genauer angegeben.
5. Cassius ait lib. VIII iur. civ. …
*7. … Nam et Trebatius scribit … Vat. 70,1 verstümmelt. Dig. VII 1, 9, 7 verkürzt.
*2559 II. Cassius autem … Trebatius autem Vat. 70, 2, 3 verstümmelt.
… Similiter de ligno Labeo ait … [Idem ait] …, puto tamen … Materiam tamen ipse succidere … poterit, [ut putat Ne]ratius lib. III membr. … Vat. 71 verstümmelt. Dig. VII 1, 12 pr. stark verkürzt: von allen Citaten erscheint nur das erste aus Labeo; statt des einschränkenden puto tamen geben die Dig. quam sententiam puto veram. Das Citat aus Neratius wird zu einem aus Labeo.
apud Labeonem agitat … quamvis Proculus non … Vat. 71a verstümmelt
2560 I. … quamvis Labeo distinguat … Vat. 71 b verstümmelt. Dig. VII 1, 21 verkürzt: Labeo distinguit: die von Ulp. angeführte eigene (Mommsen) oder fremde (Lenel) Ansicht wird unterdrückt.
*2560 II pr. Iulianus lib. XXXV dig. scribit … Vat. 72, 1 verstümmelt. Dig. VII 1, 21, wo B. XXX des Iulian genannt wird.
*1. Quoniam autem diximus …, sciendum est …: etenim … Sabinus respondit et Cassius lib. VIII iur. civ. scripsit …
*2560 III. … Idem et Sabinus Vat. 72, 2 verstümmelt.
2561. Dig. XLV 1, 114: Ulp. wird hier eine Ansicht des Iulian wiedergegeben haben, vgl. Afr. Dig. VII 1, 36, 2 (ait).
*2562 II. Denique apud Iulianum lib. XXXV dig. quaeritur … Et Iulianus quidem putat … Vat. 75 (§ 1. 2 verstümmelt). Dig. VII 21 pr.–2. Iulianus quidem fehlt in den Dig.
2. Idem ait … Quam sententiam neque Marcellus neque Mauricianus probant: Papinianus quoque lib. XVII quaest. ab ea recedit. Quae sententia Nerati fuerit, est libro Iresponsorum relatum. Sed puto esse veram Iuliani sententiam nam … Pomponius ait lib. VII ex Plautio; relata Iuliani sententia, quosdam esse in diversam opinionem: nec enim … Ego autem Iuliani sententiam non ratione adcrescendi probandam puto, sed eo quod … Urgetur tamen Iuliani sententia; argumentis Pomponi, quamquam Sabinus responderit, ut et Celsus Iulianus lib. XVIIII dig. refert, cum … Quam sententiam ipse ut stolidam reprehendit: et enim esse incogitabile … So die Hss.: hinter Celsus ist eine Lücke. Mommsen liest Celsus lib. XVIII dig., Lenel schlägt vor Celsus lib. XVIII et Iulianus libro XXXV dig. (vgl. Vat. 77). Jedenfalls ist das Citat Sabinus einem der beiden Juristen entlehnt.
*2562 II. Iulianus scribit si servo communi et Titio usus fructus legetur et unus ex dominis amiserit usum fructum, non adcrescere Titio sed soli socio quemadmodum fieret si duobus coniunctim et alteri separatim esset relictus. Sed qui diversam sententiam probant, quid dicerent? … et qui Iulianum consuluit, ita consuluit, an ad utrum pertineat, quasi possit et ipsi socio adcrescere: atquin quod quis amittit secundum Pomponi sententiam ipsi non accedit. Vat. 77. Dig. VII 2, 1, 2 a. E. Die Compilatoren haben nicht nur das Citat aus Iulian, sondern auch die Berücksichtigung der entgegengesetzten Meinung, insbesondere des Pomponius gestrichen und aus der ganzen Abhandlung nur den von Iulian zur Stütze seiner Meinung angeführten Satz (quemadmodum fieret u. s. w.) als selbständige Behauptung Ulpians wiedergegeben: idem est, si duobus coniunctim et alteri separatim esset usus fructus relictus.
*2563. Interdum tamen. … Nam ut Celsus lib. XVIII dig. et Iulianus lib. XXXV scribunt… Quod et in proprietate contingeret: sed in usu fructu hoc plus est (contra quam Atilicinum respondisse Aufidius Chius refert) Vat. 77. Dig. VII 2, 1, 3.

[1463]

omnes enim auctores apud Plautium de hoc consenserunt, ut et Celsus et Iulianus eleganter aiunt Dies Citat fehlt in den Dig.
Vindius tamen dum consulit Iulianum in ea opinione est …; qui responso ait: nihil refert coniunctim an separatim relinquatur. Auch hier haben die Compilatoren die Citate gestrichen und nur die Worte nec refert coniunctim an separatim relinquatur als Ausspruch Ulpians aufgenommen.
*2564. Iulianus lib. XXXV [dig] scribit … Neratius putat … lib. I resp., cuius sententiae congruit ratio Celsi dicentis … Unde Celsus lib. XVIII [scribit] … Plane inquit … [Papinianus] quoque lib. XVIII quaest. sententiam Nerati probat, quae non est sine ratione. Vat. 78–81. Dig. VII 2, 1, 4. 3 pr.–1.

Der Schluss des Citates fehlt in den Dig.

Fehlt ebenfalls in den Dig..
2565. Poterit quaeri …, nam illud constat, ut et Iulianus lib. XXXV scribit et Pomponius lib. VII ex Plautio non reprobat … In proposito autem … et ita Iulianus lib. XXXV dig. scribit , quamvis Scaevola apud Marcellum dubitare se notet. At …, Marcellus lib. XIIIdig. scribit: ubi Scaevola notat … Sed dubitare non debuit, cum et Iulianus scribat.… Sed nunc secundum Iuliani sententiam et Nerati cessat quaestio. Vat. 82.
*2566. … et ita et Neratio et Aristoni videtur et Pomponius probat, quamquam Iulianus lib. XXXV dig. scribat … Vat. 83. Dig. VII 2, 3, 2.
Das Citat aus Iulian fehlt in den Dig.
*2568. … quod Marcellus libro XII[I] dig. scribit. Vat. 84. Dig. XL 1, 2.
*2570 Novissime quod ait Sabinus … quale sit, videndum … Sabinus certe istis verbis non ostendit …; sed Iulianus lib. XXXV dig. relata Sabini scriptura ait.… Proposuit autem IulianusIulianus subicit Sex. quoque Pomponium referre… Ego inquit Pomponius quaero: … ? et ait … Aristonem autem adnotare haec vera esse: et sunt vera. Vat. 86–88. Dig. VII 2, 8 stark verkürzt und interpoliert. Von den Citaten sind Iulian und Pomponius aufgenommen.

Dig.: et Pomo. quaerit.
2572 2. … puto …; et hoc Cassius et Pegasus responderunt et Pomponius lib. V ex Sabino probat. Non solum autem … sed et … Iulianus lib. XXXV scripsit. … Quid tamen …? nihilo minus retineo usum fructum, quod et Pomponius libro V probat … Dig VII 1, 12, 2.
     *3. De illo Pomponius dubitat, … Iulianus tamen lib. XXXV dig. scribit Vat. 89. Dig. VII 1, 12, 3.
     4. Idem tractat … quae sententia, habet rationem. Dig. VII 1, 12, 4.
2573 5. Iulianus lib. XXXV dig. tractat … et putat… Marcellus autem movetur eo, quod Verum est enim … Cum autem in pendenti est dominium (ut ipse Iulianus ait …) dicendum est condictionem pendere magisque in pendenti esse dominium. Dig. VII 1, 12, 5.

Der Satz kann so nicht von Ulpian geschrieben sein (cum in pendenti dominium est(!), dicendum est in pendenti esse dominium!) Wahrscheinlich haben ungeschickte Kürzungen stattgefunden.
2574 I pr. Vetus fuit quaestio an partus ad fructuarium pertineret: sed Bruti sententia optinuit … Hac ratione nec …

     1. … Sabinus et Cassius opinati sunt…||∥||Dig. VII 1, 68.
Wahrscheinlich war bei Ulpian das Material genauer mitgeteilt.

2574 II pr. …. C. Cassius scribit.
     1. … Et Iulianus lib. XXXV dig. scribit.
Dig. VII 1, 70.
     2. Secundum quae … Unde C. Cassius lib. ' VIII scribit …
     5. … et Iulianus proprie dicit
. [1464]

Diese Stellen lehren uns zweierlei: einmal sehen wir, soweit eine Vergleichung möglich ist, dass in den Digesten das Material an Citaten häufig gestrichen oder verkürzt ist (2548. 2. 2550, 1. 2559 II. 2560 I. 2562 I 1. 2. 2562 II. 2563. 2564. 2566. 2570; vgl. auch 2555, 7. 8. 2557, 2. 2559 I i, 2573, 5. 2574 I pr.) und zwar mehrfach auch so, dass die Citatts dadurch falsch werden (2559 II. 25G2 II. 2563). Vor allem aber geben die Stellen, namentlich soweit sie aus den Vat. Fragmenten stammen, keinen Anlass zu der Annahme, dass Ulpian seine Quellen mechanisch [1465] ausgeschrieben oder gar nur einer von ihnen streckenweise gefolgt sei. Allerdings wird man annehmen dürfen, dass hier für Ulpians Erörterungen das 35. Buch der Digesten Iulians (2548, 2. 2550, 1. 2554, 2. 2560 II pr. 2562 I 1. 2. II. 2563–2566. 2570. 2572, 2. 2573,5. 2574 II 1. 5) und neben ihm, wenn auch in geringerem Masse das 18. Buch der Digesten des Celsus (2558, 2. 2559 I pr. 2562 I 2. 2563. 2564) die Grundlage bildeten. Aber man wird zugeben müssen, dass ihre Ausführungen stark mit denen der übrigen vorzugsweise im Commentar ad Sabinum benutzten Schriftsteller durchwoben sind (so Cassius iur. civ. Buch 8 [2558, 3. 2559 I 5. II. 2560 II 1. 2574 II pr. 2]. Pomponius ad Sab. Buch 5 [2557 pr. 2. 2575, 2. 3. 4]. Marcellus Dig. Buch 4 [2548 pr.], Buch 13 [2558, 2. 2 65. 2568]. Papinian Quaest. Buch 17 [2551, 2. 2562 I 2], Buch 18 [2564]. Ferner liegt kein Grund vor an der Benutzung [1466] mindestens von Neratius Membr. Buch 3 [2559 II]. Buch 4 [2558, 3] und seinen Responsen Buch 1 [2562 I 2. 2564. 2565. 2566?], von Pomponius ex Plautio Buch 7 [2562 I 2. 2565; vgl. 2563 und dazu u. V 43], von Maecian de fideic. Buch 3 [2549. 2551 pr.?] zu zweifeln (Näheres s. u. S. 1496ff.). Überall zeigt sich, dass die Meinungen gegen einander abgewogen sind und dass auch Ulpians eigener Anteil an den Erörterungen doch nicht so minderwertig ist, wie es nach Pernices Ausführungen scheinen möchte (vgl. 2562–2565. 2570. 2572).

Vom Commentar ad edictum haben wir nur wenig Stücke ausserhalb der Digesten erhalten. Namentlich kommen die Fragmente der Coll. 7, 3 und 12, 7 aus Ulpians 18. Buch über die Lex Aquillia in Betracht, welche zum Teil in Dig. IX 2 wiederkehren (wir geben im folgenden der Kürze wegen nur die parallelen Stellen):

     613 II Coll. VII 3. Dig. IX 2, 3. 5 pr–1. verkürzt, zum Teil auch interpoliert.
     2. … videamus, an lege Aquilia teneatur et Pomponius dubitat num haec lex (XII tab.) non sit in usu. Et si quis Fehlt in den Dig.
     623 II. Coll. XII 7. Dig. IX 2, 27, 7–12 verkürzt, zum Teil interpoliert.
     3. … et ita Labeo lib. XV resp. refert. Das Citat fehlt in den Dig.
     5. Sed plerisque Aquilia lex locum habere non videtur et ita Celsus lib. XXXVII dig. scribit: ait enim … § 4–6 fehlen in den Dig.
     7. … Neratius scribit …; ceterum … Et hic puto … In den Dig. verkürzt; das Citat aus Neratius ist aber erhalten.
     8. Item lib. VI ex Vi[v]iano relatum est:, … Et ait Proculus … et ideo aequum putat … Sed non proponit … Sane enim quaeri potest Fortassis enim de hoc senserit … Proculus : nisi si quis dicerit … Das erste Citat fehlt in den Dig. puto in den Dig. Der Schluss ist mit Unterdrückung des Einwands stark verändert.
     9. … lib. X Urseius refert Sabinum] respondisse … Proculus autem respondit … Idem servandum … scribit: quae sententia habet rationem. Dig.: Proc. ait unter Streichung des Citates aus Urseius.
     10. Item Celsus lib. [X]XXVII dig. scribit … quosdam negare competere … actionem, inter quos et Proculum … Sed id falsum esse Celsus ait … Sed Proculus eo movetur quod … Ipse autem Celsus ait … Die Dig. haben daraus einen kurzen Satz mit Celsus ait gemacht. Die Buchziffer (XXVII) in der Collatio ist augenscheinlich falsch; vgl. Lenel Pal. I 166, 1

So gering diese Fragmente an Zahl sind, so zeigen doch auch sie dasselbe Bild. Zu Grunde liegt in frg. 623 das 37. Buch der Digesten des Celsus (623 II 5. 10. 624 I. 14–16. 625 II), die! hier durch Sammlungen aus den älteren Juristen ergänzt sind (vgl. u. VII 2. 3). Die Streichung von Belegen und eigenen Erwägungen (613 II 2. 623 II 3. 8. 9. 10), die Verfälschung von Citaten (623 II 8) in den Digesten tritt auch hier deutlich zu Tage.


V.

Ehe wir zu positiven Ergebnissen über die Arbeitsmethode Ulpians gelangen können, ist es nötig, dass wir uns eine möglichst genaue Einsicht über den Kreis der litterarischen Quellen, den Ulpian thatsächlich benutzt hat, zu verschaffen. Pernices Urteil lautet auch in dieser Hinsicht sehr absprechend: Ulpian habe sich im Commentar ad edictum, dessen Zusammensetzung ja als Musterbild für seine Schriftstellerei überhaupt gelten soll, regelmässig auf einen kleinen Kreis von Schriftstellern beschränkt und aus diesen die [1566] grosse Menge seiner übrigen Citate entlehnt (einige Concessionen werden gelegentlich und zögernd gemacht; s. o. S. 1455f.). Auch hier ist ein richtiger Kern der Beobachtungen durch starke Übertreibungen entstellt. (Im folgenden soll vorerst nur die Frage untersucht werden, wie weit das Material aus erster oder zweiter Hand stammt, ohne Rücksicht auf die verschiedenen Bearbeitungen, die Ulpians beide grosse Commentare erfahren haben [u. S. 1501ff.], und ohne Scheidung zwischen solchen Citaten, die er mit den Texten seiner Quellen übernommen, und solchen, die er aus ihnen ausgezogen hat [u. S. 1498f.]).

1. Zunächst kann es nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass Ulpian ausserordentlich häufig die Aussprüche und Ansichten von Juristen, die er citiert, nicht aus deren eigenen Werken, sondern aus zweiter Hand entlehnt hat. Er handelte in dieser Hinsicht nicht anders als seine Vorgänger und Zeitgenossen, die ganz gewiss auch nicht jedes ihrer Citate im Urtext nachgeschlagen haben. Er macht auch gar kein Hehl daraus. [1467] sondern giebt oft genug den Vermittler, dem er das Citat verdankt, an (u. VI 2. 3. 6. 7. 8. 9. 10. 14. 15. 16. 20. 21. 22. 24. 25. 27. 29. 32. 35. 40. 42. 43. 50. 51). Wie unbedenklich Ulpian die Citate nahm, wo er sie fand, geht am deutlichsten daraus hervor, dass er Juristen, die er unzweifelhaft selbst gelesen hat, doch gelegentlich auch aus zweiter Hand anführt (vgl. VI 22. 40. 42 [Iul.]. 43 [Pomp.]. 50. 51 [Marc.]; auch 10. 16. 20. 30). Diese Thatsache ist deswegen für die Quellenforschung von Bedeutung, weil sich daraus ergiebt, dass der Nachweis der Entlehnung eines Citates an einer Stelle die selbständige Benutzung der Schrift, aus der es stammt, an anderer Stelle nicht ausschliesst. Andererseits kommt es auch vor, dass Ulpian nicht blos den Vermittler, sondern überhaupt den Urheber eines Citates nicht nennt, also die fremde Meinung als seine eigene giebt. Ob das aber wirklich in einem solchen Masse der Fall war, wie Pernice (455. 459. 481 mit Beispielen) annimmt, muss zweifelhaft erscheinen. Angesichts der vielen Streichungen der Compilatoren, die den Citaten gegenüber am wenigsten Schonung kannten, ist gerade in dieser Hinsicht Zurückhaltung geboten. Die Vergleichung des Textes der Digesten mit dem der Vatican. Fragmente und der Collatio (IV 3 b) zeigt entschieden das Bemühen Ulpians, sorgfältig zu citieren; in den Digesten konnten wir nicht selten Verfälschungen der Citate nachweisen, darunter drei Stellen, die Ulpian selbst reden lassen, während sein eigener Text den Urheber angab (2562. 2563. 623 II 8). Man wird also auch da, wo er wirklich sich jenes Fehlers schuldig machte, eher Versehen und Flüchtigkeiten, als das Bestreben, sich mit fremden Federn zu schmücken, anzunehmen haben. 2. In den meisten Fällen ist die Frage, ob Ulpian ein Citat aus erster oder zweiter Hand geschöpft hat, eine offene. Die Forschung muss darum nach Kennzeichen sowohl für die Entlehnung wie für die unmittelbare Benutzung suchen. Das erstere hat Pernice gethan (vgl. namentlich 469ff. 473ff. 481ff.). Für die massgebenden Gesichtspunkte (Art des Ausdruckes [z. B. frg. 538 I 3: Pegasus fertur existimasse; frg. 1278, 12: exstat Sabini sententia u. dgl.], zeitlicher Abstand des citierten Juristen von Ulpian [vgl. S. 1474]), seltenes Vorkommen eines Schriftstellers (vgl. S. 1500f.), nahe Verbindung von Citaten entlegenerer Schriftsteller mit solchen aus sicher benutzten Werken [vgl. S. 1468], Anlage und Art der Quellenbenutzung in diesen Werken [vgl. u. S. 1498ff.], Aufzählungen der Äusserungen älterer Juristen [vgl. S. 1468. 1498] und deren Verbreitung [vgl. S. 1474] u. dgl. mehr) kann im allgemeinen auf seine Ausführungen Bezug genommen werden; auf einzelnes werden wir im folgenden an den beigefügten Stellen zurückkommen. Aber es liegt auf der Hand, dass diese Merkmale nur einen relativen Wert haben; nicht selten werden sie von anderen Wahrnehmungen durchkreuzt, die für eine Benutzung aus erster Hand sprechen. Die Aufdeckung dieser aber hat Pernice eingehend nur für die Quellen durchgeführt, auf denen nach seiner Ansicht der Commentar ad edictum so gut wie ausschliesslich aufgebaut ist. Über die Kennzeichen, welche für eine Benutzung [1468] der Juristen vor Celsus und auch mancher der späteren Werke sprechen, ist er, von seinen Voraussetzungen befangen, entschieden zu leicht hinweggegangen. Das Folgende soll keine erschöpfende Aufzählung der für die Methode der Untersuchung massgebenden Grundsätze, sondern eine Ergänzung der von Pernice nicht oder nicht genügend beachteten Punkte bieten.

a) Häufig finden sich Citate eines oder mehrerer früherer Juristen in Verbindung oder doch in unmittelbarer Nähe eines späteren Schriftstellers, welchen Ulpian stark benutzt hat. Wenn nun feststeht oder als wahrscheinlich gelten kann, dass dieser die Schriften jener gekannt hat, so liegt die Vermutung nahe, dass Ulpian die Citate mit herübergenommen hat (vgl. z. B. frg. 197, 1: Labeo ait, idque et Celsus lib. VI dig. refert [vgl. Dig. XII 1, 42, 1]. frg. 533, 5: Cassius scribit et Iulianus lib. VI; frg. 851 I 3: Neratius et Nerva putant, item Iulianus lib. XII scribit; frg. 1607 VI 1: Sabinus et Celsus scribunt; frg. 2433, 6: Sabinus et Cassius et Iulianus putant; frg. 2560 II Sabinus respondit et lib. VIII iur civ. scripsit; frg. 2606, 3: Proculus et Celsus aiunt mitten unter Citaten aus Celsus. Vgl. ferner frg. 457 II 1-4. 549 II 3: beide wohl aus Pomponius; frg. 773 II pr. – 2: wohl aus Celsus; frg. 2577 II 1: Sabinus, Cassius, Nerva, Labeo, Proculus, dann Celsus, dem alles entlehnt zu sein scheint). Namentlich gilt dies auch dann, wenn geradezu gesagt ist, dass der jüngere Jurist die Ansicht des älteren gebilligt habe (z. B. frg. 300. 1: Sabinus ait et Pedius probat; frg. 722 I 7 Sabinus putavit… quam sententiam et Pomponius probat; frg. 769 I: Nerva et Proculus … aiunt. et est verum, ut et Marcello videtur; frg. 2591 I 1: Sabinus putat … quam sententiam Celsus lib. XVIII dig. probat; ebd. V: Sabinus scribit, et ita Celsus; frg. 2764 II: Neratius, cuius opinionem Pomponius non improbat u. s. w.), oder dass er dessen Meinung abgelehnt oder eingeschränkt habe (z. B. frg. 614 III 1: Proculus scripsit … sed Iulianus ait; frg. 871, 5: Proculus existimat, sed … putat Celsus; frg. 1589, 12: Mela scribit … verendum tamen Pomponius scribit; frg. 2830, 3: Proculus existimat … negat Proculus: sed verius est, quod et Pomponius ait). Auch die (seltenere) umgekehrte Angabe, dass ein früherer Jurist derselben Meinung sei wie ein späterer, ist häufig auf eine Erwähnung jenes bei diesem zurückzuführen (z. B. frg. 720 III 7: Pomponius … et ita Labeoni placet; frg. 2575 I 1: Celsus … scripsit, quam sententiam et Tubero probat). Vgl. u. VI 7. 8. 9. 10. 12. 16. 18. 19. 20. 21. 24. 25. 27. 30. 33. 35. 38. 40. 44. 45, wo die im vorhergehenden entwickelten Grundsätze zur Anwendung gebracht und weitere Belege gegeben sind.

