Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band VII,1 (1910) S. 13821391
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Glas. Die Erfindung des G.s schrieb zwar eine alte Tradition den Phöniziern zu (Plin. XXXVI 191, danach Isid. or. XVI 16, 2), allein diese Nachricht kann unmöglich richtig sein, da wir ägyptische G.-Funde besitzen, die in viel frühere Zeit zurückgehen als die, wo von phoinikischem Gewerbe die Rede sein kann. Wahrscheinlich ist denn auch Ägypten die eigentliche Heimat des G.s, obschon schriftliche Nachrichten darüber nicht vorliegen und die Darstellungen in ägyptischen Gräbern, die als G.-Bläserei erklärt zu werden pflegen (Lepsius Denkmäler aus Ägypt. III 13. 49. IV 96. Wilkinson Manners and customs of the anc. Egyptians III 89. Rosellini Monum. civ. tav. 52, 4; vgl. Blümner Technol. u. Terminol. IV 394f. Fig. 63–65), neuerdings anders gedeutet werden (von Andt. Kisa Das Glas im Altertum 34f. als Ausblasen eines Metallschmelzofens). Allein die Funde von G.-Objekten selbst legen Zeugnis ab von dem hohen Alter, das die Technik der G.-Arbeit in Ägypten hatte, wenn auch die des G.-Blasens bedeutend jünger zu sein scheint. Wenn auch das vereinzelten Objekten zugeschriebene hohe Alter Bedenken unterliegt (nach Kisa a. a. O. 36 führt v. Bissing ein mit G.-Perlen oder Pasten verziertes Holzkästchen des Ashmolean-Museums in Oxford auf die erste Dynastie zurück), so ist es doch als sicher zu betrachten, daß G.-Perlen, Amulette und andere aus freier Hand geformte Stücke einer durch Schmelzprozeß gewonnenen Pasta bis in den Anfang des 3. Jhdts. zurückreichen (vgl. Fowler On the process of decay in glass, Archaeologia XLVI [1880] 80). Allerdings scheint diese Art der Technik, die Herstellung eines farbigen opaken G.s lange Zeit die einzige gewesen zu sein, wobei zu den glasbildenden Substanzen (Kieselerde, Soda u. dgl.) noch Metalloxyde (Kupfer, Mangan, Eisen usw.) als färbende Substanzen hinzukamen; die Blütezeit dieser Industrie ist die des thebischen Reiches (ca. 1600–900 v. Chr.), wie die vielfach an den Gefäßen angebrachten Königsnamen erweisen. Da die in Ägypten seit frühester Zeit verbreitete Glasur von Tonwaren (Statuetten, Skarabäen, Amulette, Gefäße, architektonische Dekorationsstücke u. dgl. m., vgl. Kisa 64ff.) beinahe mit dem gleichen Material arbeitet, so wäre es wohl denkbar, daß diese [1383] Technik die erste war und aus ihr erst die eigentliche G.-Fabrikation hervorging (wie Kisa 74 vermutet). Die Fabrikation bunten durchscheinenden G.s scheint erst spät begonnen zu haben (nach Fowler 84 im 7. Jhdt.), doch gehen da die Meinungen der Fachgelehrten auseinander, und da angeblich farbloses durchsichtiges G. bereits um 1500 fabriziert wurde (Kisa 262; zumal nach Funden von Tell el Amarna aus der 18. Dynastie, ebd. 15f. 292), so sollte man doch auch für farbiges durchsichtiges G. bereits frühere Fabrikation annehmen dürfen. Wann das Blasen des G.s durch die Pfeife erfunden wurde, ist, nachdem die oben erwähnten, dafür gehaltenen Darstellungen nicht mehr als solche gelten dürfen, nicht festzustellen. Da nicht nur die altägyptischen Funde, sondern sogar die aus der Ptolemäerzeit keine geblasenen Gläser aufweisen, so glaubt Kisa 296 die Erfindung nicht vor 20 v. Chr. ansetzen zu dürfen und betrachtet (S. 299) das Ende der römischen Republik und den Anfang der Kaiserzeit (etwa 20 v. Chr. bis 20 n. Chr.) als das Datum der Erfindung. Vorher wurden die Gefäße aus freier Hand modelliert, indem man aus feinem Formsand einen Kern herstellte, der genau die Gestalt des Hohlraumes des geplanten Gefäßes bekam und der in geschmolzene Glasmasse getaucht und mit dieser überzogen wurde, worauf der Überzug mit freier Hand bearbeitet und der in einer Hohlform ausgepreßte Fuß hinzugefügt wurde (Kisa 52). Andrerseits goß man die flüssige G.-Masse in Hohlformen und stellte so nicht nur Reliefplatten, Einlagen, Schmuck usw. her, sondern auch Gefäße, indem man die Hohlform in mehrere Teile zerlegte und sie für den Guß zusammenfügte, nach dessen Vollendung man sie wieder auseinandernahm (ebd. 695). – Die Leistungen der ägyptischen G.-Industrie waren, wie die Funde zeigen, von hervorragender Schönheit und Vollendung und genossen auch in der Kaiserzeit noch großen Ruf (Martial. XI 11, 1. XII 74, 5. XIV 115), sodaß sie einen sehr geschätzten Handelsartikel abgaben (Arr. peripl. mar. Erythr. 6 p. 261 Müller. Hadrian bei Hist. aug. Saturn. 8, 6. Treb. Poll. Claud. 17, 5); namentlich die Fabriken von Alexandria, wo sich vorzügliches Material dafür vorfand (Strab. XVI 758), genossen bedeutenden Ruf (Athen. XI 784 C). Unter Aurelian wurde auf ägyptische G.-ware eine Einfahrsteuer gelegt (Hist. aug. Aurel. 45, 1).

