Textdaten
Autor: William Shakespeare
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Titel: Amor vincit omnia
Untertitel: Ein Stück von Shakespearn
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Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1594–1595
Erscheinungsdatum: 1774
Verlag: Weygandsche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Jakob Michael Reinhold Lenz
Originaltitel: Loves Labour’s Lost
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Text: Deutsches Textarchiv; PDF: Universität Mannheim = Commons
Kurzbeschreibung: Amor vincit omnia – Ein Stück von Shakespearn [Loves Labour’s Lost], S. 57–160 ist ein „Anhang“ zur Schrift Anmerkungen übers Theater
Es handelt sich um die erste Übertragung der Shakespearschen Komödie ins Deutsche.
Eintrag in der GND: 4249231-2
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[57]
AMOR VINCIT OMNIA.[1]
Ein Stück
von
Shakespearn.
[59]
Erster Akt.
Erste Scene.
König. Biron. Longaville. Dümain.


König.

Der Ruhm, dem so viel ihr Leben weyhen, soll unser Grab überleben, laßt uns zum Trotz des grossen fräßigen Raben Zeit, uns um diesen Ruhm bewerben, welcher dessen scharfen Raubschnabel stumpf und uns zu Erben einer ganzen Ewigkeit machen kann. Daher, brave Ritter! Krieg sey angekündigt den Affekten und dem furchtbaren Heer der Vergnügungen, Navarra das Wunder der Welt, unser Hof eine kleine Akademie, der Betrachtung und den Künsten geheiligt. Biron, Dümain, Longaville, meine Schulkameraden, ihr habt einen Eid gethan, diese drey Jahre mit mir die Statuten heilig zu beobachten, die auf diesem Zettel stehen: wohlan, seyd ihr jetzo so bearmt, als ihr vorhin bemault wart, so unterschreibt nun eure Namen, damit der, welcher auch nur den kleinsten drin enthaltenen Punkt überschreitet, sich hiemit zum voraus gleichsam unehrlich mache und selber den Stab breche.

[60] Longaville. Ich bin entschlossen. Es ist nur ein dreyjähriges Festin, das wir unserm Geiste geben, derweile das Fleisch leidet. Fette Wännste haben magere Köpfe, und Leckerbissen bereichern die Ribben, aber machen den Verstand bankerut.

Dümain. Theurester Souverain! Dümain ist den Vergnügungen der Welt längst abgestorben, Liebe, Pracht, Ueberfluß sind mir leere Wörter, nur beym Namen der Weltweisheit leb ich auf.

Biron. Das ist viel gesagt. Ich habe geschworen, mein Fürst, hier zu bleiben, drey Jahr zu studiren. Aber was die andern strengen Regeln betrift, in der ganzen Zeit kein Weibsbild anzusehen, ich hoffe doch, daß das nicht auf dem Zettel stehen wird, und denn, einen Tag in der Woche zu fasten, und jeden Tag nur eine Mahlzeit zu thun, ich hoffe doch, das seltsame Zeug wird nicht schwarz auf weiß da stehn und drey Stunden die Nacht nur zu schlafen, da ich doch gewohnt bin, meine liebe lange Nacht an nichts arges zu denken und oft den halben Tag mit dazu zu nehmen. Ich hoffe doch, all das närrische Zeug wird nicht mit auf dem Zettel stehn. Das wäre ja Festungsarbeit, der Henker hielte das aus, nicht zu essen, nicht zu schlafen, kein Mädchen zu sehn.

König. Ihr habt geschworen.

[61] Biron. Verzeiht mir, theurester Souverain! ich schwur bloß, mit Eurer Majestät zu studiren und drey Jahre an Eurem Hofe zuzubringen.

Longaville. Ihr schwurt das, Biron! und das übrige auch.

Biron. Der Henker, so schwur ichs im Scherz. Halt – wenn ihr denn so scharf seyd, was ist der Entzweck des Studirens, sagt mir einmal?

König. Das zu wissen, was wir noch nicht wissen.

Biron. Das heißt, alles, was dem gewöhnlichen Menschenverstande untersagt ist, nicht so?

König. Freilich! das ist der Vorzug des Fleisses.

Biron. So kommt denn, ich will schwören. Ich will zum Exempel studiren, wie das Essen schmeckt, an dem Tage, da es euch untersagt seyn wird zu essen, wie ein hübsches Mädchen aussehe, oder wie ein gar zu harter Eyd zu brechen sey. Alsdenn weiß ich mehr als itzt, nicht wahr? und so ist der Entzweck meines Studirens erreicht.

König. Alle diese Dinge waren nur Hindernisse, die unsern Trieb in seinem ächten Lauf aufhielten und ihn in die Kanäle eitler Ergötzungen leiteten.

[62] Biron. Alle Ergötzungen sind eitel, es ist wahr, aber die gelehrten am meisten. Da über einem Buch schweben und das Licht der Wahrheit suchen, das uns doch nur die Augen thränen macht. Licht mit einem Licht suchen, betrügt uns oft um das Licht, das wir haben. Studirt lieber, wie ihr dem Auge Vergnügen schaffen wollt, wenn ihrs auf ein ander schönes Auge heftet, wird es da gleich geblendet, so wird sich das andere Auge seiner freundlich annehmen und es wieder mit dem Lichte versorgen, das es ihm entzog. Die Wissenschaften gleichen der strahlenden Sonne des Himmels, die nicht mit zu verwegenen Blicken zu lange will angesehen werden. Wenig genug haben die kontinuirlichen Gucker bis dato gewonnen, höchstens das, was andere vor ihnen gesagt haben. Diese irrdischen Gevattern des Himmels, diese Astronomen, die jedem Stern gleich einen Namen an den Hals werfen, haben nicht grössern Gewinn von den schönen Nächten als der ehrliche Bauer, der drunter umherspaziert und viel weiß, was sie bedeuten. Nein nein, zu viel wissen, heißt nichts wissen – als höchstens sich einen Namen zu machen, weil man andern Dingen Namen geben kann.

König. Wie gelehrt wider die Gelehrsamkeit!

[63] Dümain. Wie verschlagen gegen die Beschlagenheit!

Longaville. Er will einen Acker besäen und doch läßt er das Unkraut wachsen.

Biron. Die Gesselchen haben keine Federn, doch müssen sie schon gacksen.

Dümain. Wie paßt das hieher?

Longaville. Ich sehe keinen Sinn drin.

Biron. So hör ich einen Reim drin.

Longaville. Biron ist wie ein neidischer, beissender Frost, der die neuaufgekeimten Kinder des Frühlings tödtet.

Biron. Warum prahlt ihr dann mit Blüthen, eh noch die Vögel angefangen zu singen? Soll ich eurer Fehlgeburten schonen? Ich verlange so wenig um Weihnachten eine Rose aufblühen zu sehen als in Mayblumen schneyen. Jedes Ding für seine Jahrszeit, so ihr, jetzt ists für euch zu spät, das heißt übers Haus steigen um ein Fenster aufzumachen.

König. Gut, so bleibt draussen. Geht heim Biron! Adieu.

Biron. Nein, mein Fürst! ich habe geschworen. Obschon ich für die Barbarey gesprochen, so will ich doch halten was ich schwur. Reicht mir euren Zettel, ich will ihn durchgehen und dann meinen Namen unterschreiben.

[64] König. Du erspahrst dir einen großen Schimpf.

Biron. (liest) „Daß eine ganze Meile im Umkreise keine Weibsperson meinem Hofe nahen soll – – ist das proklamiret worden?

Longaville. Seit vier Tagen schon.

Biron. Und bei Strafe? – „ihre Zunge zu verlieren“?[WS 1] Wer gab die Strafe an.

Longaville. Ich.

Biron. Warum?

Longaville. Weil es die ärgste ist, die man ihnen drohen kann.

Biron. (weiterlesend) „Wenn eine Mannsperson innerhalb dieser drey Jahre mit einem Weibe spricht, soll er eine so strenge öffentliche Beschimpfung, als der Hof ohne Stöhrung der allgemeinen Ruhe –“

Diesen Punkt, mein Fürst! seyd ihr selbst gezwungen zu brechen, denn ihr wißt, daß die Prinzessin des Königs von Frankreich unterwegens ist, mit euch wegen der Uebergabe von Aquitanien an ihren alten Vater zu akkordiren. Dieser Punkt wäre also null und nichtig, oder die ganze Reise und der Auftrag der schönsten aller Prinzessinnen – –

König. Was sagt ihr dazu, Ritter? Wahrhaftig, ich hatte es ganz und gar vergessen?

[65] Biron. Das sind die edlen Früchte des Studirens, derweil ihr zu wissen strebet was ihr wollt, vergeßt ihr drüber was ihr sollt.

König. Hier zwingt uns die Noth, eine Ausnahme zu machen.

Biron. So wird uns die Noth alle zwingen, dreytausend Ausnahmen in drey Jahren zu machen. Jeder Mensch wird mit seinen Trieben geboren, die durch nichts anders als die Gnade bemeistert werden können. Werd ich also meineidig, so hoff ich, dies Wort Ew. Majestät wird mir zu Gut kommen, ich habs aus Noth gethan. So will ich denn auch meinen Namen unterschreiben, aber im weitläuftigern Sinn, die andern Herren thatens im engern. Doch hoff ich, ich werde der letzte seyn, der seinen Eid zu befingern anfangen wird, um ihn nach und nach gar zu brechen. Aber haben wir denn nicht die mindesten Erholungen bey unserer Kopffrohn?

König. Ihr wisset, an unserm Hofe hält sich der scharfsinnige reisende Spanier auf, ein Mann, der mit den Sitten der ganzen Welt gestempelt ist und ein ganzes Münzkabinet von neuen Worten in seinem Hirnkasten trägt. Dessen Zunge von lauter Harmonien erthönt, ein Mann von oben herab, immer entscheidend, den Recht und [66] Unrecht zum Schiedsrichter aller ihrer Katzbalgereyen scheinen ausersehen zu haben. Dieser Sohn der Fantasey, der hohe Armado, soll zur Ausfüllung unserer Nebenstunden uns Rittergeschichte erzehlen, wie er euch gefallen wird, weiß ich nicht, genug ich habe meine Freude daran, ihn lügen zu hören.

Biron. O Armado ist ein Mann von Wichtigkeit.

Longaville. Wenn Costard, der Narr, dazu kommt, so werden uns die drey Jahr nur gar zu geschwinde vergehen.




Zweyte Scene.
Costard. Dull zu den vorigen.


Dull. Wo ist des Herzogs eigene Person?

Biron. Hier, Bursche! was verlangst du?

Dull. Ich präsentire selber des Herzogs Person, denn ich bin Sr. Herrlichkeit Constabel, aber ich wollte des Herzogs Person in Fleisch und Blut sehen.

König. Hier bin ich.

Dull. Herr Arme schickt mich: es steht nicht recht draussen. Dieser Brief wird euch mehr sagen.

[67] Costard. Von mir ist die Rede.

König. Ein Brief vom hohen Armando.

Biron. Der Inhalt wird niedrig genug seyn.

Costard. Von mir ist die Rede, von mir und Jakobinen. Die Art, wie ich mit ihr ergriffen bin – –

Biron. Auf was für Art?

Costard. Auf folgende Art und Weise, Herr! alles dreyes zusammen. Vors erste die Art, daß er mich gesehn hat mit ihr in des Meyers Hause sitzen, auf diese Weise und zum dritten das folgende, daß er mich gesehen hat, wie ich ihr in den Garten folgte. Nun was die Art anbelangt, Herr, so ist es die Art von einem Kerl, daß er mit seinem Maidel spricht.

Biron. Aber die Folgen, guter Costard.

Costard. Ja ja, das folgende, he he he, Gott mag dem Recht beystehen.

König. Wollt ihr den Brief hören?

Biron. Wie ein Orakel.

Costard. O ihr einfältige Leut!

König. (liest) Grosser Abgeordneter! Vicekönig des Himmels, einziger Herrscher in Navarra, meiner Seele Erdgott und meines Körpers pflegender Patron!

Costard. Sagt er nichts von Costard noch?

König. (liest) „So ist es –“[WS 2]

[68] Costard. Das glaub ich wohl, daß dem so ist, weil ers sagt, muß es wohl –

König. (böse) Fried! –

Costard. Sey mit allen, die nicht fechten können.

König. Kein Wort.

Costard. Ich ersuch euch, lest meine Heimlichkeiten nicht laut.

König (liest) „So ist es. Belagert von der mistfarbenen Melankoley übergab ich diesen schwarzdrückenden Humor der heilsamen Natur, und da ich ein Edelmann bin, begab ich mich auf den Spaziergang. Die Zeit wenn? um die fünfte Stunde, wenn das Vieh am emsigsten graset, die Vögel picken und der Mensch sich niedersetzet zu der Nahrung, die da genannt ist Abendbrod. So viel für die Zeit. Nun für den Grund, warum? Der Grund, auf dem ich spazierte, heißt der Park. Nun für den Ort, wo? Wo ich antraf die obscöne und sehr verkehrte Scene, welche von meiner schneeweißen Feder die ebenfärbige Tinte herabzieht, die du hier anschauest, in Augenschein nimmst, betrachtest oder siehst. Aber was den Ort anbetrift, wo, so liegt er nordostwärts, an dem ostostlichen Winkel deines kurieusen Irrgartens, da sah ich und siehe, der niedrigdenkende Narr, der elende Günstling deiner Laune (Costard. Ich?) die ungelehrige [69] Seele (Cost. Ich?) der seichte Sklave (Cost. Immer ich?) der, wie ich mich erinnere, sich Costard (Cost. Aha ich, ich –) zugesellt, deiner proklamirten hohen Verordnung schnurstracks entgegen, zu – ich leide zu viel, wenn ich sage zu wem –

Costard. Zu meinem Mensch.

König. (fortlesend) Zu einem Kinde unserer Großmutter Eva, oder um mich deutlicher auszudrücken, zu einem Frauensbild. Diesen habe, der bewährten Pflicht meiner Schuldigkeit gemäß, zu dir gesandt, den Lohn seiner Strafe zu empfahen durch deiner Herrlichkeit Beamten Anton Dull, einem Mann von gutem Ruf, Führung, Aufführung und Betragen.

Dull. O zu viel Ehre, ich heiß Anton Dull und kein Wort weiter.

König. Was Jakobinen, so heißt das schwächere Gefäß, anbetrift, so habe sie als ein Gefäß der Strenge der Gesetze angehalten und sie soll auf den kleinsten Wink deines Willens hieher zum Verhör gebracht werden. Dein in aller Ehrfurcht der devotesten Hitze der Ergebenheit Don Adriano von Armado.

Biron. Nicht vollkommen so gut als ich erwartete, aber doch besser als alles, was ich von der Art hörte.

[70] König. Was sagst du dazu, Costard?

Costard. Gnädiger Herr, ich bekenn’ auf mein Mensch.

König. Hast du meine Verordnung gehört? Es war ein Jahr Gefängnis darauf gesetzt, mit einem Mensch angetroffen zu werden.

Costard. Gnädiger Herr, ’s war kein Mensch, ’s war eine Mamsell.

König. Gut, mit einer Mamsell.

Costard. Es war eine Jungfer Ihro Gnaden.

König. Das Gesetz gilt von den Jungfern auch.

Costard. So läugne ich ihre Jungferschaft, es war ein Mädel.

König. Das Mädel wird dir zu nichts helfen, Narr. Du sollst eine Woche fasten bey Wasser und Brod.

Costard. Ich hätte lieber ein Jahr gebethet bey Schaffleisch und Reiß.

König. Don Armado soll dein Kerkermeister seyn. Biron! daß er ihm übergeben wird. Und wir wollen an unsere Arbeit gehen. (ab)

Biron. Ich wollte meinen Kopf verwetten, diese Verordnungen machen uns am Ende noch alle zu Narren. (zu Costard) Komm.