Oft werden auch mehrere Juristen zusammen als Vertreter einer Meinung oder entgegengesetzter Meinungen angeführt, ohne dass eine Veranlassung vorliegt, den einen oder anderen von ihnen als die Quelle anzusehen, aus der Ulpian geschöpft hat. Hier ist in vielen Fällen die Annahme einer für uns in der Regel nicht bestimmbaren dritten Quelle gerechtfertigt, welche die Citate schon [1469] in dieser Verbindung enthielt. Vgl. z. B. frg. 279 I 5: Pegasus et Nerva …; II pr.: Sabinus et Cassius; frg. 332: Trebatius et Pegasus; frg. 460, 9: Proculus et Atilicinus; frg. 639 II 4ff.: Nerva, Sabinus et Atilicinus, Trebatius et Labeo; frg. 851 I 8f.: Nerva filius, Sabinus et Cassius; frg. 852 VII: Proculus et Atilicinus, Servius; frg. 948, 8: Sabinus, Labeo et Mela; frg. 951 I 1: Cassius scripsit: aliter … et ita Servio Labeoni Sabino placuit; frg. 1678 II 8: Nervae et Atilicini sententia; frg. 1977 II 1: Proculus et Pegasus; frg. 2252: Iunius Gracchanus lib. VII de potestatibus, Trebatius, Fenestella; frg. 2590 II: Nerva, Cassius et Proculus; frg. 2680 I 4: Pegasus, Nerva, Atilicinus und andere mehr (vgl. auch u. VI 8. 14. 16. 20. 21. 22. 24. 25. 27). Bisweilen erweitern sich diese Aufzählungen zu längeren Reihen, die jedenfalls zum grossen Teil entlehnt sind; hier ist aber in der Regel nicht blos ein Vermittler, sondern sind aus mehreren Schriften gewonnene Sammlungen vorauszusetzen. (Übrigens ist nicht ausgeschlossen, dass auch in manchen der vorerwähnten Stellen Reste solcher Sammlungen stecken). Näheres darüber s. u. S. 1498ff. (dort auch Beispiele).

So oft aber auch die angegebenen Gesichtspunkte (von denen sich Pernice bei seinen Untersuchungen über die älteren Juristen vorzugsweise leiten lässt) zutreffen mögen, so ist doch vor ihrer mechanischen Anwendung zu warnen. Nicht selten stehen ihnen andere Erwägungen entgegen.

Im Commentar ad edictum frg. 788 VI 6 lesen wir: Iulianus libro XI dig. scribit… quod Pomponius ita interpretatur … Iulian wird öfters von Pomponius genannt; das Citat könnte also aus ihm stammen, zumal er auch kurz vorher erwähnt ist [lib. VIII ad edictum). Wenn man aber die genaue Buchangabe bei Iulian in Betracht zieht und berücksichtigt, dass dasselbe 11. Buch von ihm schon im § 1 und 3 das Material geliefert hat, so ist klar, dass Ulpian hier, mag er auch den Iulian bei Pomponius citiert gefunden haben, doch die Texte beider Schriftsteller selbständig nebeneinander benutzt hat. Ähnliche Stellen begegnen oft; vgl. z. B. frg. 513 II 3: et Celso et Iuliano videtur; frg. 774 IV 13: Celsus lib. VI et Marcellus lib. XX dig. scripsit; frg. 851 I 11: Idem (Papinianus) scribit … quod et Marcellus putat; frg. 852 VIII 1: Marcellus scribit … quae sententia … et a Papiniano probatur; frg. 2563: Celsus lib. XVIII dig. et Iulianus lib. XXX V scribunt; frg. 2565: Iulianus lib. XXXV scribit et Pomponius lib. VII ex Plautio non reprobat; frg. 2590 II 2: Iulianus scribit et Pomponius lib. VIII de stipulationibus; frg. 2645 II 3: Celsus scribit quod et Iulianus probat. Dass sogar die ausdrückliche Angabe, ein Jurist sei von einem anderen citiert worden, nicht immer die Benutzung seines eigenen Textes ausschliesst, zeigt frg. 2570 (Iulianus subicit Sex. quoque Pomponium referre… s. o. S. 1463) deutlich. Bei allen diesen Citaten kann kaum ein Bedenken obwalten, da die selbständige Benutzung der darin genannten (oder gemeinten) Schriften des 2. Jhdts. als zweifellos gelten kann. Aber wenn man es nur nicht von vornherein als feststehend ansehen will, dass Ulpian die älteren Juristen (vor Celsus) nur aus zweiter Hand gekannt habe, so wird man [1470] an vielen Stellen auch da, wo diese neben einem späteren genannt werden, nicht ohne weiteres eine Entlehnung aus ihm anzunehmen, sondern stets die Umstände des einzelnen Falles zu prüfen haben. Wenn man z. B. in frg. 350, 8 liest: Labeo distinguit et Pomponius lib. XXVI probat, so möchte man zunächst glauben, das Citat des Labeo stamme aus Pomponius. Sieht man aber das Fragment im ganzen an, so findet man, dass nach einer kurzen Erwähnung Iulians (§ 2) im § 5–8 fortwährend nur Labeo, § 8–10 nur Pomponius, § 11–13 nur Pedius genannt wird. Wenn sich also auch anderwärts Spuren einer unmittelbaren Benutzung der Edictscommentare des Labeo und Pedius aufdecken lassen (VI 16. 33), so steht der Schluss, dass Ulpian das gesamte Material mit den Citaten aus Pomponius entnommen habe, auf schwachen Füssen und spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er hier die Citatenreihen aus jenen Werken selbst ausgezogen hat. Ebenso liegt kein Grund vor, im frg. 385 I 4 (Pedius lib. VIII scribit … idem et Pomponius lib. XXVIII ad edictum) und frg. 453 III pr. (Pedius lib. IX et Pomponius lib. XXXIII) an der Benutzung der beiden genannten Schriften zu zweifeln, mag auch Pedius – aber kaum mit Buchangabe (vgl. u. S. 1472) – bei Pomponius citiert gewesen sein. Im Commentar ad Sabinum frg. 2661, 3 findet sich: libris autem legatis bibliothecas non contineri Sabinus scribit: idem et Cassius. Man möchte geneigt sein, das Citat aus Sabinus dem Cassius, dessen libri iur. civ. Ulpian zweifellos benutzte (S. 1482) und die er auch gerade in diesem Fragment hier vor- und nachher anführt (pr. 4) zuzuschreiben. Es ist wohl möglich, dass Cassius den Sabinus hier, wie so oft, erwähnte. Aber sicher ist, dass das Werk des Sabinus, aus dem das obige Citat stammt, dem Ulpian selbst vorlag; denn es ist kein anderes als die libri III iur. civ., die Grundlage seines Commentars (vgl. auch § 7a). Vgl. ferner frg. 317, 1: Neratius probat et Iulianus; frg. 856 I 5: Labeo (der vor- und nachher vorkommt) … quam sententiam Pomponius ita probat; frg. 876 II pr.: Neratius lib. I et II responsorum … idem Celsus ait .. . sed Iulianus adicit …; frg. 931: Neratius (vgl. § 7–13) ait … sed Iulianus lib. XV dig. probat.; frg. 2488, 4: quaeritur: et putat Labeo (dessen lib. post. im § 5 citiert sind) … nam Celsus lib. X VI scripsit: frg. 2564: Neratius lib. 1 resp. .. . Celsus lib. XVIII… Papinianus lib. XVIII quaest; fraglicher: frg. 1941 pr. - Labeo … probat et Pomponius scribit (vgl. S. 1480). Ebenso kommt es bei den erwähnten reihenweisen Aufzählungen der Äusserungen älterer Juristen vor, dass die entlehnten Stellen mit Citaten aus erster Hand durchsetzt sind (vgl. u. S. 1498ff.).

b) In keinem der uns erhaltenen directen Fragmente – denn nur diese können einen zuverlässigen Massstab abgeben – eines anderen Juristen finden sich genaue Angaben des Werkes und Buches, dem ein Citat entstammt, so häufig wie bei Ulpian (s. die Zusammenstellungen unter VI, wo die Belege nur bei solchen Werken fehlen, in denen sie auf Schritt und Tritt begegnen). Am nächsten stehen ihm in dieser Hinsicht die zeitgenössischen und nach ihm schreibenden Juristen, [1471] namentlich Paulus und Marcian, obwohl auch sie ihm bei weitem nicht gleichkommen; jedenfalls bleiben sie hier ausser Betracht, da Ulpian ihre Werke nicht benutzt hat. Bei den Schriftstellern aber, aus denen er vorzugsweise sein Material entnommen hat, wird regelmässig nur der Name des citierten Autors angegeben (ein Gesichtspunkt, den Pernice so gut wie gar nicht in Betracht gezogen hat; anders Krüger 217). Nur selten findet sich bei ihnen das Werk und nur ganz vereinzelt die Buchzahl angegeben (bei Neratius Membr. II [Dig. XII 4, 8]: Servius in libro de dotibus [vgl. Gell. IV 3, 2]. VI (Dig. XXXIX 2, 47: Labeo in libris posteriorum; bei Celsus XXIII (Dig. VIII 6, 12): Neratius libro IV membranarum; bei Pomponius ad Sab. XXX [Dig. XLI 3, 30, 1]: Labeo libris epistularum. Epist. XVI [Dig. L 16, 246]: apud Labeonum pithanon. XVII [Dig. XXI 1, 64, 2: hier deutet das beziehungslose ibidem auf eine ausgefallene Werk- oder Buchangabe]; ex Plaut. VII.[Dig. XL 7, 21 pr.]: Labeo libro pithanon [Buchzahl ausgefallen ?]; de SCtis IV [Dig. XXIX 2, 99]: Aristo in decretis Fronti[ni]anis; bei Scaevola Quaest. IV [Dig. XIII 1, 18]: Pomponius epistularum lib. VIII; bei Papinian Quaest. XXVI [Dig. XLI 2, 47]: Nerva filius libris de usucapionibus. Resp. IV [Dig. XXIX 2, 86: Maecianus libro de fideicommissis [Buchzahl ausgefallen ?]). In unseren Fragmenten des Iulian und Marcellus kommen solche Angaben überhaupt nicht vor. Vergleicht man diese wenigen Anführungen des citierten Werkes und Buches bei den genannten Schriftstellern (deren uns erhaltenes Material zusammengenommen doch mindestens dem des Ulpian gleichkommt) mit den ausserordentlich häufigen, die sich bei ihm selbst finden, so ist klar, dass er diese seine genauen Angaben in dem Umfange, in welchem er sie uns bietet, nicht aus ihnen entnommen haben kann. Schlechthin ausgeschlossen ist nach Massgabe der obigen Stellen die Entlehnung allerdings nicht; es begegnen gelegentlich in Ulpians Schriften Angaben von Werk und Buch, die sich selbst als aus zweiter Hand stammend zu erkennen geben (ad Sab. 2641, 2) oder die man, da keine sonstigen Anzeichen für die unmittelbare Benutzung sprechen, als entlehnt wird ansehen müssen (de off. quaest. 2252: Iunius Gracchanus lib. VII de potestatibus; ad edict. 824 II 1: Servius lib. I ad Brutum; ad Sab. 2599, 15: Mela ibidem [Buchangabe vorher ausgefallen?]; ad edict. 1377, 8: Sabinus in adsessorio; vgl. auch die Citate aus Celsus Epistulae, Quaestiones, Commentarii u. VI 41). Aber ihre Zahl ist gering; im ganzen darf man die Angabe von Werk und Buch als eins der zuverlässigsten Zeichen der Selbständigkeit eines Citates ansehen. Das gilt nicht blos für die grossen Hauptwerke, bei denen ja diese Thatsache überhaupt nie bezweifelt ist, sondern auch für Schriften wie z. B. Cassius libri iuris civilis (VI 22), Pedius ad edictum (VI 33). Neratius verschiedene Werke (VI 40), Urseius (VI 42), Pomponius Epistulae u. s. w. (VI 43), ja selbst für entlegenere Werke wie des Q. Mucius libri iur. civ. (VI 6), Ofilius Actiones und libri iuris partiti (VI 10) wird man die Buchangaben durch gelegentliches [1472] Nachschlagen zu erklären haben. Auch da, wo sonst die nahe Verbindung des Citates mit einer der Hauptquellen (o. S. 1468) oder sein Vorkommen in einer reihenartigen Aufzählung (ebd.) die Vermutung seiner Entlehnung nahelegen würde, ist, wenn es eine Buchangabe enthält, Vorsicht geboten; so ist z. B. fraglich, ob in frg. 385 V 3 (Labeo lib. XXXVII posteriorum scribit… sed Pomponius lib. XXXVII[XXXVIII Lenel] … ait) die Stelle des ersteren Juristen aus dem letzteren herübergenommen ist; und noch weniger spricht für eine solche Entlehnung in frg. 453 III pr. 385 I 4). Umgekehrt legt die Thatsache, dass sich Buchangaben von einem Schriftsteller nicht finden, auch wenn er öfters genannt ist, den Gedanken nahe, dass die Citate aus ihm nur aus zweiter Hand stammen (vgl. z. B. VI 19. 24. 25. 27. 32. 35. 45). Doch ist diese negative Erwägung bei dem geringen Material, das wir von manchen Schriften haben, bei den Streichungen der Compilatoren und auch der wechselnden Arbeitsmethode Ulpians (u. S. 1501ff.) in manchen Fällen stärkeren Bedenken unterworfen als die obige positive (so dürften z. B. die unten S. 1474 aufgezählten Schriften, obgleich bei ihnen meistens die Buchangaben fehlen, im Urtext benutzt sein). Man darf auch nicht versuchen, die seltenen Buchangaben in den Quellenwerken Ulpians den Compilatoren zur Last zu schreiben; wir haben nicht den geringsten Grund zu der Annahme, dass sie hier in stärkerem Masse weggestrichen seien, als bei Ulpian. Vielmehr dürfte das Bild, das uns die in den Vatic. Fragmenten erhaltenen, im wesentlichen unverkürzten Stellen aus Ulp. ad Sab. XVII bieten (S. 1460ff.), das Bestreben Ulpians zeigen, die von ihm selbst gelesenen Schriftsteller nur da mit blossen Namen zu bezeichnen, wo kein Missverständnis über die Herkunft der Stelle obwalten konnte. Ob dies überall durchgeführt wurde, muss bei unserer fragmentarischen und durch Kürzungen entstellten Überlieferung fraglich erscheinen; und dies um so mehr, als nach unserer Auffassung in den grossen Commentaren die Buchangaben erst bei ihrer Überarbeitung eingefügt sind (S. 1501) und insbesondere das Edictswerk auch in seiner endgültigen Gestalt unfertig erscheint (S. 1507).

c) Die von Ulpian am ausgiebigsten benutzten Quellen, namentlich die Digesten des Celsus, Iulian und Marcellus, Pomponius ad edictum und ad Sabinum, Papinians Quaestionen und Responsa, lassen an vielen Stellen bemerken, dass Ulpian grössere Stücke aus ihnen entnommen hat, die sich an fortlaufenden Citaten zu erkennen geben und aus der Art und Weise der Excerpierung dieser Schriften zu erklären sind (s. S. 1496f., dort auch Beispiele). Solche Anhäufungen von Citaten an einer Stelle finden sich aber auch aus anderen, im ganzen seltener benutzten, Schriftstellern. Einen sicheren Beweis, dass sie aus erster Hand stammen, wird man nicht daraus entnehmen können; immerhin aber eine Vermutung, die um so stärker wird, wenn auch andere Gründe hinzutreten (vgl. u. VI 10.16 [Labeo ad edictum, wo die Masse der Citate ganz besonders stark hervortritt]. 26. 30.33. 40. 50).

d) Nahe verwandt ist die folgende Erscheinung. Wiederholt sehen wir – und zwar auch bei Schriftstellern, die nicht zu den Hauptquellen [1473] zählen – dass Ulpian deren Wortlaut heranzieht, sei es, dass er ihn in directer Rede oder in berichtender Form anführt, dass er sich mit ihm auseinandersetzt, zustimmende und ablehnende Bemerkungen hinzufügt, ihn unter gewissen Voraussetzungen und Beschränkungen gelten lassen will u. dgl. mehr. Möglich ist ja, dass er eben diesen Wortlaut oder gar die ganzen Erörterungen schon bei anderen Juristen vorfand. Ersteres scheint z. B. auf Pomponius Variae lectiones, wo namentlich grössere Stücke aus Aristo wiedergegeben waren (S. 1486), zuzutreffen; letzteres wird man häufiger vermuten als beweisen können (vgl. Pernice 471ff. 477ff. Kipp Krit. Vierteljahresschr. XXXIII 500f. 527ff.) Durchschlagend ist also die Schlussfolgerung aus der Bekanntschaft mit dem Wortlaut auf die Benutzung des Originals nicht immer, aber in Gemeinschaft mit anderen darf auch dieser Gesichtspunkt für die Behauptung, dass Ulpian eine Schrift gekannt habe, verwertet werden (vgl. VI 16 [Labeo ad edictum]. 26. 30. 33; über Sabinus libri iur. civ. s. III 3. VI 20).

e) Mehrfach sind wir (namentlich durch die Buchangaben) in der Lage, bei Ulpian Schriften von Juristen nachzuweisen, die in den Bruchstücken seiner Hauptquellen (Celsus, Iulian u. s. w.) nicht vorkommen. Natürlich ist daraus nicht ohne weiteres ein Kennzeichen für die unmittelbare Benutzung zu entnehmen, denn gerade in diesem Punkte muss der Zustand unserer Überlieferung, namentlich die Auswahl und die Kürzungen der Compilatoren in Betracht gezogen werden. Insbesondere würde eine solche Annahme bei den älteren Juristen auf schwachen Füssen stehen, zumal da die wichtigsten Gewährsmänner Ulpians nicht mit Buchangabe zu citieren pflegten (o. bei b); dass sie Werke wie des Q. Mucius, des Sabinus und Cassius libri iur. civ. und andere mehr, obwohl sie sie nicht nennen, gekannt haben, ist selbstverständlich. Anders steht es mit einer Reihe von Werken des 2. Jhdts., bei denen die Thatsache, dass ein Vermittler, aus dem Ulpian seine Citate entnommen haben könnte, nicht ersichtlich ist, doch den Beweis der Benutzung, wenn auch nicht erbringen, so doch zu unterstützen vermag. So z. B. bei Urseius bezw. Iulian. ad Urseium, Iulian. ad Minicium (VI 42), Pomponius Variae lectiones, ad Plautium, de stipulationibus (VI 43), Arrian de interdictis (VI 44), Maurician ad legem Iuliam et Papiam (? VI 47), Tertullian Quaestiones (VI 54). Dass andererseits eine von Ulpian angeführte Schrift auch bei Paulus, Marcian, Modestin oder anderen gleichzeitigen und wenig späteren, von Ulpian aber nicht benutzten Auctoren vorkommt (vgl. VI 6. 16 [Labeo lib. post.; pithana]. 20 [Sabin, ad Vitell.]. 22. 33. 40. 42 [Urseius]. 43 [Pompon. Epist.; Variae lect.; ad Plaut.] 50. 51 [Marcell. de off. cons.]), spricht natürlich nicht gegen Ulpians Kenntnis. Vielmehr darf man, wenn an der Originalität des Citates dort kein Zweifel besteht – was regelmässig, wenn bei Paulus und Marcian Werk und Buch angegeben sind, nicht der Fall ist – den Umstand, dass die Schrift derzeit noch gelesen wurde, zur Unterstützung der Ansicht, dass auch Ulpian sie benutzt oder wenigstens eingesehen hat, verwerten.

[1474] f) Auch der Inhalt der Schriften fällt für unsere Frage ins Gewicht. Aus den grossen Commentaren sehen wir, dass Ulpian begreiflicherweise die Schriften, welche den von ihm bearbeiteten Gegenstand am ausführlichsten behandelten, am stärksten heranzog (z. B. im Edictswerk die dem Edict gewidmeten Teile der verschiedenen Digesten, die Commentare des Pomponius und [unserer Ansicht nach auch] des Labeo und [in geringerem Masse] des Pedius u. s. w.). Die gleiche Annahme ist auch bei vielen kleineren Werken gerechtfertigt, namentlich auch bei solchen, aus denen nur geringeres Material überliefert ist, und deshalb auch die Citate, insbesondere die Buchangaben, weniger reichlich fliessen. So ist ohne Frage Maecians Schrift de fideicommissis eine der wichtigsten Quellen für Ulpians gleiches Werk gewesen (VI 50), und ebenso ist die Benutzung von Labeo ad leg. Iul. et Pap. und de adulteriis (? VI 16), Caelius ad ed. aed. cur. (VI 26), Pomponius de fideicomm. (VI 43) Venuleius de off. proc. (VI 49), Maecian de iud. publ. VI 50), Marcellus de off. cons. (VI 51) für die entsprechenden Bücher Ulpians anzunehmen.

g) Ulpian citiert mehrfach aus der Erinnerung (z. B. frg. 242, 5. 373, 3. 1895. 2571, vgl. Erman Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XI 234, 1). Das wird auch insofern häufig anzunehmen sein, als er berühmt gewordene Definitionen, Entscheidungen und sonstige Aussprüche, namentlich älterer Juristen, die gewissermassen zum Gemeingut der römischen Rechtswissenschaft geworden waren, nicht selten aus dem Gedächtnis anführt oder sie jedenfalls nicht aus deren eigenen Schriften entnommen zu haben braucht. Pernice legt grosses Gewicht auf solche Äusserungen und zieht sie häufig zum Beweise der Unselbständigkeit der Citate heran (466. 468f. 474.470. 482). Aber es liegt auf der Hand, dass man sich mit solchen Annahmen in den meisten Fällen auf das Gebiet der Vermutungen begiebt, und dass auch, wenn die Verbreitung einer Ansicht in der Litteratur feststeht, die Schlussfolgerung auf die Art und Weise, wie sie in Ulpians Schriften gelangt ist, ob aus der Urquelle, ob aus anderen Werken, ob blos aus der Erinnerung, in der Regel zweifelhaft bleibt. Über eine gewisse Wahrscheinlichkeit wird man hier selten hinauskommen (vgl. auch u. S. 1480).

3. Aus den bisherigen Darlegungen ergiebt sich, dass die Behauptung von Pernice, die älteren Juristen (vor Celsus) seien fast ausschliesslich aus zweiter Hand benutzt, doch wesentlichen Einschränkungen unterliegt (was insbesondere Pomponius, den Pernice als den wichtigsten Vermittler ansieht, anlangt, vgl. VI 43). Dass der zeitliche Abstand einer Schrift von Ulpian oft eine Vermutung für die Entlehnung des Citates begründet, soll nicht in Abrede gestellt werden, aber als einen ausschlaggebenden Massstab für unsere Frage dürfen wir ihn nicht ohne weiteres behandeln. Die Wichtigkeit eines Werkes, die Möglichkeit gerade aus ihm brauchbares Material zu gewinnen, haben oft bestimmend für die Benutzung auch älterer Schriften eingewirkt. Kommt diese (abgesehen von Labeo) auch der der grossen Quellen des 2. Jhdts. bei weitem nicht gleich, ist sie auch begreiflicherweise bisweilen nur als ein gelegentliches Nachschlagen in entlegeneren [1475] Werken aufzufassen, so legt sie doch Zeugnis dafür ab, dass Ulpians Schriftstellerei nicht eine so oberflächliche war, wie Pernice es annimmt.