Wenn die Phönizier auch nicht, wie man im Altertum und zum Teil bis in die Neuzeit glaubte, die Erfinder des G.s waren, so haben sie doch in dieser Technik, die sie jedenfalls von den Ägyptern kennen gelernt hatten, Hervorragendes geleistet, und dazu scheint beigetragen zu haben, daß der Sand des Flusses Belus, der nach Plin. a. a. O. die zufällige Ursache der Erfindung des G.s abgab, für die G.-Fabrikation ganz besonders geeignet war, s. Plin. V 75. Tac. hist. V 7. Joseph. bell. Iud. II 10, 2 (zumal zwischen Ake und Tyros fand sich der beste Sand. Strab. a. a. O.). Die Fabrikation hatte ihr Zentrum in Sidon, das daher Plin. V 76 artifex vitri nennt; vgl. die Σιδόνια ποτήρια Athen. XI 468 C. Eustath. zu Dionys. perieg. 912. Luc. amor. 26, und wenn auch in der Kaiserzeit die Konkurrenz mit Alexandreia und andern G.-Fabriken den Ruhm der [1384] sidonischen Arbeiten etwas einschränken mochte (Plin. XXXVI 193 sagt: Sidone quondam his officinis nobili), so blieb der Export dieser Gläser doch immer noch sehr bedeutend, wie die an verschiedenen Punkten der alten Welt gefundenen G.-Gefäße mit der Signatur sidonischer Fabrikanten (Ariston, Artas, Eirenaios, Nikon, in griechischer und lateinischer Schrift), die zum Teil römische Kaiserköpfe aufweisen, zeigen (s. Froehner Nomenclature des verriers Grecs et Romains 9f. nr. 2–4; 14 nr. 12). Die G.-Fabrikation von Tyros wird in unseren Quellen nirgends erwähnt (Plin. V 76 spricht nur von Tyros als Stätte der Purpurfärberei); daß aber auch dort diese Technik blühte, darf daraus geschlossen werden, daß noch im 12. Jhdt. dort gegen 400 jüdische G.-Arbeiter tätig waren (nach einem Bericht des Benjamin von Tudela, s. Marquardt Privatleben d. Röm. 744, 2) und daß in der Nähe Reste von G.-Hütten, Schlacken, G.-Scherben und dgl. zahlreich zu finden sind (Froehner La verrerie antique 22). Was sich an Resten phönizischer G.-Arbeit erhalten hat, kann freilich nicht mit den prachtvollen ägyptischen G. verglichen werden; die weißen Alabastra von Cypern haben schwere Formen, dicke Wandungen, grobe Masse (Cesnola Cypern 329. Froehner a. a. O. 21); die sicher datierbaren Reliefbecher der oben erwähnten sidonischen G.-Arbeiten sind keine echtphönizischen Erzeugnisse mehr, sondern griechisch-römische Produkte einer Kunstfertigkeit, die sich damals über das ganze römische Reich ausgebreitet hatte (vgl. Nesbitt Catalogue of the collection of glass by Felix Slade p. 8. Perrot-Chipiez Histoire de l’art dans l'antiqu. III 732ff. Kisa a. a. O. 90ff.).

Auch in Assyrien war die G.-Fabrikation, vermutlich ebenfalls von Ägypten her, bekannt; glasierte Ziegel, gläserne Schmucksachen u. dgl, sind unter den Funden nicht selten (s. Froehner a. a. O. 14. Perrot-Chipiez II 717). Doch scheint eigentliche Gefäßfabrikation nicht nachweisbar zu sein; das berühmte opake Salbfläschchen, das den Namen des Königs Sargon (721–704) trägt und in den Ruinen des Königspalastes von Niniveh gefunden wurde (heute im Brit. Mus., abgeb. Perrot-Chipiez a. a. O. Fig. 380, besser Kisa 47 Abb. 22), wird bald als phönizische (Froehner 17), bald als ägyptische Arbeit (Kisa 103f.) bezeichnet. Sonstige Funde von G.-Gefäßen aus Niniveh, Kuyundschik und Babylon gehören der Ptolemäer- oder der Kaiserzeit an (obschon Layard Discoveries in the ruins of Niniveh 197 einige Objekte bis in den Anfang des assyrischen Reiches zurückführen möchte). Auch die G.-Funde von Syrien und Palästina gehören zum weitaus größten Teile erst der Kaiserzeit an (Kisa 96ff.); einige ältere sind als phönizischer Import zu betrachten (Perrot-Chipiez IV 460), und von den Phöniziern übernahmen die Juden auch die Technik der G.-Fabrikation, die sie seit Ausgang der Kaiserzeit, im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein ausübten (Kisa 99f.). Die G.-Funde in Persien scheinen aus alexandrinischen Werkstätten zu stammen (ebd. 105); doch erwähnt Aristoph. Acharn. 74 ὑάλινα ἐκπώματα am persischen Hofe. Indisches G. erwähnt Plin. XXXVI 192 als vortrefflich, doch wird seine Angabe, daß [1385] man es aus zertrümmertem Bergkristall hergestellt habe, sicher mit Recht angezweifelt (Friedrich Rhein. Jahrb. LXXIV 173).

