Die Giftmörderin
Was itzt vor meinen Ohren saust, Christian Gryphius. |
[II] Berichtigungen. Seite 1 lies 60,000, statt 40,000. – S. 2 oben: wo ihr Vater kürzlich gestorben ist, statt jetzt noch lebt. – S. 5 Einmal, statt Eimal. - S. 19 gewesen zu sein scheint, statt gewesen zu scheint.
Niederschönthal, welches mit Recht diesen Namen führt, auch Drathzug genannt, liegt 1/2 Stunde unterhalb Liestal, gehört zur politischen Gemeinde Füllinsdorf und ist nach Frenkendorf pfarrgenössig. Neben mehrern großen Fabrik- und Herrschaftsgebäuden, welche den Ort zieren, befindet sich hier eine der schönsten und besten Mühlen des Kantons. Auf dieser Mühle lebte das Busersche Ehepaar, im Besitz eines bedeutenden Wohlstandes. Man schätzte ihr Vermögen auf zirka 40,000 Frkn. Aber ohne tugendhafte Gesinnung macht das Geld nicht glücklich, weckt und unterhält es vielmehr viele thörichte und schädliche Lüste, welche, wie die Bibel sagt, den Menschen reißen ins Verderben. Dieser alte Erfahrungssatz hat sich hier abermals auf eine furchtbare Weise erwahret.
Anna Maria Buser, geborne Graf, 50 Jahr alt, jetzt noch Mutter von 3 Söhnen (eine Tochter starb vor bald 5 Jahren eines schnellen und verdächtigen Todes und der älteste Sohn Heinrich machte seinem Leben während der Prozedur der Mutter durch Selbstmord [2] ein Ende. S. hierüber die betreffenden Abschnitte), war ursprünglich von Maisprach[1] gebürtig, wo ihr Vater jetzt noch lebt, ebenso eine verheirathete Schwester, bei welcher der Vater wohnt. Eine zweite Schwester befindet sich in Gelterkinden, ebenfalls verheirathet. Die Eltern hatten schöne Mittel, wendeten aber, wie das Zeugniß von Maisprach lautet, „wenig oder gar Nichts“ auf die Erziehung ihrer Tochter, als daß sie dieselbe „mit allem Ernst zur Häuslichkeit und Sparsamkeit anhielten.“ Besondere Liebe für Geld und Gut zeigte sich auch immer als Grundzug ihres Charakters. Der Gemeinderath von Füllinsdorf bezeichnet sie als „eine häus1iche und fleißige Hausmutter.“ Sie verheirathete sich im Hornung 1815 mit ihrem nun durch sie getödteten Ehemann Heinrich Buser, Müller von Zyfen. In Zyfen brachten sie nur 3 Wochen miteinander zu und zogen dann auf ihr jetziges Eigenthum, die sogenannte Drathzugmühle. Buser war von ansehnlichem starkem Körperbau, dabei seinem Charakter nach laut allgemeinem Zeugniß brav und verständig, so daß seine Frau selbst sowohl im Ehescheidungsprozeß als in den späteren Kriminalverhören nichts Anderes gegen ihn zu klagen wußte, als daß er sich öfter betrinke und sie dann im Rausch grob behandle. Es war aber, wie die Dienstboten behaupten, nicht gar so arg mit dem Trinken, was schon aus dem Umstand hervorgeht, daß das Gewerbe gut ging und das Vermögen sich mehrte. Im Scheidungsprozeß anerbot Busers Advokat den Beweis, daß das Vermögen während der Ehe um 10,000 Fr. zugenommen habe. Obschon Bürger einer stadtgetreuen Gemeinde war er ein entschiedener Anhänger [3] der Revolution und sagte nach dem 21. August: man solle Kanonen anschaffen, er zahle 1 aus seinem eigenen Sack. Man traf ihn, wie die Müller überhaupt, oft in den Wirthshäusern, aber Niemand erinnert sich ihn je übermäßig betrunken, oder lärmend gesehen zu haben. Er saß gewöhnlich ganz still da unter den Gästen, schien namentlich in den letzten Jahren oft tief nachdenkend zu sein, als ob er sein grausenhaftes Ende schon vor Augen sähe. Sollte aber auch der Vorwurf der Trunkenheit nicht ungegründet gewesen sein, so kann wohl ein solches Weib einen Mann zum Trinken verleiten, um dadurch sein Unglück auf einige Augenblicke zu vergessen. Von ihr entwarf Regierungsrath Plattner, der als Nachbar und Vertrauter des Buserschen Hauses vom Statthalteramt Liestal zur Berichterstattung