VI.

Aus den vorstehenden allgemeinen Bemerkungen können wir wohl Gesichtspunkte für die Frage nach der mittelbaren oder unmittelbaren Benutzung eines Schriftstellers durch Ulpian gewinnen; aber selten wird einer von ihnen allein als durchschlagend gelten dürfen. Erst wenn ihrer mehrere nach der einen oder anderen Richtung hin zusammentreffen, gewinnt man einen sichereren Boden. Es kommt deshalb darauf an, bei allen von Ulpian citierten Juristen zu prüfen, welche Gründe für und gegen ihre Benutzung sprechen. (Von nicht juristischen Schriftstellern wie Cicero [frg. 1390, 4] Kaiser Augustus [lib. X de vita sua: frg. 2240 II], Fenestella [frg. 2252] ist im folgenden abgesehen.

1. Sex. Aelius: ad Sab. 2641 (wo Sex. Caecilius als Schreibfehler gelten muss; vgl. Gell. IV 1, 20).
2. Cato: ad ed aed. cur. 1760 IV 1 (Catonem quoque scribere lego).
3. Brutus: ad ed. 624 III 22; ad Sab. 2574 I. 2711 II pr. (aus Celsus).
4. Iunius Gracchanus lib. VII de potestatibus: de off. quaest. 2252.
5. Rutilius: ad ed. 1611, 2; ad Sab. 2576, 3 (wohl aus Celsus). 2641, 9. Bei allen diesen zeitlich dem Ulpian so fern liegenden Juristen ist auch wegen der Seltenheit ihrer Erwähnung an eine selbständige Benutzung durch ihn nicht zu denken.
6. /Q. Mucius. Die Anführungen dieses Juristen bei Ulpian stammen, obwohl sich nur eine Stelle geradezu als Entlehnung zu erkennen giebt (ad Sab. 2711 II pr. aus Celsus, wenn nicht etwa P. Mucius gemeint sein sollte, was der Reihenfolge besser entspräche), doch jedenfalls erheblich häufiger aus zweiter Hand. Q. Mucius war oft in Ulpians Quellen genannt; nachweisbar bei Labeo, Celsus, Iulian (dem wohl ad Sab. 2836 pr. entnommen ist); bei Pomponius ist Q. Mucius mit Sicherheit allerdings nur in seiner Bearbeitung der libri iuris civilis dieses Juristen zu erweisen, aber ohne Zweifel war er auch in seinen übrigen Schriften citiert; Ulp. ad Sab. 2575 II 1 mag auf seinen Commentar zum Edict zurückzuführen sein. Andererseits aber wird von Ulpian dreimal Werk und Buch des Q. Mucius angeführt (ad Sab. 2641 pr. 2679 pr. 2915 pr., alle aus lib. II iur. civ.). Eine ähnliche Angabe finden wir (abgesehen von Gell. VI 15, 2) nur noch bei Paulus (Dig. XVII 2, 30), dagegen in keiner der nachweislich von Ulpian benutzten Quellen, auch nicht bei Pomponius ad Q. Mucium. Wir werden also zu der Annahme gedrängt, dass Ulpian gelegentlich das Originalwerk eingesehen hat und dass, wenn er dessen Bearbeitung durch Pomponius kannte – was immerhin wahrscheinlich ist –, er sie neben jenem benutzt hat. Zweifelhaft bleibt, woher das Citat Disp. 87, 3 (ut est apud Q. Mucium relatum … M. ait) stammt; auch Pomponius führte häufig den Wortlaut seiner Vorlage an (Dig. IX 2, 39 pr. XIX 1, 40. XXIV 1, 51. XXXIII 1, 7. XXXIV 2. 10. 34. XL 7, 29, 1).

[1476]

7. Aquilius Gallus. Sicher entlehnt sind ad ed. 938 III 6 (mittelbar aus Mela, s. nr. 19). 1594, 4 (aus Celsus), gewiss aber auch 598 I 2 und ad Sab. 2597 XI 7, die beide auf Labeo zurückzugehen scheinen.
8. Von Ser. Sulpicius begegnet einmal ein Buchcitat (ad ed. 824 II 1: Servius lib. 1 ad Brutum [= ad edictum]), und ad Sab. 2641, 6 stammt aus den Noten des Servius zu Q. Mucius. Obwohl solche Angaben bei Juristen selten sind (in Ulpians Quellenkreise nur bei Neratius [Dig. XII 4, 8: Servius in libro de dotibus]; vgl. ausserdem Paul. Dig. XVII 2, 30, auch Gai. III 149. Paul. Dig. L 16, 25, 1), so hat sie doch Ulpian schwerlich aus Servius selbst geschöpft. Im allgemeinen machen die Erwähnungen dieses Juristen durchweg den Eindruck, als stammten sie aus zweiter, zuweilen sogar aus dritter Hand. So offenkundig: ad ed. 922 IV 18 und ad Sab. 2609 pr. 6 (Aufidius Namusa vgl. nr. 11). 2641, 10 (Mela vgl. nr. 19). 2606, 17 (aus Sabinus ad Vitellium vgl. nr. 20). 2837 (aus Celsus, dem auch die Citate in ad ed. 780 und ad Sab. 2488 zuzuschreiben sein dürften; vgl. ferner ad ed. 922 IV 18 (aus Cassius?). Bemerkenswert ist namentlich, dass die meisten Anführungen des Servius in nahem Zusammenhange mit Labeo stehen (vgl. ad ed. 384, 2. 439, 4. 598 I 2. 824 II 1. 935, 30. 1353, 32. 1583 II pr. 1592 III 3–6. 1594, 4. 1597 II 4. 1753, 4–5; ad Sab. 2597 V 2. 2609 pr. 6. 2641, 6. 2697, 2); auf ihn wird die Mehrzahl der Citate des Ulpian mittelbar oder unmittelbar zurückgehen.
9. Alfenus Varus. Als entlehnt giebt sich ad ed. 601, 5 (mittelbar aus Aristo; vgl. nr. 35) zu erkennen. Zuverlässige Spuren unmittelbarer Benutzung finden sich nicht: ad ed. 625 IV 4. 1272 II 2; ad Sab. 2609, 2 weisen auf Labeo als Gewährsmann.
10. Ofilius. Auffallend sind eine Reihe von Buchangaben ad Sab. 2641, 5. 8 (lib. XVI actionum). 2679, 1. 2. 4. 7 (lib. II [?]. V iuris partiti). Da sich solche Citate aus diesem Juristen sonst nirgends finden und da sie in einer gewissen Anhäufung begegnen, so darf man die Möglichkeit, dass Ulpian sie dem Originalwerke entnommen hat, nicht in Abrede stellen. Seine Heranziehung wird aber nur eine gelegentliche gewesen sein; in ausgiebigem Masse hat Ulpian die Werke dieses Juristen keinesfalls verwertet. Denn die übrigen Erwähnungen des Ofilius (meist aus dem Edictscommentar) weisen keine Kennzeichen unmittelbarer Benutzung auf. Eines (ad ed. aed. cur. 1792, 7) giebt sich als aus Caelius (nr. 26) herrührend zu erkennen, das gleiche dürfte von 1761 I pr. anzunehmen sein, und ad ed. 816, 9 mag aus Pedius (nr. 33) stammen. Im übrigen erscheinen sie oft im Zusammenhange mit Labeo und sind sie namentlich in den Büchern, in denen dieser Jurist vorzugsweise das Wort führt, häufig (vgl. ad ed. 295, 1. 406, 1. 1285 I 5. 21. II 2. 1337, 1. 1503, 39. 1570, 17. 1583, 10. 1585, 10. 1677 II 6; ad Sab. 2597 XI 7).
11. Aufidius Namusa (Servil auditores); ad ed. 802, 7. 922 IV 18. 1285 I 6; ad Sab. 2609 pr. 6.
12. Cinna (ad Sab. 2797 LT),
13. Cascellius (ad ed. 1285, 17. 1592 I 7) [1477] sind gewiss nicht aus erster Hand benutzt (vgl. zu nr. 5). Das gleiche gilt von
14. Trebatius. Er wird einmal auf Labeo (ad Sab. 2486, 7) und einmal auf Caelius (ad ed. aed. cur. 1760 VI 3; vgl. auch Gell. IV 2, 9f.) zurückgeführt. Im übrigen erscheint er fast ausschliesslich bei Aufzählungen älterer Juristen, insbesondere in nahem Zusammenhange mit Labeo.
15. Tubero. Von den fünf bei Ulpian erhaltenen Citaten werden zwei auf Celsus Digesten zurückgeführt (ad ed. 643 pr. 851 I 4. II pr. [vgl. Dig. XV 1, 6 Labeo]) und auch ad Sab. 2575 I ist ohne Frage aus demselben Werke entlehnt. Wahrscheinlich hat Ulpian den Tubero auch noch in anderen seiner Quellen gefunden, Schriften von ihm hat er jedenfalls nicht gekannt.
Das Ergebnis für die republicanischen Juristen ist also, dass Ulpian einzelne Schriften des Q. Mucius und Ofilius wohl gelegentlich einmal herangezogen, aber soweit unsere Quellen ein Urteil gestatten, im übrigen seine Citate aus anderen Werken entlehnt hat, und dass für alle diese Juristen Labeo den wichtigsten Gewährsmann bildet, auf den grösstenteils auch Ulpians Anführungen mittelbar oder unmittelbar zurückgehen.
16. Labeo. Kaum ein Jurist (höchstens Iulian) wird von Ulpian so ausserordentlich häufig angeführt als Labeo. Eine nicht unerhebliche Zahl dieser Citate rührt aus zweiter Hand her. Mehrfach hebt Ulpian das ausdrücklich hervor. So stammen aus Aristo (mittelbar vgl. nr. 35): ad ed. 1592 III pr.; aus Celsus: ad Sab. 2577, 1. 2711 II pr.; aus Iulian: ad ed. 784 I 8. 1678 II 1; aus Pomponius: ad ed. 371 IV pr 385 I 6. 405, 1. 472. ad Sab. 2661, 8; aus Marcellus: ad Sab. 2594. Selbstverständlich darf man hierbei nicht stehen bleiben. Labeo wird von fast allen Juristen, die Ulpian benutzte, häufig erwähnt. Aus dem Zusammenhange, in dem wir ihn mit Schriftstellern wie den eben genannten (dgl. Cassius, Neratius, Scaevola u. a.) finden, ergiebt sich die Entlehnung aus ihnen oft mit hoher Wahrscheinlichkeit (s. o. S. 1468ff.): vgl. z. B. ad Sab. 2445 pr. (Cassius); ad. ed. 197, 1 (Celsus). 432, 1. 462 pr. 2. 594 II 2. 720 III 7. 806, 1. 847 II 2 (Pomp.). 773 II 3 (Marcellus) und jedenfalls noch erheblich öfter.
Andrerseits sprechen eine Reihe von Merkmalen für die Benutzung Labeos aus erster Hand.
Was zunächst seinen Commentar ad edictum , (Bd. I S. 2550f.) anlangt, so finden sich in dem gleichen Werke Ulpians mehrere Buchangaben: frg. 186, 5 (lib. I ad edictum). 372 II (lib. I praetoris urbani). 385 V 4 a (lib. XXX praetoris peregrini). 453 III pr. (lib. XI), wie sie bei keinem anderen Juristen vorkommen. Aber auch die sonstigen Citate, die sich ziemlich gleichmässig über Ulpians ganzes Werk erstrecken (nachweisbar in B. 1. 2. 4–7. 9. 10. *11. 12–19. 23–28. *29. 30. 31. *32. 33–41. 43. 46. 50. 52. *53. 55. 56. *57. 58-60. 62. 66. *68. 69. 70. *71. 73. 74. 76. 77. 80. 81; ad ed. aed. cur. 1), beziehen sich zum weitaus grössten Teile auf diese Schrift Labeos. Besonders wichtig ist, dass wiederholt, ohne dass ein Vermittler erkenntlich wäre, eine solche Anhäufung von Stellen aus Labeo auftritt (namentlich in den mit * bezeichneten Büchern), dass sich der Gedanke, Ulpian habe sein Werk [1478] bei der Arbeit vor sich gehabt und oft geradezu ausgeschrieben, nicht von der Hand weisen lässt. Um diesen wichtigen Punkt klarzulegen, lassen wir den Bestand an Citaten aus vier der genannten Bücher hier folgen:
VLP. AD ED. LIII 1272 I Iul. II pr. Iul. 1 Trebat. 2 Alfen. Lab. Alfen. 3 Nerat. 1273 I 4 Iul. 5 Cels. II 11 Marc. 1274 I 5 Lab. 6 Sab. 9 Marc. 10 Iul. III 10 Iul. 11 Iul. 1277, 10 Lab. 1278, 12 Sab. 15 Lab. 16 Iul. 20 Lab. 24 Lab. 25 Cels. 32 Lab. Sab. 33 Lab. 34 Lab. 35 Lab. Cass. 1284, 2 Lab. 1285 I pr. Tubero. 2 Ner. 3 Q. Muc. Trebat. 4 Q. Muc. 5 Ofil. 6 Servii aud. 7 Lab. 8 Sab. Cass. 10 Sab. Cass. 11 Sab. Cass. 12 Marc. 17 Lab. Cascell. 18 Lab. 19 Cass. 20 Lab. 21 Ofil. Lab. 22 Lab. Lab. 23 Lab. 1285 II pr. Trebat. 1 Trebat. 2 Ofil. 1286 I 3 Lab. II pr. Lab. 1 Iul. 2 Iul. 3 Iul. III pr. Sab. 1287, 7 Cels.
VLP. AD ED. LVI (Schluss). LVII. 1335, 1. 2 Lab. 6 Iul. 7 Lab. 8 Nerat. 9 Nerat. 1337, 1 Ofil. 5 Lab. 7 Iul. 8 Sab. in adsessorio. 1339, 1 Lab. 4 Lab. 5 Marc. Nerat. 1340 I 8 Lab. Lab. II pr. Pomp. 1344, 3 (plerique). 4 Proc. 5 Proc. 6 Atilic. 1345, 7 Marc. (multi). 1347, 4 Lab. 5 Lab. 1348, 7 [sunt qui putent). Pomp. et plerique. (veteres). 1349 pr. Lab. 1350, 3(ff.) Lab. 6 idem (= Lab.). 7 Lab. 1352, 16 Lab. Lab. 17 Lab. 26 Lab. 29 Pap. 30 Pap. 32 Servius. 1356, 39 Lab. 1357, 42 Lab. 1359 I 45 Mela. 46 Lab. II 2 Mela. Lab. Trebat. 1360, 7 Lab. 1365, 18 Iul. 19 Iul. 20 Iul. 22 Iul.
VLP. AD ED. LXVIII 1479, 9 Lab. 1492, 3 Lab. 1493, 7 Aristo. 1494, 13 Lab. 14 Lab. 1499, 26 Lab. 28 Lab. Nerva. 29 Nerva. 1503, 39 Ofil. 40 Lab. 41 Lab. 42 Lab. 1510, 3 Cass.

Cels. 1512, 12 Lab. 1513, 16 Lab. 1514 I 17 Lab. III 18 Lab? 1515, 22 Lab. 1519. 13 Lab. 1520, 7 Lab. 8 Mela. 9 Mela.

VLP. AD ED. LXXI 1589. 8 Lab. 9 Lab. Pomp. 12 Mela. Pomp. 1592 I 5 Q. Muc. 6 Pedius

et Pomp. 7 Cascell. et Trebat. 8 Aristo. 9 Lab. 10 Lab. 11 Lab. 1592 II 4 Nerva. 5 Sab. 7 Cass. 8 Aristo. III pr. Lab. Aristo. 1 Lab. 3 Servius. 4 Servius. 6 Servius. 1593 I 8 Q. Muc. 9 Lab. 10 Lab. 13 Lab. II 1 Nerat. 1594, 2 Iul. 3 Iul. 4 Cels. (vgl. Lenel Paling. I 160, 1. 167, 1). Gallus. Servius. Lab. 1595 III pr. Lab. 1 Cass. 1596, 4 Iul. 6 Cass. 1597 I 10 Iul. 11 Aristo. 12 Iul. Cass. 14 Iul. II 1 Lab. 2 Lab. 4 Servius. 5 Vivian. Lab. 1598 I 7 Iul. II 1 Lab. 2 Lab. 1602 I Iul. Iul. 5 Iul. 1603, 8 Lab. 1606 pr. Aristo. Pomp. 1 Pomp. Aristo. 2 Aristo. Pomp. 3 Lab. 1607 III pr. Marc. IV 14 Marc. V 2 Marc? 3 Iul. VI 1 Sab. Cels. Lab. 1610 I 7 Lab. 1611, 2 Rutilius. (plerique) Lab. 1618, 14 Lab. 1620, 4 Iul. Natürlich soll nicht behauptet werden, dass ein jedes der hier erwähnten Citate des Labeo aus dem Original entnommen ist. An einer Stelle wird sogar das Gegenteil angegeben (1592 III 2) und auch sonst mögen hier, wie so oft bei Ulpian (o. S. 1466f.), Citate aus erster und zweiter Hand nebeneinander hergehen. Ferner haben zweifellos auch hier die Compilatoren ihre Hände im Spiel gehabt (vgl. 1592 II 8: idem Aristo, während Cassius vorhergeht; ebd. 4 und III 4, wo Nerva und Servius [1479] [oder Labeo?] den Curator rei publicae erwähnt haben sollen). Dennoch kann es nicht auf Zufall beruhen, dass Labeo in den Fragmenten von Buch 68 fast ausschliesslich das Wort führt, in Buch 53 und 71 mit der doppelten, in Buch 56–57 mit der dreifachen Zahl von Citaten gegenüber den Juristen des 2. Jhdts. vertreten ist, von denen nur Iulian einigermassen in den Vordergrund tritt. Und der Bestand des aus Labeo herrührenden Materials wächst noch, wenn man die nicht seltenen Erwähnungen der älteren Juristen, die Labeo häufig anzuführen pflegte, auch hier, wenigstens zum grossen Teil als aus ihm herstammend ansieht (sie sind oben durch schrägen Druck hervorgehoben; vgl. namentlich 1272 II 9. 1285 I 3ff. II. 1503, 39f. 1592 I 5ff. III 3ff. 1593 I 8f. 1611, 2; o. nr. 5–15). Es kommt hinzu, dass eine Reihe von Stellen Kenntnis des Wortlautes voraussetzt (vgl. 1278, 33ff. 1352, 16f. 1353, 26. 1356, 39. 1503, 40. 1592 III 1), und dass Ulpian einmal geradezu sagt: apud Labeonem invenio relatum (1285 I 20), eine Angabe, deren Zuverlässigkeit anzufechten, da auch sonst genug Anzeichen für unmittelbare Benutzung sprechen, kein Grund vorliegt (vgl. auch 2575 I 1 apud Labeonem memini tractatum (dazu u. S. 1508). Für die genannten Bücher Ulpians also wird Labeos Edictscommentar jedenfalls als eine Hauptquelle anzusehen sein. Pernice (476) sucht dieses starke Hervortreten Labeos durch die Annahme zu erklären, dass Labeo die hier behandelten Lehren besonders ausgebildet und befördert habe; aber dies ,besonders‘ ist unbewiesen, und wenn es richtig wäre, so wäre es nur ein Grund mehr für Ulpian gewesen, auf das Originalwerk zurückzugehen. Man darf auch daraus keinen Einwand herleiten, dass hier keine Buchangaben begegnen; sie fehlen überhaupt in den späteren Büchern von Ulpians Commentar (vgl. S. 1501). Wenn somit die Benutzung Labeos für einzelne Teile des Werkes Ulpians feststeht, so ist man gewiss berechtigt, auch ein gut Teil der sonst begegnenden Anführungen Labeos als selbständige Citate anzusehen. Wir kennen überhaupt in der juristischen Litteratur kein anderes Werk, das so viele Citate aus Labeo aufwiese. Insbesondere ist nicht wahrscheinlich (wie Pernice 476 meint), dass die grosse Mehrzahl von ihnen aus Pomponius ad edictum herrühre. Einmal ist diese Behauptung eine blosse Vermutung, da von dem Commentar dieses Juristen ausser Citaten nichts erhalten ist. Sodann spricht seine auffallend ungleichmässige Benutzung bei Ulpian gegen jene Annahme; er kommt in sehr viel weniger Büchern vor als Labeo (vgl. nr. 43). In den oben angeführten Büchern 53 und 68 begegnet er gar nicht, in Buch 56–57 nur zweimal, und auch in Buch 71 steht er mit sechs Citaten weit hinter Labeo zurück.

Labeos libri posteriores (Bd. I S. 2552ff.) werden mit Buchangabe einmal in Ulpians Commentar ad edictum (frg. 385 V 3 [B. 37]), mehrfach in dem ad Sabinum (frg. 2486, 5. 6 [B. 4]. 2488, 5 [B. 4]. 2571 I 1. 2641, 2 [B. 9]) erwähnt. In letzterem Werke sind sie jedenfalls häufiger herangezogen worden und ein beträchtlicher Teil der blos unter Labeos Namen angeführten Citate (Ulp. ad Sab. B. 3. 5. 7. 8. 17. 18-20. 22-25. 27. 28. 30. 33. 36. 41. 42. 48) wird auf sie zurückgehen. [1480] An der unmittelbaren Benutzung kann man auch hier kaum zweifeln, wenn die libri posteriores auch in Neratius Membranae (Dig. XXXIX 2, 47) und bei Pomponius ex Plautio (Dig. XL 7, 21) einmal (aber ohne Buchzahl) erwähnt werden. Aber so stark wie Labeos Commentar ad edictum in Ulpians gleichen Büchern sind die libri posteriores im Sabinuscommentar nicht ausgenutzt worden, was sich daraus erklärt, dass dieses Werk Labeos dem Ulpians nicht in gleichem Masse parallel lief, wie jenes. Dass es noch unter den Severen gelesen wurde, zeigen die Citate bei Paulus (Dig. XII 6, 6 pr. XVII 2, 65, 5. XLVIII 13, 11, 2. 3. 6; vgl. XXXIX 3, 2, ein Fragment, das sein Material augenscheinlich aus dem gleichen Werke entnommen hat). Auf Benutzung von Commentaren und Noten zu den libri posteriores deuten mehrere Spuren bei Ulpian: ad ed. 384 III 7 (Quintus); ad Sab. 2966 II 17 (Iavolenus); vgl. ferner u. nr. 24 (Proculus). 35 (Aristo). Doch reichen sie nicht aus, um sichere Schlüsse darauf zu bauen.