Costard. Ich leide für die Wahrheit, Herr, denn wahr ists, daß ich mit Jakobinen [71] bin gegriffen worden und Jakobine ist wahr und wahrhaftig ein Mädel, also denn willkommen du bitterer Trank der Freude, und das Unglück wird mich auch schon wieder einmal anlachen, und dann so lebet wohl ihr meine Sorgen und so ferner. (ab)


Dritte Scene.
Armado Hauß.
Armado. Mot, sein Page.


Armado. Junge, was bedeutets, wenn ein Mann von grossem Geist melankolisch wird?

Mot. Es bedeutet ihm nichts guts, Herr, es bedeutet, daß er sauersieht.

Armado. Zartes Reiß! das ist dasselbe.

Mot. Nein, Herr.

Armado. Wie kannst du sauersehen und melankolisch seyn von einander unterscheiden, zarter Junge?

Mot. Ja ich unterscheide sie, zäher Herr.

Armado. Warum nennst du mich zäher Herr?

Mot. Warum nennen Sie mich zart?

Armado. Das ist ein schickliches Epitheton, den jungen Tagen beyzulegen. Wir nennen das ein zartes Alter.

[72] Mot. Und ich nenne das ein zähes.

Armado. Wohl und schicklich.

Mot. Wer, Herr? ich oder meine Reden?

Armado. Du bist wohl, obschon klein.

Mot. Also ein klein wenig wohl.

Armado. Behender Junge.

Mot. Soll das ein Lob seyn?

Armado. Freilich!

Mot. Ich will einen Aal so loben.

Armado. Wie das?

Mot. Er ist behend.

Armado. Ich sage, du bist behend im Antworten, du machst mich ungeduldig.

Mot. Ich bin keine Antwort.

Armado. Ich mag nicht widersprochen seyn.

Mot. So hört auf zu reden, denn ihr widersprecht euch selber immer.

Armado. Ich habe dem Herzog versprochen, mit ihm drey Jahr zu studiren.

Mot. Das könnt ihr in einer Stunde thun.

Arm. Unmöglich!

Mot. Wieviel ist eins dreymahl genommen.

Arm. Ich kann nicht rechnen, das ist eine Wissenschaft für schlechte Leute.

Mot. Ihr seyd ein Spieler.

Arm. Freilich, das geht zu meinem Stande.

[73] Mot. So werdet ihr doch gewiß wissen, wieviel’s macht, wenn ich zu einem Zweyer eine As thue.

Arm. Es macht zwey mehr als eines.

Mot. Und das nennt der Pöbel drey.

Arm. Es kann seyn.

Mot. Also, Herr! ist denn dazu Kopfbrechens vonnöthen? Ihr habt nun die drey studirt, ist auf der Welt Gottes nichts leichter, setzt nun das Wort Jahr zu dem Wort drey und studirt die zwey Worte, das müste ja ein Tanzbär können, warum ihr nicht?

Arm. Eine schöne Figur!

Mot. Ich wills euch mit Zahlen aufschreiben.

Arm. Hör, ich will dirs nur gestehn, ich bin verliebt, und weil es niedrig für einen Helden ist verliebt zu seyn, so bin ich in ein niedriges Mensch verliebt. Wenn ich mich von diesen verworfenen Gedanken frey machen könnte, ich wollte mein Schwerdt ziehn, sie sogleich zu Gefangenen machen und gegen französische Galanterie austauschen. Ich schäme mich zu seufzen, ich möchte den Kupido gern beschwören. Tröste mich, Junge! was für grosse Leute sind verliebt gewesen?

Mot. Herkules, Herr.

Arm. O der allerliebste Herkules. Mehr Autoritäten, Junge! nenne mir mehr Namen, [74] ich bitte dich, und, mein liebes Kind! daß es nur ja Leute von guter Reputation seyn.

Mot. Simson, Herr! und das war ein Mann von gar guter Aufführung, denn er führte die Stadtthore auf seinem Rücken weg.

Armado. O wohl qualificirter Simson! ich bin berühmt im Rappier, wie du im Thortragen. Wer war Simsons Liebste, mein theurer Mot?

Mot. Es war ein Weibsbild.

Arm. Von welcher Complexion?

Mot. Von allen vieren.

Arm. Von welcher?

Mot. Von der meergrünen.

Arm. In der That, grün ist die Farbe der Liebe: aber eine Liebste von der Farbe ist nicht angenehm. Vielleicht liebt’ er sie wegen ihres Witzes.

Mot. So war es: sie hatt’ einen grünen Witz.

Armado. Meine Liebste ist ohne Flecken, weiß und roth.

Mot. Unter den Farben sind oft die beflecktesten Gedanken verborgen.

Arm. Wie das, mein Sohn! wie das?

Mot. Meines Vaters Verstand und meiner Mutter Zunge steht mir bey.

Arm. Schöne Anrufung eines Kindes! Sehr pathetisch und sehr ästhetisch.

[75] Mot.

Wenn sie ist weiß und roth zugleich,
Ihr Fehl bleibt unbekannt.
Denn das Gewissen machet bleich,
Und Schaam die Wang entbrannt.
Jetzt ob sie noch so sehr sich schämt,
Es kommt nicht an das Licht,
Bey jeglichem Gewissen strömt
Das Blut ihr zu Gesicht.

Das ist ein Lied über weiß und roth, Herr.

Arm. Weissest du keine Ballade von einem König und einer Bettlerin? mich dünkt, ich habe so etwas von dir gehört.

Mot. Wenn eine so da ist, so dient sie weder zum drucken noch in Musik zu setzen.

Arm. Ich möchte sie gern geschrieben haben. Jung, ich bin in das Bauermädchen verliebt, das ich neulich mit dem vernünftigen Hunde Costard scherzen sah, und sie verdiente wohl –

Mot. Ausgepeitscht zu werden.

Arm. Sing, Junge, mein Geist wird schwermüthig für Liebe.

Mot. Das wundert mich, da ihr ein so leichtsinniges Mensch liebt.

Arm. Sing.

Mot. Bis die Compagnie vorüber ist.

[76]
Vierte Scene.
Costard. Dull. Jakobine. Ein Mädchen (treten herein)


Dull. Herr, des Herzogs Befehl ist, Costard in gefängliche Haft zu nehmen, er soll weder Lust noch Unlust leiden, das heißt, drey Tage in der Woche fasten. Und die Jungfer thut in den Park mit diesem Mädchen. Lebt wohl. (ab)

Armado. Meine Röthe wird mich verrathen – Mädchen.

Jakobine. Kerl!

Arm. Ich will dich im Thiergarten besuchen.

Jakobine. Mir nicht zuwider!

Arm. Ich will dir Wunder erzehlen.

Jakobine. Ey was ihr sagt?

Armado. Ich lieb dich.

Jakobine. Und ich euch nicht.

Armado. So fahr wohl.

Jakobine. Glückliche Reise. Komm! (geht ab mit ihrer Gespielin)

Armado. Du Elender sollst[WS 3] fasten, bis dirs vergeben wird.

Costard. Ich hoff es, Herr. Kann ich nicht mit vollem Magen fasten?

Arm. Ihr sollt schwer bestraft werden.

[77] Costard. Doch möcht ich nicht mit euch studiren, denn ihr seyd leicht belohnt.

Arm. Führt ihn fort, geschlossen.

Mot. Fort, du verbrecherischer Sklave.

Costard. Herr, ich bitte euch, ich bin fest genug, wenn ich loß bin.

Mot. Loß und fest zugleich? Ins Gefängniß.

Costard. Nun denn, wenn ich euch jemals wieder erblicke, ihr frölichen Tage der Verzweiflung, so soll mancher gewahr werden –

Mot. Was?

Costard. Nichts, Herr – was er sieht. Gefangene sind nicht verbunden, in ihren Reden ein Stillschweigen zu beobachten, derowegen will ich nichts reden. Ich danke Gott, ich habe meine Galle wie andere Leute auch, ich verliere endlich die Geduld und deswegen so will ich geruhig seyn. (Mot führt ihn ab)

Armado. (auf und ab spatzierend) Ich fühle etwas, eine hinreissende Sympathie – – zu dem Fußboden – (das ist niedrig) wo ihre Schuh – (das ist noch niedriger) von ihrem zarten Fuß bewegt (das ist das allerniedrigste) getreten haben. Ich thue einen Meineyd, ich bin falsch – nun wie kann eine Liebe wahr seyn, wenn sie falsch ist? Liebe ist ein guter Geist, Liebe ist der böse Feind, es giebt keinen bösern Geist als die Liebe, und [78] doch ward Simson verliebt und hatte eine so grosse Stärke, und Salomo ward verführt und hatte doch einen guten Verstand. Kupidos Pfeile sind stärker als Herkules Keule, geschickter als mein Rappier, er achtet das Passado nicht und das Duello respektirt er nicht, schade daß er ein Kind ist und doch Männer bezwingt. Lebe wohl Tapferkeit! roste Rappier! halts Maul Trummel! euer Meister ist verliebt, ja er ist verliebt, steh mir bey irgend ein Versgott, sonst werd ich noch zum Sonnet. Auf Witz fouraschire, schreib Feder, jetzt bin ich ein Buch in Folio. (ab)





Zweyter Akt.
Erste Scene.
Die Prinzeßin von Frankreich. Rosaline. Marie. Catharine. Bojet. Herren und Gefolge.


Bojet.

Itzt, Prinzeßin, ruft eure schönsten Lebensgeister zusammen. Bedenkt, wen der König [79] euer Vater sandte, zu wem er euch schickte, und was der grosse Zweck eurer Gesandschaft ist. Ihr, die Bewunderung der ganzen Welt, sollt mit dem einzigen Erben aller männlichen Vorzüge, dem unvergleichlichen Navarra sprechen, und der Handel betrift nichts geringers als Aquitanien, die Mitgabe einer Königin. Seyd nun so verschwenderisch mit all euren Annehmlichkeiten, als die Natur war, da sie euch schuf, als sie die ganze sichtbare Welt davon zu entblössen schien, um euch auszuschmücken.

Prinzeßin. Guter Lord Bojet, so gering meine Schönheit ist, so braucht sie die Schnörkel eures Lobes nicht, Schönheit wird gekauft nach dem Urtheil des Auges, nicht nach dem marktschreyerischen Ausruf der Kaufleute. Ich bin sicher weniger stolz, wenn ihr meine Schönheit erhebt, auf meine Schönheit, als ihr auf den Witz, den ihr bey der Gelegenheit könnt sehen lassen. Zur Sache, Bojet, der allverbreitende Ruf trug uns entgegen, Navarra hab ein Gelübd gethan, bevor drey Jahr unter mühsamen Studiren verstrichen, soll kein Weibsbild sich seinem stillen Hofe nähern, also eh wir diese verbothenen Thore betreten, sondern wir euch aus, in Rücksicht auf eure vorzügliche Talente, seine Meinung hierüber einzuziehen, und für uns um Audienz anzuhalten. Sagt [80] ihm, die Tochter des Königs von Frankreich verlange in einer wichtigen und dringenden Angelegenheit eine mündliche Unterredung mit Seiner Majestät. Eilt und bringt uns demüthigen Fremdlingen seinen königlichen Willen.

Bojet. Ich eile, stolz auf meine Commission. (ab)

Prinzeßin. Wer sind die Mitgeschwornen des gelehrten Herzogs?

Maria. Ein Lord Longaville ist einer.

Prinzeßin. Kennt ihr den Mann?

Maria. Ich lernt’ ihn auf der Hochzeit Lord Perigords und der schönen Tochter Faulconbridgs kennen: in der Normandie sah ich diesen Longaville, er soll grosse Talente haben, wohlbewandert in Künsten, in den Waffen, nichts mißlingt ihm, was er unternimmt. Der einzige Flecken seiner glänzenden Eigenschaften war ein scharfer Witz mit einem stumpfen Herzen vermählt, der alles bis auf den Mark durchdringt, was ihm entgegen kommt.

Prinzeß. Ein Momus also, der überall zu lachen findet.

Maria. So sagt man.

Prinzeß. Der schnellschießende Witz verwelkt, so wie er wächst. Wer sind die andern?

[81] Catharine. Der junge Dumain, ein vollkommener Jüngling, von allen die Tugend lieben geliebt, viel Gewalt viel Schaden anzurichten, aber kein Herz dazu. Witz die häßlichste Gestalt gelten zu machen, und eine Gestalt, auch allen Mangel an Witz zu ersetzen. Ich sah ihn beym Herzoge Alfonso und er übertrift meine Beschreibung weit.

Rosaline. Wenn man mir die Wahrheit gesagt hat, so war damals noch einer von den vornehmen Studenten mit ihm. Sie nennen ihn Biron, aber einen lustigern Mann, doch mit Anstand, hab ich noch nie gesehen. Ich lernt’ ihn in einer Stunde kennen. Sein Auge ist der Gelegenheitmacher seines Witzes, alles was jenem nur auffällt, weiß dieser in Scherz zu kehren, und hat einen so netten Dollmetscher an seiner Zunge, daß Greisenohren begierig an seinem Munde hängen bleiben.

Prinzeßin. Gnade Gott Lädies! seyd ihr denn alle verliebt. Ihr überschüttet ja die Leute mit einem Berg von Lobeserhebungen.

(Boyet kommt.)

Prinzeßin. Nun was für einen Bescheid, Boyet.

Boyet. Navarra hatte schon Nachricht von Eurer schönen Anherokunft, er und seine [82] Mitgenossen waren fertig euch entgegen zu gehen, als ich kam. Aber was hab ich erfahren müssen? er ist so gewissenhaft, euch lieber auf dem freyen Felde zu beherbergen, gleich als ob ihr gekommen wärt seinen todten Hof zu belagern, als eine Dispensation für seinen Eid zu suchen. Hier ist er.

König. Longaville. Dumain. Biron. Gefolge.

König. Schöne Prinzeßin, willkommen an dem Hofe zu Navarra.

Prinzeßin. Das schöne geb ich euch zurück und das Willkommen hab ich noch nicht von euch empfangen. Das Dach eures Hofes ist zu hoch um euer zu seyn und dieses Feld zu weit, um es mir zuzueignen.

König. Ihr seyd an meinem Hofe willkommen.

Prinz. Ich nehm’ es an, führt mich hinein.

König. Hört mir zu, theure Lädy, ich hab einen Eid geschworen.

Prinz. Helfen euch unsre lieben Frauen, so ist es ein Meineid gewesen.

König. Um eine Welt nicht, schönste Prinzeßin, mit meinem Willen nicht.

Prinz. Euer zweyter Willen wird den ersten wollen lehren.

[83] König. Eure Herrlichkeit weiß nicht was es ist.

Prinz. Oft ist das Nichtwissen weise und das Zuvielwissen Unwissenheit. Ich hör, Eure Herrlichkeit hat verschworen eine Haushaltung zu führen: es ist in der That so viel Sünde einen solchen Eid zu halten als ihn zu brechen. Aber verzeiht mir, daß ich so dreist bin einem Gelehrten zu predigen, geruhet lieber die Absicht meiner Anherokunft zu lesen und mich aufs geschwindeste abzufertigen.

König. So geschwind als es mir möglich seyn wird.

Prinz. Ihr wünschet mich wohl schon fort, ich mach euch mit jedem Augenblicke meineidiger.

Biron. Hab ich nicht in Braband mit euch getanzt?

Rosaline. Hab ich nicht in Brabant mit euch getanzt?

Biron. Ich erinnere michs recht gut.

Ros. Also war es überflüßig, daß ihr frugt?

Biron. Ihr seyd zu schnell im Antworten.

Ros. Ihr spornt mich mit euren Fragen.

Bir. Euer Witz nimmt Reißaus, er wird müde werden.

[84] Ros. Nicht eher als bis sein Reuter im Kothe liegt.

Bir. Wenn soll das geschehen?

Ros. Wenn mich ein Thor fragen wird.

Bir. Laßt ihr die Maske fallen.

Ros. Ist mein Gesicht so schön als sie?

Bir. Es wird euch viel Anbeter herbey ziehn.