eingeladen wurde, nachfolgende Charakterschilderung: „Sie bewies sich stets als eine zänkische, unwirsche und habsüchtige Person, welche zugleich einen rohen Stolz besaß, der sich wohl lediglich auf den Besitz materieller Güter beziehen mochte. Nur der nothwendigste Verkehr wurde von ihren Nachbarn mit ihr gepflogen, indem ihr Charakter jede nähere Berührung mit ihr vermeiden machte. Die beiden Eheleute lebten in fortwährendem Unfrieden, dessen Ursache allgemein der Frau zugemessen wird, welche seit längerer Zeit schon ihren Mann zur Führung des Geschäfts untauglich erklärte und daher auf Kuratelbestellung drang. Man ist allgemein der Ansicht, daß diese Verfahrungsweise der Frau Buser lediglich auf Habsucht beruhte. Buser galt im eigenen Hause Nichts und die Frau übte die Herrschaft aus, so daß selbst der jüngste Sohn sich nicht entblödete, öffentlich und wiederholt auf der Gasse auszusagen, daß nun nicht mehr der Vater, sondern [4] Heinrich – der älteste Sohn – Meister sei. Dieses begründete sich wieder auf den Umstand, daß dieser Heinrich seinem Vater überhaupt eine brutale Behandlung entgegensetzte und ihn sogar einmal Angesichts meiner und anderer Leute vor der Mühle niederschlug und thätlich mißhandelte. Die Frau soll dieses später gegen den Schwager von Zyfen gerühmt haben, mit dem Beifügen, sie sei froh, daß ihr Mann jetzt am Sohn einen Meister habe, der ihn vorkommenden Falls zwingen könne. Auch die Dienstboten wurden durch das Beispiel der Frau und durch ihre Aufreizung mit Verachtung und Feindseligkeit gegen den Meister erfüllt, so daß sein Ansehen auf Nichts herabsank. Um einen Begriff von der raffinirten Bosheit und Tücke dieses Weibes zu geben, fuhr R. R. Plattner fort, lasse ich folgende Erzählung hier einfließen: Eines Tages, ich meine, es war im letzten Sommer, kam Müller Buser einmal zu mir auf den Sägeplatz. Er erzählte mir, er habe sich zum Morgenessen hingesetzt und eine zugedeckte Schüssel auf dem Tisch gefunden. Als er ohne Etwas zu argwöhnen, den Deckel abgehoben, habe er in der Schüssel eine verreckte Katze gefunden. Er ersuchte mich mit ihm hinüberzukommen und mich von der Wahrheit des Gesagten selbst zu überzeugen.“
Bei Allem dem hatte die Buser viel Religion, was man nämlich im gemeinen Leben so zu nennen beliebt. Sie hielt viel auf Gebet und Gottesdienst, las selbst alle Morgen und Abend laut aus dem Gebetbuche vor, ließ ihrem Manne durch den damaligen Pfarrer Stehelin in Frenkendorf einen Zuspruch geben, klagte ihn nachher vor Bezirksgericht an, er habe keine Religion und kein Gewissen, schimpfe über Religion und Kirche, nenne die Geistlichen nur Lohndiener, die Bibel [5] ein Papier, auf welches man schreiben könne, was man wolle; ein solcher Mensch aber, der keine Religion und kein Gewissen habe, sinke immer tiefer etc. Als sie beim Arzt Stockar in Frenkendorf das für ihren Mann bestellte Gift holen wollte, trug sie ein Gebetbuch (Kirchenbuch?) unterm Arm und ging unmittelbar darauf zur Kirche, da es eben Sonntag war. Einmal[WS 1] im Verhör befragt, ob ihr Etwas im Gefängnisse mangle, verlangte sie, daß man ihr die Stunden der Andacht, den Zollikofer und ihre Brille von Hause kommen lasse, weil sie bereits schwache Augen habe. Ein andermal bekannte sie mit Weinen, daß sie der Händel mit ihrem Manne wegen seit 2 Jahren nicht mehr kommunizirt habe. Aus dem Gefängnisse schrieb sie mit Bleistift einen Brief an ihre lieben Söhne zu Hause, worin sie dieselben zu Gebet und Glauben an Jesum den Erlöser ermahnte und sie beauftragte, keine Theilung vorzunehmen, bis ihre Sache ausgemacht sei. Auch besitzt sie einen schönen Vorrath von geistlichen Liederversen, die sie bei Gelegenheit aus dem Gedächtnisse hersagt.