Wann die Griechen das G. kennen gelernt haben, darüber geben uns die schriftlichen Quellen keinen Aufschluß; daß aber schon in prähistorischer Zeit manche G.-Objekte, wie Perlen, Kugeln, Schieber, u. dgl., wenn auch keine Gefäße, auf griechischem Boden sich befanden, und zwar allem Anschein nach als fremder Import, nicht als einheimisches Fabrikat, das haben die Funde von Mykenai und Tiryns gezeigt (Schliemann Mykenae 126. 136. 184; Tiryns 92. 199). Und da der bekannte Alabasterfries von Tiryns (ebd. Taf. IV. Baumeister Denkmäler 1816 Taf. LXXVII) die Verwendung blauer Smalte zur Wanddekoration gezeigt und damit erwiesen hat, daß der κυάνεος, den Homer Od. VII 87 als Wandschmuck anführt, allem Anschein nach eben solcher blauer G.-Fluß war (vgl. Helbig Das homerische Epos 100ff.), so dürfen wir eigentlich sagen, daß das G., wenn auch nur in dieser Form und Anwendung, bereits bei Homer erwähnt ist. Dann taucht es erst wieder im 5. Jhdt. auf, bei Herodot, der II 69 als Schmuck der heiligen Krokodile ἀρτήματα λίθινα χυτά nennt, womit wohl G.-Smalte gemeint ist (Plat. Tim. 61 B unterscheidet τό τε περὶ τὴν ὕαλον γένος ἅπαν ὅσα τε λίθων χυτὰ εἴδη καλεῖται, also wohl durchsichtiges G. und Smalte; Epinic. b. Athen. X 432 C spricht von einem σκύφος χυτῆς λίθου), bei dem sich aber auch zuerst das eigentliche griechische Wort für G., ὕελος (attisch ὕαλος) findet, III 24, freilich offenbar nicht in der Bedeutung G., da an gläserne Sarkophage nicht gedacht werden kann, zumal Herodot angibt, das Material der στήλη ἐξ ὑέλου πεποιημένη κοίλη werde aus der Erde gegraben. Anscheinend war das Wort ὕελος damals erst seit kurzem gebräuchlich, aber über die Beschaffenheit und Entstehung des dadurch bezeichneten Materials, das den Griechen von auswärts, von Phönizien und Ägypten, herkommen mochte, hatte man anfangs wohl keine rechte Vorstellung. Die Etymologie des Wortes ist auch ganz dunkel; Curtius Gr. Etymol. 395 bringt es mit ὕειν in Verbindung (es habe eigentlich wohl Regentropfen geheißen); Froehner 6 faßt als altes Digamma und den Stamm bringt er mit ἅλς zusammen. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, daß es ein gräzisiertes Fremdwort ist. Die erste Erwähnung von G.-Gefäßen ist Aristoph. Ach. 74 (s. o.), wo sie als kostbare orientalische Trinkgefäße erscheinen; Nub. 766f. wird ein Brenn-G., eine λίθος καλή bei den φαρμακοπῶλαι, ὕαλος genannt. In der Folgezeit werden die Erwähnungen häufiger (vgl. Blümner a. a. O. 384. Kisa 163ff.), immerhin läßt sich erkennen, daß die G.-Gefäße als wertvolle, seltene Ware betrachtet wurden, und es ist nicht zu bezweifeln, daß das nur ausländisches Fabrikat war, in Griechenland aber keine G.-Fabriken existierten. Wenn wir unter den durch Signatur auf ihren Fabrikaten bekannten ὑαλουργοί auch Griechen und griechische Inschriften finden (Froehner Nomenclat. des verriers 9ff.), so dürfen wir daher nur an Fabrikate aus römischer Kaiserzeit denken; so bei den oben erwähnten sidonischen Fabrikanten und bei einem aus Sparta (Bull. d. Inst. 1844, 146). Daß diese [1386] Fabriken stark exportierten, zeigt sich darin, daß G.-Gefäße mit der Signatur des Ennion sich in Italien, Sizilien, Pantikapaion und Cypern gefunden haben (ebd. 11 nr. 6). Funde von G.-Gefäßen, G.-Perlen und anderen G.-Objekten sind in Gräbern Griechenlands, der Inseln, Kleinasiens und namentlich Südrußlands sehr häufig; vgl. z. B. Ant. du Bosph. Cimmér. pl. 77f.

In Italien (vgl. Marquardt Privatleb. 478f. Kisa 170ff.) liegen die Verhältnisse ähnlich. Kleinere G.-Sachen, auch bunte opake Salbfläschchen, finden sich in Etrurien und anderwärts schon in sehr frühen Gräbern (vgl. Ann. d. Inst. LVI (1884) 176. Bull. d. Inst. 1882, 100. Helbig Homer. Epos 24; in den Pfahldörfern der Poebene dagegen fehlt das G., Helbig Italiker in der Poebene 21). Daß die lateinische Bezeichnung für G., vitrum (etymologisch nicht aufgeklärt, Curtius a. a. O. 242 stellt es zu videre), erst in der Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. nachweisbar ist (Cic. pro Rabir. Post. 14, 40, also vom J. 54 v. Chr.; vitreus bereits in übertragenem Sinne durchsichtig bei Varro bei Non. 448, 28. 536, 32), beruht natürlich nur auf Zufall. Jedenfalls kannte man damals schon geraume Zeit klares, durchsichtiges G., denn die Dichter gebrauchten von der Augusteischen Zeit ab vitreus sehr gern von glashellen Dingen, besonders vom Wasser (s. Blümner Farbenbezeichnungen bei den röm. Dichtern 218ff., wo der Nachweis geliefert ist, daß es mitunter auch glasgrün bedeutet). Daß es damals noch als edles, kostbares Material galt (Marquardt 748), kann daraus wohl nicht geschlossen werden, zumal schon zur Zeit Strabons die G.-Fabrikation in Rom, nachdem Campanien damit vorausgegangen war (Plin. XXXVI 194), so eingebürgert war, daß man schon um ein As ein G.-Gefäß erstehen konnte, Strab. XVI 758 (seit wann es den nur in den Regionsverzeichnissen genannten, in der ersten Region gelegenen vicus vitrarius gab, ist unbekannt). Und wenn auch kostbare Arbeiten auch später noch sehr hoch im Preise standen (Plin. a. a. O. 195) und die kunstvollen Erzeugnisse der alexandrinischen Fabriken ihren alten Ruf bewahrten (Mart. XI 11, 1. XII 74, 1. XIV 115), so waren doch die gewöhnlichen G.-Gefäße eine billige Ware geworden (Petron. 50, 7 sagt Trimalchio von ihnen: quod si non frangerentur, mallem mihi quam aurum; nunc autem vilia sunt) und hatten selbst in reichen Häusern die goldenen und silbernen Trinkgefäße verdrängt (Plin. a. a. O. 199: usus eorum ad potandum argenti metalla et auri pepulit, was aber von den besseren Arbeiten, den in candido tralucentia, quam proxima crystalli similitudine gesagt ist). Auch sonst breitete sich in der Kaiserzeit die Technik im römischen Reiche überallhin aus; die Nachrichten und zum Teil auch Inschriften bezeugen G.-Fabrikation in Gallien und Spanien (Plin. a. a. O. 194), in Nordafrika (in Mauretanien, CIL VIII 9430;[1] ein Iulius Alexander, natione Afer, civis Carthaginiensis, opifex artis vitriae, in Lugdunum, ebd. XIII 2000). Noch mehr aber lehren uns die Funde von G.-Gefäßen und andern G.-Arbeiten, welche Verbreitung die Technik gefunden und welche bedeutende Höhe sie auch in den Provinzen erreicht hat (über die Hauptfundstätten vgl. Froehner [1387] 108ff. Marquardt 749f. Kisa 187ff., der namentlich über die rheinische G.-Industrie, die sehr entwickelt und verbreitet war, 213ff. eingehend berichtet).