Zweifelhafter steht es mit Labeos Pithana (Bd. I S. 2251f.). Das Werk wird einmal (ad Sab. 2954, 2) angeführt: libro pithanon (Buchzahl ausgefallen?). Ausgeschlossen ist die Entlehnung nicht; die Pithana werden auch von Pomponius in seinen von Ulpian benutzten (nr. 43) Epistulae und libri ex Plautio (s. o. S. 1471) genannt. Andrerseits kommt in Betracht, dass Paulus das Werk jedenfalls kannte (Lenel I 528ff.; vgl. S. 1473).

Ebensowenig lässt sich etwas Sicheres aus dem einmal begegnenden Citat (ad ed. 623 II 3: ita Labeo lib. responsorum XV) folgern; doch ist es die einzige in unseren Quellen begegnende Erwähnung dieses Werkes.

Eine besondere Bewandnis hat es mit einer Anzahl von Citaten aus Labeo in Ulpians Commentar ad legem Iuliam et Papiam (o. S. 1446), frg. 1977, 1. 2004. 2010, 9. 2026). Von diesen schliessen sich die drei ersten unmittelbar an den Text des Gesetzes an. Man hat daraus den Schluss gezogen, dass dieses von Labeo commentiert worden sei (Bd. I S. 2551). Ist das richtig, so spricht jedenfalls nichts gegen die Benutzung dieses Werkes durch Ulpian.

Auch die lex Iulia de adulteriis scheint Labeo bearbeitet zu haben (Bd. I S. 2551), und es ist nicht ausgeschlossen, dass Ulpian in seinem Commentar zu diesem Gesetz sein Werk gekannt hat (frg. 1941 pr.: Labeo quoque ita probat et Pomponius ita scripsit), obwohl die Möglichkeit der Entlehnung des Citates aus Pomponius zugegeben werden muss.

17. Die Erwähnung des Ateius Capito bei Ulpian ad leg. Iul. et Pap. 1990 III ist kaum als Citat aus einer Schrift Capitos aufzufassen; jedenfalls verrät sie sich durch ihre Form entlehnt.

18. Cartilius bei Ulp. ad ed. 805, 13 ist sicherlich nicht von Ulpian benutzt; vielleicht stammt das Citat aus Labeo, der a. a. O. das Wort führt.

19. Von Fabius Mela begegnen Bruchstücke in den beiden grossen Commentaren und in der Schrift de fideicommissis. Obwohl er, wenn unsere Überlieferung zuverlässig ist, von Ulpian mit Buchangabe (die aber von den Compilatoren gestrichen ist) angeführt, war (ad Sab. 2599, 14 [1481] 15 ibidem) und obwohl er sich in mancnen Büchern Ulpians häufiger findet (namentlich ad d. 32 frg. 938 III 6. 943, 1. 948, 81. 951, 6), so reichen diese Anzeichen doch schwerlich aus, an eine unmittelbare Benutzung zu glauben. Andrerseits lässt sich auch nicht mit einiger Sicherheit bestimmen, woher Ulpian seine Citate genommen hat; frg. 1589, 12 weist auf Pomponius hin, der ihn jedenfalls öfter erwähnt hat. Nachweisbar ist er ausser bei Ulpian nur bei Proculus, Africanus, Venuleius (und Paulus).

20. Sabinus begegnet in unseren Resten Ulpians nur in den Büchern ad edictum und ad Sabinum. Das wird Zufall sein; citiert war er gewiss auch noch in anderen Schriften. Von seinen Werken hat Ulpian jedenfalls die dem Commentar ad Sabinum zu Grunde liegenden libri III iuris civilis genau gekannt. Wir haben oben (S. 1442) nachzuweisen gesucht, dass Ulpian regelmässig den Wortlaut des Sabinus seinen Erörterungen voranstellte, dass aber auch eine Anzahl der blos unter Sabinus Namen angeführten Citate auf dieses Werk zurückgeht. Doch gilt das letztere keineswegs von allen; dass Ulpian auch häufig Stellen, die aus anderen Schriften des Sabinus herrührten, aufgenommen hat, ergiebt sich schon daraus, dass er selbst wiederholt die libri ad Vitellium nennt (s. u.). Ferner begegnet eine beträchtliche Reihe von Citaten, die sicher oder wahrscheinlich aus zweiter Hand stammen (s. u.). Mögen sie auch bisweilen auf die libri iuris civilis zurückgehen (z. B. frg. 2661, 3), so ist das doch bei der grossen Mehrzahl von ihnen gewiss nicht anzunehmen; das in frg. 2562 I 2 erwähnte Gutachten des Sabinus stammt wahrscheinlich aus seiner Schrift de responsis; für den Abschnitt de furtis kommt Sabinus Schrift über diesen Gegenstand concurrierend in Betracht, die beide gewiss in Ulpians Vorlagen mit verarbeitet waren. Jedenfalls muss bei einer erheblichen Anzahl von Citaten des Sabinus in Ulpians Commentar die Herkunft ungewiss bleiben (vgl. z. B. 2767, 8. 2865, 2. 2870, 5. 2651). Es ist nicht zu billigen, wenn Bremer (Iurispr. antehadr. II 412ff.), während er die oben (S. 1442ff.) erwähnten Leitsätze, welche die Grundlage von Ulpians Interpretationen bilden, entweder gar nicht oder doch nur zweifelnd unter die Fragmente der libri iuris civilis aufnimmt, eine grosse Anzahl von Stellen, in denen Sabinus in den Commentaren oder in Gaius oder Iustinians Institutionen, im Codex und bei anderen Schriftstellern nur mit Namen genannt wird (z. B. frg. 15. 16. 18. 19. 20. 22. 24. 31 u. s. w.) oder gar nur die Sabinianer (nostri praeceptores z. B. frg. 3. 12. 23. 25 u. s. w.) erwähnt werden, regelmässig ohne Fragezeichen diesem Werke zuschreibt. Das umgekehrte Verfahren wäre methodisch das richtige gewesen. – Andrerseits darf man nicht bezweifeln, dass auch manche Aussprüche des Sabinus, die in Ulpians Edictcommentar begegnen, aus den libri iuris civilis entnommen sind; vgl. z. B. ad ed. aed. cur. 1760 I. VI mit Gell. IV 2, 15 (Lenel Paling. II 200, 1. Bremer a. a. O. II 1, 545. Auch frg. 386 pr. stammt, da die Stelle fast wörtlich in Paulus Sabinuscommentar wiederkehrt (Dig. XLVII 2, 20 pr.; vgl. auch Ulp. ad Sab. 2857 II), wahrscheinlich aus der gleichen Quelle; doch ist zweifelhaft, ob Ulpian sie nicht durch Vermittlung [1482] des gleich darauf erwähnten Pomponius aufgenommen hat.

Ferner nennt Ulpian mehrfach des Sabinus libri ad Vitellium (ad Sab. 2606, 17. 18. 2607 pr. 2611, 27. 2635. 2641 pr.) und zwar stets ohne Buchzahl (libris ad Vitellium), einmal mit einer Note des Cassius (2611, 27, zu Vitellius Urtext oder Sabinus Bearbeitung? vgl. Krüger 146, 45). Dass das Werk zu Ulpians Zeit noch benutzt wurde, zeigen die Citate des Tryphoninus (Dig. XXXIV 9, 22) und Paulus ad Vitellium (Dig. XXVIII 5, 18. XXXIII 7, 18, 12). In den sonst als Quellen des Ulpian bekannten Schriften aber vermögen wir es nicht nachzuweisen. Es spricht also die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Ulpian es gekannt und gelegentlich herangezogen hat.

Über die Herkunft des ganz vereinzelten Citates Sabinus in adsessorio (ad. ed. 1337, 8) ist ein Urteil nicht möglich. Schwerlich stammt es aus erster Hand.

Dass sich Ulpians Kenntnis auch noch auf andere Werke des Sabinus erstreckt habe, ist wenig wahrscheinlich. Die vielen Citate, in denen dieser Jurist nur mit Namen genannt wird, mögen zum Teil aus den angeführten Werken entnommen sein, aber in ihrer grossen Mehrzahl sind sie ohne Frage entlehnt. Vielfach geben sie das selbst mehr oder weniger deutlich zu erkennen. So stammen aus Cassius: ad Sab. 2560 II (vgl. auch 2742, 1); aus Pedius (wahrscheinlich): ad ed. 300, 1; aus Urseius [Nr. 42]: ad ed. 623 II 9; aus Celsus: ad Sab. 2463 I 13. 2562 I 5. 2610, 20. 2711 II pr. (vgl. auch ad ed. 1607 VI 1; ad Sab. 2577 II 1. 2591 I. III. V); aus Iulian: ad ed. 924, 9 (vgl ad Sab. 2433, 6. 2893 III 3); aus Pomponius: ad ed. 722 I 7 (vgl. ad ed. 386 pr.); aus Papinian: ad Sab. 2767 I 8; vgl. ferner ad ed. 1278, 12 (exstat Sabini sententia). 1524 I 14 (sunt qui putent secundum Sabinum et Cassium). Auch dass Sabinus häufig bei Aufzählungen älterer Juristen, namentlich im Zusammenhange mit Cassius begegnet, darf man gewiss dadurch erklären, dass Ulpian ihn schon in seinen Vorlagen in dieser Verbindung fand. Vgl. z. B. ad ed. 232 I 2. 279 II pr. 418. 570 II pr. 639 II 4. 5. 773 II pr. 851 I 9. 922 IV 18. 931, 3. 948, 8. 951 I 1. 955 I 12. 1278, 32. 1285 I 8. 10. 11. 1380, 1. 1524 I 14; ad Sab. 2574 I 1. 2661, 3 (vgl. o.). 2870, 5.

21. Nerva der ältere (Bd. IV S. 131 Nr. 14) wird in den beiden grossen Commentaren und in der Schrift de fideicommisssis und zwar meistens mit anderen Juristen des 1. Jhdts. zusammen citiert. Als entlehnt giebt sich ad Sab. 2594 pr. zu erkennen (aus Marcellus, auf den vielleicht auch ad ed. 769 I 9 zurückgeht). Ad Sab. 2577 II 1 stammt wohl aus Celsus, ad ed. 851 I 3 aus Iulian, ebd. 549 III 3 aus Pomponius. Spuren einer Benutzung aus erster Hand fehlen.

22. Cassius Bücher de iure civili (Bd. III S. 1737f.) sind von Ulpian in seinem Commentar ad Sabinum, wenn auch nicht in dem Masse wie Celsus, Iulian, Pomponius, so doch immerhin recht häufig (nachweisbar Buch 1. 3. 4. 7. 8. 12. 17. 18. 20. 21. 23. 24. 27. 30. 31. 37. 41. 48) erwähnt. Eine beträchtliche Zahl dieser Stellen geht auf das Originalwerk zurück. Wir haben eine Reihe von Anführungen des Werkes und [1483] Buches (2491, 4 [B. 2]. 2558, 3. 2559 I 5. 2560 II 1 [B. 8]. 2574 II pr. [B. 10]. 2574 II 2 [B. 8; 2837, 2 [B. 6], wie sie sonst im Quellenkreis Ulpians nicht begegnen (ausserdem nur bei Paul. Dig. XXXVII 6, 2, 5, ein Beweis, dass das Buch damals noch gelesen wurde). Aus frg. 2445 pr. (et scribit Cassius et Iavolenus posselavol) darf nicht etwa geschlossen werden, dass Ulpian das Werk nur im Auszuge des Iavolenus gekannt habe, denn aus diesem konnte er, soweit unsere Fragmente (Lenel I 277ff.) ein Urteil gestatten, die obigen Buchangaben nicht entnehmen. Wenn das Citat aus Iavolenus originär ist – was nicht sicher ist (vgl. nr. 34) – und wenn es aus den libri ex Cassio herrührt, so muss Ulpian den Auszug neben dem eigenen Werk des Cassius benutzt haben (vgl. Krüger 219, 170). Dass daneben viele Citate des Cassius, und gewiss auch aus den libri iuris civilis, aus zweiter Hand herrühren, ist nicht zu bezweifeln. Zum Teil geben sie sich selbst als entlehnt zu erkennen. So werden als Gewährsmänner angeführt Aristo (mittelbar vgl. nr. 35): ad Sab. 2742, 2, Urseius (u. S. 1489, 8): ad ed. 1684, 10 (wo jedenfalls Cassium existimasse Urseius refert zu lesen ist), ad Sab. 2555 II 5), Celsus: ad Sab. 2610, 20; vgl. auch ad ed. 1510, 3, ad Sab. 2577 II 1, Iulian: ad ed. 533, 5, ad Sab. 2433, 6. 2455 I 1. 2952 III 1, vgl. 2482, 3. Pomponius: ad ed. 260, 2; ad Sab. 2572, 2; vgl. auch ad ed. 1524 I 14: (sunt qui putent secundum Sabinum et Cassium). Aber man muss ohne Frage weiter gehen: die gemeinschaftliche Anführung des Cassius mit älteren Juristen, namentlich mit Sabinus zusammen (vgl. nr. 20) ist, wenn auch nicht immer (vgl. frg. 2560 II), so doch in vielen Fällen auf Mittelmänner zurückzuführen. Und auch wo er allein genannt ist, ist gewiss oft die gleiche Annahme am Platze; lässt sich doch Cassius in fast allen von Ulpian ausgebeuteten Quellen (Iulian, Pomponius, Maecian, Venuleius, Marcellus, Scaevola, Papinian) nachweisen. Insbesondere gilt das für Ulpians Commentar ad edictum, der in unseren Fragmenten keine Buchangaben aus Cassius aufweist, während im Commentar ad Sabinum gewiss viele der den Cassius ohne nähere Angabe nennenden Stellen originär sind.

23. Nerva der jüngere (Bd. IV S. 132 Nr. 15). Die drei Erwähnungen bei Ulpian (ad ed. 279 15. 851 I 8; ad Sab. 2582 I 7) berechtigen nicht zur Annahme einer selbständigen Benutzung.

24. Von Proculus führt Ulpian mehrfach Noten zu Labeo an: ad ed. 354, 1; ad Sab. 2641, 2, vgl. ad Sab. 2559 II. 2575 pr.; und auch andere Stellen, in denen Proculus mit Labeo zusammen genannt wird, mögen dahin zu rechnen sein (vgl. ad Sab. 2575 I 1). In der ersten Stelle wird Celsus als Gewährsmann genannt; sie scheint sich auf Labeos Edictscommentar zu beziehen. Die übrigen deuten auf die libri posteriores hin; es ist nicht unmöglich, dass Ulpian von dieser ihm wahrscheinlich im Original vorliegenden Schrift (nr. 16) eine Ausgabe mit Noten des Proculus (Bd. I S. 2557) benutzt hat. Im übrigen aber tragen die bei ihm begegnenden Citate aus Proculus den Charakter der Entlehnung. Wiederholt wird das offen ausgesprochen, oder ist es aus dem [1484] Zusammenhang wahrscheinlich. So stammen aus Celsus: ad ed. 354, 1. 461 II 1. 623 II 10 (vielleicht auch §. 9, oder aus Urseius? vgl. ferner: ad ed. 871, 5; ad Sab. 2460 III 3. 2577 II 1. 2606, 3); aus Vivianus (nr. 30): ad ed. 623 II 8. 1761 III 4; aus Urseius: ad ed. 621, 1; aus Neratius: ad ed. 596 V 1; aus Iulian ad Sab. 2445, 1 (vgl. ad ed. 614 III 5; ad leg. Iul. et Pap. 2023, 1); aus Pomponius (wahrscheinlich): ad Sab. 2830, 3; 10 aus Arrian (nr. 44): ad ed. 509 I pr.; aus Marcellus (vielleicht): ad ed. 769 I 9; aus einem Rescript der Divi fratres: ad leg. Iul. et Pap. 2023 pr. Auch dass Proculus häufig bei Aufzählungen von älteren Juristen, namentlich Angehörigen der Rechtsschulen, auftritt, darf man als ein Zeichen der Entlehnung dieser Citate ansehen (vgl. ad ed. 460, 9. 596, 1. 614 III pr. 625 IV 3. 752, 11. 769 19. 852 VII. 861 I pr. 1344, 5; ad Sab. 2576, 2. 2577 II 1. 2590 II; ad leg. Iul. et Pap. 1977 II 1).

25. Atilicinus wird aus zweiter Hand angeführt: ad ed. 596 V 1 (aus Neratius); ad Sab. 2563 (Atilicinum respondisse Aufidius Chius refert; aber auch der Gewährsmann war jedenfalls nicht von Ulpian eingesehen und stammt wohl aus dem kurz zuvor erwähnten Celsus). Auch von den übrigen Citaten (Lenel Paling. I 71ff.) weist keines die Merkmale einer unmittelbaren Benutzung auf, vielmehr spricht die Zusammenstellung, in der Atilicinus regelmässig mit anderen älteren Juristen erscheint (Bd. II S. 2075f.), für die Entlehnung.

26. Des Caelius Sabinus Commentar ad edictum aedilium curulium (Bd. III S. 1272f.) wird in den entsprechenden Büchern Ulpians oft erwähnt (1760 VI 3. 10. 1761 I 1. III 6–10. 12. 13. 15. 16. 1792, 7. 1793, 11). Angabe von Werk und Buch fehlt zwar, begegnet aber in den letzten Büchern bei Ulpian ad edictum überhaupt nicht mehr, s. u. S. 1501. Da die Citate sich (namentlich in frg. 1761) in grosser Anhäufung finden und mehrfach auch Kenntnis des Wortlautes voraussetzen, so liegt kein Grund vor, an der unmittelbaren Benutzung dieses für das aedilicische Recht grundlegenden Werkes durch Ulpian zu zweifeln. Pomponius, an den man etwa als Vermittler denken könnte, fehlt in frg. 1761 überhaupt; in frg. 1792, 8. 9 wird er allerdings zwischen Citaten aus Caelius genannt; aber dieser Umstand genügt nicht, eine Entlehnung des ganzen Materials des Caelius aus ihm anzunehmen. Citate des Caelius aus zweiter Hand sind nicht nachweisbar.

27. Bei den Citaten aus Pegasus sprechen alle Anzeichen dafür, dass sie aus zweiter Hand stammen. Meistens wird er mit anderen, namentlich zeitgenössischen Juristen zusammen genannt (ad ed. 279 I 5. 332. 773 II pr. 861 I pr.; ad Sab. 2572, 2. 2680 I 4. 2609, 3; ad leg. Iul. et Pap. 1977 II 1). Als entlehnt kennzeichnet sich ad ed. 538 I 3: et Pegasus fertur existimasse; aus Iulian wird stammen: ad Sab. 2587 II 7, aus Pomponius: 2572, 2; fraglich ist frg. 2489 (aus Arrian? vgl. nr. 44).

28. Fulcinius (ad ed. 1389 pr.; ad Sab. 2805 I 3) ist jedenfalls nicht von Ulpian benutzt, ebenso wie

29. Celsus, der Vater (ad ed. 772 II 7 nach seinem Sohne).

[1485] 30. Vivianus wird meistens in der Weise angeführt, dass Ulpian sagt: apud Vivianum relatum est (quaeritur): ad ed. 469 I 6. 623 II 8. 1529, 45 (41. 46. 47). 1597 II 5 (saepissime relatum). 1753, 9 (10). 1760 I 9 (10. 11 II pr. 1). 1761 III 3 (3. 4. 5). In einer dieser Stellen giebt Ulpian auch das Buch an (623 II 8: lib. VI ex Viviano), was bei keinem anderen Juristen vorkommt, während Vivianus sonst noch in Scaevolas Quaestionen genannt wird (Dig. XXIX 7,1 14pr.: quantum repeto apud Vivianum). Diese eigentümliche Art der Citate, namentlich auch die Thatsache, dass nirgends ein Werktitel begegnet, macht es wahrscheinlich, dass es im 2. Jhdt. einen Auszug aus Vivianus – Commentar ad edictum? vgl. Lenel Paling. II 1225, 1 – gegeben hat. Und dafür, dass Ulpian diesen gekannt hat, spricht ausser der Angabe der Buchzahl auch die Häufung der Citate in frg. 1529, 41–47. 1753, 9-10. 1760 I 9–11. III 3–5, die auch eine Kenntnis des Wortlautes voraussetzen. Daneben mögen Entlehnungen vorgekommen sein: ad ed. 460, 11 stammt wohl aus Celsus. Aber dass die Entlehnung aus Pomponius die Regel gewesen sei (Pernice 472), ist nicht erweislich. Zwar begegnet dieser Jurist vereinzelt in der Nähe von Citaten aus Vivianus (frg. 469 I 6. 1760 II), aber in den meisten Stellen ist das nicht der Fall und sprechen die angegebenen Merkmale für eine selbständige Benutzung.

31. Aufidius Chius s. nr. 25.

32. Octavenus. Für ihn wird Pomponius einmal (ad ed. 513 II pr.) als Gewährsmann genannt und mag es noch öfter gewesen sein; aber wir vermögen die Quelle der übrigen Citate (Lenel Paling. I 793ff.) nicht nachzuweisen. Denn dass sie sämtlich aus zweiter Hand stammen, muss, da Merkmale für directe Benutzung fehlen, angenommen werden.

33. Pedius. Sein Commentar zum Edict ist in dem gleichen Werke Ulpians nicht selten (vgl. u. S. 1500) erwähnt. Im ganzen haben wir daraus bei Ulpian einige Bruchstücke erhalten, die sich über sein ganzes Werk verteilen (Buch 4. 5. 7. 10. 11. 13. 27. 28. 29. 37. 38. 41. 52. 69. 70. 71. 79; aed. cur. 1. 2). Eine Reihe von Gründen sprechen entschieden für die Benutzung aus erster Hand und lassen Pernices Urteil (466), man möge sich zu Ulpians Ehre vorstellen, dass er für einzelne besonders wichtige Sätze das Originalwerk gelegentlich nachgeschlagen habe, als zu absprechend erscheinen. Vor allem die bei Ulpian verhältnismässig häufigen, bei anderen Schriftstellern (ausser Paulus) nicht mit Sicherheit nachweisbaren Buchangaben (ad ed. 350, 11–13. 371 III pr. [B. 7]. 377, 5. 385, 4 [B. 8]. 447, 2. 453 III pr. 455 [B. 9], 836, 1. 852, 3 [B. 15]). Untersucht man die einzelnen Bücher Ulpians auf ihr Material aus Pedius, so ergiebt sich in manchen von ihnen eine für einen Juristen des 1. Jhdts. immerhin beträchtliche Ausnutzung dieses Juristen; so erscheint er in Buch 11 dreimal (371 III pr. 377, 5. 385 I pr.), in Buch 13 dreimal (447, 2. 453 III pr. 455). in Buch 29 fünfmal (836, 1. 845. 850 II 3. 852 II 3. III 4); in Buch 1 ad ed. aed. cur. ist er mit zehn Citaten eine der am meisten erwähnten Quellen Ulpians (1757. [1486] 1760 V 1. VI 4. 5. 1764 II pr. 1772. 1773, 4. 1779, 13–15). Auch an anderen Stellen lässt die Anhäufung von Aussprüchen des Pedius auf seine unmittelbare Benutzung schliessen; vgl. Buch 4 frg. 244, 8. 245, 9. Buch 10 frg. 350, 11–13 (vgl. o. S. 1470). Buch 70 frg. 1556, 7. 1557 II 3. Schliesslich machen eine Anzahl von Citaten entschieden den Eindruck, dass Ulpian den Wortlaut des Pedius vor sich gehabt hat; vgl. frg. 350, 11–13. 447, 2. 455. 852 II 3. III 4. 1556, 7. 1760 V 1. VI 4-5. 1772. 1779, 14. Unterstützend kommt hinzu, dass auch Paulus den Commentar des Pedius mehrfach und zwar ebenfalls mit Buchangabe (Dig. XXXVII 1, 6, 2) nennt: vgl. auch XII 1, 6: Pedius lib. I de stipulationibus, ein Werk, das in unseren Resten Ulpians nicht vorkommt; jedenfalls wurde also Pedius damals noch gelesen.