Welch ein Widerspruch zwischen Wort und That! Wie oft mußte nicht schon die Religion der schlechten Gesinnung Schild sein! Man traue ja den Wortgottesreutern nicht! Auch der Teufel nahm Bibelsprüche in den Mund, als er den Heiland zum Abfall bewegen wollte.
[6]
Buserin hatte immer gut gerechnet, aber nie geliebt. So lange das Vermögen des Mannes das ihrige überstieg, war ihr Verhalten gegen denselben noch leidlich, so wie sie aber durch Erbschaft von ihren Eltern reicher wurde als er, that sie nicht mehr gut. Sie wollte nun allein Meisterin in der Mühle sein und sann Tag und Nacht darauf sich der lästigen Mitgenossenschaft ihres Mannes zu entledigen und ihn aus seinem Besitz zu vertreiben. Sie erklärte ihn für einen Verschwender und geistesschwach, der zur Rettung des Hauswesens unter Kuratel (Vormundschaft) gestellt werden müsse. Sie ging deshalb einst (im Sommer 1838) zu ihrem Nachbar, dem Regierungsrath Plattner, um mit ihm über diese Angelegenheit Raths zu pflegen. Plattner stellte ihr vor, daß die Behörden schwerlich einwilligen werden, weil allgemein bekannt sei, daß sie in ihrem Vermögen nicht rückwärts, sondern vorwärts kommen. Wenn ihr Mann so unordentlich lebe, wie sie sage, so werde er nicht alt werden, und dann gelange sie von selbst in den gewünschten Besitz. Sie erwiederte: ja, er habe eine gar starke Natur. Sie fing nun an auf die Behörden zu schimpfen, beifügend, sie sei somit sich selbst überlassen und auf ihre eigenen Ansichten beschränkt, wie sie ihr Gewerb am erfolgreichsten betreiben und ihr Vermögen mehren könne. Jedenfalls müsse sich nun der Mann ihren Befehlen unterziehen und sofern ihm das nicht beliebe, werde sie ihn von den Dienstboten [7] festhalten und ihn durchprügeln lassen, so lang es ihr gefalle.
Nicht besser ging es ihr beim Gemeindrath in Füllinsdorf, der ihr zwar das Begehren nicht geradezu abschlug, sich aber unter allerlei Vorwand, z. B. es schicke sich nicht für Füllinsdorf, da sie (die Buser) Bürger von Zyfen seien, aus der Sache zu ziehen suchte.
Da nun Buserin eingesehen haben mochte, daß es mit der Kuratelbestellung nicht gehen würde, setzte sie sich vor, sich von ihrem Manne scheiden zu lassen. Am 17. August 1838 stand sie deshalb vor dem Bezirksgericht in Liestal. Für ihren Mann war Advokat Herold da. Sie las eine mit vieler Advokatenkunst abgefaßte Schrift vor, worin nicht weniger als 18 Klagepunkte gegen ihren Mann enthalten waren, welche beinahe alle darauf hinausliefen, daß der Mann sich öfter betrinke und im Rausch allerlei dumme Streiche mache und beleidigende Reden ausstoße. So z. B. sei er einmal, als er um Mitternacht betrunken heimgekommen, über den Steg hinunter in den Teich gefallen und habe sich darauf am kalten Ofen tröcknen wollen. Eingestreut waren einige Verdächtigungen, als ob er mit andern Weibsbildern zu schaffen gehabt hätte. Endlich sagte sie: „Ich habe meinen Mann im Verdacht letzten Sonntag beim Nachtessen dem Knecht etwas Giftartiges in den Kaffee gethan [8] zu haben.“ Die spätere kriminalgerichtliche Untersuchung stellte aber heraus, daß die Spezies höchstwahrscheinlich (ein Geständniß war nicht erhältlich) von der Frau selbst in den Kaffee geschüttet worden sei, um daraus für den bevorstehenden Ehescheidungsprozeß eine Klage gegen ihren Mann zu bilden. Sie verlangt in ihrem und ihrer Söhne Namen Scheidung und daß man ihr das Gewerbe überlasse und dem Mann einen jährlichen Gehalt aussetze.