Was die Technik der antiken G.-Arbeit anlangt, so kommt dabei dreierlei in Betracht: die Herstellung der G.-Masse, das zugesetzte Färbemittel und endlich die Behandlung der G.-Masse und ihre Herrichtung für bestimmte Zwecke. Zur Herstellung der G.-Masse braucht man Kieselsäure und als Flußmittel einige Basen. Die Kieselsäure wird aus Sand bereitet, doch kommt es für die Güte des G.s sehr auf dessen Qualität an, weshalb gerade in solchen Gegenden, wo sich gut dafür geeigneter Sand fand, die G.-Fabrikation besonders gedieh (so in Phönizien, s. o.; am Volturnus, Plin. a. a. O. 194; bei Alexandreia nach Strab. XVI 758); über die Beurteilung der Sandqualität s. Galen. XII 185 K.). Zu Flußmitteln dienten teils Pflanzenasche (Schol. Arist. Nub. 768), teils natürliche Soda, Nitrum (das nicht mit Froehner 10 u. a. als Salpeter erklärt werden darf, s. Friedrich Rhein. Jahrb. LXXIV 168. Blümner a. a. O. 388, 1. Kisa 2, 1); es war für die ägyptische G.-Fabrikation sicher nicht ohne Bedeutung, daß dort Soda gewonnen wurde (Plin. XXXI 109; nitrariae bei Naukratis und Memphis ebd. 111). Das Verfahren gibt Plin. XXXVI 194 dahin an, daß der Sand erst fein zerstoßen oder gemahlen, dann mit drei Teilen Soda (wohl auf neun Teile Sand) vermischt und so geschmolzen wurde; dann kam diese Masse in andere Schmelzöfen, bis das sog. hammonitrum entstand, das aufs neue geschmolzen wurde, bis reines, klares G. entstand. Diese Beschreibung geht freilich auf die Details, namentlich die Beschaffenheit der verschiedenen Schmelzöfen, gar nicht ein; wir erfahren nur anderweitig, daß man in Ägypten Papyruswurzeln zur Heizung nahm (Cass. Felix med. 20. Olympiod. zu Arist. meteor. II p. 228 Ideler), sonst Holz von starker Heizkraft (Plin. a. a. O. 193. Plut. qu. conv. III 19, 3 p. 658 D). Als Färbemittel wurde Kupfer (Plin. a. a. O.193. Theophr. de lap. 49), Magneteisenstein (Plin. XXXIV 148), bunte Steine oder Muscheln zugesetzt (Plin. XXXVI 192), sowie andere mineralische Stoffe (Plin. ebd. u. 62). Bei der weiteren Behandlung kam es darauf an, ob die G.-Masse noch im flüssigen oder erst im erkalteten Zustande bearbeitet wurde; für ersteren kam vornehmlich das G.-Blasen (vgl. Sen. ep. 90, 31) und Gießen und Pressen, für den andern das Gravieren, Schneiden, Schleifen u. dgl. in Betracht; vgl. Plin. a. a. O. 193: ex massis rursus funditur in officinis tinguiturque, et aliud flatur figuratur, aliud torno teritur, aliud argenti modo caelatur. Besser aber, als durch die spärlichen technischen Einzelheiten, die wir aus den literarischen Quellen entnehmen, werden wir durch die Funde selbst über die Art der Ausführung und die mannigfaltige Arbeitsweise belehrt.