Natürlich soll nicht in Abrede gestellt werden, dass Ulpian den Pedius, wie so viele andere Juristen, deren Werke ihm bekannt waren, gelegentlich auch aus zweiter Hand citiert hat. Aber mit voller Sicherheit ist das nirgends erkennbar. Über frg. 453 III pr. 385 I 4 s. S. 1470. In den übrigen Hauptquellen Ulpians (Celsus, Iulian, Scaevola, Marcellus, Papinian) vermögen wir Pedius überhaupt nicht nachzuweisen.

34. Was Iavolenus anlangt, so haben wir bereits darauf hingewiesen (nr. 16. 22), dass Ulpian (vielleicht dessen Bearbeitungen der libri posteriores des Labeo und der libri iuris civilis des Cassius benutzt hat. Im übrigen begegnet nur ein Citat (ad Sab. 2489), dessen Herkunft wir nicht kennen und das jedenfalls keine Handhabe bietet, eine unmittelbare Benutzung dieses Juristen zu behaupten; vgl. nr. 44.

35. Aristo wird von Ulpian in den Commentaren ad edictum, ad Sabinum, ad leg. Iul. et Pap., sowie in den Monographien de fideicommissis und de officio praet. tutelaris und zwar in den ersteren nicht selten genannt. Dennoch bleibt es fraglich, ob Ulpian Schriften von ihm im Urtext benutzt hat. Zwar werden mehrfach die Adressaten seiner Responsa angeführt (ad ed. 242, 2. 601, 5) und seine Noten zu Labeo (ad Sab. 2488, 5; vgl. nr. 16), Sabinus (ad Sab. 2570. 2575 II. 2641, 1 [schwerlich als Note zu Vitellius aufzufassen, wie Krüger 164, 148 meint]) und Cassius (ad ed. 1755; ad Sab. 2558, 3. 2585, 1) erwähnt. Aber derartige Citate finden sich auch bei Pomponius (Dig. XL 4, 6. XL 7, 29, l. Vat. frg. 88). Wirkliche Angaben von Werk und Buch, Anhäufungen von Citaten, wie sie bei anderen Juristen vorkommen, fehlen (frg. 1606 stammt aus Pomponius). In frg. 601, 5 scheint allerdings Ulpian den Wortlaut des Aristo gekannt zu haben, aber vereinzelt beweist auch diese Stelle nichts für die Benutzung des Originals, sie dürfte aus Pomponius Variae Lectiones stammen (vgl. S. 1499). Überhaupt wird Aristo bei den Schriftstellern, die Ulpian als Quelle dienten (Pomponius, Neratius, Maecian, Marcellus, Papinian), häufig erwähnt. Und in der That giebt Ulpian wiederholt den Pomponius (ad ed. 406. 2. 1606 pr.-2; ad Sab. 2570; de fideic. 1873, 2; vgl. ad Sab. 2566; über frg. 2489 s. nr. 44), einmal auch den Neratius (ad ed. 1058 II) als seinen Gewährsmann an; ad ed. 769 I 8 ist jedenfalls [1487] aus Iulian entnommen. So wird man, wenn auch eine gelegentliche Benutzung der Werke des Aristo nicht unmöglich ist, sie doch nicht mit genügender Sicherheit zu Ulpians Quellen zählen dürfen; vgl. auch Pernice 466f.

36. Unbestimmbar ist das eine Fragment des Paconius (ad ed. 798, 1), aber schwerlich aus erster Hand herrührend.

37. Auch über Puteolanus, von welchem Ulpian (ad ed. 251 I) den lib. I adsessoriorum anführt, lässt sich nichts Zuverlässiges behaupten, da dieser Jurist nur hier vorkommt und auch seine Zeit ungewiss ist.

38. Valerius Severus begegnet dreimal bei Ulpian (Lenel Paling. II 1207). Eins dieser Citate (ad ed. 305 pr.) knüpft an Iulian, bei dem er auch sonst vorkommt (Dig. III 5, 29), an und ist wahrscheinlich aus ihm entlehnt. Auch die übrigen stammen gewiss aus zweiter Hand.

39. Über Urseius Ferox s. nr. 42.

40. Neratius Priscus wird in Ulpians beiden grossen Commentaren, in den Disputationes und Fideicommissa erwähnt; auch wird er unter dem im liber singularis regularum (11, 28) genannten Priscus zu verstehen sein. Von seinen Schriften werden mit Buchangabe angeführt die Membranae: ad ed. 512, 3 (B. 6 und 7). 596 I pr. 1. 2 (B. 2). III (B. 3). 772, 5 (libro membranarum, Buchzahl wohl ausgefallen). 1058 II 2 (libris membranarum); ad Sab. 2558, 3 (B. 4). 2559 II (B. 3). Derartige Angaben finden sich ausserdem bei Celsus (Dig. VIII 6, 12) [und bei Gaius und Paulus]. Ferner die Responsa: ad ed. 852 III 1 (B. 2). 876 II pr. (B. 1 und 2: Entlehnung möglich). 931, 12 (B. 2); ad Sab. 2562 I 2. 2564 (B. 1). Dies Buch wird ausserdem bei Paulus, nicht aber in den als Ulpians Quellen in Betracht kommenden Schriften genannt, doch mögen die bei Celsus (Dig. L 17, 191), Iulian (Dig. XXXIX 6, 21), Pomponius (Dig. XXXV 1, 6, 1. 4 112, 3), Papinian (Dig. IV 3, 19. VII 1, 33 pr.) erwähnten Gutachten des Neratius grösstenteils daraus entnommen sein (Lenel Paling. I 776f.), obwohl auch seine Epistulae Responsen enthielten. Wenn nun auch kein Zweifel an der Bekanntschaft dieser Juristen mit den Membranae wie den Responsa bestehen kann, so ist doch das nur ganz vereinzelte Vorkommen von Buchangaben bei ihnen beachtenswert. Ulpian, bei dem sie sich recht häufig finden, muss sie also aus dem Original entnommen haben. Für dessen Kenntnis spricht auch die gelegentliche Anhäufung von Citaten (vgl. namentlich frg. 596. 931, 7ff.); vgl. Pernice 467.

Ausserdem führt Ulpian von Neratius noch an die Epistulae (ad ed. 951 I 2 [epistula Neratii ad Aristonem]; ad Sab. 2611, 35 [lib. IV epistularum Rufino respondit]. 2611, 43 [lib. IV epistularum Marcello fratri suo respondit] und die Libri ex Plautio (ad ed. 596 V [libris ex Plautio]). Da diese Werke in unseren Quellen bei keinem anderen Juristen erwähnt werden, so ist die Entlehnung der Citate unbeweisbar und erscheint, namentlich bei den genauen Angaben aus den Epistulae, die Annahme der Benutzung des Originals durch Ulpian geboten. Zweifelhafter ist dies bei den Libri ex Plautio; vgl. auch u. nr. 43. Eine Buchangabe fand sich ferner [1488] noch ad ed. 922 IV 16–17 (ibidem), doch haben die Compilatoren sie getilgt.

Von den übrigen, etwa 60 Stellen, in welchen Ulpian den Neratius nur dem Namen nach anführt, mag manches aus anderen Gewährsmännern entnommen sein. Nachweisbar stammt ad ed. 1339, 5 aus Marcellus, ad ed. 317, 1. 851 I 3 wahrscheinlich aus Iulian, ad Sab. 2566 (Vat. frg. 83). 2764 II 5 aus Pomponius. Andrerseits aber darf man, da die unmittelbare Benutzung des Neratius keinem Zweifel unterliegt, gewiss auch ein gutes Teil dieser Citate als aus dem Urtext entnommen ansehen. Die blosse Erwähnung in der Nähe eines anderen Juristen (Pernice 467, 2) kann hier nicht als ausreichender Beweis des Gegenteils angesehen werden.

41. Celsus, der Sohn. Dass Ulpian seine Digesten, die er bald mit Buchangabe, bald aber auch mit dem blossen Namen des Urhebers anführt, ausgiebig benutzt hat, bedarf keines Beweises. Citate begegnen nicht nur in den beiden grossen Commentaren (ad ed. B. 2–6. 10-13. 15. 18–20. 22. 24–32. 37. 38. 50. 52. 53. 56. 58. 59. 65. 68. 71. 73. 75–77; ad Sab. B. 1. 2. 4–7. 15. 17–20. 23. 25. 28. 29. 31. 32. 37. 41. 46. 47), sondern auch in den Disputationes (B. 3. 5. 7. 9), den Schriften de fideicommissis (B. 5) und de officio proconsulis (B 3) und sind gewiss auch noch in vielen seiner anderen Werke vorgekommen. Erwähnungen aus zweiter Hand sind nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Ob Ulpian die ausserdem, teils zusammen mit den Digesten (ad ed. 397 II 1; ad Sab. 2460 III 2. 2606, 6), teils auch allein (ad ed. 755, 1; ad Sab. 2606, 3) mit Buchangabe genannten Epistulae, Quaestiones, Commentarii des Celsus selbst gelesen hat oder ob er die Citate in den Digesten oder – was wenig wahrscheinlich – bei anderen Juristen vorgefunden hat, lässt sich nicht entscheiden; vgl. o. S. 486.

42. Iulianus begegnet bei Ulpian auf Schritt und Tritt. Seine Digesten bildeten, der Bedeutung des Werkes entsprechend, eine Hauptquelle in der grössten Zahl von Ulpians Schriften. Nachweisbar sind sie (mit und ohne Buchangabe) in den Commentaren ad edictum (B. 3–5. 8–13. 15–20. 22–41. 44. 45. 49-53. 54-57. 59–61. 63. 66. 69–76. 79. 80; aed. cur. 1), ad Sabinum (B. 1. 3. 4. 6–9. 12–14. 16–19. 21-33. 35–41. 43. 44. 46–50), ad leg. Iuliam et Papiam (B. 1. 3. 10. 11. 13. 15. 16. 18), ad leg. Aeliam et Sentiam (B. 4); in den Disputationes (B. 2. 4. 5–7) und den Schriften de fideicommissis (B. 1–4), de omnibus tribunalibus (B. 2), de appellationibus (B. 1). Er benutzte sie mit den Noten des Mauricianus (nr. 47): ad ed. 242, 2; ad Sab. 2562 I (Vat. frg. 75, 3). 2587 II 1 (vgl. Buhl Iulian 114, 4 gegen Karlowa I 711) und des Marcellus ad ed. 272. 273. 374, 8. 403, 4. 5. 513 I 13. 594 II 5. 619. 1. 621, 3(?). 783, 7. 852 II 1. III 8 (?). 881 V 2. 895 I. 1384 pr. 1873 pr. ad Sab. 2529, 3. 2562 I (Vat. frg. 75, 3). 2587 II 1. 2594 pr. (?). 2564 I 5. 2655, 2. 2672(9). 2677. 2798 (?). 2941, 8; Disput. 90. 91 pr. (vgl. Buhl I 114ff.).

Iulian hatte ein dem Titel nach unbekanntes Werk des Urseius Ferox in einen Auszug gebracht und mit Anmerkungen versehen (Krüger 160). Dass Ulpian diese Bearbeitung gekannt hat, ist [1489] aus ad ed. 641, 12 Urseius ait … Iulianus autem recte notat) zu erschliessen (vgl. auch Dig. X 3, 4, 4; ebd. 5. Lenel Paling. I 493 frg. 897). Wir finden aber ausserdem bei Ulpian vier Bruchstücke des Urseius, welche eine Beziehung zu Iulian nicht erkennen lassen, drei mit blosser Namensangabe (ad ed. 621, 1: Proculum existimasse Urseius refert 1684, 10: statt Cassius existimasse Urseium refert ist gewiss zu lesen Cassium existimasse Urseius refert [Lenel II 866, 3]; ad Sab. 2555 II 5: Cassius apud Urseium scribit), eins (ad ed. 623 II 9) unter der Bezeichnung libro X Urseius refert. Iulians Auszug hatte nach Angabe der Compilatoren Iustinians nur vier Bücher (Ind. Flor. I 3, womit die Digesten übereinstimmen). An der Richtigkeit des Citates aus dem 10. Buch bei Ulpian ist aber um so weniger zu zweifeln, als dieses uns in der Collatio (12, 7, 9) erhalten ist. Entweder haben also die Compilatoren nicht den vollständigen Auszug Iulians gehabt: dann könnten alle Citate Ulpians aus diesem stammen. Oder Ulpian hat neben dem wirklich nur aus vier Büchern bestehenden Auszug Iulians noch den Urtext des Urseius benutzt, aus dem dann die des Iulian nicht gedenkenden Stellen, insbesondere auch die aus dem 10. Buch entnommen wären. Von diesen beiden Möglichkeiten hat die letztere die grössere Wahrscheinlichkeit für sich, denn, wenn man auch auf den Wortlaut der Citate kein Gewicht legen wollte, so umfassen doch die vier Bücher der Compilatoren schon die wichtigsten Lehren des von Urseius dargestellten Civilrechts, so dass schwer zu sagen wäre, womit noch sechs weitere Bücher hätten ausgefüllt sein sollen. Dass schliesslich Ulpian seine Erwähnungen des Urseius, wenn auch nicht aus Iulians Auszug, so doch aus einem anderen Schriftsteller entlehnt haben sollte, ist nicht wahrscheinlich. Wenigstens vermögen wir ein Citat dieses Juristen (abgesehen von Iulians Auszug) bei keinem der für Ulpian in Betracht kommenden Juristen nachzuweisen. Ausser ihm erwähnt ihn nur noch Paulus (Dig. XXXIX 3, 11, 2: apud Ferocem Proculus ait).

In ähnlicher Weise hatte Iulian ein uns unbekanntes Werk des Minicius Natalis bearbeitet. Ulpian citiert es ad ed. 931, 15: denique (Iulianus) lib. X ad Minicium ait. Auch von diesem Werke kennen die Digesten Iustinians nur eine geringere Zahl von Büchern, nämlich sechs (vgl. Ind. Flor. I 2). Mag ein Schreibversehen vorliegen oder mag das Werk nur unvollständig auf die Compilatoren gekommen sein – eine Entscheidung dieser Frage ist nach dem erhaltenen Material nicht möglich –, jedenfalls benutzte es Ulpian in der Bearbeitung Iulians. Dagegen vermögen wir hier eine Bekanntschaft mit dem zu Grunde liegenden Werke des Minicius nicht nachzuweisen.

Citate des Iulian aus zweiter Hand kommen vor. Aus Pomponius stammen: ad ed. 336 II pr. 855 I 2 (vgl. ad Sab. 2735, 3); aus Maecian de fideic: 1880 II (vgl. 1871, 8); aus einem Rescript der divi fratres: ad leg. Iul. et Pap. 2023 pr.

43. Pomponius ist in Ulpians Commentaren ad edictum (B. 1. 3–6. 8–19. 22–25. 27–30. 32. 35. 39–41. 44. 49. 51. 55. 57. 59. 69–73. 76. 79; aed. cur. 1. 2), ad Sabinum (B. 2. 5. 7. [1490] 8. 14. 15. 17. 18. 20. 23. 24. 27–32. 36. 44), ad leg. Iul. de adult. (B. 1. 2), in den Disputationes (B. 2) und Fideicommissa (B. 3) nachweisbar.

Dass zunächst sein grosser Commentar ad edictum in Ulpians gleichem Werke viel benutzt ist, bedarf keines Beweises (Buchangaben s. bei Lenel II 42ff.). Aber auffallenderweise erscheint diese Benutzung in unseren Fragmenten als eine recht ungleichmässige. In einzelnen Büchern tritt sie stark hervor (besonders in den mit * bezeichneten): Ulp. B. 5 (in ius vocatio). 6 (postulatio). 9–10 (Procuratur und Cognitur). *11–13 (in int. rest.), *14 (receptum). 16 rei vind. und a. Publ.). 19 (a. fam. erc.). 24 (si mensor etc. a. ad exhib.); ad ed. aed. cur. 1. In anderen Büchern aber begegnen trotz des uns erhaltenen beträchtlichen Materials an Citaten, Stellen aus Pomponius garnicht (mit * bezeichnet) oder doch nur ganz vereinzelt: Ulp. B. 15 (hered. pet.). 18 (a. de pauperie; lex Aquillia). 23 (a. noxales; de effusis; de aleatoribus; si iudex litem u. s. w.). 25 (de religiosis). *26. 27 frg. 779–781 (a. certae pec. cred.), frg. 782–784 (a. de eo q. certo loco) [dann aber frg. 785–797 (constitutum) häufiger]. 28 frg. 798-812 (commodatum, pignus. [Es folgen B. 28 frg. 813–29, 871 die adiecticischen Klagen, bei denen Pomponius einmal in der Darstellung der a. exercitoria, mehrfach in der der a. tributoria und de peculio genannt wird. Am Schlusse von B. 29 frg. 872–884 (SC. Macedonianum und Vellaeanum) kommt er wieder garnicht vor], *31 (mandatum, societas). *32 (emptio venditio, locatio conductio). *33. *34 (res uxoria, de adgn. liberis). 35. 36 (tutela). 37. 38 (furtum, Patronat). *53 (damnum infectum, a. aquae pluv. arc.). *56 (de turba vi incendio). 57 (iniuria). Auch in den letzten Büchern 68–73 (Inderdicte), 74–76 (Exceptionen), 77–81 (praet. Stipulationen) sind Erwähnungen des Pomponius verhältnismässig recht selten, und da hier die Buchangaben fehlen (u. S. 1501), bleibt die Frage offen, ob sich diese Citate sämtlich auf seinen Edictscommentar beziehen, ob nicht an manchen Stellen andere Werke des Pomponius (Variae lectiones [vgl. ad ed. 71 frg. 1606: o. nr. 35], Epistulae u. s w.) zu Grunde liegen. (Von solchen Büchern, die ihres geringfügigen Materials wegen keine Schlüsse gestatten, ist bei dieser Zusammenstellung abgesehen worden). Gewiss sind viele Citate des Pomponius in unserer trümmerhaften Überlieferung weggefallen. Aber es wäre doch ein wunderbarer Zufall, wenn dieses Schicksal gerade ihn betroffen haben sollte. Und das ist um so weniger glaubhaft, als die Citate anderer Schriftsteller viel gleichmässiger über Ulpians ganzes Werk verteilt sind. Von dessen 83 Büchern (ad ed. aed. cur. mitgerechnet) enthalten in unseren Fragmenten 38 kein einziges Citat aus Pomponius, dagegen nur 22 keins aus Iulian und 23 keins aus Labeo. Was der Grund dieser sprungweisen Benutzung von Pomponius Commentar gewesen ist, entzieht sich unserer Kenntnis, da wir sein Werk nur aus Anführungen anderer Schriftsteller kennen; Pernice hat die Ungleichmässigkeit nicht verkannt (Vermutungen über ihre Gründe s. 462f.); um so weniger hätte er behaupten dürfen, dass für Ulpians Kenntnis der Juristen des 1. Jhdts. Pomponius die Hauptquelle gewesen sei. Gerade [1491] in den Büchern, in denen er fehlt oder wenig vertreten ist, kommen jene häufig vor. Insbesondere vermögen wir Labeo in nicht weniger als 24 Büchern nachzuweisen, aus denen uns Citate aus Pomponius nicht erhalten sind (2. 7. 26. 31. 33. 34. 36. 37. 38. 43. 46 50. 52. 53. 56. 58. 60. 62. 66. 68. 74. 77. 80. 81).

Ähnlich verhält es sich mit Pomponius ad Sabinum, ein Werk, das Ulpian in seinem gleichnamigen Commentar oft herangezogen hat (Buchangaben sind häufig; vgl. 2575 IV. 2581, 1. 2594, 3. 2612 II 5. 2606, 5 (B. 5). 2661, 8 (B. 6). 2699, 7. 2704, 3. 2858, 2 (B. 8). 2708 II 6 (B. 9). 2722 (B. 10). 2803 II 1 (B. 15). 2829 II, 2837, 3 (B. 16). 2735, 3. 2867, 2 (B. 17). 2875 III. 2887, 4 (B. 19). 2913 II 9 (B. 22). Am ausgiebigsten erscheint das Werk in unseren Fragmenten bei Ulpian B. 17 (ususfructus legatus) und 41. (furtum) benutzt. Auch hier aber vermögen wir in 25, also der Hälfte von den 51 Büchern Ulpians, kein Citat aus Pomponius nachzuweisen, während Iulian nur in 10 Büchern fehlt.

Citate aus Pomponius Edictscommentar in Ulpians Sabinuscommentar und umgekehrt sind nicht bekannt, wenn es auch, da die Werke Ulpians ziemlich gleichzeitig entstanden sind, nicht ausgeschlossen ist, dass sie vorkamen.

Von den übrigen Werken des Pomponius begegnen zunächst dessen Epistulae. Ulpian nennt sie mit Buchangabe ad ed. 476 pr. (libro epistularum, Buchzahl wohl ausgefallen). 838 II 1. 853, 1 (B. 8); ad Sab. 2606, 5 (libris epistularum). Dieses Werk muss zu Ulpians Zeit viel gelesen sein; auch Scaevola (Quaest. IV. Dig. XIII 1, 18), Paulus (Dig. XXIII 7, 29. L 17, 124, 1) und Marcian (Dig. XXII 1, 32 pr.) führen es an. Indessen könnte nur der erstere dieser Schriftsteller als Vermittler für Ulpian in Betracht kommen. Doch bildet das Citat bei ihm keinen ausreichenden Grund, an der selbständigen Benutzung des Werkes durch Ulpian zu zweifeln.

Ähnlich steht es mit den Variae lectiones des Pomponius. Ulpian führt das Werk an: ad ed. 242, 6 (libris lectionum). 547 I 3 (B. 25). 601, 6 (B. 41); ad Sab. 2766 II 5 (B. 4). Bei Schriftstellern, die Ulpian sonst als Quelle benutzte, können wir es nicht nachweisen, wohl aber bei seinen Zeitgenossen Paulus (Dig. VI 1, 21. XX 5, 9, 1) und Marcian (Dig. XX 2, 5 pr. XLII 1, 43, 1).