Der Beklagte erklärte alle vorgebrachte Klagepunkte für null und nichtig, klagte hingegen seinerseits: wenn der Mann von seinen Gängen zurückkomme, welche er seines Berufes wegen machen müsse, so werde ihm sein Essen auf eine so eckelhafte Art zubereitet oder aufbewahrt, daß er es nicht genießen könne; sie verlange, daß ihr Mann Arbeiten verrichte, welche ihm in Berücksichtigung seines Berufes gar nicht zukommen, welche er gar nicht verrichten dürfe, falls er nicht Eckel erregen wolle; sie reize Dienstboten und Kinder gegen ihren Mann auf und dieses auf eine lieblose Weise; sie sei eifersüchtig und verweigert dem Manne die ehelichen Pflichten; sie lästere ihn auf empfindsame Weise und sei erfindsam, wie die Geschichte mit dem Gift etc.beweise. Er willigt in die Scheidung ein, verlangt aber im Besitz der Mühle zu bleiben und daß der Frau ein wöchentliches Kostgeld bestimmt werde, wie es in solchen Fällen gebräuchlich sei. Das lag aber nicht in dem Plan der Frau. Sie erwiederte: „was den Gewerb anbelangt, so wird es sich zeigen, wem derselbe überlassen werden müsse.“ Das Urtheil des Bezirksgerichts lautete so:
„Das Bezirksgericht hat in Erwägung, daß keiner der von der Klägerin angebrachten Punkte bewiesen worden; auch keiner genügend wäre, gegenwärtig [9] eine Ehescheidung zu erkennen, erkannt: sind die Parteien zusammengewiesen, wobei ihnen ab Seite des Gerichts ernstlich empfohlen wird, sich friedlich miteinander zu vertragen. Die Kosten werden aus der Masse bezahlt. Für getreuen Auszug der Bezirksgerichtschreiber Meier.“
Wer will die Richter beschuldigen, daß sie nicht nach Pflicht und Gewissen geurtheilt haben? Dennoch, hätten sie voraussehen können, was nun geschehen ist, so würden sie wohl Trennung erkannt haben. Wie viel Unglück hätte dadurch verhütet werden können! Drei Menschenleben wären dadurch gerettet worden. Man hat schon Vieles über die nachtheiligen Folgen gesagt, welche allzu leichte Scheidungen nach sich ziehen, aber das entgegengesetzte Verfahren hat auch sein Bedenkliches, wie dieser und 1000 andere Fälle beweisen. Ehehändel sind schwer zu richten. Wo ist der Gesetzgeber, wo der Richter, der hier in allen Fällen das Rechte trifft?
Da Buserin sich unterdessen überzeugt haben mochte, daß auch im Falle der Scheidung die Mühle doch nicht ihr, sondern dem Manne bleiben werde, so zog sie den Prozeß nicht weiter.
Der Buser blieb nun keine andere Wahl übrig, als ihren Mann zu behalten, oder ihn mit Gewalt auf die Seite zu schaffen. Sie wählte das Letztere. [10] Buser, von guten Freunden gewarnt und selbst seinem Weibe nicht trauend, hatte sich auf einen Überfall etwa mit einem Messer, wie er sagte, längst gefaßt gemacht, aber an Vergiftung dachte er nicht, konnte sich auch nicht leicht dagegen schützen, da er nach dem bezirksrichterlichen Spruch genöthiget war, ferner mit seinem Weibe zusammen zu leben.