Ros. Wenn ihr nur nicht drunter seyd.

Bir. So muß ich wohl gehn.

König. Madame! Euer Vater erwähnt hier der Zurückzahlung hunderttausend Cronen, der Hälfte der Summe die mein Vater ihm zum letzten Kriege vorgeschossen, ich muß euch sagen, weder er noch ich haben je dies Geld gesehen, und auch in dem Fall würden immer noch hunderttausend zu bezahlen übrig seyn, zur Entschädigung machen wir auf einen Theil von Aquitanien Anspruch, obgleich es unter dem Werthe unserer Schuldforderung ist. Versteht sich also der König Euer Vater, mir diese gewiß noch unbezahlte Hälfte wieder zu erstatten, so wollen wir unser Recht auf Aquitanien fahren lassen. Allein wie es scheint, ist ers nicht willens, er will meinem Vater hunderttausend Cronen bezahlt haben, und denkt mit keinem Worte an die Bezahlung der andern Hälfte. Also schönste Prinzeßin! wären seine Foderungen nicht [85] so hoch gespannt, so entfernt von allem vernünftigen Nachgeben, so würde Euer schönes Selbst schon längst das ganze Gefühl meines Rechts zum Nachgeben gezwungen haben und ihr würdet vollkommen befriedigt nach Frankreich zurückkehren.

Prinz. Ihr thut dem Könige meinem Vater ein zu schmerzhaftes Unrecht und dem Ruhme Eures königlichen Namens nicht weniger, wenn Ihr so beharrlich drauf besteht, das Geld nicht empfangen zu haben, das euch doch treulich ist ausgezahlt worden.

König. Ich betheure euch nie etwas davon gehört zu haben: könnt Ihr mirs beweisen, so will ichs euch zurück bezahlen, oder mein Recht zu Aquitanien aufgeben.

Prinz. Wir halten euch bey Eurem Worte. Boyet, du kannst Quittungen vorzeigen.

Boyet. Verzeihe Euer Herrlichkeit, das Paket worinn diese und andere wichtige Papiere befindlich soll morgen erst ankommen.

König. Es soll mir genug seyn sie gesehn zu haben, so will ich nachgeben, – so viel ich kann. Mittlerweile empfangt von mir den Willkomm den euch meine unverletzte Ehre geben kann, ich darf euch die Thore nicht öfnen, theure Prinzeßin, aber [86] ihr sollt hier dennoch so gut seyn, daß ihr glauben sollt, ich hab euch für die versagte Herberge in meinem Hause eine in meinem Herzen gegeben: eure schöne Seele mag mich entschuldigen, und so lebt wohl. Morgen darf ich euch wieder besuchen.

Prinzeß. Der Himmel erhalte euch frölich.

König. Euren Wunsch zurück, gnädige Frau! (ab.)

Biron. Lädy, ihr seyd meinem Herzen anbefohlen.

Rosaline. Thut was ich euch befehle, es wird mir viel Vergnügen machen.

Biron. Ich wünscht’ ihr könntet es seufzen hören. (ab)

Dumain. Mein Herr! ein Wort – wie heißt jene Dame.

Boyet. Rosaline, Tochter des Alfonso.

Dumain. Sehr liebenswürdig. Lebt wohl. (ab.)

Longaville. Auf ein Wort, mein Herr! wer ist die im weißen?

Boyet. Tochter des Faulconbridge.

Longaville. Eine sehr angenehme Dame. (ab.)

Boyet. Wenn meine Beobachtungen, die mir sehr selten fehlen, wenn ich die Rhetorik der Herzen in den Augen studire, [87] mich diesmal nicht betrügen, so ist Navarra angebrannt.

Rosaline. Du bist in Liebeshändeln alt geworden.

Maria. Er ist Cupidos Großvater und geht noch immer bey ihm in den Klassen.

Rosaline. So muß Venus ihrer Mutter ähnlich sehen, denn sonst würde sie garstige Züge haben.

Boyet. Ihr könnt doch hören, Närrchen!

Maria. Nein.

Boyet. So könnt ihr doch sehn. Habt ihr ihn nicht angesehn, als er vor ihr stand?

Rosaline. Nein, wir sehen nur immer vor uns.

Boyet. Ja so ist mit euch auch nicht zu sprechen.




Dritter Akt.
Erste Scene.
Der Park. Armado und Mot. Mot singt.


Armado.

Zwitschere Kind! mach den Sinn meines Ohrs empfindlich.

[88] Mot. (singt.)

Arm. Gut Lied! geh zartes Alter! nimm diese Schlüssel! schenk dem Schäfer die Freyheit, bring ihn ungesäumt zu mir, ich muß ihn mit einem Briefe an meine Liebste schicken.

Mot. Herr, wollt ihr eure Liebste auf französisch gewinnen?

Arm. Wie das, lieber Junge?

Mot. Ein Liedchen mit dem End’ eurer Zunge tanzen, mit euren Füssen dazu singen, und das alles durch Auf- und Abziehen eurer Augbraunen beleben, eine Note seufzen, die andere singen, und wenn ihr im Singen zuviel Liebe heruntergeschluckt, sie durch die Nase wieder von euch geben, euren Hut wie eine Regenrinne tief über den Kramladen eurer Augen vorgeschoben, die Arme kreuzweis über euren Brustlatz gelegt wie ein Kaninchen am Bratspieße, oder eure Hände in den Rocktaschen wie ein Mann in einem uralten Gemählde – nur müßt ihr nie zu lang in einer Melodie fortfahren, das sind die Manieren, das sind die Launen, denen die feinsten Koketten nicht halten können, wodurch ihr euch unsterblich macht wie Eroberer.

Armado. Wo hast du alle die Erfahrungen her?

Mot. Von mir selber.

Arm. Aber o! aber o!

[89] Mot. Bald hättet ihr eure Liebste über meine Erfahrungen vergessen.

Arm. Führ mir den Schäfer her, er soll ihr den Brief bestellen.

Mot. Schöne Gesandschaft! ein Pferd nach einem Esel.

Arm. Was sagst du?

Mot. Ihr könntet doch lieber das Pferd zu eurer Bothschaft brauchen, als es erst nach dem Esel gehen lassen.

Arm. Es ist nicht weit, geh geschwind.

Mot. Wie Bley.

Arm. Was denn, seltsamer Witz! ist Bley nicht ein schweres träges Metall?

Mot. Minime.

Arm. Ich sage, Bley ist langsam.

Mot. Und ihr schnell im Verläumden. Ist das Bley langsam das aus dem Laufe einer Flinte kommt?

Arm. Angenehmer Rauch der Wohlredenheit! Er vergleicht mich der Kanone und er ist die Kugel. Geh denn, ich schieße dich zum Schäfer.

Mot. Bautz! – (ab.)

Armado. Ein sehr scharfsinniger Knabe! voller gelenksamen freyen Annehmlichkeiten. Mit deiner Erlaubniß, angenehmes Firmament! ich muß dir ins Gesicht seufzen. Strenge Melancholey! du hast meine [90] Stärke übermannet. Aber da kommt mein Herold.


Zweyte Scene.
Mot. Costard zum Vorigen.


Armado. Du bist frey, Hirte – und ich lege dir für diese Entlassung keine andere Bedingung auf, als diesen Brief zur Nymphe Jakobina zu tragen, da ist ein Rekompens dafür, denn der beste Lohn wird denen die mir gehorchen. Mot, du folgst mir.

Mot. Wie eine Conclusion den Prämissen. Adjeu Laye. (ab mit Armado.)

Costard. Adjeu, eine Unze Mannsfleisch! du mein Caninchen – Rekupens das ist wohl das lateinische Wort von einem Zwölfpfenningsstücke. Ich möchte wissen, wie viel Ellen Band ich für einen Rekupens zu kauf bekäme, weil die Leute das Latein nicht verstehn.

Biron kommt.

Biron. O mein guter lieber Costard! vortreflich, daß du mir hier in den Wurf kommst.

[91] Cost. Sagt mir doch, Herr! wieviel Ellen feuerfarben Band kriegt man für einen Rekupens?

Biron. Was ist das?

Cost. Wißt ihr das nicht? So viel als zwölf Pfenninge.

Bir. So kriegstu für zwölf Pfenninge Band dafür.

Cost. Ich dank Eurer Herrlichkeit! Gott erhalt Eure Herrlichkeit dafür.

Bir. Wart Bursch! ich muß dich ausschicken. Willst du meine Gunst haben, so thu was ich verlange.

Cost. Wenn wollt ihrs gethan haben?

Bir. Diesen Nachmittag.

Cost. Gut! so will ichs thun. Lebt wohl.

Bir. (hält ihn zurück.) Du weißt ja noch nicht was es ist.

Cost. Sagt mirs, wenn ichs werde gethan haben.

Bir. Wart doch Schurke! du must ja erst wissen was.

Cost. Ich will morgen früh zu euch kommen.

Bir. Du hörst ja, es soll den Nachmittag seyn. Höre mir zu, Kohlkopf! Die Prinzeßin kommt in den Thiergarten zu jagen, in ihrem Gefolge ist eine so schöne Dame, daß man ein Conzert macht, wenn man ihren [92] Namen nur ausspricht, Rosaline heißt sie, frag nach ihr, übergieb ihrer schönen Hand dies versiegelte Briefchen. Da hastu ein Trankgeld.

Cost. Trankgeld! o schönes Trankgeld! besser als Rekupens, zwölf Pfenning besser, allerliebstes Trankgeld. Ich will thun, was ihr verlangt, Herr! o Trankgeld, Trankgeld. (ab.)

Biron. O und ich! in Liebe versunken! sonst die Geissel der Verliebten, der Büttel jedes zärtlichen Seufzers, Richter – nicht – Nachtwächter, Constabel, keifender Schulmeister der jugendlichen Regungen, o kein Sterblicher so stolz und vermessen als ich. Dieser wimmernde, gellende, stockblinde, unnütze Junge Cupido, der König schnarrender Sonnette, Herr zusammengeschlagener Arme, Fürst der Seufzer und o! Lehnsherr aller Faullenzer und Tagdiebe, Selbstherrscher der Unterröcke, Heerführer der Pflastertreter – (herunter mein Herz!) und ich der Corporal unter seinem Leibschwadron! Ich der Reifen, durch den dieser Seiltänzer seine Sprünge macht. Ich liebe, ich verfolge, ich hetze ein Weib! – ein Weib! – das wie eine Uhr aus Deutschland alle Augenblick muß reparirt werden und doch nimmer richtig geht – und werde meineidig darüber – und was das schlimmste ist, [93] liebe von allen dreyen grade die häßlichste. Ein blasser Wildfang mit schwarz sammetnen Augbraunen und die Pechkugeln in ihrem Kopfe statt Augen. Und eine, beym Himmel! die euch ihre Sachen machen würde, und wenn Argus selber ihr Verschnittener wäre. Und ich bey ihr flehen – ich sie bewachen. Geh doch! es ist eine Pestbeule, mit der Cupido mich im Schlafe inficirte, dafür daß ich seine allmächtige schröckliche kleine Macht verspottete. Gut, ich will lieben, schreiben, seufzen, weinen, bitten, verfolgen, schmachten, zum Narren werden, weil er es so haben will, und es einmal nicht mehr zu ändern ist. (ab.)




Vierter Akt.
Erste Scene.
Ein Seitengebäude im Park, nah am Pallaste.
Prinzeßin. Rosaline. Maria. Catharina. Lords. Gefolge. Ein Förster.


Prinzeßin.

Wars der König, der sein Pferd den Fußsteg bergan spornte?

[94] Boyet. Ich glaub nicht, daß er es war.

Prinzessin. Wer es auch war – er zeigt’ einen emporstrebenden Geist. Meine guten Lords, macht euch fertig, wir sollen heute Bescheid erhalten und Samstag geht es nach Frankreich (zum Förster) weist uns den Dickigt an, wo wir die Mörder spielen sollen.

Förster. An der Ecke jener Baumschule bleibt stehen, da werdt ihr gewißlich nicht fehlschiessen.

Costard kommt.

Boyet. Hier kommt ein Mitglied des gemeinen Wesens.

Cost. Ich hab einen Brief vom Herrn Biron an die Dame Rosaline.

Prinzessin. O her damit, her damit, er ist mein guter Freund – Entfernt euch, Bote! Brich auf, Boyet!

Boyet. Der Brief ist unrecht. Die Adresse ist an Miß Jakobinen.

Prinz. Es schadet nichts, wir müssen ihn einmal hören, brich dem Siegel nur den Hals.

Boyet. (liest) Beym Himmel! daß du schön bist, ist untrüglich, wahr ists, daß du hübsch aussiehst und daß du ein feines Gesicht hast, die lautere Wahrheit. Schöner als schön, hübscher als hübsch, wahrer als die Wahrheit selbst, hab Erbarmen mit deinem [95] heroischen Sklaven. Der großmüthige und berühmteste König Cophetua warf ein Auge auf die gefährliche und unbezweifelte Bettlerin Zenelophon, er wars der mit Recht sagen konnte: veni, vidi, vici, das heißt, in die gemeine Sprache aufgelöst (o höchst niedrige und gemeine Sprache) er kam, sahe und überwand, er kam, eins, sah, zwey, überwand, drey. Wer kam, der König, warum kam er, zu sehen, warum sah er, zu überwinden, zu wem kam er, zur Bettlerin, was sah er, die Bettlerin, wen überwand er, die Bettlerin. Die Conclusion ist Sieg, auf wessen Seite, auf der Bettlerin, die Sklaverey ist beglückt, auf wessen Seite, auf des Königs, die Catastrophe ist eine Hochzeit, auf wessen Seite, auf der Bettlerin, nein! auf beyden Seiten zugleich. Ich bin der König (so verlangt er das Gleichniß) du bist die Bettlerin, (so verlangt es deine Liebenswürdigkeit.) Soll ich deiner Zärtlichkeit befehlen. Fast möchte ich. Soll ich sie zwingen? ich könnte es. Soll ich sie zu erwerben suchen? ich will. Was wirst du für deine Lumpen eintauschen? Kleider, für deinen Namen? Titel, für dich selbst? mich. Also – also in Erwartung deiner Antwort profanire ich meine Lippen an deinen Füssen, meine Augen an deinem holdseligen Gesichte und mein Herz an alle deinen Gliedmassen. [96] Dein in theurester Ergebenheit Don Adriana von Armado.

So möchte man glauben einen Nemeischen Löwen zu hören, der ein Lamm, das als seine Beute vor ihm zittert, zum Spielzeuge macht.

Prinze. Was für ein Federbusch, was für eine Kirchenfahne, was für ein Wetterhahn hat den Brief geschrieben? Hab ich in meinem Leben so etwas gehört.

Boyet. Ich bin selbst irre geworden – aber nun erkenn’ ich ihn am Styl.

Prinz. Euer Gedächtniß müßte rasend schwach seyn, wenn es einen solchen Styl nicht wieder erkennte.

Boyet. Dieser Armado ist ein Spanier, der sich zu Navarra aufhält, ein Phantast den König und seine Büchermaden lachen zu machen, mit einem Worte, ein gelehrter Hofnarr.

Prinz. Du Bursche, von wem hast du den Brief?

Costard. Ich habs euch ja gesagt, von meinem Herrn an seine Lady.

Prinzessin. Du hast unrecht bestellt – Kommt, ihr Herren, paßt auf, daß wir nicht fehlen. (alle ab)

[97]
Zweyte Scene.
Ein Schuß im Walde.
Dull (Constabel), Holofernes (Schulhalter), Nathanael (Caplan) treten auf.


Nathanael. Ein ehrenwerther Zeitvertreib, wahrlich, unter dem Zeugnisse eines guten Gewissens.

Holofernes. Das arme Wildpretlein verlohr sanguis Blut, wie ein Juwel der itzt in dem Ohre hängt coeli des Horizonts, des Firmaments, des Himmels, und dann wie ein kleiner wilder Holzapfel auf die Oberfläche herabfällt terrae, des Bodens, des Landes, der Erde.