Pomponius Libri ad Plautium werden von Ulpian ad Sab. 2562 I 2 (Vat. frg. 75). 2565 (Vat. frg. 82) genannt. Sonst finden wir diese Schrift des Pomponius nicht citiert, doch hat Lenel (Paling. II 80 [frg. 337]. 84f. [frg. 365–371] gewiss mit Recht die in des Paulus Büchern ad Plautium vorkommenden Citate des Pomponius darauf bezogen. So liegt auch kein Grund vor, Ulpians Bekanntschaft mit dem Werke zu bezweifeln. Auch frg. 2563 (Vat. frg. 77: omnes enim auctores apud Plautium de hoc consenserunt, ut et Celsus et Iulianus aiunt) mag aus Pomponius Bearbeitung herrühren. Da alle drei Stellen in demselben 17 B. ad Sab. vorkommen, so liegt diese Annahme auch hinsichtlich des letzteren Citates näher als die einer Entlehnung aus Celsus oder Iulian. Ausgeschlossen ist übrigens nicht, dass Ulpian noch andere Bearbeitungen [1492] des Plautius kannte, citiert er doch auch Neratius ex Plautio (ad ed. 596 V, vgl. o. nr. 40); möglich bleibt aber, dass er auch dies Citat des Neratius bei Pomponius vorfand.

Nur bei Ulpian (ad Sab. 2592, 2) erscheint in unserer Überlieferung Pomponius lib. VIII de stipulationibus. Jedenfalls spricht nichts gegen die Benutzung des Werkes. Auf Pomponius Schrift de fideicommissis hat Lenel (II 59) wohl mit Recht bezogen Ulp. fideic. 1873, 2. Über Pomponius ad Q. Mucium s. o. nr. 6. Keine sicheren Spuren finden sich von Pomponius Regulae, Enchiridium, de senatus consultis: auf letzteres Werk bezieht Lenel (II 150) Ulp. ad Sab. 2526 113.

Wenn demnach auch eine genaue Bekanntschaft Ulpians mit den verschiedenen Werken des Pomponius zweifellos ist, so kommen doch gelegentlich Stellen vor, in denen er auch diesen Juristen nur aus zweiter Hand anführt: ad ed. 924, 9; ad Sab. 2570 (Vat. frg. 88) aus Iulian; ad Sab. 2494, 6 aus Tertullian (nr. 54); ad Sab. 2489 scheint aus Arrian zu stammen (nr. 44).

44. Den Arrianus nennt Ulpian dreimal: ad ed. 509 I pr. (libro II de interdictis). 1467, 4 (von Lenel I 69 gewiss mit Recht auf dasselbe Werk bezogen); ad Sab. 2489 (fraglich aus welcher Schrift). In der letzteren Stelle wird er zweimal mit Pomponius zusammen und zwar nach ihm genannt. Aus diesem Grunde ist es wahrscheinlich, dass Arrian der jüngere von beiden – übrigens wohl sein Zeitgenosse – war (vgl. Krüger 172, 14) und dass nicht nur Pomponius sondern auch die anderen hier genannten Juristen (Pegasus, Aristo, Iavolenus) bei ihm citiert waren. Das gleiche dürfte in der ersten Stelle von Proculus gelten, der dort eine Meinung des Arrian unterstützt (übrigens ist möglich, dass die Compilatoren hier gekürzt haben). Nimmt man hinzu, dass die Buchangabe Ulpians die einzige ist, die wir von Arrian haben und dass er ausserdem nur bei Paulus (Dig. XXXVIII 10, 5. XLIV 7, 47) vorkommt, so ist wahrscheinlich, dass Ulpian ihn unmittelbar benutzt hat.

45. Vindius (wahrscheinlich der Consul suffectus des Jahres 138) wird dreimal von Ulpian citiert: einmal als Consulent Iulians (ad Sab. 2563 [Vat. frg. 77]), einmal in Verbindung mit Pomponius (ad ed. 257) und einmal unter fortlaufenden Stellen aus Marcellus (ad ed. 242). Wenn auch das erste Citat wohl kaum aus Iulian herrührt, so ist doch in den beiden anderen die Entlehnung sehr wahrscheinlich. Man darf also eine Kenntnis seiner Schriften durch Ulpian nicht behaupten.

46. Sex. Caecilius Africanus wird von Ulpian wiederholt in seinem Commentar ad leg. Iul. de adult. citiert: frg. 1947, 1. 1959, 5. 1963, 2. 1964. Diese Fragmente weisen eine so nahe Beziehung zu jenem Gesetze auf, dass der Gedanke, Africanus habe es entweder in einem besonderen Werke (Mommsen Ztschr. f. Rechtsgeschichte IX 92, 29) oder in einer anderen Schrift (Krüger 179) commentiert, grosse Wahrscheinlichkeit gewinnt (vgl. besonders frg. 1963, 2: adnotat). Dann aber ist zum mindesten nicht ausgeschlossen, dass Ulpian diese Arbeit benutzt hat. Im übrigen lässt sich eine Bekanntschaft Ulpians mit Africanus Schriften, namentlich mit seinen [1493] Quaestionen (Bd. III S. 1193f.) nicht erweisen. Erwähnt wird er noch ad Sab. 2519, 8. 2619 pr. (Africanus lib. XX epistularum apud Iulianum quaerit; vgl. Bd. III S. 1195). Ob das Citat im Cod. Iust. VII 7, 1, 1 a aus Ulpian (Lenel frg. 1904) oder Paulus de fideicommissis herrührt oder sich bei beiden Juristen fand, bleibt zweifelhaft. Ausserdem kommt Africanus nur noch bei Papinian (Dig. XXXV 1, 71 pr.) und bei Paulus (Dig. XXIV 1, 2. XXXV 2, 64, 4) vor.

47. Mauricianus wird bei Ulpian im liber sing. regularum 13, 2 zu den Ausführungen über die Lex Iulia et Papia Poppaea erwähnt, eine Stelle, welche ohne Frage aus seinem Commentar zu diesen Gesetzen stammt. Der Annahme, dass Ulpian dieses Werk gekannt habe, steht nichts im Wege; er wird es auch in seinem eigenen Commentar zu den Ehegesetzen benutzt haben. Die übrigen Anführungen des Maurician (ad ed. 510, 1; ad Sab. 2433, 5) lassen keine nähere Bestimmung zu. Über seine Noten zu Iulian s. nr. 42. Ausser bei Ulpian begegnet Maurician in unseren Fragmenten nur bei Paulus (Dig. VI 1, 35, 1).

48. Publicius wird einmal mit Africanus zusammen genannt (ad Sab. 2519, 8); daraus lassen sich natürlich keine Schlüsse ziehen.

49. Saturninus wird fünfmal von Ulpian erwähnt. Zwei der Stellen de off. proc. 2221, 4. 2223 pr. gehören ohne Zweifel der Schrift des Venuleius Saturninus de officio proconsulis (Dig. Ind. Flor. XXI 3) an, die Ulpian für sein gleichnamiges Werk jedenfalls im Original benutzt hat. Abgesehen hiervon nennt Ulpian ad Sab. 2607, 7 ein Werk des Q. Saturninus lib. X ad edictum, von dem sonst keine Spur begegnet (von Lenel Paling. II 1209, 5 angezweifelt). Ad ed. 673, 5 wird Q. Saturninus als dem Marcellus zustimmend angeführt, ad ed. 1425 wird von Saturninus der Ausdruck consulares feminae interpretiert. Bei der Unsicherheit der Citate, namentlich auch bei den Zweifeln über die Persönlichkeit des Saturninus (Bd. III S. 2865) ist Zurückhaltung geboten. Ausser bei Ulpian begegnet Venuleius Saturninus noch bei Modestin (Dig. XLVIII 3, 14, 7).

50. Maccianus Quaestiones de fideicommissis (12. B.) werden mit Angabe von Werk und Buch nicht nur in Ulpians gleicher Schrift (de fideic. 1880 II 6 [B. 6|. 1881, 13 [B. 7]), sondern auch in seinem Commentar ad Sab. 2549 citiert. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Stellen, sowie die in beiden Werken unter blosser Angabe des Namens vorkommenden (de fideic. 1857, 1. 1863. 1871, 8. 1880 II pr. 1881, 8. 9. 13. 14; ad Sab. 2551 pr.) von Ulpian aus diesem Werke unmittelbar entnommen sind. Zwar lässt sich Maecians Schrift auch in Scaevolas Quaestionen (Dig. XXXV 2, 20; vgl. ebd. 30, 8) und in Papinians Responsen (Dig. XXIX 2, 86 pr. libro quaestionum, Buchzahl wohl ausgefallen), welche beiden Werke zu den von Ulpian benutzten Quellen gehören (ausserdem bei Paulus [ohne Buchangabe] Dig. VIII 3, 6, 1. XXVIII 6, 44) nachweisen. Aber unmöglich konnte sich Ulpian bei seiner Schrift de fideicommissis das Hauptwerk über diesen Gegenstand entgehen lassen; ausserdem spricht auch die genaue Art der Anführung [1494] und die Häufung der Citate im 4. Buch für die Verwertung aus erster Hand. Das gleiche muss dann auch für den Sabinuscommentar gelten. Ferner begegnet bei Ulpian de off. proc. 2204 ein die Lex Pompeia de paricidiis behandelndes Bruchstück des Maecian ohne nähere Angabe. Da wir wissen, dass dieser Jurist de iudiciis publicis geschrieben hat (Lenel Paling. I 587f.), so haben Krüger 182 und Lenel a. a. O. mit Recht angenommen, dass die citierte Stelle aus diesem Werke stamme. Wahrscheinlich hat Ulpian es dann auch benutzt; wenigstens ist nicht ersichtlich, woher das Citat entnommen sein sollte. Als entlehnt kennzeichnet sich eine Erwähnung Maecians bei Ulp. ad leg. Iul. et Pap. 2023 (aus einem Rescript der divi fratres).

51. Marcellus Digesten zählen zu den wichtigsten Quellen Ulpians. Nachweisbar sind sie in den Werken ad edictum (B. 2–5. 9–12. 14–19. 22. 24-36. 38. 40. 41. 43-46. 50. 53. 57. 59. 70–73. 76. 77. 79; aed. cur. 1), ad Sa-binum (B. 1. 2. 5. 8. 12. 14–17. 19. 21. 23. 28. 30–32. 34. 36. 38. 41. 43. 46. 49), Disputationes (B. 3. 4. 6. 7. 8), de fideicommissis (B. 1. 2. 5). Ulpian benutzte sie mit den Noten Scaevolas (vgl. ad Sab. 2565 [Vat. frg. 82]. 2768 III 6. 2785, 1; de fideic. 1858; disp. 94 pr.?). Über seine eigenen Noten zu diesem Werk s. o. III 27. Neben den vielen unmittelbaren Citaten begegnen auch hier entlehnte; aus Scaevola (ad ed. 574 II 2), aus Papinian (ad ed. 636 I 5. 1105, 8). Ausser den Digesten hat Ulpian ohne Frage auch des Marcellus Schrift de officio consulis (citiert bei Marcian Dig. XL 15, 1, 4) in seinem gleichnamigen Werke benutzt: Lenel (I 634) hat mit Recht die Citate in frg. 2056, 3. 2064, 22 darauf zurückgeführt.

52. Scaevola wird wiederholt, wenn auch nicht gerade häufig, in Ulpians Commentaren ad edictum (B. 11. 16. 27. 38. 40. 50), ad Sabinum (B. 1. 3. 9. 17. 18. 31. 43), ad leg. Iul. de adult. (B. 5) und in den Disputationes (B. 1. 4. 5. 6) erwähnt. Von seinen Schriften sind bei Ulpian. nur die Quaestionen nachweisbar. Sie werden mehrfach mit Angabe des Buches citiert; ad ed. 402 II 1 (B. 14). 574 II 2 (B. 11). 783, 3 (B. 15); ad Sab. 2456 V 6 (B. 10). 2587 II 6. 2906, 3 (B. 2). An der unmittelbaren Benutzung kann kein Zweifel bestehen. Von den übrigen Werken Scaevolas begegnen keine sicheren Spuren. Auch Disp. 35 I (responsum est a Scaevola) muss nicht notwendig auf seine Responsa bezogen werden, denn Scaevola hat auch in seine Quaestionen eigene Rechtsbescheide eingeflochten (vgl. Dig. XLVII 6, 6). Vielmehr deuten auch bei den nur unter Scaevolas Namen mitgeteilten Ansichten dieses Juristen die breite Erörterung und Begründung (vgl. ad ed. 1065, 10: plenius tractat. 1128, 16: tractat. 1235 III 12. 13. 1244, 30; ad Sab. 2755 pr.; ad leg. Iul. de adult. 1974, 4: quaeritur: Scaevola ait ...), die Anführung von Belegen (Disp, 108 I pr.), die sich in Scaevolas Digesten und Responsen nur ganz vereinzelt finden, auf die Quaestiones hin (vgl. Bd. III S. 1989ff. 1992). Überhaupt widerspricht kein Citat Ulpians der Beziehung auf dieses Werk, und man wird trotz der Lückenhaftigkeit unseres Materials mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass es das einzige [1495] gewesen ist, das er von Scaevola benutzt hat. Jedenfalls darf man die Kenntnis der Responsen nicht mit Pernice (459) als unzweifelhaft hinstellen.

53. Von Papinians Schriften sind die Quaestiones und Responsa in ihren früheren Büchern (vgl. VIII 1 e) stark und aus erster Hand benutzt. Nachweisbar sind sie in den Commentaren ad edictum (B. 4. 8. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 19. 22. 25. 26. 28. 29. 30. 31. 32. 35. 36. 38. 40. 44. 45. 49. 57 [Dig. XLVII 10, 15 bieten Ulp. lib. 77 ad edictum als Inscriptio; da aber das Fragment zum Commentar Ulpians über die Iniuria gehört und diese im 57. Buche behandelt wird, liegt, wie man längst bemerkt hat, sicher ein Schreibfehler vor]. 61); ad Sabinum (B. 6. 12. 15. 17. 19. 20. 21. 23. 29. 31. 32. 33); in den Disputationes (B. 1. 3. 4. 8); de fideicommissis (B. 2. 4. 5); de off. praet. tut.; de omnibus tribunalibus (B. 1). Der Noten, mit denen Ulpian beide Werke versah, ist schon gedacht (III 27) Dass Ulpian noch andere Schriften von Papinian benutzt habe, lässt sich nicht erweisen; vgl. aber o. S. 1446.

54. Tertullianus lib. IV quaestionum wird von Ulpian ad Sab. 2494, 6 angeführt. Ausserdem begegnet dieser Jurist noch zweimal ohne nähere Angabe (ad Sab. 2448, 2. 2523, 44). Dass Ulpian diese Stellen seines Zeitgenossen, von dem uns bei keinem anderen Juristen Citate erhalten sind, aus dessen Texten selbst entnommen hat, darf billigerweise nicht bezweifelt werden.

55. Auffallend ist ein Citat aus Marcianus (ohne Angabe von Werk und Buch) über den Zeitpunkt der Vollendung des 14. Lebensjahres (ad Sab. 2468 I), eine Bemerkung, die doch wohl fraglos bei ihrem Urheber in demselben Zusammenhange wie bei Ulpian, nämlich bei der Frage nach dem Beginne der Testierfähigkeit gestanden hat. Von Marcians Schriften könnte höchstens de appellationibus vor Caracallas Tode (217) herausgegeben sein, sicher ist aber auch das nicht (Bd. I S. 524). Aber es ist schwer zu sagen, wie Marcian hier auf die Testierfähigkeit hätte kommen sollen. Alle seine übrigen Schriften sind nach 217 entstanden, also zu einer Zeit, aus welcher wir keine Spuren einer litterarischen Thätigkeit Ulpians erhalten haben. Ausser diesem Citat wird noch eins bei Paulus (Dig. VII 9, 8) angeführt; aber ohne Zweifel liegt hier ein Abschreiberversehen vor und ist Maecianus zu lesen (Fitting 46. Krüger 207, 30. Lenel Paling. I 661), in dessen Werk de fideicommissis (nr. 50) die Stelle sich ohne Zwang einordnen lässt (Lenel a. a. O.). Unmöglich ist die gleiche Annahme auch für Ulpians Citat nicht (so Fitting 42);Maecian konnte in jenem umfangreichen Werke gelegentlich schon einmal die Frage des Alters der Testierfähigkeit berühren. Aber jedenfalls ist die Wahrscheinlichkeit eine geringere, namentlich auch deswegen, weil die Stelle in die Institutionen des Marcian vorzüglich hineinpasst (vgl. Lenel I 657 frg. 88–91). Denkbar wäre, dass das Citat erst nachträglich in den Text Ulpians hineingetragen wäre; es bildet ein blosses Anhängsel, und das doppelte videtur ist jedenfalls stilistisch wenig gewandt; dass man sich auch in der Spätzeit mit Marcians Schriften beschäftigte, zeigen die Citate in den [1496] Schol. Sinait. 5 und Cod. Iust. VIII 47, 10 pr. sowie ihre Excerpierung in den Digesten Iustinians. Denkbar ist schliesslich auch, wenn man an Ulpian festhalten will, dass das Citat aus einer uns unbekannten vor 217 entstandenen Schrift oder aus einem Responsum Marcians stammte.

VII.

1. Will man sich ein Bild von der Art und Weise der Arbeit Ulpians machen, so muss man zunächst eine Anzahl seiner Werke ausscheiden, über deren Quellen wir nichts oder so gut wie nichts wissen. Dahin gehören einmal solche Schriften, von denen uns allzu geringe Reste erhalten sind (ad leg. Aeliam Sentiam, Pandectae, Institutiones, de sponsalibus, de appellationibus, de censibus), ferner solche, aus denen zwar mehr Material erhalten ist, deren Quellen aber regelmässig nicht angegeben werden (Regulae, Opiniones). Zur Seite zu stellen sind ihnen die lediglich aus Ulpians eigener Praxis hervorgegangenen Responsa (o. S. 1446f.). Auch von den Schriften über die Amtspflichten (III 18-25, dazu III 15. 26) muss hier abgesehen werden. Wie schon hervorgehoben (S. 1456), stammt ihr Material in der Hauptsache aus Sammlungen von Constitutionen, die wenigstens zum grossen Teil unmittelbar aus den Archiven geflossen sind. In manchen dieser Werke treten zwar litterarische Quellen hinzu, die stärker benutzt sein mögen, als unsere Fragmente erkennen lassen. Aber die Spuren sind zu geringfügig, als dass man Schlüsse über die Methode Ulpians darauf bauen könnte (vgl. o. S. 1452f.).

2. Was die übrigen Werke, die vorzugsweise auf litterarischen Quellen beruhen, also namentlich die Commentare (III 1–5, dazu III 7. 13; vgl. o. S. 1456) anlangt, so ergiebt sich schon aus der vorstehenden Übersicht (VI), dass Ulpian die von ihm herangezogenen Schriften in sehr verschiedenem Masse ausnutzte. In der Regel lassen sich eine Anzahl von Hauptquellen bezeichnen, deren Material von Ulpian in erster Linie verarbeitet wurde. Dahin gehören in fast allen diesen Werken die Digesten des Celsus, Iulian und Marcellus, sowie regelmässig auch die Quaestionen und Responsen Papinians. Ferner für den Commentar ad edictum die gleichen Bücher des Labeo, Pomponius und (wenn auch in geringerem Masse benutzt) des Pedius (vgl. S. 1500); für ad edictum aedilium tritt noch Caelius (VI 26) hinzu; für den Commentar ad Sabinum des Sabinus und Cassius libri iuris civilis und Pomponius ad Sab.; für ad legem Iuliam et Papiam (wahrscheinlich) Labeos gleicher Commentar (III 4. V 16); für ad legem Iuliam de adulteriis Africanus (III 5. VI 46); für de fideicommissis Pomponius und Maecians gleiche Werke. Die Auszüge Ulpians aus diesen Hauptquellen treten mehr oder weniger deutlich überall hervor, wenn sie auch natürlich bei der Niederschrift vielfach in einander verarbeitet, mit einander verglichen, kritisiert, mit eigenen Ausführungen Ulpians, und mit anderem Material (Constitutionen, Rechtsfällen aus der eigenen Praxis durchsetzt sind. Auch sind häufig Aussprüche anderer Juristen, die sich in den Hauptwerken fanden, mit aufgenommen worden; die oben (VI) als entlehnt bezeichneten Citate sind, wie wir sahen, zum grossen Teil auf diese Weise zu erklären (vgl. S. 1467ff.). Als [1497] Beispiele solcher Stellen, in denen die Hauptquellen sich besonders deutlich abheben, mögen dienen: ad ed. 350, 2 (Iul. Dig. 3). 5. 6. 8 (Lab.). 8. 9. 10 (Pomp. ad ed. 26). 11. 12. 13 (Ped. ad ed. 7). 371 III pr. V. 372, 1. 2. 3 (Pomp. ad ed. 28). 5. 7. 8 (Iul.); frg. 460, 11. 461 I. II pr. 1. 2. 3 (Cels. Dig. 2); frg. 491 I 3. III. 493. 498 (Pap. Resp. 2). 513 II 2–7 (Iul. Dig. 6). 571, 1–5 vgl. 6 (Iul. Dig. 6). 720 III 1. 5. 6. 7 (Pomp.). 852 III 5. 8. IV 2. 3. 7. 8. 9. V (Iul. Dig. 12). 875, 1. 2. 878 I 11. 12 II 1 (Iul. Dig. 12). 903 II 3. 4 IV 5. 6 (Pap. Resp. 3) V 8. 9. 10 (Lab.). 922 IV 6. 7. 8. 9. 10 (Pap. Resp. 3). 931, 13. 14. 18. 934 pr. 5. 6. 7 (Iul. Dig. 15). 1105, 3. 5. 6 (Marc. Dig. 9). 1365, 18. 19. 20. 22 (Iul.). 1606 pr. 1. 2 (Pomp.) vgl. auch die oben (S. 1478) mitgeteilten Reihen von Citaten, die mehrfach Excerptenreihen aus Labeo deutlich erkennen lassen. Ad ed. aed. cur. 1. 1763 III 6-16 (Caelius). Ad Sab. 2486, 5. 6. 7 (Lab. post. 4). 2582 pr. –3 (Iul. Dig. 38). 2587 II 1. 3. 5 (Iul. Dig. 35). 2610, 23. 2611, 37–43. 45–47. Pap. Resp. 7. 2653, 2 (Iul. Dig. 60). 2654 I 3. 5 (Iul. Dig. 33). 2654 II 6 (Iul. Dig. 39). 2655 pr. –4. 2656 pr. 1. 2. 5 (Iul. Dig. 33). 2734, 6–9 (Pomp. ad Sab. 10). Disput. 90. 91 pr. 1 (Iul. Dig. 26). Fideic. 1875 I 6 II 1. 1876 pr. 1 (Iul.). 1880 I 7 II pr. 3. 6. 8. 9. Maec. fid. 6.