Sie begann ihre Giftmischereien bald nach dem mißlungenen Scheidungsversuch und setzte sie bis zum Frühjahr 1839 fort. Der eine Versuch geschah mit Kupferspänen, die sie durch den Knecht Heuberger von einem Kupferkreuzer abschaben ließ. Diese gab sie dem Manne laut ihrer eigenen Angabe unter den geprägelten Erdäpfeln, spürte aber keinen Erfolg davon. Ebenso wirkungslos blieb ein angeblich von einem gewissen Arzneigeber Stockar in Frenkendorf erhaltenes „Gütterli,“ auf dessen Zettelchen die Worte standen: „8 Loth Eder und Otitz, kann nicht anders als in Branntwein gebraucht werden, auf 1 Maas Branntwein 1 Loth, in 3 Monaten der Erde nahe. Glot, Apotheker in Mülhausen.“ Stockar, der den Mord verabscheute, nicht aber die reiche Geld- und Mehlkiste der Müllerin, hatte, wie es scheint, absichtlich eine unschädliche Substanz gewählt. Buserin goß davon dem Manne 2 Löffel voll in den Branntweinkrug. (S. das Weitere über Stockar im folgenden Abschnitt.) Im Jänner beauftragte sie eine Elsäßer Obsthändlerin, mit welcher sie öfter Geschäfte machte, ihr das nächste Mal für 3 Batz. Etwas, was sie ihr auf ein Zettelchen schrieb, aus der Apotheke von Basel mitzubringen. Nach der ersten Aussage der Obsthändlerin hieß das Geschriebene Opium, nach einer spätern Arsenicum. Für ihre Mühe versprach ihr die Müllerin ein Wägelein voll Aepfel. [11] Mit diesem Zettelchen ging die Beauftragte in die Apotheke zum Bäumlein; man wollte ihr aber das Verlangte nicht geben, „weil es Gift sei.“ Sie müsse, sagte man ihr, einen Schein von der Regierung, oder vom Maire haben. Ueber diese Antwort, bemerkte die Obsthändlerin, wurde die Müllerin „neidig,“ und wollte ihr selbigesmal keine Aepfel geben. Im Hornung und März gab sie ihm Silberglätte zu trinken, und als er von dieser angegriffen, später Arzneien brauchen mußte, schüttete sie ihm in letztere Vitriol und nachher (in der Woche vor Auffahrt) Salzsäure. Die Akten sprechen auch von Speisevergiftungen, die sie um so leichter bewerkstelligen konnte, da der Mann Geschäfte halber manchmal später aß als die Andern und daher einzig. Die Silberglätte hatte sie durch den Knecht Heuberger beim „Mohlermartin“ (Malermeister Martin Pratteler) in Liestal holen lassen, wovon indessen letzterer im Verhör Nichts wissen wollte, es wäre denn, sagte er, daß einer seiner Gesellen sie gegeben hätte. Vitriol hatte sie schon seit 10 Jahren im Hause und Salzsäure seit dem letzten Winter, da sie solche vom Dr. Gaß in Muttenz für ein krankes Pferd begehrt hatte. Die Silberglätte schüttete sie ihm in Träberbranntwein, der mit schwarzen Kirschen gefärbt war. „Da achtete er es nicht,“ bemerkte sie im Verhör, „wenn ich ihm Silberglätte hineinlegte, indem dieselbe röthlich ist. Ich hätte sie ihm nicht in den Wein thun können, denn rothen hatten wir keinen, und im weißen hätte er es richtig nicht genommen. Diese Silberglätte bildete einen Bodensatz im Krug, so daß ich diesen so oft er beinahe leer war, jedesmal nur wieder auffüllte“. Von diesem Trank genoß der Mann 4—5 Wochen [12] lang; er wollle dann nicht mehr und sagte, es „grause“ ihm ab der Farbe.