Nathanael. Wahrlich, Herr Holofernes! Sie haben da gar artige praedicata angebracht, aber ich versichere Ihnen doch in der That, es war ein Rehe von der ersten Grösse.

Holofernes. Mein Herr Caplan, haud credo.

Dull. Herr, es war keine Hautkrödo, ’s war ein Hirschkalb.

Holofernes. O barbarischer Einwurf! gleich als ob er in via auf dem Wege, auf der Bahn wäre, mir wider mein haud credo ein argumentum von Erheblichkeit facere [98] zu machen, oder vielmehr ostentare zu scheinen, glänzen, schimmern.

Dull. Ich sagte, das Thier war kein haud credo, es war ein Hirschkalb.

Holof. Aufgewärmte Einfalt! bis coctus. O du monstrum der Unwissenheit.

Nath. Herr, er hat nie die Leckerbißlein gekostet, die uns in den erbaulichsten Büchern zubereitet werden, er hat kein Pappier gessen, keine Dinte trunken, seine Seele ist ungebauet und leer, nur an den gröbern Theilen empfindlich. Diese niedrigen und unfruchtbaren Bäume sind uns dargestellt, daß wir sollen dankbar seyn, wir die wir nur an den feinern Theilen empfinden, die ihm gänzlich verschlossen seyn. Denn so wie es uns übel anstehen würde, hölzern und grob zu thun, so wäre es ein wahrer Schandfleck für die gelehrte Welt, wenn man ihn in eine Schule thäte. Aber omne bene sag ich, mancher kann das Wetter nicht vertragen, und segelt doch mit dem Winde.

Dull. Ihr seyd doch beyde von den Studirten, Herr! könnt ihr mir sagen, was war einen Monath alt zu Adams Zeiten, daß noch itzunderst nicht fünf Wochen alt ist.

Holof. Dictinna guter Freund, Dictinna guter Freund.

Dull. Was ist das dick dünn, was ist das?

[99] Nath. Ein Name für Phöbe, für Luna, für den Mond.

Holof. Der Mond war einen Monat alt als Adam nicht älter war, und hatte es noch nicht zu fünf Wochen gebracht, da Adam schon hundert Jahre zählte. Die Allusion läßt sich auch noch so verändern, der Mond –

Dull. Das ist wahr in der That, die Collusion läßt sich verändern.

Holof. Gott stärke deinen Verstand, ich sage die Allusion läßt sich verändern,

Dull. Und ich sage, die Pollution läßt sich verändern. Denn der Mond ist niemals nicht älter als einen Monat und ich bleibe dabey, es war ein Hirschkalb das die Prinzessin schossen hat.

Holof. Herr Nathanael, wollt ihr ein epitaphium ex tempore hören auf den Tod dieses Thiers, diesem armen Unwissenden zum Besten.

Nathanael. Perge, werthester Herr Holofernes, perge, es wird mir viel Vergnügen verursachen.

Holofernes. Die Wissenschaften zu retten – hm! –

 Epitaphium.
Die schöne Prinzessin schoß und traf
Eines jungen Hirschlein Leben:
Es fiel dahin in schwerem Schlaf

[100]

Und wird ein Brätlein geben.
Der Jagdhund boll. Ein L zu Hirsch
So wird es dann ein Hirschel;
Doch setzt ein Römisch L zu Hirsch,
So macht es funfzig Hirschel.
Ich mache hundert Hirsche draus,
Schreib Hirschell mit zwey LLen.

Nathanael. (schlägt in die Hände) Ein rares Talent.

Holofernes. He he he, es ist mein Pfündlein, damit ich wuchere, simpel und doch ausserordentlich, voll Formen, Figuren, Objekten, Ideen, Apprehensionen, Motionen und Revolutionen. Diese erzeugen sich in der Herzkammer des Verstandes, werden in der pia mater des Gedächtnisses genährt und der Gelegenheit zur Zeitigung überlassen. Aber diese Gabe ist nur für wenige Köpfe und ich bin dankbar dafür.

Nathanael. Herr, ich preise den Himmel für ihn und alle meine lieben Pfarrkinder gleichfalls, ihre Söhne sind gar gut versorgt bey euch, und ihre Töchter nehmen augenscheinlich zu, ihr seyd ein gar tüchtiges Mitglied des gemeinen Wesens.

Holofernes. Me hercule wenn ihre Söhne ingenium haben, so ist meine Mühe gar geringe und wenn ihre Töchter fähig sind, gebe ich ihnen frölichen Unterricht. Aber vir [101] sapit qui pauca loquitur. Dort grüßt uns eine Weibsperson.

Jakobina und Costard zun vorigen.

Jakobina. Gott grüß euch, Herr Pfarr, seyd doch so gut, Herr Pfarr, wenn ihr wollt so gut seyn und mir diesen Brief lesen, er kommt vom Herrn Arme, Costard hat ihn mir geben, ich bitt euch sehr.

Nathanael. Fauste precor gelida quando pecus omne sub umbra ruminat und so ferner. Gebt ihn daher (liest heimlich) Ach der gute alte Mantuaner, fast möchte ich von ihm sagen, was der Reisende von Venedig venechi venachea qui non te vide i non te piache, alter Mantuaner! alter Mantuaner! wer dich nicht versteht, dem gefällst du auch nicht. Ut re mi sol la mi fa.

Holof. Mit Erlaubniß, Herr, was ist der Inhalt, oder vielmehr wie Horatius sagt, – was seh ich? Verse?

Nath. Ja Herr! und sehr gelehrte.

Holof. Laßt mich doch eine Strophe, Stanze, Rythmus hören, lege domine!

Nath. Liest.

Meineidig macht die Lieb und dennoch darf sie schwören,
Und heilig wird der Eid den sie der Schönheit schwört.
Ach Schönheit! Eichen kann dein Feur in Weiden kehren,

[102]

So wie es Wankelmuth in feste Treu verkehrt.
All mein Studiren lenkt anjetzt auf andre Bahn
Dein Aug ist nun mein Buch, dein Busen Sitz der Künste,
Und alles ausser dir ist Wahn ist Hirngespinste,
Und die gelehrte Sprach ist, wenn ich seufzen kann.
Fort Layen in den Stall die, wenn Du da bist, sinnen
Mein Ruhm mein Studium ist sinnenlos zu stehn
Du raubst mich mir alsdenn, du reissest mich von hinnen,
So bald du dich entfernst, o dann muß ich vergehn.
Verzeihe, himmlische, dem schulgelehrten Schwunge
Daß ich den Himmel sing mit einer irdschen Zunge.

Holof. Ihr fandet die Apostrophe nicht und darum verfehltet ihr die Cäsur. Gebt mir her, da fehlt es im Sylbenmaaße.

Nath. Das Sylbenmaaß ist ganz richtig, aber die Zierlichkeit, die goldene Cadenz der Poesie caret. Ovidius Naso, das war der Mann. Und warum hieß er Naso? warum anders, als weil er die Zierlichkeit der poetischen [103] Blümlein sowol zu riechen wuste. Die Stärke der Nachahmung macht es noch nicht aus, das kann der Hund und der Affe auch, aber Jungfer! war der Brief an euch gerichtet?

Jakobine. Herr, ich glaube, er ist von einem der fremden Lords.

Nath. (die Aufschrift lesend) Für die schneeweiße Hand der schönen Rosaline. Halt! die Unterschrift ist vom Lord Biron. Das ist einer von den Eidgenossen unsers guten Herzogs.

Dull. O das ist ein Braten für mich. Der König hat verbothen an keine Lady zu sprechen, geschweige zu schreiben, ich bin Sr. Majestät Constabel, geh Jakobine, komm zum Könige, gieb ihm den Brief in seine eigene Hände, sag ihm, Dull der Constabel schickt dich, geh, sag ihm, er ist nicht an dich, Costard hat ihn verwechselt.

Nath. Ja geht nur in der Furcht des Herrn, Kinder! das ist eine Felonie, geht nur.

Holof. Weil die Verse doch so schlecht sind, werther Herr Nathanael, he he he, freylich, freylich. Ich speise heut zu Mittage bey dem Vater einer meiner Schülerinnen, ich will nach dem privilegio, das mir mein treuer Fleiß an diesem subiecto giebt, euch höflichst dort zu Gaste geladen haben und da wollen [104] wir von diesen entsetzlichen Versen he he he weiterst mit einander reden.

Nath. Ich danke euch freundlichst. Die Gesellschaft ist das Glück des Lebens.

Holof. Also lade ich euch denn, werther Herr Nathanael, pauca verba. Kommt nur, die Hochadelichen jagen hier auf dem Felde, und wir wollen das Wildpret in der Schüssel jagen, he, he, he.

(gehen ab.)


Vierte Scene.[WS 4]
Biron allein, ein Papier in der Hand.


Der König jagt itzt – und ich werde gejagt. Sie sind erpicht auf Wildpret und ich auf Pech, auf besudelndes Pech – pfuy welch ein Wort! Laßt mich zufrieden, Gedanken – so sprechen alle Narren – so sprech ich, denn ich bin ein Narr. Beym Henker! die Liebe ist wüthend wie Ajax, er brachte Schafe um, sie bringt mich um, ich bin ein Schaf. Wieder ein schönes: ich bin. – Ich will nicht lieben, hängt mich auf, wenn ichs thue – aber ihr Auge – nein! bey diesem Tageslicht – o, aber ihre Augen, ich will sonst nichts lieben als ihre Augen. Ach ich thu auf der Welt nichts als lügen und immer beständig ärger lügen, beym [105] Himmel! ich liebe, diese Reime sind ein Beweis davon. Sie hat schon eines von meinen Sonnetten, der Schäfer brachts ihr, der Narr schickt’ ihr, die Spitzbübin hats, guter Schäfer, guter Narr, allerliebste Spitzbübin. Bey der ganzen Welt, ich früge kein Haar nach, wenn die andern so tief drin säßen als ich. Hier schleicht auch einer mit einem Papiere heran, tröste Gott, es geht ihm wie mir. (tritt hinter eine Hecke.)

König tritt auf.

König. Weh mir!

Biron. Geschossen beym Himmel! bravo Cupido, du hast ihn unter der linken Zitze getroffen.

König. (liest.)

So sanften Kuß giebt nicht der Sonnen Strahl
Den Tropfen, die sie früh auf Rosen findet,
Als deine Blicke der verliebten Quaal
Die sie auf meiner Wang entzündet.
Auch spielt der Mond so sanftes Silber nicht
In Amphitritens dunklen Gründen
Als dies dein alabasternes Gesicht
In Thränen, die sich mir vom Auge winden.
O Götterbild! hier triumphirest du

[106]

Wie aus Krystall gehaun auf Kosten meiner Ruh
So sieh nur immer her, die Thränen schwellen an
Zu zeigen was du werth, und was ich fühlen kann.

Ach wenn deine Augen den Spiegel meiner Thränen vermeiden, so müssen sie unaufhörlich fließen. Königin der Königinnen! wie schön bist du! kein Gedanke kann es ausdenken, kein Mund beschreiben, wie soll ich dich mit meiner Pein bekannt machen? Ich will den Zettel hier fallen lassen, getreues Laub, beschirme meine Thorheit – Wer kommt da? (verbirgt sich.)

Longaville tritt auf.

König. Longaville! und liest – horchen wir! (vor sich.)

Biron. Ein Narr macht viele. (vor sich.)

Longaville. Weh, ich bin meineidig.

Biron. Und hasts aufgeschrieben, daß du’s bist.

König. Angenehme Gesellschaft der Schande!

Biron. Ein Trunkener taumelt dem andern hinterher.

Long. Muß ich denn der erste seyn der seinen Eid bricht.

[107] Biron. Ich könnte dich trösten, du machst nur den letzten zu unserm Triumvirate.

Long. Ich fürchte, diesen halsstarrigen Reimen fehlt sonst nichts als die Kraft zu rühren. Angenehmste Marie! Kaiserin meiner Liebe, ich will diese Verse zerreißen und sie in Prosa schreiben.

Biron. O die Reime sind die Knöpfe an Kupidos Pumphosen, reiße sie nicht ab.

Long. Es mag hingehn. (liest.)

Nur die Beredsamkeit der himmelblauen Augen
Der Zauberkräfte nicht zu widerstehen taugen,
Bewog zum Meineid mich. Entwehrt ein falscher Eid
Um deinetwillen, nicht selbst die Gerechtigkeit?
Ich schwur den Weibern ab, doch ich
Verschwur nicht Göttinnen, verschwur nicht dich.
Ach ich verschwur die Welt, doch nicht ein himmlisch Bild
Das selbst des Frevlers Brust mit Fried erfüllt.
Ja Eide sind nur Athem, Athemluft,
Du schöne Sonne scheinst auf meine Erde,
Du ziehst ihn auf, den Wasserduft,

[108]

Was ist die Schuld, wenn ich meineidig werde?
Und wär ich es, ach lieber Straf und Pein
Als nicht für dich meineidig seyn.

Biron. Das ist eine verhenkerte Ader, die macht Fleisch und Bein zur Gottheit, eine grüne Gans zur Göttin, nichts als Abgötterey, Gott steh uns bey, wir sind alle vom rechten Weg ab.

Dumain in einiger Entfernung.

Long. Durch wen schick ichs ihr – Gesellschaft! fort! (verbirgt sich gleichfalls.)

Biron. Wir spielen versteckens, einer nach dem andern verkriecht sich. Und ich, wie ein Halbgott, sitze hier in meinem Himmel und seh hinab in die Geheimnisse der Thoren. Noch einer! o Himmel! all meine Wünsche sind erfüllt! Dümain auch metamorphosirt, vier Schnepfen auf einer Platte.

Dumain. O göttliche Käthe!

Biron. O elender Hasenfuß!

Dumain. Beym Himmel, ein Wunder der Schönheit!

Biron. Bey der Erde, ihr lügt.

Dum. Ihr goldenes Haar!

Bir. Ein goldgelber Rabe!

[109] Dum. Schlank wie eine Zeder

Bir. Krumm, sag ich, wie ein Fiddelbogen.

Dum. O hätt ich meinen Wunsch!

Long. Und ich meinen.

König. Und ich meinen.

Bir. Amen und ich meinen! das war das erste gescheidte Wort, das er sprach.

Dum. Ich wollte sie gern vergessen, aber sie herrscht wie ein Fieber in meinem Blute.

Bir. Laß sie heraus, laß dich zur Ader.

Dum. Ich will doch die Ode noch einmal durchgehn, die ich für sie aufgesetzt.

Bir. Und ich noch einmal hören, wie die Liebe den Witz verwirrt.

Dum. (liest)

Eines Tags – verhaßter Tag!
In dem Mond, wo Zärtlichkeiten
Mit den Rosen sich verbreiten,
Da entdeckt ich, heller als den Tag,
Eine Rose voll Vollkommenheiten,
Die dem Zefir offen lag.
Durch die seidnen Blätter macht
Er sich Bahn in rothe Nacht.
Wünschend stand ich, sah ihm zu,
Wär ich, ach! von Luft wie du.
Dürfte so mit vollen Backen
Ihre schönen Wangen packen.
Und sie küssen dreist wie du.

[110]

Aber weh! ein Schwur hält mich zurücke,
Daß ich, Göttin, dich aus Dornen pflücke:
Welch ein Schwur für heißes Blut
Von der allerreinsten Glut!
Nenn es, Schönste! kein Verbrechen
Den Tyranneneid zu brechen.
Ach um deinetwillen schwür
Jupiter sein Weib zum Mohren,
Seine Tochter ungebohren.
Und sich selbst zu einem Stier.

Ich muß ihr dann noch eins schicken, das minder gelehrt ist und meine Sehnsucht mit wenigerm Umschweife ausdrückt. Wäre doch der König und seine zwey Magister Zugaben zu meinem bösen Exempel, daß ich nicht allein gebrandmarkt da stünde. Im Lande der Hinkenden ist Hinken keine Sünde.