Manche Bücher oder Abschnitte von Büchern (z. B. Titel des Edicts) lassen erkennen, dass Ulpian eines von diesen Hauptwerken zur Grundlage seiner Darstellung nahm und die anderen nur zur Vergleichung und Ergänzung heranzog. So steht z. B. im 11. Buch des Commentars ad edictum (quod metus causa, de dolo malo, de minoribus) das 28. Buch des Pomponius im Vordergrund, im 15. Buch (de hereditates petitione) Iulian Dig. 6, im 18. Buch frg. 613-621 (Cap. I der Lex Aquillia) Iulian Dig. 86, frg. 623–625 (Cap. III der Lex Aquillia) Celsus Dig. 37, im 24. Buch frg. 712–722 (si mensor, ad exhibendum) Pomponius (Buchangabe fehlt), im 29. Buch frg. 872–879 (SC. Macedonianum), frg. 881–883 (SC. Vellacanum) Iulian Dig. 12. Die Bücher 53. 56 frg. 1335–57 frg. 1365. 68. 71 sind, wie der oben (S. 1478) mitgeteilte Bestand an Citaten zeigt, zum grossen Teil auf Labeos Commentar aufgebaut, nur an einzelnen Stellen ist diese Grundlage durch Iulians Digesten ersetzt. Auch in den Büchern ad Sabinum (z. B. 4. 21) tritt mehrfach Iulian stark in den Vordergrund, so dass auch hier die Annahme, sein Text sei dem Commentar vorzugsweise zu Grunde gelegt, gerechtfertigt erscheint. Dass diese Methode aber eine allgemeine war, dass Ulpian, wie Pernice (459) es ausdrückt, regelmässig nur einem Autor auf grössere Strecken gefolgt sei, darf man nicht behaupten. Ganz abgesehen von Streichungen der Compilatoren – der Urtext wird auch in den angeführten Büchern ein mannigfacheres Bild an Citaten gehoben haben (vgl. die Stellen des 18. Buches ad edictum aus der Collatio o. S. 1466) – so lässt doch auch unsere Überlieferung an vielen Orten erkennen, dass entweder die Hauptquellen einander mit kürzeren Auszügen ablösten (vgl. die ersterwähnten Beispiele), oder auch dass mehrere von ihnen neben einander die Grundlage bildeten; dahin dürften z. B. die in den Vatic. [1498] Fragmenten erhaltenen Stücke aus Ulpian ad Sab. 17 (o. S. 1459ff.) gehören, wo man trotz des Reichtums an eingeflochtenen Citaten aus anderen Hauptquellen (und wie wir meinen, auch aus den gleich zu erwähnenden Sammlungen) erkennen kann, wie sich die Ausführungen von Iulian Dig. 35 und Celsus Dig. 18 grundlegend durch die ganzen Erörterungen hinziehen. Nicht selten versagt auch dieser Gesichtspunkt und erscheinen, die Hauptquellen ganz mit einander durchmischt, so dass man von besonders hervortretenden Schriften nicht reden kann (vgl. frg. 240–249. 347–354. 509–514. 769–775. 890–898. 1677–1682. 2607–2611).

3. In den beiden grössten Werken Ulpians (ad edictum und ad Sabinum) lässt sich neben den Excerpten aus den genannten Hauptwerken noch eine Sammelmasse erkennen, die von ihm in ähnlicher Weise wie jene verwendet und gewissermassen eine weitere Hauptquelle für ihn bildet. Ihr Material bilden Auszüge aus der Litteratur, die Ulpian zu den einzelnen Titeln des Edicts und den einzelnen Abschnitten des Sabinus angefertigt hat. Man bemerkt nämlich häufig längere oder kürzere Abschnitte, welche fast ausschliesslich aus den Aussprüchen älterer Juristen (bis zum Anfang des 2. Jhdts.) bestehen. Sie tritt z. B. an mehreren Stellen des 18. Buchs ad edictum, dessen Hauptquellen Iulian Dig. 86 und Celsus Dig. 37 bilden, hervor: frg. 613 III 2 Peg. Lab. 614 I 2 Peg. 3 Peg. 5 Lab. 614 I 8 Proc. II pr. Lab. 2 Ner. 3 Ofil. III pr. Proc. 623 II 7 Ner. 8 Viv. Proc. 9 Ursei. lib. X Proc. 624 III 21 Sab. 22 Brut. 24 Viv. 625 I 25. 26. 27 Octaven. 28 Viv. (übrigens scheinen manche Citate in der iustinianischen Compilation weggefallen zu sein). Vgl. ferner ad ed. 28 (a. commodati: Hauptquellen Iul. Dig. 11 und daneben Cels. Dig. 6. Pap. Quaest. 8, wohl auch Pomponius): frg. 798. 1 Pacon. Lab. Cass. Viv. 802, 3 Q. Muc. 7 Namusa. Mela. 10. 803, 11 veteres. 12 Lab. 804 I Viv. 805, 13 Cartilius. 14 Lab. Ad ed. 31 (a. pro socio: Hauptquellen: Cels. Dig. 7. Iul. Dig. 14. Marc. Dig. 6. Pap. resp. 3) frg. 922, 12 Cass. 13 Mela 16. 17 Nerat. 18 veteres. Atilic. Sab. Cass. Serv. b. Aufid.; ad Sab. 20 (de instrumenta vel instructo legato Hauptquellen: Cels. Dig. 19. Pomp. ad Sab. 5. Pap. resp. 7): frg. 2609 pr. Serv. b. Serv. aud. 2 Alfen. 3 Lab. Peg. 4 Lab. Nerat. 5 Treb. 6 Serv. b. Serv. aud. 11 Cass. 12. Sab. et Cass. 2610, 16 Peg. Cass. 17 Cass. 19 plerique et Peg.; ad Sab. 22 (de penu legata: Q. Muc. iur. civ. II. Sab. ad Vit. 1 Aristo notat. 2 Aristo. Lab. post. IX b. Aristo. Treb. Proc. 3 Lab. 6 Ofil. act. XVI Q. Muc. Serv. notat. 8 Ofil. act. XVI. 9 Q. Muc. Ofil. Rutil. Sex. Aelius. 10 Serv. b. Mela. 11 Aristo.

Dass Ulpian diese Reihen von Citaten so, wie wir sie lesen, nicht in den oben erwähnten Hauptwerken vorfand, kann man mit Sicherheit behaupten. Aus den Digesten des Celsus, Iulian und Marcellus sowie aus Papinians Werken sind uns erhebliche Bruchstücke unmittelbar in Iustinians Pandekten erhalten. Diese Werke weisen zwar Citate aus älteren Juristen auf, aber nirgends, auch bei Celsus nicht, finden sie sich in einer solchen Anhäufung wie bei Ulpian. Von [1499] Pomponius Commentar ad edictum haben wir keine directen Fragmente, wohl aber von seinen übrigen Werken, namentlich von den Büchern ad Sabinum und ad Q. Mucium; und diese bieten kein anderes Bild als die Schriften der vorerwähnten Juristen. Die Annahme, dass der Verfasser dort anders als hier verfahren sein sollte, ist ebenso wenig gerechtfertigt wie die, dass die Compilatoren bei dem einen Juristen grundsätzlich die Citate weggestrichen, bei dem anderen sie stehen gelassen hätten. Ulpian muss also das Material, das uns die obigen (und viele andere) Stellen bieten, selbständig zusammengetragen haben. Zum Teil stammt es ohne Frage aus den Werken der citierten Schriftsteller selbst; so unter den angeführten Citaten des Q. Mucius lib. iuris civ., Ofilius actiones und lib. iuris partiti, Labeos lib. post., Sabinus ad Vitellium, Vivian, Neratius Membranae und Responsa; auch die aneinander gereihten Citate aus Neratius in frg. 931, 7–13 sind gewiss als Ergebnis einer solchen Sammlung aufzufassen. In grossem Umfange hat Ulpian aber auch hier aus zweiter Hand geschöpft; schon die eben genannten Werke, namentlich Labeos libri post. und Neratius Membranae lieferten neben den Meinungen ihrer Urheber auch viel fremdes Gut. Aber Ulpian hat sich nicht darauf beschränkt; Pernice, der zuerst auf diese Sammlungen hingewiesen hat, hat mit Recht Iulian ad Urseium (S. 1488f.) als Quelle Ulpians für sie hervorgehoben (469, 2. 470, 1); das Werk enthielt viele Citate und erscheint bei Ulpian mehrmals im Zusammenhange mit Aufzählungen älterer Juristen. Ebenso werden Pomponius Variae Lectiones hierher gehören (vgl. frg. 601, 6; die vorhergehenden Entscheidungen des Aristo dürften aus dieser Quelle geflossen sein; vgl. Dig. XL 4, 46. IV 8, 40). Ohne Frage aber kann man noch weiter gehen; auch viele der anderen vor der Mitte des 2. Jhdts. entstandenen Schriften, deren Benutzung durch Ulpian wir oben nachgewiesen zu haben glauben (z. B. Neratius Epistulae, Iulian ad Minicium, Pomponius Epistulae und lib. ad Plautium) enthielten Aussprüche der älteren Juristen und dürften von Ulpian gerade für seine Sammelmasse verwertet worden sein. [1]

Schliesslich mögen auch seine Hauptquellen (insbesondere Celsus Digesten, Labeo und Pomponius ad edictum) manches Material dafür geliefert haben. Doch wird sich das kaum jemals einwandsfrei feststellen lassen ; denn, wie wir sahen, hat Ulpian auch ausserordentlich viele Erwähnungen der veteres, die er in diesen Hauptquellen vorfand, in deren Texten mit übernommen. Und gerade darum muss so oft auf den Versuch, die Sammelmasse abzugrenzen, verzichtet werden; nur das kann als sicher behauptet werden, dass Ulpian solche reihenweisen Aufzählungen, wie wir [1500] sie oben mitgeteilt haben, nicht in jenen Hauptquellen gefunden und lediglich aus ihnen ausgeschrieben hat. Umgekehrt darf natürlich auch nicht behauptet werden, dass die vorerwähnten Schriften, welche dem Ulpian Material für die Sammelmasse geliefert haben, nur für diese ausgezogen seien. Dass Schriften wie Neratius Membranae, Pomponius Variae lectiones u. a. auch sonst gelegentlich in Ulpians Commentaren und den ihnen nahe stehenden Werken (vgl. Disp. 109, 3; de fideic. 1873, 2) auftreten, ist begreiflich. Eine andere Schwierigkeit der Abgrenzung liegt darin, dass Labeo, dessen Commentar zum Edict und libri posteriores Ulpian selbständig benutzte, sehr häufig auch in den Schriften, aus denen das Material für die Sammlungen entnommen wurde, citiert war. In vielen Fällen wird es sich nicht entscheiden lassen, ob ein Citat von ihm auf dem einen oder dem andern Wege in Ulpians Werke geflossen ist. Aber dieser Verzicht steht der Annahme der Sammelmasse überhaupt nicht im Wege. Und damit muss sich die Quellenforschung begnügen.

In der Hauptsache enthielten die Sammlungen, wie schon Pernice (469f.) hervorgehoben hat, casuistische Erörterungen. Doch darf man dies nicht als das allein kennzeichnende Merkmal ansehen; vor allem bezweckten sie, wie die obigen Beispiele zeigen, die Ausbeutung und Verwertung der älteren Jurisprudenz für Ulpians Commentare; man darf darum auch Stellen wie z. B. frg. 798 hierherziehen, und wird andererseits Stücke, die lediglich Material aus den Hauptquellen bieten, nicht dazu zu rechnen haben. So z. B. enthält frg. 774 IV, das Pernice anführt, blos Aussprüche aus Iul. Dig. 10, Cels. Dig. 6 und Marc. Dig. 20; die angegebenen Bücher der beiden ersteren Juristen waren demselben Gegenstande (de rebus creditis) gewidmet, den Ulpian hier behandelte; und die Citate aus Marcellus werden, wenn sie auch ausserhalb der Ordnung des Edicts stehen, doch einem hierher gehörigen Abschnitte (de indebito soluto, Lenel I 625f.) einzureihen sein.

4. Bei den Hauptquellen – und das gleiche wird bei den für die Sammelmasse ausgezogenen Schriften gelten – war die Ausnutzung nicht immer gleich stark. Über die auffallend wechselnde Benutzung von Pomponius ad edictum war schon die Rede (S. 1490); einen befriedigenden Grund dafür vermochten wir nicht anzugeben. Dass Papinians Quaestionen und Responsa nur teilweise herangezogen sind, werden wir zu erklären versuchen (S. 1506). Anders verhält es sich im Commentar ad edictum mit den Werken des Vivianus (S. 1485) und Pedius (S. 1485). Dass ihre Benutzung sowohl der des Labeo wie der des Celsus, Iulian (und Pomponius in den Büchern, in denen er überhaupt stärker auftritt) nicht gleichkommt, wird damit zusammenhängen, dass ihre Schriften weder in dem Masse grundlegend für das Honorarrecht waren wie die jenes Koryphaeen, noch denen der genannten Juristen des 2. Jhdts. an Umfang und Bedeutung gleich kamen. Mag insbesondere auch Pedius für seine Zeit Hervorragendes geleistet haben, so trat er doch für die Betrachtung der späteren Zeit hinter jenen Spitzen zurück; es ist begreiflich, dass Ulpian sich mehr [1501] an diese hielt. (Übrigens sind auch die Ausführungen über die frühere und spätere Gestalt des Werkes Ulpians [u. S. 1504] zu beachten). Ähnlich wie die geringere Benutzung des Pedius für das Edictswerk wird die von Cassius libri iur. civ. (S. 1483) aufzufassen sein. Über Labeos libri post. s. o. S. 1480. Dass sich schliesslich bei manchen Werken in und ausserhalb der Sammelmasse die Benutzung blos auf ein gelegentliches Nachschlagen beschränkte, wurde schon hervorgehoben (S. 1474, vgl. VI 6.10. 44. 49 [?]. 54). Ebenso die Thatsache, dass gelegentlich eine Schrift, die für das eine Werk Ulpians als Hauptquelle zu gelten hat, auch in einer anderen vorkommt, z. B. Labeos libri post. bei Ulpian ad edictum (S. 1479), Maecian de fideicommissis bei Ulpian ad Sabinum (S. 1493). Jedenfalls schliesst in allen diesen Fällen die seltenere Erwähnung die Ausnahme der Benutzung des Originals nicht aus.

VIII.

Es bleibt noch die Frage nach den zeitlichen Verhältnissen der Entstehung der Werke Ulpians übrig. Wir müssen sie um so mehr zu beantworten suchen, als wir annehmen, dass der Quellenkreis Ulpians ein erheblich grösserer war, als Pernice zugeben will. Unsere Ausführungen werden zugleich eine Ergänzung der vorstehenden, die Art und Weise der Arbeit Ulpians betreffenden Erörterungen bilden.

Seine Werke sind, soweit die Kaiserbezeichnungen eine Bestimmung zulassen – und dies ist bei den grössten und wichtigsten der Fall – in der Gestalt -, in der sie auf die Nachwelt gekommen sind, fast ausschliesslich unter Caracallas Regierung nach Severus Tode, also in den J. 211–217 veröffentlicht worden (vgl. o. III 1–4. 7. 10. 13. 17. 18. 20. 21. 25. 26; vgl. auch 5. 9. 11. 16. 23). Dass Ulpian sie aber in diesen sechs bis sieben Jahren wirklich verfasst haben sollte, ist völlig ausgeschlossen, auch wenn er so mechanisch und oberflächlich gearbeitet hätte, wie Pernice annimmt. In der That lässt es sich gerade für seine grössten Schriften teils erweisen, teils in hohem Grade wahrscheinlich machen, dass Ulpian bereits vor 211 daran gearbeitet hat.

1. Was zunächst den Commentar ad edictum anlangt, so ergieht sich das schon aus der oben (S. 1439) hervorgehobenen Thatsache, dass im 26. Buch eine Constitution des J. 212 als jüngst erlassen bezeichnet wird; 26 Bücher aber konnte Ulpian in den 22 Monaten seit Severus Tode nicht entworfen und geschrieben haben. Zu einem positiveren Ergebnis aber führt folgende Betrachtung. Die Fragmente bis zum 52. Buch einschliesslich zeigen ein wesentlich anderes Gepräge, als die der späteren Bücher (53–83; die beiden Bücher ad ed. aed. sind hier mitgezählt).

a) Bis zum 52. Buch sind die genauen Angaben von Werk und Buchzahl (o. S. 1470f.) eine häufige Erscheinung; sie fehlen nur in solchen Büchern Ulpians, aus denen uns überhaupt ganz wenig Material erhalten ist. Von da ab aber erscheint nur einmal im 56. Buch (frg. 1337, 8) das rätselhafte Citat Sabinus in adsessorio; im übrigen fehlen jene Angaben gänzlich. Das kann nicht auf Streichungen der Compilatoren beruhen, denn es ist kein Grund einzusehen, weshalb solche Kürzungen nur bei Ulpian und nur in den späteren [1502] Teilen seines Commentares ad edictum vorgenommen sein sollten, während sie doch in anderen Fragmenten auch am Schlusse der Digesten noch oft genug vorkommen.

b) Genau an derselben Stelle aber kann man noch eine zweite Beobachtung in den Citaten machen. Während nämlich in den früheren Büchern entschieden die selbständig benutzten Hauptquellen des 2. Jhdts. (Celsus, Iulian, Pomponius, Marcellus, Papinian) überwiegen, treten diese vom 53. Buch an hinter den Juristen der Republik und des 1. Jhdts., also hinter dem Commentar Labeos, sowie den Citaten aus ihm und den anderen Juristen, die hauptsächlich die Sammelmasse füllten, zurück. Der Bestand aus diesen ist dem aus jenen zusammengenommen mindestens gleich, oft ihm überlegen (vgl. die o. S. 1478 mitgeteilten Citate der Bücher 53. 56-57. 68. 71; ein ähnliches Bild zeigen, wenn man von Büchern mit geringem Citatenbestande absieht, insbesondere 56. 69. 70. 76. 81. 82). Dass auch diese Erscheinung nicht etwa durch die redactionelle Thätigkeit der Compilatoren allein erklärt werden kann, tritt noch deutlicher hervor, wenn man die Citate nach den eigenen Büchern der Juristen des 2. Jhdts. abmisst. Es entsprechen dem 1.–52. Buch Ulpians bei Celsus Buch 1–22 (Anfang), bei Iulian 1–41 (Anfang), bei Marcellus 1–15 (Mitte), in Papinians Quaestionen 1–20, in seinen Responsen 1–9 (Mitte); und andrerseits dem 53.–81. Buch Ulpians bei Celsus Buch 22–27, bei Iulian Buch 41–58, bei Marcellus Buch 15 (Mitte)–21, in Papinians Quaestionen 21–28, in seinen Responsen Buch 9 (Mitte)–12 (Mitte). Es bedarf nur eines Blickes auf die Sammlung der Fragmente dieser Juristen bei Lenel (Paling. I 127ff. 318ff. 589ff. 813ff. 881ff.), um zu erkennen, dass ihre zuletzt genannten Bücher in den entsprechenden Partien Ulpians (53–81) entschieden schwächer herangezogen sind als ihre früheren bei Ulpian 1–52. (Von den Büchern dieser seiner Quellen, die Ulpian, von ihnen abweichend, vorzugsweise für den Sabinuscommentar oder seine Schrift de fideicommissis verwertete [z. B. bei Iulian 16–18. 20. 21. 29–40. 44. 52–54], muss hierbei natürlich ebenso abgesehen werden, wie von den bei ihnen an die Edictsmasse angehängten die Leges SCta u. s. w. behandelnden Büchern [z. B. Iul. 59–90]). Iulians frühere Bücher sind ungefähr doppelt so stark ausgebeutet wie seine späteren; bei Celsus ist das Verhältnis ein ähnliches; Marcellus Digesten sind etwas gleichmässiger verwertet; das hängt mit der schon von Pernice (464f.) hervorgehobenen Thatsache zusammen, dass Ulpian dies Werk nicht in dem Masse parallel mit seinem eigenen Commentar excerpiert hat, als dies bei den Schriften der anderen Juristen der Fall war. Am auffallendsten liegen die Verhältnisse bei Papinian. Ulpian hat ihn in den früheren Büchern seines Commentars recht häufig erwähnt; gegen Mitte des Werkes werden die Citate spärlich, nach der von uns gekennzeichneten Grenze begegnet er nur noch zweimal (B. 57 frg. 1353, 29–30 und B. 61 frg. 1401, 3–4), in den letzten 20 Büchern gar nicht mehr. Was seine eigenen Werke anlangt, so lassen sich Citate aus den Quaestionen bis zu deren 14. Buche nachweisen, Lenel hat aber wohl mit Recht frg. 662 II auf das 22. und die beiden [1503] eben genannten Stellen auf das 23. und 24. Buch des Papinian bezogen; nur diese gehören also dem Teile an, welcher den Büchern 53–81 Ulpians entspricht. Die Responsen Papinians sind sicher bis zum fünften, vielleicht (frg. 1211, 2) bis zum sechsten Buche benutzt; die späteren Partien fehlen völlig bei Ulpian. Über den Umfang des Edictscommentars des Pomponius haben wir keine Nachrichten. Die höchste von ihm nachweisbare Buchzahl 83 entspricht dem 44. Buche Ulpians (frg. 1166, 27). Die Grenze des 53. Buches Ulpians würde in der Sammlung der Fragmente des Pomponius bei Lenel (Paling. II 15ff.) zwischen frg. 144 und 146 fallen. Vergleicht man nun, was aus dem vorhergehenden und nachfolgenden Material des Pomponius von Ulpian übernommen ist, so tritt auch hier wieder hervor, dass seine früheren Bücher, wenn auch diese schon ungleich (vgl. o. S. 1490), so doch wesentlich stärker ausgebeutet waren als die späteren. Auch die Quaestionen Scaevolas darf man wohl in diesem Zusammenhange nennen, wenn sie auch überhaupt weit schwächer als die bisher erwähnten Quellen herangezogen sind. Sie lassen sich nur bis zum 50. Buch Ulpians nachweisen, von da ab kommen sie gar nicht mehr vor.

c) Schliesslich gewährt auch die Benutzung der Constitutionen ein ähnliches Bild. Sie begegnen vom 53. Buch an, und zwar auch in solchen Büchern, aus denen uns grösseres Material erhalten ist, entschieden seltener als in den früheren. Namentlich gilt das von den Verordnungen des Severus und Caracalla, von denen in den genannten Büchern Ulpians (53–83) im ganzen nur sechs vorkommen. Dass das in den früheren Büchern anders war, zeigen die Sammlungen von Fitting 38ff. Also auch hier sehen wir, dass gerade das für die jüngste Zeit in Betracht kommende Material am Schlusse von Ulpians Commentar am wenigsten ausgiebig benutzt ist (Näheres s. u. S. 1505f.).

d) Mag man der Auswahl und den Streichungen der Compilatoren – dass sie einzelne dieser Bücher nur schwach excerpiert haben, kann nicht ins Gewicht fallen, denn das trifft mehrfach auch für die früheren zu – noch so viel zuschreiben, durch sie allein wird man alle diese Erscheinungen nicht erklären können. Sie müssen auf Ulpian selbst zurückgehen, und gerade sie lassen uns einen Blick in die Geschichte der Abfassung seines Commentars thun. Augenscheinlich sind die letzten Bücher (von 53 an) in viel geringerem Masse durchgearbeitet als die früheren. Allerdings haben wir auch in ihnen nicht schlechthin den Rohstoff der Auszüge, sondern ein von Ulpian zur Veröffentlichung bestimmtes Material vor uns. Widersprechende Meinungen der citierten Juristen sind grundsätzlich mit einer Entscheidung Ulpians versehen, wenn diese auch häufig nur in einem ,hoc verum puto‘ besteht. Die Excerptenmassen sind nicht selten zerschnitten und von anderen Citaten durchbrochen, wichtige Constitutionen sind eingefügt, Übergänge und Einleitungen hergestellt u. s. w. Vergleicht man aber die Fragmente dieser Bücher mit denen der früheren, so ist klar, dass die von Ulpian angefertigten Auszüge aus den Einzelquellen und der Sammelmasse hier in ursprünglicherer Gestalt vorliegen als dort; das [1504] Material ist entschieden weniger durchgearbeitet, die Auszüge zeigen noch mehr die Hand des Sammlers, die Citate sind wie bei Ulpians Vorgängern ohne Angabe von Werk und Buch wiedergegeben. Das gilt namentlich auch für Celsus, Iulian, Pomponius und Marcellus. Ihre Werke, die wir zu den Hauptquellen zählten (VII 2), sind zwar selbständig benutzt, die beherrschende Stellung, wie in den früheren Büchern nehmen sie aber nicht ein. Denn Rohstoff boten sie für den Verfasser eines Commentars, der Worterklärungen und Beispiele suchte, nicht erheblich mehr als die älteren Juristen, und eben der Stoff war bei diesen bequemer zu gewinnen, während er bei jenen aus der juristischen Verarbeitung und Vertiefung hervorgezogen werden musste.