Eine Tödtung anderer Art beabsichtigte laut Aussage des Knechts H. die Müllerin einst an ihrem Mann, als sie jenem befahl, letztern, da er Nachts betrunken nach Hause gekommen war, in den Teich zu werfen, damit er ertrinke. Heuberger weigerte sich dem Befehl zu gehorchen, weil ihm der Meister nichts Leids gethan habe, und seither, sagte er, „habe sie ihn auf der Muck.“
Johannes Stockar von Schönenberg, Kanton Zürich, Vater von 10 Kindern, seines Berufs ein Zimmermann, wohnte während 18 Monaten in Frenkendorf, wo er als Arzt auftrat und als solcher gute Geschäfte machte. Namentlich gab er sich mit Kuren gegen den Bandwurm ab. 4 seiner Kinder schickte er in die Fabrike des Hrn. Stehlin. Er wurde nachher aus dem Kanton weggewiesen. Dieser Stockar spielt neben dem Knecht Heuberger eine Hauptrolle in der Buserschen Vergiftungsgeschichte und war Ursache, daß Alles an Tag kam. Buserin zeigte sich daher in den Verhören sehr erbost auf ihn. Sie klagte ihn an, er habe im August 1838 während des Scheidungsprozesses zu ihr gesagt: sie würde von ihrem Manne nicht geschieden, aber er wolle ihr von ihm helfen; er habe ihr dann durch den Knecht H. Etwas in einem Glase [13] geschickt (S. den vor. Abschnitt), und sie habe davon 2 Löffel voll in den Branntweinkrug gethan, wie der Sockar dem Knecht befohlen. Für dieses „Gütterli“ habe er 3 Louisd’or die Loth gefordert und 8 Louisd’or erhalten. An einem Nachmittag, wenn sie nicht irre, habe ihr die Frau des Stockar einen Brief von letzteren gebracht, worin stand, Stockar sitze in Bourglibre im Arrest, weil er seine Waare nicht habe verzollen wollen, sie solle ihm Geld schicken, sonst komme er nicht weg. Darauf habe sie der Frau Stockar zu Handen ihres Mannes 130 oder 136 Fr. durch den Knecht überschickt. Stockar habe ihr nun melden lassen, er besitze wieder von der Waare, sie koste 12 Louisd’or, wenn man sie nicht wolle, so schicke er sie wieder fort nach Mülhausen. In einem angeblich von Mülhausen geschriebenen Brief habe gestanden: wenn sie das „Gütterli“ nicht nehme, so werde Alles nach Liestal verzeigt. Ein andermal habe er ihr gedroht, wenn bis Abends nicht 15 Dublonen da liegen, so berichte er Alles nach Liestal. Allein sie (die Müllerin) habe Betrug gewittert, und kein zweites „Gütterli“ annehmen wollen.
Stockar, aus seiner Verbannung wieder zurück nach Liesial berufen, leugnet alle diese Angaben und erzählt sein Verhältniß zu Busers auf folgende Weise: „Vorigen Herbst kam Busers Karrenknecht, der Hans, aus Auftrag der Müllerin zu mir und verlangte langsames Gift, d. h. Gift, welches langsam tödte. Er habe nämlichlich einen sehr reichen Verwandten überm Berg drüben, welcher keine Leibeserben habe und jährlich eine bedeutende Summe verschwende; um einen solchen verschwenderischen Menschen sei es nicht schade, wenn man ihn auf die Seite schaffe. Weil ich für Bandwürmer Mittel verabreichte, so mochte man glauben, daß ich mich [14] auch für solche Zwecke gebrauchen lasse. Ich glaubte das Vorgehen nicht und auf mein näheres Befragen gestund mir H. geradezu: daß das Gift für den Müller Buser, seinen Meister, bestimmt sei. Meine Antwort war: die Meisterin solle selbst kommen. Am andern Tag übergab des Müllers Knabe meinem Knaben, der nach Niederschönthal zur Fabrik ging, ein Brieflein von seiner Mutter an mich, worin sie mich ersuchte, das Mittel durch einen Knaben in die Mühle zu schicken und zum Vorwande ein Brod zu begehren. Ich schickte ihr Nichts; da kam sie am Sonntag Morgens vor der Kirche zu mir, rief mich in die Küche und fragte mich: warum ich ihr die Sache nicht geschickt habe. Ich: welche Sache? Sie: Hat nicht der Hans mit Euch geredt? Ich: Ja, er hat Gift gefordert, wollt Ihr so was machen? Sie: Ja, ich kann ja sonst Nichts machen, er sauft sich alle Tage voll und wir kommen zurück. Der Mann hat ja uns beide (sie und den Knecht) auch vergiften wollen. Nachdem ich ihr vorgestellt hatte, daß