Was zunächst die Gattungen der Fabrikate der antiken G.-Technik anlangt, so spielen die Hauptrolle dabei die Gefäße, und zwar in der größten Mannigfaltigkeit der Form und der Bestimmung. Große Vorratsgefäße, wie man sie aus Ton formte, verbieten sich freilich zumeist schon wegen der Zerbrechlichkeit des Materials; [1388] immerhin sind Gefäße von ziemlicher Größe gefertigt worden, obschon sich nur wenig derartiges vollständig erhalten hat (man vgl. die 59 cm hohe Amphora der Sammlung A. Vogell nr. 923 Taf. X); auch Spitzamphoren, die in einem besonderen Fußgestell aufgestellt werden mußten, kommen vor. Am häufigsten sind teils kleinere Flaschen, teils Kannen oder Krüge, teils Trinkgefäße. Die Flaschen, mit oder ohne Henkel, dienten meist für Öle, Salben u. dgl. (s. Kisa Formentafeln nr. 1–173), auch die Kannen und Kännchen (ebd. nr. 174–274) werden zumeist ähnlichen Zwecken gedient haben, während die größeren darunter auch zur Aufbewahrung von Getränken bestimmt sein konnten. Die Trinkgefäße, Becher vornehmlich und Schalen, zeigen in der Regel festen soliden Boden, damit sie gut stehen konnten (Kisa nr. 275–428), mit kräftigem Henkel, wenn es auch daneben an zierlichen Arbeiten mit filigranartigem Schmuck nicht fehlte. Dazu kommen dann noch anderweitige Gefäßformen und Gebrauchsgegenstände: Trinkhörner, Schöpflöffel, Trichter, Schüsseln, Teller, Büchsen, Lampen, Aschenurnen u. a. m. (vgl. Kisa 311ff. über die gebräuchlichsten G.-Formen). Auch Gefäße in Form von Köpfen, Tieren, Blumen oder andern Figuren kommen vor (vgl. Kisa 751ff). Mit Ausnahme einiger Prunkgefäße, wie der Portlandvase u. ä., sind die größeren dieser Gefäße ganz einfach aus durchscheinendem weißem G. und ohne besondere Verzierungen hergestellt; um so prächtiger in Farbe und plastischem Ornament sind dafür die kleinen Gefäße, besonders die Salbfläschchen und Schalen, ausgestattet.

Von anderen Produkten aus G. sind vornehmlich zu nennen die Schmuckstücke, besonders die sog. G.-Pasten, die Edelsteine nachahmen, entweder bestimmte, wie Saphir, Smaragd, Opal, Jaspis u. a. (vgl. Plin. XXXVI 198. XXXVII 83. 112. Isid. or. XVI 15, 27), als nur allgemein in Farbe und Struktur edeln Steinen ähnelnde (Froehner 47). Diese G.-Flüsse dienten teils als Ringsteine und wurden dann meist geschliffen und graviert, teils als Schmuck in Gestalt von Perlen, Schiebern, Anhängern u. dgl. Auch Gefäße, die die kostbaren, aus Onyx und andern Edelsteinen geschnittenen nachahmen sollten, wurden daraus hergestellt, und manche derartige, die sich erhalten, haben bis in die Neuzeit für solche Edelsteingefäße gegolten (Froehner 48. Marquardt 751. Kisa 269). Aus buntem, meist einfarbigem G. formte man ferner kleine Figuren als Nippes oder Amulette, Kugeln (als Spielzeug für Kinder vermutlich oder zum Kühlen der Hände, nach Prop. III 18 [II 24], 12) Spielsteine (Ovid. a. a. O. II 207. Mart. VII 72, 8. XII 40, 3. XIV 20) u. a. m. Einfarbig buntes G. fand dann auch (anscheinend seit der alexandrinischen Kunst) in der Architektur Verwendung, vornehmlich zur Bekleidung der Wände mit G.-Platten (was in Rom zuerst M. Scaurus in seinem Theater an der Scaena durchführt, inaudito etiam postea genere luxuriae, Plin. XXXVI 114), entweder in größeren quadratischen Platten oder nach Art des opus sectile im Mosaik in geometrischen Mustern (Kisa 367), wie denn auch bekanntlich für Mosaikarbeit bunte G.-Stifte neben den steinernen und tönernen tessellae zum Schmuck von Wänden, [1389] Plafonds (camerae, Plin. a. a. O. 189. Sen. ep. 86, 6. Stat. silv. I 5, 42) und Fußböden (vgl. Marquardt 764, 4) zur Verwendung kamen. Auch gläserne Spiegel waren im Altertum nicht unbekannt (Alex. Aphrod. probl. I 132; nach Plin. a. a. O. 193 eine Erfindung der Sidonier); das Spiegel-G. hatte zwar keinen Quecksilberbelag, aber wohl eine anderweitige Metallfolie, oder es waren nur dunkelgefärbte, dem Obsidian ähnliche, spiegelnde G.-Platten (Kisa 357ff.). Daß die Alten sodann Fenster-G. gekannt haben, ist zwar lange bezweifelt worden, indem die Quellen meist von Scheiben aus feingespaltenen Platten von lapis specularis berichten, der dafür benützt worden sei (s. Marquardt 757); allein abgesehen davon, daß späte Schriftsteller ausdrücklich das G. als Fensterverschluß erwähnen (Lactant. de opific. dei VIII 11. Symphos. aen. 68 bei Baehrens PLM IV 378), hat man an verschiedenen Orten, u. a. auch in Pompeii und Herculaneum, Reste von G.-Fenstern gefunden (s. Marquardt 758. Kisa 362ff.) und daraus ersehen, daß nicht nur in Italien, sondern auch in den Provinzen G.-Fenster verbreitet und anscheinend häufiger anzutreffen waren, als eine große Zeit des Mittelalters hindurch. Es war allerdings nicht das feine, durchsichtige G., das wir heute dazu benutzen, sondern dicker und trüber. Auch für Laternen benutzte man neben Horn, geölter Leinwand u. a. auch G.-Scheiben (Isid. or. XX 10, 7); ja in Ägypten hat man Spuren gefunden, daß selbst die Benutzung des G.s beim Einrahmen von Bildern nichts Unbekanntes war (s. Kisa 360 nach Flinder-Petrie Hawara, Biahma and Arsinoe 12). Auch daß den Alten Brenn- und Vergrößerungs-Gläser bekannt waren, ist nicht zu bezweifeln (für jene genügt der Hinweis auf Arist. Nub. 766ff. und Plin. XXXVII 28, für letztere sprechen Funde von Nola und Mainz, s. Marquardt 751, 9. Kisa 355).