Haben wir mit unseren Ausführungen das Richtige getroffen, so kann die abweichende Gestalt der früheren Bücher (–52) nur auf einer Umarbeitung beruhen, muss also ursprünglich das ganze Werk das Aussehen gehabt haben, welches die späteren Bücher jetzt noch aufweisen. Die letzteren sind von der Umgestaltung in der Hauptsache, wenn auch nicht völlig unberührt geblieben. Denn dass Ulpian willens war, diese auf das ganze Werk zu erstrecken, ist klar. Die Ziele der Umarbeitung können wir aus der Verschiedenartigkeit der beiden Teile erkennen: das Werk sollte eine erhöhte Brauchbarkeit für die Praxis und zugleich einen wissenschaftlicheren Charakter gewinnen. Daraus erklärt es sich einerseits, dass die Litteratur des 2. Jhdts. in stärkerem Masse herangezogen wurde – je mehr dies geschah, um so weniger brauchte der Praktiker die Werke der Vorgänger selbst nachzuschlagen – und andrerseits, dass die Citate jetzt buchmässig genau angegeben wurden – wer wissenschaftlich forschen wollte, war damit auf die Quellen verwiesen – und dass auch die feineren in der neueren Litteratur enthaltenen juristischen Fragen in grösserem Umfange aufgenommen wurden. Auf die älteren Juristen hat sich die Nachprüfung, wenn sie auch manche von ihren Stellen betroffen hat, augenscheinlich in geringerem Masse erstreckt. Von ihnen ist vieles aus der ersten Bearbeitung stehen geblieben. So erklärt es sich, dass z. B. die Buchangaben bei Labeo und Neratius auch im ersten Teile des Commentars im Verhältnis zu ihren Citaten überhaupt weniger zahlreich sind, als bei den grossen Juristen des 2. Jhdts. Ferner wurden bei der Überarbeitung Fälle und Gutachten aus der eigenen Praxis in grösserer Zahl aufgenommen; das gesamte Material erfuhr eine stärkere Durcharbeitung; die Meinungen wurden mehr mit einander verglichen, und zu Streitfragen wurde in erhöhtem Masse Stellung genommen. Ebenso wurden die neueren Constitutionen nachgetragen und die Kaiserbezeichnungen genauer wiedergegeben. Um die Verschiedenheit zu erkennen, vergleiche man einmal ein Buch aus dem ersten und zweiten Teil, aus dem grösseres Material erhalten ist, z. B. das 11. mit dem 57. Buch; gewiss treten auch in dem ersteren die Spuren der ursprünglichen compilatorischen Arbeit noch deutlich hervor, aber ebensosehr auch das Streben nach Erweiterung und Vertiefung der Darstellung, mag auch die letztere hier wie anderswo manches zu wünschen übrig lassen. Auch in Büchern, die [1505] anscheinend weniger von der Überarbeitung betroffen waren, wie z. B. das 18., ist doch der Fortschritt nicht zu verkennen.

e) Die Frage nach der Zeit der Umarbeitung ist schon durch das, was wir oben (S. 1439f.) über die Kaiserbezeichnungen ausgeführt haben, beantwortet; sie muss unter Caracalla vom J. 211 an erfolgt sein; möglicherweise greift sie mit den ersten acht Büchern, in deren Fragmenten Caracalla nicht vorkommt, auch in die unmittelbar vorhergehende Zeit zurück. So erklärt sich die oben berührte Thatsache, dass Ulpian schon Ende 212 oder Anfang 213 bis zum 26. Buch gediehen war; sie hat nichts Befremdendes, wenn es sich nur um eine Umgestaltung handelt. Für die Entstehung des Werkes in seiner ursprünglichen Fassung kommen wir damit auf die Zeit vor 211. Diese Behauptung darf man um so zuversichtlicher aussprechen, als sie durch zwei Erscheinungen in unseren Fragmenten ihre Bestätigung findet.

α) Auf die eine hat schon Mommsen (Ztschr. f. Rechtsgesch. IX 101f.) hingewiesen. Er hebt hervor, dass in den Resten der ersten 35 Bücher neben der (bis B. 52) regelmässigen Hervorkehrung der Alleinherrschaft Caracallas elf Stellen begegnen, in denen Severus allein mit vorgesetztem Imperator erscheint, und eine zwölfte (B. 19 frg. 633 II 3), in welcher beide Kaiser, aber Severus an erster Stelle (rescriptum imperatorum Severi et Antonini) genannt werden. Mommsen zieht daraus den Schluss, dass der erste Teil des Werkes, mindestens also bis zum 35. Buch, in seiner ursprünglichen Gestalt schon vor Severus Tode entstanden, dann aber um das J. 212 einer Überarbeitung unterzogen ist, die jedoch nicht alle Spuren der ersten Fassung des Textes getilgt hat (zustimmend Fitting Castr. Peculium XXXVf. Pernice 444, 2. Krüger 218, 165. Karlowa I 743). Zieht man nun die wenigen Stellen (vgl. o. S. 1503) der späteren Bücher (53–83), in denen der Kaiser Severus und Caracalla gedacht wird (B. 57 frg. 1340, 6: imperator noster; B. 61 frg. 1408 I: Severus rescripsit; B. 64 frg. 1444 I 3: ita Severus et Antoninus rescripserunt: B. 68 frg. 1472, 1: constitutum est ab Antonino; B. 71 frg. 1619 III 3: a Severo rescriptum est; B. 73 frg. 1640, 1; ab imperatore Severo et Antonino rescriptum est) zur Vergleichung heran, so sieht man, dass Severus hier niemals als divus erscheint, dass Caracalla, wenigstens wenn er mit Namen (Antoninus) genannt wird, nie als der regierende Kaiser hervorgehoben ist und dass, wenn beide Kaiser zusammen erwähnt werden, Severus voransteht. Diese Erscheinungen rechtfertigen die Annahme, dass auch die späteren Bücher derselben Zeit wie die früheren in ihrer älteren Fassung, nämlich den Regierungsjahren des Severus angehören, und sie bestätigen unsere obige Annahme, dass die Gestalt, in der wir die späteren Bücher kennen, anfänglich dem ganzen Werk eigentümlich gewesen ist. Zwar wird Severus in dreien dieser Stellen nicht Imperator genannt, aber frg. 1640, 1 entspricht doch ganz dem von Mommsen angeführten frg. 633 II 3, ja der Singular imperatore weist so recht deutlich auf den Hauptregenten hin – sollte er ursprünglich allein genannt und [1506] Antoninus erst später hinzugefügt sein? In frg. 1472, 1 ist zweifellos mit Antoninus Kaiser Caracalla gemeint, denn die angeführte Constitution ist die gleiche wie die im 52. Buch frg 1255 behandelte (vgl. S. 1440). Wir haben schon hervorgehoben, dass die Überarbeitung an den späteren Büchern nicht völlig vorübergegangen ist; gerade von einer schon neu ergangenen, wichtigen, am Ende des ersten Teiles ausführlich erörterten Constitution ist es erklärlich, dass Ulpian sie auch in den späteren Büchern an passender Stelle vorweg einflocht. Zweifelhaft bleibt der imperator noster in frg. 1340, 6; rührt das Citat (wie das vorhergehende) aus der Überarbeitung her, so ist Caracalla, rührt es aus der ersten Fassung her, so ist Severus gemeint.

β) Die erste Niederschrift fand nach unseren bisherigen Darlegungen in der Zeit von Severus Alleinregierung (193–198) und seiner und Caracallas Samtherrschaft (198–211) statt. Man wird gut thun, möglichst in die erste Hälfte dieser Periode zurückzugehen; hierfür spricht schon der Umstand, dass von den zwölf von der Umarbeitung verschont gebliebenen Constitutionen elf nur den Severus nennen. Von hier aus erklärt sich aber auch – und damit kommen wir zu unserem zweiten Punkte – die auffallendste der oben für die Verschiedenheit der früheren und späteren Bücher angeführten Thatsachen, dass nämlich die Schriften Papinians sehr häufig in den Fragmenten der früheren Bücher (1–52, zuletzt aber schon seltener), in denen der späteren 30 Bücher dagegen nur mit zwei vereinzelten Stellen vorkommen und dass die Citate aus ihnen auch nur aus den jenen ersten Büchern Ulpians entsprechenden Teilen seiner Werke herrühren. Papinians Schriften sind erst in jener Zeit, seine Responsen sogar erst in den letzten Jahren des Severus, zum Teil auch wohl erst nach seinem Tode veröffentlicht (Bd. I S. 573f.). Man darf also annehmen, dass Ulpian sie bei der ersten Bearbeitung noch nicht gekannt und dass er alle Stellen aus ihnen erst bei der zweiten Bearbeitung – soweit diese reichte! – eingeflochten hat. Gewiss hat gerade der Umstand, dass diese hochbedeutenden Werke anfänglich noch nicht benutzt waren, wesentlich mit dazu beigetragen, den Ulpian zu einer Erneuerung seines Werkes zu bestimmen. Und dass er sie dann in starkem Masse heranzog, so dass sie im ersten Teile seines Commentars zu seinen Hauptquellen zählen, ist begreiflich. Die zwei Stellen aber im 57. und 61. Buch dürften ebenso wie die (o. S. 1505) erwähnte eine (oder zwei) Constitutionen Caracallas als vorweg in den letzten Teil eingestellte Einschiebsel zu erklären sein. Ähnlich wie mit Papinians Werken mag es sich mit Scaevolas Quaestionen verhalten, nur dass sie auch in den ersten Büchern Ulpians sehr viel seltener begegnen als die Schriften Papinians.

Die Verschiedenartigkeit der ersten und zweiten Bearbeitung, namentlich der Umstand, dass die erst unter Severus erschienenen Schriften dem Ulpian bei der ersten noch unbekannt waren, würden sich um so leichter erklären, wenn man annehmen dürfte, dass Ulpian bei ihrer Abfassung in einer von Rom entfernten Provinz gelebt hätte. Aber notwendig ist das nicht, und jedenfalls lässt es sich nicht beweisen(s. o. S. 1436. 1439).

[1507] f) Die Neubearbeitung des Werkes blieb unvollendet. Die späteren Bücher sind, wie wir sahen, nur in sehr geringem Masse davon berührt und auch in den früheren hat sie den ursprünglichen Charakter der Arbeit keineswegs zu verwischen vermocht. Die Excerptenreihen sind auch in ihnen noch an vielen Stellen deutlich erkennbar (Ulpian hat sich augenscheinlich auch gar nicht bemüht, sie zu verdecken); Wiederholungen und Widersprüche (vgl. oben S. 1458) sind nicht überall ausgemerzt; an der wissenschaftlichen Vollendung und Vertiefung fehlt (wie Pernice mit Recht hervorgehoben hat) noch vieles.

Vielleicht darf man es auch mit der Unfertigkeit der Arbeit erklären, dass so manche zeitgenössischen Werke in unseren Fragmenten Ulpians nicht vorkommen, deren Übergehung auffallen müsste. Am meisten gilt das von Paulus Edictscommentar, aber auch von Scaevolas Digesten und Responsen (vgl. S. 1494) und von Tryphonins Disputationen. Wenn Ulpian sie bei der ersten Bearbeitung, wie anzunehmen, noch nicht kannte, warum hat er sie dann nicht wenigstens bei der zweiten berücksichtigt? Indessen darf die Antwort, er habe sich die Verwertung dieser Schriften für sein Werk vorbehalten, sei aber vor dem Abbruch der Arbeiten (S. 1509) nicht mehr dazu gekommen, nur als Vermutung geäussert werden. Fehlen doch auch manche der früheren Werke, z. B. Africanus Quaestiones, Venuleius Interdicta und Stipulationes. Auch muss immer mit den Streichungen der Compilatoren und, was Paulus anlangt, vielleicht auch mit der Möglichkeit einer gewissen Rivalität, die Ulpian abhielt, ihn zu citieren, gerechnet werden.

g) Ob Ulpian das ganze Werk in seiner früheren Gestalt schon einmal herausgegeben – dafür spricht die Wahrscheinlichkeit – oder ob er die erste Niederschrift nur als Entwurf behandelt hat, ob er die umgearbeiteten Bücher (1–52) gesondert oder mit den unfertigen, in geringem Masse veränderten letzten Büchern zusammen veröffentlicht hat: alles das sind offene Fragen, auf die man, wenn man das Gebiet der blossen Vermutungen vermeiden will, keine Antwort zu geben vermag. Wir müssen uns mit Thatsachen und den Schlüssen, zu denen sie eine Handhabe bieten, begnügen.

2. Auf ähnliche Weise wie der Commentar ad edictum ist der ad Sabinum entstanden. Hier haben wir sogar die bestimmte Nachricht, dass er eine erste Auflage erlebt hat (c. Cordi 3, vgl. oben S. 1441). Nehmen wir hinzu, was oben (S. 1442) ausgeführt wurde, dass das Werk so, wie es uns vorliegt, unvollendet ist, so liegt der Schluss nahe, dass ebenso wie beim Edictswerk, die erste Bearbeitung eine vollständige aber unvollkommenere war, dass aber während uns dort die letzten Bücher erhalten sind, sie hier entweder von Ulpian unterdrückt oder frühzeitig verloren gegangen sind. Diese Annahme findet darin eine Stütze, dass der ganze Commentar ad Sabinum das gleiche Aussehen zeigt wie die ersten 52 Bücher ad edictum. Die Hauptquellen, d. h. die civilrechtliche Gegenstände behandelnden Bücher der Digesten des Celsus, Iulian, Marcellus, Pomponius ad Sabinum, Cassius libri iuris civilis, sind ziemlich gleichmässig über das ganze Werk verteilt, [1508] Scaevolas Quaestionen begegnen seltener, sind aber bis in das 43. Buch nachweisbar. Nur Papinian verschwindet auch hier am Schlusse (von Buch 34 an). Aber einmal sind uns aus manchem der späteren Bücher überhaupt nur ganz kärgliche Reste erhalten, ferner wird auch schon gegen Ende der überarbeiteten Teile des Edictscommentars (40–52) die Benützung seiner Schriften seltener. Andere Schlüsse als den, dass das Werk auch in seiner zweiten Auflage noch Ungleichmässigkeiten aufwies, wird man nicht daraus ziehen dürfen, da sich sonst keine Verschiedenheiten in den uns erhaltenen Stücken aufdecken lassen, die man nicht der lückenhaften Überlieferung zur Last schreiben könnte. Dass eine Sammelmasse auch an manchen Stellen des Sabinuscommentars nachweisbar ist, wurde schon hervorgehoben (S. 1498). Angaben von Werk und Buch in den Hauptquellen, sowie bei solchen Schriften, die in der Sammelmasse oder sonst gelegentlich herangezogen wurden, reichen bis an das Ende des Werkes. Von dem Zustande der älteren Ausgabe können wir uns aus Ulpians Werk selbst kein Bild machen, da hier die Vergleichung der vollendeten mit den unvollendeten (verlorenen) Büchern versagt. Aber wir werden nicht fehl gehen, wenn wir die letzteren auf die gleiche Linie mit denen des. Edictscommentars stellen (vgl. S 1504).

Vielleicht haben wir eine Spur der Überarbeitung in frg. 2575 I 1 : hier wird Labeo zuerst aus dem Gedächtnis citiert [apud Labeonem memini tractatum], dann das Werk [libro posteriorum: Buchzahl wohl ausgefallen] angegeben und der Inhalt der Worte Labeos genauer, sogar mit einer Note des Proculus hinzugefügt. Das sieht sehr nach einer Ergänzung aus. Ebenso möchte in frg. 2592, 2 [Iulianus scribit et Pomponius lib. VIII de stipulationibus das letztere nachschleppende Citat als spätere Hinzufügung aufzufassen sein].

Der Zeit nach fällt die zweite Ausgabe, wie wir sahen (S. 1441), unter Caracalla, die erste ist ohne Frage bei Severus Lebzeiten verfasst. In den Constitutionen ist zwar bei der Umarbeitung Caracalla regelmässig als regierender, Severus als verstorbener Kaiser hervorgehoben; aber doch dürfte der imperator Severus in frg. 2600 auch hier auf die Entstehungszeit der älteren Auflage hinweisen.

3. Müsste die unter Caracalla (211–217) entstandene Schrift de officio praetoris tutelaris (S. 1454) mit Mommsen als 2. Auflage des schon bei Severus Lebzeiten geschriebenen Buches de excusationibus (S. 1451f.) gelten, so würde sie ebenfalls hierher gehören. Aber auch bei unserer Annahme, dass der Gegenstand der älteren Schrift nur einen Teil der jüngeren bildete, bleibt doch die Thatsache bestehen, dass sie deren Stoff in erheblichem Masse in sich verarbeitet hat. Man darf also auch sie zu den Werken zählen, deren Vorarbeiten schon vor 211 anzusetzen sind.

Auch die beiden Bearbeitungen der Regulae (S. 1448) mögen in diesem Zusammenhange wenigstens erwähnt werden, wenn auch ihr zeitliches und inhaltliches Verhältnis zu einander nicht festzustellen ist. Ebenso sei hier an die Unfertigkeit der Opiniones (S. 1451) erinnert.

4. Die vorstehenden Untersuchungen erhärten [1509] und erweitern also, was Mommsen zum Teil schon aus den Constitutionen erschlossen hatte, dass Ulpians Schriftstellerei sich keineswegs blos auf die J. 211–217 beschränkt, sondern dass seine umfangreichen Vorarbeiten und teilweise auch Ausgaben von Schriften zwanzig Jahre weiter zurückgreifen Allerdings vermögen wir das nur für die beiden grossen Commentare und die Schrift de excusationibus zu beweisen. Die übrigen Werke Ulpians lassen, soweit wir sie kennen, ähnliche Bestimmungen nicht zu. Aber die Vermutung, dass für manche von ihnen zum mindesten die Stoffsammlungen aus der Litteratur und aus den Archiven und vielleicht auch die Entwürfe und ersten Gestaltungen schon vor 211 erfolgt sind oder doch begonnen haben, dürfte nach Massgabe dessen, was uns die Entstehungsgeschichte jener Commentare lehrt, kaum auf erhebliche Bedenken stossen. Immerhin ist sie wahrscheinlicher als die Annahme, dass die ganze Arbeit an allen diesen Werken erst unter Caracalla gethan sein sollte.

Ein Rätsel bleibt, warum Ulpians Schriftstellerei plötzlich mit Elagabals Regierung abbricht. Möglich wäre ja, dass einzelne seiner Werke erst unter diesem Kaiser veröffentlicht wurden (vgl. III 9. 11. 16), aber wir sahen, dass die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme eine geringe ist. Man möchte nun die Nachricht der Hist. Aug. Heliog. 16, 4, dass Ulpian von Elagabal verbannt worden sei, damit in Verbindung bringen; das Aufhören seiner litterarischen Thätigkeit würde dann verständlich sein, und dass er sie unter Alexander nicht wieder aufgenommen hätte, liesse sich durch die umfassende politische Thätigkeit seiner letzten Jahre erklären. Aber einmal weist uns die Neubearbeitung des Commentars zum Edict in die ersten Jahre nach Severus Tode (212–213, vgl. S. 1505): man müsste also für die Unterlassung ihrer Fortführung doch noch zu anderen unbekannten Gründen (vielleicht andere Arbeiten, die dem Verfasser wichtiger erschienen?) seine Zuflucht nehmen. Dazu kommt die geringe Zuverlässigkeit der Quelle, aus der die Erzählung von Ulpians Verbannung stammt. Mehr als die Möglichkeit dieser Erklärung wird man also nicht behaupten können.

Neuere Litteratur: Zimmern Gesch. d. Röm. Privatr. I 367ff. Puchta Inst. I § 100. Bruns in Paulys Realenc. VII 2697ff. Rudorff Röm. Rechtsgesch. I 189ff. Teuffel Röm. Litt.-Gesch. § 376. Fitting Alter der Schriften röm. Juristen 34ff. Bremer Rechtslehrer und Rechtsschulen 82ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 739ff. Krüger Quellen u. Litt. 214ff. Pernice S.-Ber. d. Akad. Berl. 1885, 443ff. Voigt Röm. Rechtsgesch. II 259. Landucci Storia del diritto Romano I² 220ff.

[Jörs. ]

Anmerkungen

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  1. Aus der Benutzung solcher vermittelnder Werke wie Labeos libri posteriores, Iulian ad Urseium u. a. ist es zu erklären, dass sich bei Paulus sowohl im Commentar ad edictum (Dig. XVII 1, 22. 4–11; ebd. 65. XVIII 1, 1. XXXIX 3, 2. XLI 2, 1. 3) wie in dem ad Sabinum (Dig. XXV 2, 1. 3. 6) ähnliche Reihen von älteren Juristen finden. Auch er hat ohne Frage jene Schriften ausgebeutet.