Long. Deine Liebe hat wenig von der Christlichen an sich. (geht hervor.) Ihr erblaßt, Ritter! ich würde erröthen wenn man mich so ertappt hätte.

König. (geht hervor.) Wohlan, so erröthe dann! du hasts eben so viel Ursache ja vielmehr du bist doppelt so strafbar, da du den Schein der Gerechtigkeit vor dir trägst. Nein, Longaville machte kein Sonnet auf Marien, er legte seine Arme nicht kreuzweis über den Busen, um sein Herz [111] hinunter zu drücken. Ich bin hier im Busche versteckt gelegen, hab euch beyde behorcht, bin für beyde erröthet. Ich hört eure verrätherischen Reime, sah euren Mund von Seufzern rauchen, weh mir, sagte der eine, Jupiter schrie der andere, deren Haare waren Gold, deren Augen schöner als der Tag, der wollte um seiner Göttin willen verdammt seyn, der machte Jupitern zum Ochsen seiner Käthe zu gefallen. Was würde Biron sagen, wenn er euch gehört hätte, euch strenge Gesetzgeber! ha, wie würd’ er schmähen, wie den Witz die Geißel schwingen lassen! Um aller Reichthümer der Welt willen wollt ich nicht über einen so schändlichen Einbruch von ihm überfallen worden seyn.

Biron. (geht hervor.) Verzeiht, gnädigster Souverain! verzeiht mir, daß auch ich hier bin. Gutes Herz! Was für Recht hattet ihr, über diese arme verliebte Würmelein herzufahren? Nein, ihr bettetet eine gewisse Prinzessin nicht in euren Thränen, wo ihre Schönheit öffentlich zur Schau lag, nein ihr wart nie meineidig, ihr machtet nie Sonnette. Ha ha ha alle drey, daß einer den andern überlisten wollte, der fand dessen Splitter im Auge, der König dessen, und ich Balken in allen dreyen. O was für einer buntschäckigen Farce hab ich zugesehen, von Seufzern gereimtem Unsinne, unsinniger [112] Prose, Raserey und Thränen. Einen großen König in eine Grille verwandelt, Herkules den Kreisel peitschen, den tiefsinsinnigen Salomo einen Baurentanz fiddeln, Nestor mit den Gassenbuben kegeln, und Timon Gespensterhistörchen erzählen. Wo thut es weh, sagt mirs, guter Dümain, ihr edler Longaville, wo fühlt ihr die meisten Schmerzen, und ihr, theurester Souverain! –

König. Dein Scherz wird bitter. Himmel! so verrathen.

Biron. Nicht ihr seyd verrathen, ich, ich bins, ich ein ehrlicher Schelm, der es treuherzig mit seinem Eide meynte, ich der mich zu einer Gesellschaft that, die meine Gewissenhaftigkeit nur zum Besten hielt.

König. Still! wer kommt da so eilfertig.

Biron. (bey Seite sich in Finger beissend) daß dich das – mein Postillion d’Amour.

Costard und Jakobine.

Jakobina. Viel Glück dem Könige!

König. Was bringt ihr?

Costard. (immer bückend) Eine verrätherische Verrätherey.

König. Was sagt ihr?

Jakobine. Ich bitte Ew. Majestät diesen Brief zu lesen. Der Constabel schickt [113] mich her, der Pfarr sagt’ es wär Verrätherey.

König. Biron lies ihn durch und sag mir was es ist. (Biron stellt sich zu lesen.) Von wem hast du ihn.

Jak. Von Costard.

Kön. Und du?

Cost. Vom Don Adramadio.

König. Wie nun, warum wirst du unruhig, warum zerreissestu – Biron.

Biron. Eine Kinderey, Ew. Majestät – es war nichts.

Long. Aber er ward roth beym Lesen, laßt uns hören was es war?

Dum. (die Stücken auflesend.) Ach es ist Birons Hand und hier ist sein Name.

Biron. (zu Costard drohend.) Du Hurensohn von Dummheit – Schuldig! mein Fürst! ich bekenne, ich bekenne.

König. Was?

Biron. Daß noch einer fehlte, die Zahl voll zu machen, und dieser Narr bin ich. Entlaßt diese saubere Abgesandtschaft, und ihr sollt Wunder hören.

Dumain. So haben wir doch gerade Zahl.

Bir. (zu Costard.) Wollen die Turteltauben wohl gehn.

Costard. Spazier davon ehrliche Leut. (ab mit Jakobinen.)

[114] Biron. O werthe Gesellen! laßt uns einander umarmen. Wir sind so brav gewesen, als Fleisch und Blut es nur immer seyn kann. Die See will ebben und fluthen, der Himmel heitern und regnen, so kann auch junges Blut alten Gesetzen nicht gehorchen, so können wir die Ursache nicht auswurzeln, durch die wir existiren, und daher war es leicht voraus zu sehn, daß wir meineidig werden mußten.

König. Also der zerrissene Brief war ein Liebes – –

Biron. Obs war? und ihr fragt noch? wer kann die himmlische Rosaline sehen und nicht wie ein Indianer, der die Sonn’ aufgehen sieht, sein Haupt sklavisch vorwärts bücken, und blind von Glanz mit niedriger Brust die Erde küssen? Welches vermessene Adlerauge könnte die Sonne unter ihren schwarzen Augbraunen ansehn, ohne zu weinen.

König. Mit welcher Wuth du ihre Lobrede machst. Die Prinzeßin, meine Gebieterin ist ein helleuchtender Mond, sie ein Stern aus ihrem Gefolge, ein zwitserndes Licht, das kaum gesehen wird.

Biron. So sind denn meine Augen nicht Augen, und ich nicht Biron. Ha, gegen meine Liebe ist selbst der Tag Nacht, die auserlesensten Teints entschiedener Schönheiten [115] liegen wie in einer Messe auf ihrem Angesichte versammlet, fließen in eine Götterfarbe zusammen, wo der Mangel selbst keine Mängel entdecken kann. O alle Rednerzungen müsten mir ihre Zauberkünste leihen, nein, pfuy mit dem gekünstelten Lobe, sie bedarf dessen nicht, Trödelwaaren nur bedürfen eines Ausrufers, sie, weit über alles Lob erhaben, o das Lob sinkt und löscht aus, ehe es sie erreicht. Ein verwelkter Einsiedler, der hundert Winter auf dem Puckel trüge, schüttelt gleich funfzig ab, so bald er ihr in die Augen sieht. Ihre Sönheit überfirnißt das Alter, wiedergebähret es, giebt der Krücke die Munterkeit der Wiege, ist eine Sonne, die die ganze Natur belebt.

König. Beym Himmel! deine Liebste ist schwarz, wie Ebenholz.

Biron. Ist Ebenholz ihr ähnlich? O schönes Wort, so ist denn ein Weib von Ebenholz eine Hury. Wer kann mir einen recht schweren Eid diktiren, wo ist ein Buch, ich wills beschwören, daß der Schönheit selbst Schönheit mangelt, wenn sie nicht aus ihren Augen sieht. Es leben die schwarzen Farben!

König. Was sind das für Paradoxen? Schwarz ist die Farbe der Hölle, der Kerker, der Nacht! welche Farbe kann der [116] Schönheit anders stehen als die des Tages und des Himmels?

Bir. Verkleidet sich nicht der Satan in einen Engel des Lichts? O das schwarze Haar, das meiner Schönen Stirne ziert, es scheint zu trauren, daß helles Haar so viel blinde Anbeter mit falschem Glanze hintergeht. Ihre Wangen machen alle rothbackigte Mädchen zu Lügnerinnen, dunkel und bleich müssen sie sich heut zu Tage schminken, wenn sie nach ihr gefallen wollten.

Dumain. So werden die Caminfeger sehr gesucht werden.

Longaville. Es leben die Kohlenbrenner.

König. Und die Mohren, wie werden sie sich brüsten?

Biron. Eure Göttinnen müssen den Regen scheuen, er spült ihre Schönheit ab.

König. Es wäre gut, wenn deine in Regen käme, denn ich glaube in der That, sie würde erträglicher seyn, wenn sie sich fleißiger wüsche.

Biron. Ich will euch beweisen, daß sie schön ist, und sollt ich bis an den jüngsten Tag hier schwatzen.

König. Dann würden die Teufel selbst vor ihr erschröcken.

Dumain. Nie hab ich einen Meßkrämer gehört, der Wadman so theuer ausbot.

[117] Long. Wenn du deine Liebste sehn willst, sieh ihr Gesicht an und meinen Fuß –

Biron. O und wenn die Gassen mit deinen Augen gepflastert wären, so wär’ ihr Fuß noch viel zu niedlich drauf zu treten.

Long. Da würd’ ich saubere Sachen zu sehen kriegen.

König. Still einmal – wir sind drum einer so gut wie der andere.

Biron. Das heißt, meineidig.

König. So laßt denn die Possen, und sporne deinen Witz, wenn er dich ja sticht, nach einem edlern Ziele. Beweis uns einmal, daß unsere Flammen rechtmäßig, unsere Treue nicht verletzt sey, so sollstu Dank haben.

Dum. Dem Uebel schmeicheln.

Long. Ihm eine Gestalt geben.

Dum. Ein Pflästerchen drauf klecken.

Biron. Still nur! das brauchen wir alles nicht. Es ist deine Schuld, Natur! Bedenkt, ritterliche Ritter, welchen Unsinn ihr geschworen habt. Fasten, studiren, kein Frauenzimmer sehen! platter Hochverrath wider das königliche Glück der Jugend! Könnt ihr fasten? Sind eure Mägen nicht zu feurig, und würd’ euch die Enthaltsamkeit nicht alle quinend dahin strecken? Und worinn wolltet ihr denn studiren, ihr Herren, da jeder von euch zu gleicher Zeit sein Buch [118] verschwor? Könnt ihr in eins weg träumen, grübeln, und auf einen Fleck hinstarren? Und wenn ihrs könntet, wer allein kann euch den Vorzug der Wissenschaften schmackhaft machen, ohne die Beyhülfe weiblicher Schönheit? Ha! nur die Augen des Frauenzimmers, ewig werd ich dabey bleiben, sind das Buch, die Akademie, der Altar, wo das ächte prometheische Feuer aufbewahret wird. Unablässiges Grübeln trocknet auf, und vergiftet die behenden feinsten Lebensgeister unseres Gehirns, wie die zu lang anhaltende Arbeit die nervigte Stärke des Arbeitsmannes erschöpft. Habt ihr den Gebrauch eurer Augen verschworen, daß ihr keinem Frauenzimmer ins Gesicht sehen wollt. Blind werdet ihr werden, stumpf, abgeschmackt, wo ist ein Buch in der Welt, das euch die Schönheit lehren kann, wie das Aug einer schönen Frau! Gelehrsamkeit ist ein Zusatz zu unserm Selbst, aber die Schönheit ist ein neues Selbst, in dem wir zum zweytenmal anfangen zu leben. Ganz gewiß, ihr habt eure Bücher verschworen, als ihr die Augen des Frauenzimmers verschwurt. Wo sonst wolltet ihr mit euren bleyernen Spekulationen zu den hinreißenden Harmonieen auffliegen, die die Region der Schönheit einnehmen. Andere Künste nehmen blos das Hirn ein und lohnen ihre kalten [119] Schüler für schwerfällige Mühe mit einer Mißwachsernde. Aber Liebe, die zuerst im weiblichen Auge erlernt ward, lebt nicht blos in unsern Hirnschaalen eingemauert, sie bewegt all unsre Elemente, geht so schnell als Gedanken in jede unserer Kräfte über, und giebt jeder eine neue doppelte Kraft, sich über ihre vorige Sphäre zu erheben. Sie giebt dem Auge eine zehnfache Schärfe, eines Liebhabers Aug könnte einen Adler blind gaffen, eines Liebhabers Ohr könnte den leisesten Odemzug hören, selbst wenn des argwöhnischen Diebes Ohr ihn nicht hörte. Der Liebe Gefühl ist weit zärter und reizbarer als das zarte Fell einer ausgekrochenen Schnecke, der Liebe Zunge beschämt Bachus im lüsternen Geschmacke, und was die Stärke anbetrift, ist Liebe nicht ein Herkules, der bis an die Hesperiden vordrang. Verschlagen ist sie wie ein Sphinx, musikalisch wie die Laute Apollo mit seinem Haar besäytet. Und wenn die Liebe spricht, so macht die Stimme aller Götter den Himmel trunken von Harmonieen. Nie durfte ein Poet seine Feder eintunken, war seine Dinte nicht mit Liebesseufzern angemacht: o nur alsdann konnten seine Verse Ohren der Wilden hinreißen, und in Tyrannen milde Menschlichkeit verpflanzen. Aus den Augen der Frauenzimmer kommt alles her, sie allein funkeln [120] vom ächten prometheischen Feuer, das die ganze Welt beseelt, die sonst in keinem Dinge sich schön und vortreflich zeigen würde. Ihr wart also nicht klug, diesen Frauenzimmern abzuschwören, und närrisch wäret ihr gewesen, einen solchen Eid zu halten. Also für die Sache der Gelehrsamkeit, ein Wort das alle Männer lieben, oder für die Sache der Liebe, ein Wort das alle Männer glücklich macht, oder für die Sache der Männer aus der die Weiber entstanden, oder für die Sache der Weiber, aus der wir alle unsern Ursprung nehmen, lassen wir unsern Eid fahren, um uns selbst zu erhalten, lieber als daß wir uns selbst fahren ließen, um unsern Eid zu halten. Es ist Religion so meineidig zu seyn. Die Liebe erfüllt das Gesetz, und wer kann diese Liebe von der Nächstenliebe absondern?

König. Also, heiliger Cupido, und wir thun den Kreuzzug unter ihm.

Biron. Auf, ihr Herren! zum Angriffe, rückt vor mit euren Standarten.

Longaville. Scherz bey Seite, sollen wir uns entschließen, um diese Französinnen anzuwerben.

König. Das dächt ich, und sie gewinnen dazu. Laßt uns auf eine Lustbarkeit denken, die wir ihnen in ihren Zelten geben.

[121] Biron. Erst führen wir sie aus dem Park nach Hause, jeder seine jede, nachmittag sinnen wir auf einen recht artigen Zeitvertreib, so wie die Kürze der Zeit es uns gestatten will, Schmäuse, Tänze, Maskeraden und Frölichkeiten eilen der Liebe vor, ihr den Weg mit Blumen zu bestreuen.

König. Fort also, wir haben keine Zeit zu verlieren.

Biron.

Wo ist ein Feld das ohne Aussaat trug?
Und jedem wird mit seinem Maaß gemessen,
Meineidigen Chapeaux sind Französinnen gut genug
Für kupfern Geld kupferne Seelenmessen.




Fünfter Akt.
Erste Scene.
Holofernes. Nathanael. Dull.


Holofernes.

Satis quod sufficit.

Nathanael. Ich preise den Herrn, Herr! für eure Gespräche über dem Essen, [122] sie waren scharfsinnig und sententiös, gefällig ohne Skurrilität, witzig ohne Affektion, kühn ohne Lizenz, gelehrt ohne Vanität, ungewöhnlich ohne Ketzerey. Ich habe dieser Tage quondam mit einem aus des Königs Gefolge gesprochen, der sich betitelte Don Adriana de Armado.

Holof. Novi hominem tanquam te. Sein Humor ist hoch auffliegend, seine Reden vermessen, seine Zunge verwegen, sein Auge hoffärtig, sein Gang prinzlich, prinzessenmäßig, und sein ganzes Betragen lächerlich, aufgeblasen und thrasonisch. Er ist so geziert, gespitzt, seltsam und wunderlich, zu seltsam, um seltsam zu seyn.

Nathan. Ein sehr auserlesenes Epitheton, Herr! (zieht seine Schreibtafel und schreibt.)