Für die mannigfaltigen Verfahrungsarten, durch die die bunte Zeichnung der Gläser hergestellt werde, sind wir auf die modernen Namen angewiesen, da wir die alten nur zu einem kleinen Teile kennen, und zur Beurteilung des Verfahrens fast ganz auf die Schlüsse, die die Techniker aus den Objekten selbst ziehen. Da haben wir zunächst die sog. Petinet-G. (vgl. Abeken Mittelitalien 267ff. Froehner 27ff. Kisa 419ff.), die auf dem dunkeln Grunde opaken G.s von Verzierungen in hellen Farben umzogen sind, die im Kreis oder Zickzack herumgehen, Blatt- oder Schuppenornamente bilden. Sie sind auf zwei Arten gefertigt: entweder wurden die Verzierungen aus hellen Fäden in die G.-Masse, so lange sie noch weich und dehnbar war, eingesetzt, sodaß sie sie ganz durchdrangen; oder es wurden G.-Fäden von verschiedener Farbe und Dicke zu einer Kugel vereinigt und diese dann geblasen, wobei die Fäden zusammenflossen und mannigfaltige Muster ergaben. Etwas anderes ist die Entstehung der Mosaik-Gläser (Semper Der Stil2 II 183). Hierbei wurden Stifte verschiedenfarbigen G.s mosaikartig zu einem Bilde zusammengeordnet, dieses mit einer einfarbigen G.-Masse umgeben, das Ganze durch Hitze zusammengelötet und beliebig gedehnt, sodaß man bei immer größerer Dehnung der G.-Stange dasselbe Bild in immer mehr verkleinerten Dimensionen erhielt und jeder [1390] Querschnitt das Mosaikbild genau wiedergab. Man bildete so namentlich Blumenmuster, Tierfiguren, Arabesken u. dgl. (vgl. Froehner 53f. Kisa 501ff.) und benützte die kleinen Plättchen entweder für Ringe oder Schmucksachen, oder man fügte verschiedene solcher Durchschnitte mit Kitt zusammen und machte daraus Schmucksachen oder verarbeitete die Masse zu Schalen u. dgl. Derartige Arbeiten sind auch unter dem Namen Milleflori bekannt. Kisa 531ff. meint, daß die Mosaik-Gläser, die ein Durcheinander von Flecken, Augen, Streifen usw. aufweisen und zwar gewissen Edel- und Halbedelsteinen ähneln, sie aber nicht genau nachahmen, die vielbesprochenen vasa murrina der Alten gewesen seien (vgl. Marquardt 765ff. und die dort mitgeteilte Literatur). Allein obschon es unechte Murrina gab, die aus G. bestanden (Plin. XXXVI 198), so waren die echten doch allem Anschein nach aus einem Mineral gefertigt, wenn man dies auch nicht mit Sicherheit bestimmen kann (Näheres im Artikel Murrina); die Fabrikation jener Mosaik-Gläser war aber sicher kein Geheimnis, und daß sie jemals die ungeheuern Preise erreicht haben sollten, die für Murrina gezahlt wurden, ist ganz unwahrscheinlich.

In ähnlicher Weise sind die sog. Filigran-Gläser entstanden (Semper a. a. O. Fröhner 50f. Kisa 419ff.); es wurden dabei gesponnene G.-Stäbchen von weißer oder bunter Farbe oder schon farbig gemustert mit ähnlichen Stäbchen von farblosem, durchsichtigem G. in regelmäßigen Abständen nach einem bestimmten Muster geordnet und durch Hitze zu einer einzigen Masse verbunden, auch wohl spiralförmig gedreht. Die erweichten Stabbündel ließen sich platt drücken und ergaben so ein Bandmuster in Platten; diese wurden der Länge oder der Quere nach um die Mündung der G.-Pfeife gelötet, zu einer Blase geformt und zu Gefäßen ausgeblasen, in denen dann die Bandmuster mit den durchsichtigen farblosen Streifen abwechselten. Verwandt sind in den Sammlungen häufig sich findende Schalen, die auf einfarbigem Grund kleine Muster, wie Zellengewebe, von eckigen Plättchen anderer Farbe umgeben, aufweisen, während der Rand meist wie ein Band oder eine Naht behandelt ist. Hierfür legte man eine bestimmte Anzahl farbiger Fäden ring- oder spiralförmig zusammen, vereinigte sie zu Bündeln und verschmolz sie, nachdem sie erhitzt waren, zugleich mit der den Grund bildenden opaken oder durchsichtigen Masse in einer Tonform.

Die G.-Fäden wurden aber auch noch in anderer Weise zur Dekoration der Gläser verwandt, indem man sie nämlich nicht in die Fläche einwalzte, sondern in Relief stehen ließ, sowohl bei Perlen und andern Schmucksachen, als bei Gefäßen, namentlich bei Kannen. Meist ist die Grundfarbe dunkel, der aufgeschmolzene Faden opakweiß oder gelb (vgl. Kisa 425f.). Indem man diese Fäden mannigfaltige Windungen um das Gefäß beschreiben ließ, sie vervielfachte u. dgl. m., brachte man in diese Art der Dekoration reiche Abwechslung hinein (vgl. aus'm Weerth Rhein. Jahrb. LXXVI 63ff.). An Stelle der Fäden sind mitunter auch künstliche Edelsteine, in Glaspasten nachgeahmt, aufgeschmolzen; solche Becher ahmen die gemmata potoria, Goldgefäße, die mit echten Edelsteinen besetzt waren, nach (Froehner 58). [1391]