ich Nichts so habe und Nichts so gebe, versprach sie mir für 2 Jahre Mehl, dann 40-50 Dublonen, wenn ihr Mann in Folge des Gifts einmal weg sein werde. Sie glaubte es mit dem Geld erzwingen zu können. Ich wollte aber nicht und sagte ihr wüst. Ich drohte ihr auch, sie zu verzeigen, worauf sie erwiderte: that das, wir wollen dann sehen, wie es Euch ergeht! Ich hielt ihr obigen Brief vor und fragte: was steht darin? Sie erwiderte: Jedermann weiß, daß ich den Bandwurm habe, ich habe nur für dieses Medizinen gefordert. Endlich ging sie, sie hatte ihr Buch unterm Arm. In der Woche drauf brachte der Hans 40 Pfund Mehl von der Frau zum Geschenk, was ich aber nicht annahm, sondern 40 Batzen dafür bezahlte. Er drang neuerdings [15] in mich, ihm das Verlangte zu geben. 14 Tage nachher kam er wieder und klagte über Bauchgrimmen. Ich sagte, Reckholderbranntwein sei gut dafür, und gab ihm ½ Schoppen, verlangte aber Nichts dafür. Dies ist das einzige Medikament, welches ich an die Buserschen Leute verabreichte, das bewußte Gütterli war nichts Anderes als dieser Branntwein gegen das Grimmen. Einige Zeit nachher wurde ich von der Müllerin durch den Schuldenboten für eine Mehlschuld belangt, die ich schon bezahlt hatte. Die Sache gelangte an den Friedensrichter in Frenkendorf und ward dort bald beseitiget, da ich einen vom Knecht Unterzeichneten Empfangsschein vorweisen konnte. In Gegenwart des Friedensrichters bot sie mir dann 72 Frkn. für jenen Brief an, wenn ich ihr denselben wieder ausliefere. Da gab ich ihn. Im Friedensrichterprotokoll wurde dieses nicht eingeschrieben, sondern nur angemerkt, daß sie mir, weil sie mich ungerecht belangt habe, 72 Fr. zur Hälfte baar und zur Hälfte in Mehl gut mache. Da ich aber nach genommener Rücksprache mit den Meinigen Bedenken trug, von ihr Mehl anzunehmen, und weil im Dorfe über den Gegenstand des Briefes Gemurmel entstund, so wurde sie nochmals vor den Friedensrichter berufen, da sie mich dann, unter der Bedingung, daß die ungerechte Forderung im Protokoll gestrichen werde, mit 70 oder 72 Fr. vor dem Friedensrichter baar auszahlte. Auf ihr Verlangen wurde noch beigefügt, daß es mir verboten sein solle, je Etwas über den Brief zu sagen.
Indessen hatte Stockar vorher schon einigen Bekannten Mittheilung von dem Geschehenen gemacht. Zu seinem Hausmeister Dürrenberger hatte er, einen Brief entfaltend, gesagt: „Siehst du, sie verlangen jetzt das, wovon sie (Müllerin und Heuberger) ausgestreut hatten, [16] daß er, der Müller ihnen habe zufügen wollen.“ Aehnliches erzählte Stockar auch dem Friedensrichter Christen und seinem Bruder, dem Kirchen- und Schulgutsverwalter, welche aber aus Mangel an Beweisen unterließen, Anzeige an Behörde zu machen. Die Entdeckung des schauderhaften Verbrechens aber war dadurch angebahnt.
Busers „starke Natur“ widerstand lange den Wirkungen des Gifts, endlich aber wich sie doch. Im Hornung 1839 griff es ihn plötzlich mit furchtbarem Erbrechen und Durchfall an, verbunden mit heftigem Schmerzen in Bauch und Magen, starkem Durst etc. Diese Zufälle hielten 3 bis 4 Tage nacheinander an und wiederholten sich nachher von Zeit zu Zeit. Doch das erste Mal, sagte Buser, habe es ihn am meisten „zweggenommen.“ Durch ärztliche Hülfe wurden sie zwar jedesmal gehoben, dann aber stellte sich die hartnäckigste Verstopfung ein, gegen welche auch wieder Mittel gebraucht werden mußten. Der Appetit hörte auf, alles Essen wurde dem Kranken zum Eckel. Darauf Abmagerung, Kraftlosigkeit, Zittern, Lähmung der Arme und Beine, öftern Reiz zum Erbrechen, ohne Etwas von sich geben zu können, gelbe Augen, trockne Haut, belegte Zunge und was sonst in Vergiftungsfällen die Folge ist. Kaum konnte er den Arm emporheben, kaum ohne Anderer Hülfe den Fuß zum Gehen bewegen. Der [17] Anblick des vor Kurzem noch in den besten Kräften gestandenen Mannes war entsetzlich. Er blieb vom April an meistens in seinem Bette.