Holof. Er zieht den Faden seines Ausdrucks feiner aus, als die Wolle seiner Gedanken es aushält. Odi & arceo solche fanatische Phantasten, solche Henkersknechte aller guten Orthographie, die zum Exempel allesamt fein aussprechen, da sie doch nach der Etymologie aussprechen sollten, allesamt umarmt, wenn sie sagen sollten, umbarmt, eure Genaden, verstümmelt er in ’r gnad. Diese abominable, oder ich möchte lieber sagen, abhominable Art zu sprechen, scheint mir [123] eine wahre Felonie me intelligis domine? eine tumme lunatische Mondsucht.

Nathanael. Laus Deo, bene intelligo.

Holofernes. ’RGnad, ’RGnad – hören Sie nur, wie klingt das? he he he

Armado. Mot. Costard treten auf.

Nathanael. Videsne quis venit,

Holof. Video et gaudeo.

Armado. (winkt ihnen) Ts!

Holof. Quare ts! warum nicht bißt!

Armado. Willkommen Männer des Friedens.

Holofernes. Salve Mann des Krieges, he he he

Mot. Sie sind an einem grossen Banket von Sprachen gesessen und haben die übergebliebenen Brocken eingesteckt.

Costard. Ney, sie han aus dem Allmosenkorbe der Worte gegessen. Mich wundert, daß dich dein Herr noch nicht in Gedanken für ein Wort aufgegessen hat, denn du bist mit Haut und Haar noch nicht so lang als honorificabilitudinitatibus.

Mot. Still das Glockenspiel geht wieder –

Armado. Habt ihr studirt?

Mot. Ja freylich, Herr, er lehrt den Buben A B C. Sagt, wie buchstabirt ihr A sch rückwärts mit einem Kreuze vorne.

[124] Holof. Scha, pueritia und ein Kreuz.

Mot. Schaf – ihr einfältiges Schaf, könnt ihr euren Namen nicht aussprechen?

Holof. Quis quis? du Consonante! wer ist ein Schaf?

Mot. Einer von den fünf Vokalen, wenn ihr sie hersagen wollt.

Holof. Ist es a, ist es e, ist es i –

Mot. I, i, ganz recht, da habt ihrs ja selber gestanden.

Armado. Ein rechtes Mediterraneum von Salz, eine behende Lanzette von Witz, schnip schnap, hurtig und behend, er erfreut meine Intelligenz, ächter Witz! rarer Witz!

Mot. Seht ihr, das war Davids Schleuderstein gegen Goliath.

Holof. (verwirrt) Wie? was war die Allusion, was war die Figur?

Mot. Ein Schaf.

Holof. Du disputirst wie ein Bube. Geh peitsch deinen Kreisel.

Mot. Leyht mir euer Horn dazu, ich will ihn peitschen auf und ab.

Costard. Und hätt ich doch nur einen Pfennig bey Leib und Seel, du solltest ihn haben, du Klingbeutel von Witz, du Taubeney von Verstand. O daß der Himmel mir nur die Gnade erwiese, und mir nur so ein Hurkind gäbe, wie du bist, nur ein Hurkind, was würdst du mich einen frölichen Vater [125] machen. Geh Kröte, du hasts weg ad dunquil, bis auf die Nagelspitze, wie die Gelehrten sagen.

Holofernes. Ich rieche da verfälschtes Latein, dunquil für unguem.

Armado. Ihr seyd also ein Studierter, Herr, und erzieht die Jugend dort oben auf dem Gipfel des Gebürges.

Holof. Mons vielmehr, es ist ein Hügel.

Armado. Es ist des Königs erhabener Wille die Prinzessin in ihrem Hoflager zu komplimentiren, in den posterioribus dieses Tages, welche der rohe Haufe Nachmittag nennt.

Holofernes. Die posteriora des Tages, ein artiger terminus, auserlesen in der That.

Armado. Der König ist ein braver Mann und mein Freund, ich versichere euch, denn was unter uns schon vorgegangen ist – weg damit! Ich ersuche dich, Armado, rüste deinen Verstand, ich ersuche dich, sagte er, sey so gütig, entlade dich aller andern importunen und importanten Sorgen – aber weg damit! ich will euch nur erzählen, daß es Sr. Majestät bisweilen gefällt und öffentlich sich auf meine arme Schultern zu lehnen und mit seinen königlichen Fingern also an meinen Exkrementen zu spielen (spielt an seinem Stutzbarte) aber weg damit, liebes Herz, wenn es seiner Gnad gefällt.

[126] Holofernes. Genade wollten Sie sagen.

Armado. Dem Don Armado einige Ehrenbezeigungen zu erweisen, einem Manne von Reisen, einem Soldaten – weg damit, meine Absicht war euch zu sagen – aber, liebes Herz, seyd verschwiegen, daß der König mich gebeten hat, die Prinzessin zu regaliren mit irgend einer angenehmen Ostentation oder Schauspiel, wie es der Pöbel nennt. Da ich nun weiß daß der Pfarrer und Euer werthes Selbst sehr tüchtig für solche Einfälle oder Ausfälle des Witzes sind, so komme ich, euch um eure Hülfe anzusprechen.

Holofernes. Herr, ihr müßt die neun Helden aufführen. Domine Nathanael, was den Zeitvertreib oder das Freudenspiel anbetrift für die posteriora dieses Tages, das durch unsere Assistenten auf des Königs Befehl gegeben werden soll, auf die Anweisung dieses sehr galanten und berühmten Herrn, so wäre meine unvorgreifliche Meynung, daß dazu nichts geschickter als die Vorstellung von den neun Helden.

Nathanael. Wo wollt ihr aber Schauspieler genug finden.

Holofernes. Josua ihr selbst, dieser galante Herr Judas Makkabäus, dieser Narr wegen seiner grossen Glieder und Gelenke [127] kann für Pompejus den Grossen passiren, und dieser Page Herkules.

Armado. Verzeyht, Herr! Ein Irrthum. Dieses zarte Alter hat nicht Quantität genug für einen Herkules, er ist kaum so groß als das Ende seiner Keule.

Holofernes. Wird man mich ausreden lassen? Er soll den Herkules in seiner Minderjährigkeit vorstellen, wie er die Schlangen in der Wiege erdrosselt und allenfalls will ich für ihn eine Apologie aufsetzen.

Mot. Ein guter Einfall und wenn einer von den Zuschauern mich auszischt, so ruft nur immer, bravo Herkules! halt dich Herkules! so muß man eine Beleidigung verstecken.

Arm. Und wer macht die übrigen?

Holof. Drey spiel ich selber.

Mot. O dreyköpfigter Cerberus!

Dull. Und ich will den Trommelschläger machen, wenn die Helden tanzen wollen.

Holof. Kommt immer mit, vielleicht seyd ihr auch noch zu brauchen. Via!


Zweyte Scene.
Prinzeßin. Lädies.


Prinzes. Wir werden reich, eh wir von hier reisen. Ich bin mit einer Mauer [128] von Diamanten umgeben, die der König mir geschenkt hat.

Rosaline. Habt ihr sonst nichts bey erhalten?

Prinzes. Ey freylich, so viel Liebe in Reimen, als jemals in einem ganzen Rieße Prosa ist ausgekramt worden, auf beyden Seiten beschrieben, Kuvert, Rand, alles, kaum noch Platz übrig für das Siegel des Liebesgottes.

Rosaline. Cupido in Siegelwachs.

Cathrine. Wie er leichtfertig aussieht darinn!

Ros. Ihr seyd ihm nicht gut, denn er bracht’ eure Schwester um.

Cath. Wäre sie leichtsinnig gewesen wie ihr, sie hätte können Großmutter werden.

Ros. Was ist deine finstere Meynung, du Maus!

Cath. Meine Worte leuchten nicht, aber sie sind auch nicht leicht.

Prinzes. Spielt Ball ein andermal. Aber was hast du denn, Rosaline! laß sehen.

Ros. Wäre mein Gesicht so schön als eures, so würd’ auch mein Präsent so reich seyn. Indessen vergleicht er mich hunderttausend berühmten Schönheiten, in [129] Wahrheit er hat mein Conterfey in dem Briefe gemacht.

Prinzes. Wem gleichst du den?

Rosaline. Den Buchstaben hier, nicht dem Sinn der Buchstaben.

Prinzes. Wie viel Selbsterkenntniß! Und du Catharine, was hat Dümain dir geschenkt.

Cath. Einen Handschuh gnädige Frau.

Prinzes. Was? nicht einmal ein Paar?

Cath. Freylich doch, und viel Paar treuverliebte Reime obenein.

Maria. Dieß und diese Schnur ächter Perlen schenkte mir Longaville, der Brief ist eine halbe Meile lang.

Prinzes. Du wünschtest die Schnur Perlen lieber so lang und den Brief desto kürzer, nicht? Wir sind doch recht undankbar, Mädchens!

Rosaline. Und sie recht einfältig. Wenn ich nur den Biron recht quälen könnte, eh wir reisen. In einer Woche hätt ich ihn unter den Füssen.

Prinzes. Nimm dich nur selber in Acht, niemand wird leichter übertölpelt als der Witz, wenn er bis zu einer gewissen Höhe steigt. Da gehn die Grenzen der Narrheit an.

Rosaline. Junges Blut siedet so hoch nicht auf.

[130] Prinzes. O, die Narrheiten des Narren sind beyweiten so gefährlich nicht, als die Narrheiten des Witzes, denn alle Kräfte die er hat bietet er auf, seinen Rasereyen das Ansehen der Vernunft zu geben – da kommt Boyet, sehr lustig –

Boyet.

Boyet. Ich wäre bald gestorben für Lachen.

Prinz. Was bringst du?

Boyet. Rüstet euch Frauenzimmer! harnischt euch! die Liebe droht eurer Ruhe, nähert sich euch verkleidt, bewafnet mit Komplimenten, denen nicht zu wiederstehen ist. Mustert euren Witz oder nehmt euren Kopf in die Hand und flieht.

Prinzes. Heiliger Dyonis und heiliger Cupido steh uns bey. Haben sie sich die Brust mit Seufzern geladen, uns übern Hauffen zu schiessen? rede Kundschafter.

Boyet. Ich lag unter jenem Maulbeerbaume, als ich mit schon halbgeschlossenen Augen auf einmal dem Schatten gegenüber den König und seine Eidgenossen seltsam gekleidt erblickte. Ich schlich mich ins Gesträuch und horchte alles ab, was sie sich vornahmen euch zu sagen. Ihr Herold ist ein kleiner neckischer Page, der seine Gesandschaft nicht gar zu gut auswendig gelernt [131] hat. Sie lehrten ihn Aktion und Accent und fürchteten, eure Gegenwart werd ihn aus der Fassung setzen. Ist sie so häßlich, fragt er, da fingen sie denn alle drüber an zu lachen, klopften ihn auf die Schulter, machten ihn brüstig mit Lobeserhebungen. Einer rieb sich die Ellenbogen und schwur, er hätte nie einen artigern Einfall gehört, der andre knallte mit den Fingern und schrie via wir wollen gehn, entsteh daraus was es wolle, der dritte drehte sich auf dem Zeh herum und fiel auf den Hintern, die andern alle fielen über ihn her mit einem so eifrigen, anhaltenden, rasenden Gelächter, daß es lächerlich wäre wenn wir ihre Narrheit noch ferner Leidenschaft schölten.

Prinzes. Aber wie denn? kommen sie zu uns?

Boyet. Ja freylich zu euch, und sind maskirt als Moskoviter, ihr Vorsatz ist euch zu intriguiren, mit euch zu kurtesiren, zu tanzen, kurz alle ihre Herzensangelegenheiten auf diese Weise in Richtigkeit zu bringen, ohne daß ihr wißt, wen ihr vor euch habt. Sie werden euch an ihren Presenten erkennen.

Prinzes. Geschwinde wechseln wir um. Du Rosaline nimm das, und du das, sie sollen häßlich ablaufen, jeder soll sein Herz in den Busen der unrechten ausschütten, und nach der Maskerade, wie wollen wir lachen.

[132] Rosaline. Sollen wir tanzen? so werden sie uns am Tanzen erkennen.

Prinzes. Keinen Fuß bewegen wir, so bald ihr Herold ausgeredt hat, kehren wir ihnen den Rücken.

Boyet. Geschwinde legt die Masken an – ich höre ihre Trompete.

(Sie verschwinden einen Augenblik und erscheinen wieder mit Masken.)


Dritte Scene.
König. Biron. Longaville. Dümain. Gefolge als Moskowiter. Mot voran mit Musik als Herold.


Mot. Heil Gruppe! dir der allerschönsten Damen. Die jemals Sterblichen den Rücken zugewandt.

(Die Damen kehren alle den Rücken.)

Bir. Die Augen, Schurke, ihre Augen.

Mot. Die Augen zugewandt. Voll – – voll – –

Biron. Recht, voll hieß es, nur weiter.

Mot. Voll Huld ihr Himmlischen, seht nicht zurücke.

Biron. Jetzt zurücke, Bestie!

Mot. Mit euren wonnereichen Au – – mit euren wonniglichen.

[133] Biron. Weiter!!

Mot. Sie merken mich nicht einmal, das bringt mich aus dem Concept.

Rosaline. Was wollen die Leute! Fragt sie Boyet, wenn sie anders unsere Sprache reden.

Boyet. Was wollt ihr von der Prinzessin?

Biron. Nichts, als Friede und gnädiges Gehör.

Ros. Sagt ihnen, das haben sie schon, und so können sie ihre Wege gehen.

König. Wir haben manche Meile gemessen, um in eure schöne Fußtapfen zu treten.

Ros. Wie viel Zoll hält eine Meile, wenn ihr sie gemessen habt?

Biron. Wir haben sie mit beschwerlichen Schritten gemessen.

Ros. Wie viel beschwerliche Schritte hält sie denn?

Biron. Wir zehlen nichts was wir für euch aufwenden. Würdigt uns den Sonnenschein eurer Gesichter sehen zu lassen, damit wir als Wilde ihn anbeten.

Ros. Mein Gesicht ist nur ein Mond und hinter Wolken dazu.

König. Geseegnet sey die Wolke die so gewürdiget ward. Scheine herrlicher Mond auf die Thränen unserer Augen.

[134] Ros. Wißt ihr um nichts bessers zu bitten, als daß der Mond in Pfützen scheinen soll.

König. Wenn ich dreister reden darf, so fleh ich euch schöner Mond um nichts weiter als – nur einmal zu wechseln.

Ros. Macht Musik, ich will mit euch tanzen, aufgespielt – nein, nein, ich tanze nicht. So wechselt der Mond.

König. Wie denn? ihr wollt nicht mehr tanzen?

Ros. Den Mond. –

König. Wollt ihr immer noch Mond bleiben?

Ros. Die Musik geht schon, auf, hurtig, bewegt euch.

König. Ihr auch.

Ros. Nun weil ihr denn Fremde seyd und so weiten Wegs gekommen, so gebt mir denn eure Hand – aber ich tanze nicht.

König. Grausame! warum nahmt ihr denn meine Hand.

Ros. So wechselt der Mond – es geschah aus Höflichkeit.

König. Ach noch mehr Höflichkeit ich beschwöre euch.

Ros. Wir können um den Preis nicht mehr geben.

König. So bestimmt uns den Preis selber. Womit können wir eure Gesellschaft erkaufen?

[135] Rosal. Mit eurer Abwesenheit.

König. Das kann nicht seyn.

Ros. Und so Adieu! Zwey für euren Herold, eins für euch.

König. Wenn ihr nicht tanzen wollt, laßt uns wenigstens plaudern.

Biron. Lädy mit der weissen Hand, ein süß Wörtgen mit euch.

Prinzes. Honig, Milch, Zucker, da sind drey süsse Worte.

Biron. Ich kann euch noch zwey Dreyer werfen Canarienseckt, Mandeln und Makronen, das machen ein halb Dutzend.

Prinz. Und siebentens ein süsses Adieu. Ich mag nicht mit euch spielen, ihr kneipt die Würfel.