Beruhen alle diese bisher geschilderten Arten von G.-Fabrikaten auf der leichten Schmelzbarkeit und großen Dehnbarkeit des erhitzten Materials, so machen andere Arten der Technik sich die Härte des erkalteten Stoffes zunutze, der sich wie Stein schleifen und schneiden läßt. In der Tat verfuhr man dabei auch ganz ähnlich wie in der Steinschneidekunst, indem man vermittelst eines in Schwung versetzten Rades metallene feine Werkzeuge mit Schmirgel auf das G. wirken ließ. Die Hauptanwendung fand dieses Verfahren bei den die Edelsteine ersetzenden und für Ringe oder sonstigen Schmuck bestimmten G.-Pasten, deren sich in unseren Gemmensammlungen sehr viele befinden. Wie bei den geschnittenen Steinen, wo man den vertieften Intaglio vom erhabenen Cameo unterscheidet, schliff man auch die G.-Pasten in dieser doppelten Art; ja man ahmte darin sogar die Farbenwirkung der Onyxe nach, indem man der dunkeln Paste eine opake hellere Schicht ausschmolz (was heute Überfang-G. genannt wird) und aus dieser die gewünschten Figuren, die dann in heller Farbe vom dunkeln Grunde sich abhoben, herausschliff (vgl. Kisa 569ff.). Auch Gefäße, selbst größere, wurden in dieser Weise hergestellt (toreumata vitri nennt sie Mart. XII 74, 5. XIV 94, 1. Quintil. II 21, 9 läßt daher die scalptura sich auch auf das G. erstrecken), wie die berühmte Portlandvase des britischen Museums (Kisa 579ff. Taf. VII) und schöne Gefäße aus Pompeii (Mon. d. Inst. III 5. Overbeck Pompeji4 626 Fig. 320. Kisa Taf. VIII u. s.). Solche Arbeiten waren jedenfalls immer sehr kostbare Stücke. Bei einfarbigen oder farblosen Gläsern kam dagegen meist der vertiefte Intaglioschnitt zur Anwendung (Kisa 631ff.). Auch hier wurden außer Ring- und Schmuckpasten Gefäße auf diese Weise mit gravierten Zeichnungen und vertieften Darstellungen verziert. Am einfachsten waren Linien oder Bänder, dann Kränze oder andere Ornamente; komplizierter größere figürliche Darstellungen, wie der Prometheus-Becher von Köln und andere, die Marquardt 752f. aufführt und Kisa 670ff.; an dieser Art von Gefäßen sind auch die eingravierten Inschriften, die entweder die Darstellungen erklären oder einen Spruch, eine Dedikation u. dgl. enthalten, am häufigsten. Mitunter hat man die gravierten Zeichnungen mit Goldfäden oder dunkler Smalte eingelegt, sodaß sie sich deutlicher abhoben (die meisten dieser Arbeiten gehören aber schon der älteren christlichen Kunst an und sind in Stil und Technik roh, s. de Rossi Bull. crist. 1868, 36. 1878, 147. Froehner 95ff.).

Zu den kunstvollsten Stücken der antiken G.-Schleifkunst aber gehören die in nur wenigen Exemplaren erhaltenen Becher mit durchbrochenem Netz aus feinen G.-Fäden (vgl. Marquardt 754f. Kisa 606ff., der acht mehr oder weniger gut erhaltene Stücke aufzählt, wozu noch einige Bruchstücke kommen). Es sind meist Kugelbecher, deren Außenseite zur untern Hälfte oder bis zwei Drittel Höhe von den Maschen des Netzes, das nur durch feine Stifte mit dem G.-Körper zusammenhängt, umgeben ist. Unter dem Bande läuft meist eine Inschrift (z. B. Bibe vivas multis annis, Kisa 469 Abb. 224), deren Buchstaben ebenfalls frei gearbeitet und durch Stifte oder Stege mit dem G.-Körper verbunden sind. Letzterer [1392] besteht immer aus farblosem G., während das Netzwerk, die Inschriften und die verbindenden Stege bisweilen aus farbigem G. hergestellt sind. Es darf kaum bezweifelt werden, daß das die Gefäße sind, die von den Alten als diatreta bezeichnet werden (Mart. XII 70, 9. Dig. IX 2, 27, 29; die Arbeiter heißen diatretarii, Cod. Theod. XIII 4, 2. Cod. Iust. X 66 [64], 1), während es unsicher ist, ob man darauf auch die Notiz des Plin. XXXVI 195 über die teuern gläsernen modici calices quos appellabant petrotos (Wieseler G. g. N. 1877, 25 schlug dafür pertusos oder perforatos vor) beziehen soll. Die Ansichten, wie diese Becher hergestellt wurden, gehen auseinander; mehrfach hat man angenommen, daß das besonders gearbeitete Netzwerk aufgelötet worden sei (Froehner 87f.). Allein gewiß mit Recht ist Friedrich (Sprechsaal, Organ der Porzellan-, Glas- und Tonwarenindustrie, 1881 nr. 1–4 und Rhein. Jahrb. LXXIV 176ff.) zu der auch von andern Technikern (vgl. Kisa 617) gebilligten Ansicht Winckelmanns (Werke III 113 Eis.) zurückgekehrt, daß das Netz aus der harten G.-Masse (bei mehrfarbigen aus dem Überfang-G.) in unendlich mühseliger und geduldiger Arbeit herausgeschliffen worden sei.