Bir. Nur ein Wort ingeheim.

Prinzes. Doch kein süsses – verschonet mich.

Bir. Ihr erhitzt mir die Galle.

Prinzes. Galle, bitter.

Bir. Also ein gut Wort, seht ihr (reden heimlich.)

Dümain. Wollt ihr geruhen ein Wort mit mir zu wechseln?

Marie. Nennt es.

Dümain. Schöne Lädy!

Marie. Schöner Lord!

Düm. Gefällt es euch heimlich mit mir zu reden? (heimlich)

[136] Cath. Wie nun? ist eure Maske ohne Zunge?

Long. Ich weiß die Ursach, warum ihr fragt.

Cath. Warum? ich bitte euch.

Long. Ihr habt zwey Zungen unter eurer, und könntet mich mit einer versorgen.

Cath. Een Kalf, fragt der Niederländer, heißt das nicht ein Kalb?

Long. Ein Kalb, schöne Lädy!

Cath. Ein Lord, wenn ihr wollt.

Long. Laßt uns das Wort theilen.

Cath. Nehmts ganz für euch und zieht es groß, es könnte ein Ochs daraus werden.

Long. Hütet euch, daß euer scharfer Witz euch nicht selbst verwunde. Wollt ihr dem Kalb Hörner geben, keusche Lädy! das werdt ihr nimmermehr thun.

Cath. Brüllt dann leise, sonst hört euch der Metzger.

Boyet. Die Zunge spottender Mädchen ist schärfer als die unsichtbare Ecke eines Scheermessers; sie haut Haare ab die das Auge selbst nicht würde entdeckt haben. Ihre Gedanken sind beflügelter als Pfeile, Wind und alles, was geschwind ist.

Ros. Kein Wort weiter, meine Mädchens, brecht ab! sie sind geschlagen.

Biron. Beym Himmel, wir ziehen den kürzern.

[137] König. Lebt wohl, seltsame Schönen! ihr habt einen langsamen Witz.

Prinzes. Zwanzig lebe wohl, ihr frostigen Moskowiter! Lohnte das der Mühe, so weit herzukommen, um euren verrauchten Spiritus hier anzubringen.

Boyet. Blaue Flämmlein, die euer Odem auslöschte.

Ros. O wider ihren Verstand ist nichts einzuwenden, er ist groß, dick und fett.

(sie gehen ab.)

Prinzes. O Armuth an Witz! o dürftiges Königreich! Meynet ihr nicht, daß sie sich diese Nacht alle hängen müssen? Oder uns ihre Gesichter nie anders wieder weisen als in Larven? der nasenweise Biron! wie er die Nase hängen ließ.

Ros. Sie waren alle in erbärmlichen Zustande. Der König hätte bald angefangen zu weinen.

Prinzes. Biron schwur mir, er wisse mir nichts mehr zu antworten.

Maria. Dumains Schwerdt war zu meinen Diensten, die Spitze ist abgebrochen, sagt ich, still war er.

Cath. Longaville sagte, ich thäte seinem Herzen wehe. Und rathet, wie er mich nannte?

Prinzes. Eine Uebelkeit.

[138] Rosaline. Gesunderer Witz steckt oft in Narrenkappen. Der König hat sich fast heischer geschworen.

Prinzes. Und der lustige Biron redte von nichts als Flammen und Martern.

Cath. Longaville war für meine Ketten geboren.

Marie. Und Dümain klebt’ an mir, wie die Rinde am Baum.

Boyet. Hört mich Lädies! sie werden unverzüglich wieder in ihrer eigenen Gestalt hier erscheinen.

Prinzes. Sagten Sie das?

Boyet. Bey Gott! sie zischelten sichs in die Ohren und sprangen für Freude, obschon sie lahm von euren Streichen sind. Darum so wechselt flugs eure Präsente wieder.

Rosaline. Und gnädige Frau! zehnmal ärgeres Spiel sollen sie haben, als vorhin unter ihren Masken. Wir wollen ihnen ganz unschuldig alles haarklein erzählen, was uns mit verkleideten Moskowitern hier begegnet wäre.

Prinzes. Recht so – da kommen sie – (sie laufen in die Zelte.)

König. Biron. Dumain. Longaville in ihren eignen Kleidern.

König. Wo ist die Prinzeßin?

Boy. Ich werde Ew. Majestät ihr melden.

[139] Biron. Das ist ein Kerl, der pickt den Witz auf wie Tauben Erbsen, und giebt sie wieder von sich wie das Wetter darnach ist. Er ist des Witzes Trödler, und bringt seine Waaren in Bierschenken und Kirchmessen herrlich aus, derweile sie uns, die wir nur en gros verkaufen, im Kasten verderben. Er steckt die Weiber wie Stecknadeln in seinen Ermel, Großmutter Eva wäre vor ihm nicht sicher gewesen, er kann euch heimlich Briefe auf- und zumachen, eine halbe Stunde seine eigne Hand küssen, indem er die Dame an der Hand hält, wie eine Sonnenblume überall herum lachen, um seine Zähne zu zeigen, die so weiß sind als Wallfischrippen, kurz, es ist ein scharmanter Mensch, sagen sie alle.

Longaville. Die Briefe auf- und zumachen, das ist gar nicht zu verzeihen.

Prinzeßin. Rosaline. Marie. Cathrine. Boyet. Gefolge.

König. Wir kommen, Euch aufzuwarten, Durchlauchte Prinzeßin, und bieten Euch nun unsern Hof zur Wohnung an, wir haben Dispensation erhalten.

Prinzes. Dieses Feld soll mich behalten, und ihr behaltet euren Eid unverletzt, weder Gott noch wir haben Gefallen an Meineid.

[140] König. Die Tugend eures Auges brach meinen Schwur.

Prinzes. Beschimpft die Tugend nicht so, sie wird nie einen Mann bewegen auch nur sein Wort zu brechen, geschweig einen Eid. Bey meiner jungfräulichen Ehre, die noch so lauter ist als die unbefleckte Lilie, für eine Welt von Martern würd ich mich nicht bewegen lassen, in euren Hof einzukehren, so sehr verabscheue ich, Ursache eines Eidbruchs zu werden.

König. Ihr lebet hier zu sehr in Dunkelheit, ungesehn, unbesucht, ungefeyert, es ist meine Schande.

Prinzes. O nein, mein Herr! ich versichere euch, wir haben hier mancherley Zeitkürzungen. Eben hat uns ein ganzer Zug Russen verlassen.

König. Russen?

Prinzes. In der That, rußische Stutzer! sehr prächtig gekleidet.

Ros. Meine Fürstin treibt die Höflichkeit zu weit, es waren die plumpsten Geschöpfe, die ich auf dem Erdboden gesehen habe. Hier haben sie eine ganze Stunde gestanden, und kein einzig gescheidtes Wort hervorbringen können. Narren möchte ich sie nicht nennen, denn ich habe unter der Kappe oft bessere Köpfe gefunden.

[141] Biron. Schönes, angenehmes Fräulein, euer Witz könnte Weisheit selber zur Narrheit machen. Das hellste Auge, wenn es das feurige Auge des Himmels grüsset, verliert sein Licht, bey eurem Reichthum scheint die Weisheit selber Thorheit, und der Reichthum Armuth.

Ros. Warum nehmt ihr euch der Leute an? wollt ihr mir etwa beweisen, daß ihr weise und reich seyd?

Biron. Ich bin ein Narr, und arm an Fähigkeit.

Ros. Ihr nehmt zu schnell was euch gehört.

Biron. Ich bin euer mit allem was ich besitze.

Ros. Also mein Narr.

Biron. Ich darf euch sonst nichts schenken.

Ros. Wie sah die Maske aus, die ihr trugt?

Biron. Was? wo? welche Maske?

Ros. Hier denn – die das häßliche Gesicht verbarg.

König. Wir sind verrathen, sie machen uns zu schanden.

Dum. Ich denke, wir gestehen lieber alles.

Prinzes. Warum so erschrocken, mein Prinz? warum so still?

[142] Ros. Zu Hülfe! haltet ihm den Kopf, er wird ohnmächtig, warum werdet ihr so bleich? Seekrank vermuthlich, es kann nicht anders seyn, da ihr von Moskau kommt.

Biron. So schütten die Sterne Plagen herab für unsern Meineid. O könnte ein Gesicht von Erz dagegen aushalten? Hier steh ich, Lädy! schleudre Verachtung auf mich herab! zermalme mich mit deinem Spott! durchbohre mit deinem scharfen, allzuscharfen Witz meine Unwissenheit, hau mich in Stücken mit deinen Einfällen, verwünschen will ichs mit dir zu tanzen, verwünschen meinen rußischen Bart, nie will ich mehr auf zugespitzte Worte mich verlassen, noch auf die Zunge eines Schulknaben, nie in Larven zu meinen Feinden gehen, noch in Reimen freyen wie ein blinder Harfenist. Taffetne Redensarten, seidne Worte, ich verschwöre euch itzt, bey diesem weißen Handschuh, (wie weis die Hand ist, das weiß Gott), von nun an will ich meine Sehnsucht nicht anders ausdrucken, als durch ein ranhes Ja, durch ein ehrlich wollichtes Nein, und um den Anfang zu machen: Gott helf euch, Frauenzimmer! ich hab euch lieb. Aber antwortet mir nicht, ich kann euch nicht wieder antworten, mein Witz ist zum Ende.

[143] König. Lehrt uns, theureste Prinzeßin! irgend eine Entschuldigung für unser grobes Vergehen.

Prinzes. Die schönste ist Geständniß. Wart ihr nicht eben hier und verkleidt?

König. Ja Madam, ich war –

Prinzes. Und kanntet uns vollkommen wohl?

König. Vollkommen wohl.

Prinzes. Was habt ihr eurer Dame zugeflüstert?

König. Daß ich sie mehr verehrte als die ganze Welt.

Prinzes. Wenn sie euch bey eurem Wort fassen wollte, würdet ihr nicht zurück ziehen?

König. Bey allem, was heilig ist, nein.

Prinzes. Ich bitt euch, hört auf, ich möcht euch nicht zum zweytenmal meineidig machen.

König. Verachtet mich auf ewig –

Prinzes. Stille doch – Rosaline, was flüsterte der Prinz dir ins Ohr.

Ros. Daß er mich höher schätzte als die ganze Welt, und daß er mich heyrathen wollte, und wenn eine Welt zwischen uns läge.

Prinzes. Gott geb euch Glück mit ihr.

König. Ich dieser Lädy das geschworen.

[144] Ros. Beym Himmel! ihr thatets, und zum Unterpfand gabt ihr mir dieß, wenn ihrs wieder haben wollt.

König. Dieß, und meinen Eid gab ich der Prinzeßin, ich kannte sie an dieser juwelenen Brustschleife.

Prinzes. Eben diese Brustschleife trug sie damals, und Lord Biron, dem ich sehr verbunden dafür bin, ist mein Liebhaber.

Biron. O gnädigste Prinzeßin – ich merke alles, Lord Boyet hat uns unsern Spaß voraufgekauft, um ein Faßnachtspiel aus unserer Maskerade zu machen. Gesteht es nur, habt ihr nicht eben itzt Rosalinen auf den Fuß getreten, und in ihren Augapfel hinein gelacht, daß sie euch nicht verrathen sollte. Darauf haben sie die Präsente verwechselt – geht ihr habt unsern Pagen ausgestochen, sterbt wenn es euch beliebt, und eine Dame sey euer Grab.

Boyet. Euer Witz nimmt wieder den Courier.

Biron. Aber stolpert – (Costard kommt.) Willkommen Landwitz, du kommst mit mir wett zu rennen.

Cost. O Lord, Herr! sie wollen nur wissen, ob die drey Helden herein kommen dürfen.

Biron. Was, sind nur drey da?

Cost. Nein Herr, es sind eben fünfe, denn jedweder von ihnen stellt drey vor.

[145] Bir. Nu, und dreymal drey ist ja neun.

Cost. Nicht so, Herr, mit eurer Erlaubniß, unser einer weiß auch was er weiß, ich hoff dreymal drey, Herr! –

Bir. Ist nicht neune?

Cost. Mit eurer Erlaubniß, Herr! wir wissen wie weit das trägt, ihr werdt uns das nicht weiß machen.

Bir. Beym Jupiter, ich meynte dreymal drey wäre neune.

Cost. O Lord Herr, es wär ein Elend wenn ihr euer Brod mit Rechnen verdienen müßtet.

Bir. Wieviel macht es denn?

Cost. Die Parten selbst, Herr! werden euch zeigen wie weit das trägt, für meinen Part ich bin, wie sie sagen, nur da vor einen Mann, einen einzigen armen Teufel, Pompius den großen, Herr!

Biron. Du auch einer von den Helden?

Cost. Sie sagen, daß ich Pompius der Große bin.

Bir. Geh, laß sie herein kommen.

Cost. Wir wollens sauber genug machen, Herr! (ab.)

König. Sie werden uns nur beschämen, Biron! weis’ sie ab.

Biron. Wir sind schaamfrey, Ew. Majestät, es ist Politik wenn wir einem Spektakel Platz machen, das ein wenig lächerlicher ist als unsers.

[146] Prinzes. Laßt sie kommen, mein Prinz! der Scherz gefällt am sichersten, der nicht weiß, wie er dazu kommt. Wo der Witz kreißet, und doch unvermögend, jemals zu befriedigen, mitten in den Geburtsschmerzen stirbt, da macht die Beschämung ihres Selbstvertrauens eine unnachahmlich drollichte Figur.

Armado kommt.

Armado. Gesalbtes Haupt, ich bitte um eine kurze Pause deines königlichen Odems, für ein paar Worte die ich anzubringen habe. Es geht alles gut, mein honigsüßer Monarch –

(redt heimlich mit ihm.)

Prinzes. Dient der Mann Gott?

Biron. Warum fragt ihr?

Prinzes. Er sieht nicht aus wie einer den Gott erschaffen hat. (Armado geht.)

König. Das wird eine saubere Gruppe Helden geben, er macht Hektorn, der Bauer Pompejus den Großen, der Pfarr Alexandern, Armados Page Herkules, und der Pedant Judas Makkabäus. Gelingen ihnen die vier, so ziehen sie andere Kleider an, und machen die übrigen fünfe.

Biron. Wir wollen suchen sie irre zu machen.

Costard tritt auf als Pompejus.

Cost. Ich bin Pompius.

Boyet. Ihr lügt, das seyd ihr nicht.

[147] Cost. Ich, Pompius.

Biron. Lieber ein Leopard.

Cost. Ich Pompius, der dicke sonst gesagt.

Düm. Der Große.

Cost. Recht, es war groß, Herr! Der Große sonst gesagt.

Der oft im Feld
Mit Schwerdt und Schild
Den Feind zu schwitz’n g’macht:
Und reisend ist
Auf dieser Küst
Komm hier von ungefähr,
Und leg mein’n Schild
Zum Füßen mild,
Der schönen Jungfer ’s Welschland daher.

Wenn Ihr Gnaden Mamsell, mir itzt sagen will: großen Dank, Pompius! so wär itzt wohl mein Sach gethan.

Prinzes. Großen Dank, großer Pompejus.

Cost. (bückt sich lächelnd.) Ich weiß nicht, ob mein Part so recht war, aber ich hoff doch ich macht’ es perfeckt. Einen kleinen Anstoß hab ich im Großen gemacht, aber ich hoff es hat nichts zu sagen.

Nathanael kommt als Alexander.

Nath.

Als ich lebt’ in der Welt, beherrschte mit einander
Nord, Ost, West, Süd, und hab verbreitet mein Gewalt.

[148]

Mein Schildlein zeiget aus, daß ich bin Alexander.

Boyet. Eure Nase sagt nein dazu.

Biron. Eure Nase roch diesen scharfen Ritter nicht.

Prinzes. Der Held ist erschrocken. Fahrt fort, guter Alexander.

Nath. Als ich lebt in der Welt, beherrschte mit einander –

Boyet. Ihr Alexander?