Das Gießen des G.s fand vornehmlich bei der Herstellung des oben erwähnten Fenster-G.s Anwendung, und zwar scheint man dabei die flüssige G.-Masse auf Metall- oder Steinplatten mit erhobenem Rande gegossen zu haben (Cohausen Annal. d. Ver. f. Nassauische Altertumskunde XII 10 Anm.); auch die G.-Pasten mit Reliefs oder Intaglios sind nicht alle geschnitten, sondern vielfach gegossen, ebenso Gläser mit Reliefs (was Apul. met. II 19 vitrum fabre sigillatum nennt, kann sowohl diese Art, als die aus Überfang-G. ausgeschliffenen Relief-Gläser sein). Bei der Herstellung derartiger Gefäße teilte man die Modellform in mehrere Teile, die man für den Guß zusammenfügte und nach der Vollendung auseinandernahm. Die dabei sich ergebenden Gußnähte wurden gewöhnlich entweder durch nachträgliche Erhitzung der Oberfläche oder durch Schliff entfernt (Kisa 695ff.). Noch häufiger scheint das Pressen der zähen erhitzten G.-Masse in Formen angewandt worden zu sein; die so hergestellten Gefäße, die oft die Reliefs der Vorderseite auf der Rückseite als Höhlung aufweisen, ahmten in ihrem Ornament- und Figurenschmuck teils getriebene Metallbecher, teils Tongefäße (zumal die sog. samischen Becher oder Gefäße aus Terra sigillata) nach und sind auch in ihren Dekorationen (Blätter, Palmetten, Rosetten, Trauben usw.) wie in ihrem figürlichen Schmuck (besonders Cirkus- und Gladiatorenszenen) solchen verwandt (Froehner 63ff.). Ob freilich, wie Kisa 697f. meint, die wunderbare Erzählung von dem angeblich unter Tiberius erfundenen hämmerbaren G., dessen Geheimnis wieder verloren ging (Petron. 51. Dio Cass. LVII 21. Plin. XXXVI 195), auf die Erfindung der geformten Gläser zurückzuführen sei, möchte ich bezweifeln; die Anekdote ist wohl nur ein Zeichen dafür, wie sich auch in ganz historischen Zeiten Mythen bilden konnten. Ebenfalls durch Pressen stellte man Gläser in Figurenform vor, oder Platten mit Reliefs, die zur Dekorierung von Wänden oder Geräten dienten. [1393]

Sodann sind namhaft zu machen die Gläser mit Metallmontierung, für die Bronze, Silber und Gold zur Verwendung kam (hierher gehörten wohl die alexandrinischen ὑάλινα δίαχρυσα bei Athen. V 499 F). Die wertvollsten dieser Arbeiten sind mit durchbrochenen Metallreliefs (opus interrasile, Plin. XII 94) überzogene Gefäße. Fuß, Henkel und die Hülle des Gefäßes wurden vom Goldarbeiter in getriebenem, dann vergoldetem Silber hergestellt (bei einem Becher des Brit. Mus., Kisa 831f. Abb. 335 a. b, nach Gerhard Ant. Bildw. T. 87, ist dafür Blei verwandt, vielleicht als Modell, s. ebd. 602) und dann vom G.-Arbeiter das Gefäß selbst hineingeblasen, sodaß es die Höhlungen des getriebenen Metalles ausfüllte und diesem Halt gab; s. die Beispiele im Compte-rendu de la comm. archéol. de St. Pétersb. 1872 pl. IV mit p. 143. Froehner 58. Kisa a. a. O. mit S. 430ff. Abb. 208–210.

Eine eigentümliche Gattung bilden die erst spät aufkommenden, meist in den römischen Katakomben gefundenen Gläser mit Goldgrund (über sie vgl. Garrucci Vetri ornati di figure in oro, Rom 1858, 2. Aufl. 1864. Marquardt 764. 1. Vopel Die altchristlich. Gold-Gläser, Freibg. 1899. Kisa 839ff.). Der Goldschmuck besteht bei diesen in einem dünnen Goldblättchen, das graviert und in den Boden des Gefäßes eingesetzt ist. Der Arbeiter legte auf die Oberfläche des Fußes oder auf die untere Außenseite der Schale ein Blatt Gold, befestigte es mit Gummi und schabte mit dem Grabstichel alles weg, was nicht zur Zeichnung gehörte, sodaß um diese oder um die Buchstaben der Inschrift herum das reine G. wieder zum Vorschein kam; dann wurde der Fuß mit der Schale zusammengelötet, wobei sich durch Schmelzen des G.s Überfang-G. bildete, das das Goldblättchen bedeckte und schützte (nach Wiseman Reisen und Vorträge, deutsch von Reusch 300. Garruci Roma sotteranea, deutsch von Kraus 289ff.). Wenige dieser Arbeiten haben sich unzerbrochen erhalten, meist nur die dicken und daher weniger zerbrechlichen Böden mit der Goldeinlage. Bei guter Technik sind diese Gold-G. stilistisch meist schon roh. In ähnlicher Technik, d. h. indem aufgelegtes Blattgold durch übergeschmolzenes Überfang-G. gedeckt wurde, sind auch sonst Gefäße mit Gold verziert worden (aus'm Weerth Rhein. Jahrb. LXIII 103ff. mit Taf. 4. Kisa 834ff.). und auch die zur Mosaik benützten Goldwürfel wurden auf entsprechende Art hergestellt.

Was endlich die Malerei auf G. anlangt, so haben wir schon oben erwähnt, daß bei den vertieften Zieraten der Gläser häufig farbiger G.-Fluß (Smalte) aufgeschmolzen war, der die Zeichnung sich bunt vom Grunde abheben ließ; es ist sogar vermutet worden (de Rossi Bull. crist. 1878, 147), daß die meisten der gravierten Gläser ursprünglich so ausgestattet waren und sich die Emailfüllung nur im Laufe der Zeit losgelöst hat (vgl. Kisa 808). Daneben hat man aber auch Gläser mit Erdfarben bemalt, die nicht eingebrannt, sondern mit einem Firnis überzogen wurden. Da jedoch dieser nur einen unvollkommenen Schutz gewährte, sind die Farben meist stark abgeblättert (Beispiele Kisa 831ff.). Eigentliche G.-Malerei, wie sie im Mittelalter ausgeübt wurde, hat das Altertum offenbar nicht gekannt. [1394]

Literatur: außer den im Vorstehenden genannten Werken von Froehner und Kisa (letzterer technisch vortrefflich, in philologischer Hinsicht mangelhaft) sind noch anzuführen A. Ilg bei L. Lobmeyr Die Glasindustrie, Stuttgart 1874, 31f. Deville Histoire de l’art de la verrerie dans l’antiquité, Paris 1875. Peligos Le verre, son histoire, sa fabrication, Paris 1876. Wallace-Dunlop Glass in the old world, London 1883.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 9430.