Biron. Pompejus der große!

Cost. Euer Knecht und Costard, zu euren Dienst.

Biron. Husch ihn weg, den Alexander, schlepp ihn fort, den Eroberer.

Cost. Es ist ja aber unser Herr Pfarr.

Bir. Du hörst, er sagt, er sey Alexander.

Cost. So sollt ihr aus euren gemahlten Kleidern ausgekratzt werden. Ein Held und verschrocken zu sprechen? Pfuy schämt euch. Er ist ein gut ehrlicher Gevattersmann, mein Treu, ein recht braver Kegelschieber, aber zum Alisander da schickt er sich wie Pauken zum Eseltreiben. Seht, da kommen die andern Parten, macht euch nur an die Seit, Herr Pfarr, ich versichere euch.

Holofernes als Judas, Mot als Herkules.

Holof. Dies zarte Reiß, den Herkles stellet dar.

[149]

Der mit der Keul erschlug den dreygeköpften Canus,
Und als er noch ein kleines Würmlein war
Erdrosselte die Schlang in seiner kleinen manus.
Quoniam er zeiget sich noch minorena allhie,
Ergo so tret ich auf mit der Apologie.

Nun geh hübsch gerad ab, hübsch gerad. (Mot ab.)

Holof. Ich Judas –

Dum. Wie Judas –

Holof. Nicht Ischariot, Herr – Ich Judas, hochberühmter Makkabäer.

Düm. Ich weiß von keinem andern Judas als –

Bir. Ein küssender Verräther.

Holof. Ich Judas, hochberühmter –

Dum. Desto schlimmer, daß du dafür bekannt bist.

Holof. Was meynet ihr, Herr?

Boyet. Ich meyne, Judas müßte sich aufhängen.

Holof. I prae sequar, mein Herr.

Biron. An was für einen Baum werdet ihr euch hängen?

Holof. Ihr werdt mich nicht aus meiner Fassung bringen.

Biron. Weil ihr keine habt.

[150] Holof. Was ist denn dies? (auf seinen[WS 5] Kopf zeigend.)

Boyet. Der Kopf einer Zitter.

Düm. Ein Stecknadelkopf.

Biron. Ein Todtenkopf.

Long. Ein Kopf auf einer alten Müntze, die nicht mehr zu erkennen ist.

Düm. Der Stöpsel eines Riechfläschgens.

Biron. Sankt Georgens halbes Gesicht, auf einem Bratspies.

Düm. Auf einem Bund Ruthen.

Biron. Der Deckel einer Zahnstocherdose – nun geh, wir haben dir die Fassung gegeben.

Holof. Ihr habt mich aus meiner Fassung gebracht.

Biron. Wärst du ein Löwe gewesen, du hättest mir heraus sollen.

Düm. Da es aber ein Esel ist, so laßt ihn gehn. Adieu Judas, wornach stehst du?

Boyet. Nach der andern Hälfte seines Namens.

Biron. Gebt sie ihm immer! fort Ischariot.

Holof. Das ist nicht adelich, nicht großmüthig.

Boyet. Ein Licht dem Herrn Judas, die Treppe ist dunkel, er möchte den Hals brechen.

[151] König. Es scheint, Biron thut sich heute was an Rache zu gut.

Armado kommt als Hektor.

Biron. Verhülle dich, Achill, hier kommt Hektor in Waffen.

Düm. Hektor war nur ein gemeiner Trojaner gegen ihn.

Boyet. Das Hektor.

Longav. Ich denke, Hektor war so spüddig nicht.

Biron. Sein Schenkel ist zu dick fürn Hektor.

Düm. Er hat gar zu starke Waden.

Boyet. Das kann unmöglich Hektor seyn.

Armado. Wenn wirds ein Ende haben?

Der Waffen starke Mars, in Lanzen der Allmächt’ge
Gab Hektorn ein Geschenk,

Düm. Eine Haselnuß.

Biron. Eine Tabatiere.

Boyet. Eine Melone.

Armado.

Der Waffen starke Mars in Lanzen der Allmächt’ge
Gab Hektorn ein Geschenk, dem Kronprinz Ilions,
Ein Mann so stark an Brust, daß er in dem Gefechte
Oft Tag und Nacht befand sans recreations
Ich bin die edle Blum.

[152] Düm. Die Krausemünze.

Long. Der Gänserich.

Armado. Werther Lord Longaville, haltet eure Zunge im Zaum.

Long. Hektor stolpert.

Düm. Hektor ist ein Windspiel.

Armado. Der angenehme Kriegsheld ist lang todt und verwest, o ihr meine werthen Gewürme, beißt seine Gebeine nicht. Doch ich will zur Sache, zu meiner Devise, Eure königlichen Gnaden, gönnt mir euren Sinn des Gehörs.

Prinzes. Sprecht, guter Hektor, es macht uns viel Vergnügen.

Arm. Ich bethe Euer Gnaden Pantoffel an.

Der Hektor schön bracht auch den Hannibal
Bracht ihn, bracht – bracht ihn zu Fall.

Cost. Ja es ist wahr, Gevatter! ihr habt sie zu Fall gebracht, das Kind ist schon zwey Monath unterwegens.

Armado. Was meynst du?

Cost. Ich meyne, wenn ihr kein honetter Hektor seyd, so soll das Wetter nein schlagen. Es ist schon zwey Monat daß sie bekennt.

Arm. Willst du mich hier mitten unter den Potentaten zu schanden machen? du sollt sterben.

Cost. Dann sollt ihr mein Seel den Staupbesen kriegen.

[153] Düm. Vortreflicher Pompejus.

Boyet. Ehrenvoller Pompejus.

Bir. Grösser als groß, grosser, grosser, grosser Pompejus, Pompejus der ungeheure.

Dümain. Hektor zittert.

Biron. Pompejus glüht! mehr Feuer, mehr Feuer.

Düm. Hektor wird ihn herausfordern.

Biron. Freylich sollt ers und wenn er nicht mehr Mannsblut in seinem ganzem Leibe hätte, als eine Fliege satt damit zu machen.

Armado. Beym Nordpol ich fordere dich heraus.

Costard. Ich bitt euch, laßt mich meine Rüstung wieder anthun.

Dümain. Platz für die entzündeten Helden.

Costard. Ich will im Hemde fechten.

Dümain. Sehr herzhafter Pompejus.

Mot. Herr ich bitt euch, laßt mich euch aufknöpfen, seht ihr nicht, Pompejus steht ohne Futteral da, ihr werdet eure Reputation verlieren.

Armado. Edle und Helden, verzeyht mir, ich werde nicht im Hemd streiten.

Dümain. Ihr könnts nicht abschlagen, Pompejus hat die Ausfoderung gemacht.

Armado. Angenehme Freunde! ich kann, will und werde.

Biron. Was habt ihr für Ursachen?

[154] Armado. Die nackte Wahrheit ist, daß ich kein Hemd habe. Ich geh in Wolle zur Pönitenz.


Letzte Scene.
Makard tritt herein, einer aus der Prinzeßin Gefolge.

Prinzeßin. Willkommen Makard, schade daß du unser Vergnügen so unterbrichst.

Makard. Und die Zunge schwer von Neuigkeiten, gnädige Frau. – Der König euer Vater –

Prinzes. (springt auf) Todt, so wahr ich lebe –

Makard. Mein Auftrag ist verrichtet.

Biron. Weg Helden! die Scene beginnt zu bewölken.

Armado. Was mich betrift, so hab ich das Licht der Ungerechtigkeit durch die Ritze der Klugheit wahrgenommen, und so will ich auf der verderbten Welt den Hektor nicht mehr prostituiren. (die Helden ab)

König. Wie befindet sich Eure Hoheit.

Prinzes. Boyet, mach Anstalten! noch diese Nacht.

König. Nicht so, theureste Prinzeßin, wenn mein Bitten was vermag.

Prinzes. Mach Anstalt! Ich dank euch edelmüthige Herren, mit einem veränderten [155] betrübten Herzen zwar, euer geschmeidige Witz wolle unsern zu dreisten Widerstand entschuldigen. Haben wir uns zu kühn gegen euch bezeigt, so war eure zu weitgetriebene Nachsicht schuld daran. Und so lebt wohl, theurester Prinz, ein betrübtes Herz verstattet keine weitläuftige Sprache, verzeiht mir also wenn ich an Dank zu kurz komme, da ich die Ursache dazu so reichlich erhalten.

König. Der äusserste Saum der Zeit lenkt oft alle Ursachen in der Geschwindigkeit zu einem Endzweck zusammen und oft entscheidet sie mitten in ihren schnellsten Fluge Sachen, welchen eine lange Bemühung keinen Ausschlag geben konnte. Und obschon die traurende Stirn einer zärtlichen Wayse der Liebe ihre Schmeicheleyen untersagt: so wag ich es dennoch euch zu flehen, da einmal unter uns der heilige Handel der Liebe auf dem Tapet war, laßt die Wolken der Traurigkeit unser beyderseitiges Ziel nicht ganz aus eurem Gesicht entziehen. Es ist doch kein solcher Gewinn verlohrne Freunde zu beweinen, als sich mit neu erworbenen zu erfreuen.

Prinzes. Ich versteh euch nicht. Ihr macht mir meinen Schmerz nur empfindlicher.

Biron. Plane Worte durchdringen das Ohr des Schmerzens am behendesten. Hört mich an schöne Prinzeßin! Wir haben mit [156] unserm Eide gespielt, Lädies, eure Schönheit hat uns verunstaltet, allen unsern Vorsätzen und Entschließungen eine andere Gestalt gegeben. Eure himmlischen Augen allein sind an unserer Verwandlung Ursach, unsere Verirrungen sind die eurigen, wenn ihr nicht mit uns helft sie zu einem guten Zweck zu leiten. Wir waren untreu gegen uns selbst, als wir meineydig wurden, um auf ewig benen treu zu bleiben, die beydes aus uns gemacht, euch schöne Ladies. Und eben nur dadurch reinigt diese Falschheit, die sonst Sünde wäre, sich selbst und wird zur Gnade.

Prinzes. Ich gestehs wir haben eure Briefe, eure Geschenke voll Liebe empfangen, aber in unserm Mädchenkriegsrath alles dieß für Galanterie, für Bombast und Unterfutter der Zeit und der Umstände erklärt.

Dümain. Unsere Briefe gnädige Frau, zeigten etwas mehr als Scherz.

Longav. So auch unsere Blicke.

Rosal. Wir haben sie so nicht verstanden.

König. O jetzt in der letzten Gunst der Zeit erklärt euch.

Prinzes. Eine viel zu kurze Zeit, mein Prinz! einen Handel auf die Ewigkeit zu schliessen. Ewr. Herrlichkeit ist meineydig worden, wenn Ihr aus Liebe zu mir (da ich [157] doch noch zweifle ob ihr das Wort kennt) was unternehmen wollt, so sey es dieß. Keinen neuen Eid, behüte der Himmel, aber reiset ungesäumt in eine abgesonderte von allen Weltzerstreuungen nackte Einsiedeley, dort bleibt bis die zwölf himmlischen Zeichen ihren Umlauf vollendet haben. Wenn dieß strenge geeinsamte Leben auch das Anerbieten das ihr mir jetzt in der Hitze eures Bluts gethan habt nicht leid macht, wenn Frost und Hunger, hartes Bett und dünne Kleider die buntfärbige Blüthe eurer Liebe nicht abstreiffen, wenn sie diese Probe aushält und noch immer Liebe bleibt, dann nach Verlauf dieses Jahres komm – und, bey dieser jungfräulichen Hand, die ich jetzt in die deinige schlage – dann will ich die Deinige seyn. Bis dahin soll mein wehmüthiges Selbst in ein Trauerhaus verschlossen, die Thränen des Wehklagens auf das Andenken meines geliebten Vaters herabregnen. Schlägst du mir aber diese Forderung ab, so reiß deine Hand los aus meiner und laß unsre Herzen sich fremde werden.

König. Wenn ich dieß und noch mehr als dieß abzuschlagen fähig wäre, so sollte die schnelle Hand des Todes lieber gleich meine Augen zudrücken. Geh also nur fort von uns, Theure – mein Herz bleibt in deiner Brust.

[158] Biron. Und was für mich, meine Liebe, was für mich?

Rosaline. Auch ihr müßt durchs Fegfeuer, eure Sünden sind wie üppig Unkraut Betrug und Meineyd sind euch zu Kopf gewachsen, daher, wollt ihr mich verdienen, so müßt ihr zwölf Monat im Hospital zubringen.

Dümain. Und was für mich.

Cath. Einen Bart, eine Frau und gute Gesundheit.

Düm. O erlaubet mir meine Danksagung.–

Cath. Nicht so, mein Herr![WS 6] zwölf Monath und einen Tag sollt ihr euch den Bart wachsen lassen. Kommt alsdenn mit dem König, so will ich sehen was ich für euch thun kann.

Long. Und was sagt Maria.

Maria. Zwölf Monath Trauer.

Long. Ach, aber die Zeit ist so lang.

Maria. Desto besser schickt sichs für euch, langer Herr.

Biron. Worüber denkt meine Lädy? Seht mich an, guckt hinein zum Fenster meines Herzens, mit welcher Bereitwilligkeit es eure Erklärung erwartet.

Rosaline. Mein Lord Biron! ich habe viel von euch gehört eh ich euch sah, euer Ruf gab euch für einen Mann voll sinnreicher Einfälle und verwundender Stichelreden, die ihr auf alles ohne Unterschied abschösset [159] was innerhalb den Grenzen eurer Fähigkeit läge. Diesen Wermuth aus eurem sonst fruchtbaren Hirn auszurotten, und zugleich um mich zu gewinnen, wenn euch das letzte angelegen seyn kann, sollt ihr zwölf Monate Tag für Tag die sprachlosen Kranken des Hospitals besuchen, da die ganze Energie eures Witzes aufbieten, diese trostlosen Elende lächeln zu machen.

Biron. Fröliches Gelächter in der Gurgel des Todes intoniren? Es ist unmöglich, Lädy! Scherz kann keine agonisirende Seele bewegen.

Rosaline. Desto besser, so ist dieß das sicherste Mittel einen stechenden nesselartigen Geist zu ersticken, der von der zu leichtsinnigen Gunst erzogen ward, womit seichte Zuhörer eure Schwänke aufgenommen. Das Glück eines Scherzes liegt in dem Ohr das ihn hört, nicht in der Zunge so ihn ausspricht. Also wenn kranke Ohren betäubt, von dem kläglichen Schall ihrer eigenen Seufzer und ihres Geächzes euch willig anhören, so fahrt fort darin, und ich will euch mit samt eurem Fehler heyrathen, aber ist das nicht so fort mit dem Geist, und ich werde vergnügt seyn, euch einen Pfund leichter an Witz zu bekommen aber mit einem bessern Herzen.

Biron. Zwölf Monath? sey es! was thut man nicht, so viel zu gewinnen, ich will zwölf Monath im Hospital scherzen.

[160] Prinzes. Und so mein Prinz! nehm’ ich meinen Abschied.

König. Nein Madame! wir werden euch begleiten.

Biron. Unsere Freyde endigt wenigstens nicht wie eine Komödie, Hans heyrathet nicht Grethen – so ähnlich auch alles sonst einer Komödie sah.

König. Es fehlen nur noch zwölf Monath und ein Tag dran, so wirds eine.

Biron. Das ist zu lang für ein Schauspiel.


Anmerkungen

  1. Im Original: Loves Labour’s lost.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Abführungszeichen fehlt in der Vorlage
  2. Abführungszeichen fehlt in der Vorlage
  3. Vorlage: sollt
  4. Es gibt im IV. Akt keine Vierte Scene; es müsste richtig heißen: Dritte Scene; siehe das Original: Scene III. The same. (Enter Berowne, with a paper.) Berowne. „The king he is hunting the deer …“
  5. Vorlage: sei-
  6. Vorlage: Heer.