Dies war sein äusseres, körperliches Leiden. Aber wie fürchterlich wurde dasselbe gesteigert durch das inwendige bittere Gefühl des Mißtrauens und des Argwohs, welches er in Folge aller Wahrnehmungen hinsichtlich seines Krankheitszustandes gegen seine eigenen nächsten Angehörigen haben mußte! Der Verdacht gegen seine Frau stieg gleich von Anfang seines Uebelbefindens in ihm auf und er scheute sich Speisen von ihr anzunehmen, wagte es aber dennoch nicht, Etwas darüber zu äussern. Was wollte er sagen, da er keine Beweise in Händen hatte, als etwa den, daß der Knecht Heuberger beim Weggehen aus seinem Dienste gesagt haben sollte: „er gehe jetzt fort und den Meister werde man bald forttragen!“ Um sich indessen einigermaßen sicher zu stellen, gab er, so oft er konnte, seinem Knaben Fritz von seinem Essen, was aber die Mutter dem letztern, sobald sie es bemerkte, unter Androhung von Schlägen streng verbot. Dies vermehrte in dem Kranken den Verdacht, und er theilte ihn endlich seinem Bruder Jakob mit, aber leider zu spät.
Am 14. Mai 1839 meldete sich beim Bezirkstatthalter Spitteler in Liestal Jakob Buser von Zyfen, Landwirth auf'm Hasenbühl zu Liestal, Bruder des Müllers Buser, [18] mit der Anzeige: daß sein Bruder Heinrich seit geraumer Zeit kränkle, sich gegenwärtig sogar in hoffnungslosem Zustande befinde und diese seine mißlichen Umstände seiner Ehefrau zuschreibe, von welcher er Gift erhalten zu haben behaupte. Zugleich machte er ihn auf das starke Gerede über den vor 2 Jahren Statt gefundenen plötzlichen Tod der einzigen Tochter des Bruders aufmerksam, wobei die Mutter gar keine Theilnahme gezeigt habe. Aus dem weitern Gespäch mit dem Dennuzianten ergab sich dann das Nähere, was dem Statthalter mehr als hinlänglichen Grund zum sofortigen amtlichen Einschreiten darbot. Nachdem derselbe Tags darauf den Patienten Buser selbst an dessen Bette einvernommen und seine Angaben mit denjenigen seines Bruders übereinstimmend gefunden hatte, verfügte er, was folgt: 1) Die Herbeischaffung der Anna Maria Buser auf heut’ Abend 5 Uhr. Mit diesem Auftrag wurde Landjäger Löliger sogleich abgeschickt. 2) Der Mann soll von Stund’ an seinen Verwandten zur Verpflegung übergeben werden. 3) Von Hrn. Dr. Jenny in Füllinsdorf einen Bericht über den Verlauf von Busers Krankheit mit Bezugnahme auf die desfalls herumlaufenden Gerüchte zu verlangen. 4) Hrn. Dr. und Bezirksphysikus Bohni anzuhalten, schleunigst das Ergebniß der Examination Busers einzugeben. 5) Auf Heuberger strenge zu vigiliren und deshalb an die aargauischen Behörden zu schreiben. 6) Das Bezirksamt Brugg um Einvernahme Stockar’s (der sich damals in Gebersdorf aufhielt) zu ersuchen. 7) Der Patient und Damnifikat Buser soll fortan dem Tit. Bezirks-Physikat übergeben sein.
[19]
Noch am nämlichen Abend wurde die Buser eingebracht. Bei ihrer Arrestation fand man einen Brief oder das Concept desselben an ihren auf der Müller-Profession abwesenden, ältesten Sohn Heinrich, der ihr Liebling und Vertrauter gewesen zu scheint, auf ihr, gegen dessen Abgabe sie sich sehr sträubte. Darin stand: „Daß ich Dir nicht eher geschrieben, ist, weil ich noch Etwas abpassen wollte, das ich Dir zu schreiben wünschte. Der Vater ist schon etliche Wochen krank und so schwach, daß er das Essen beinahe nicht mehr zum Munde bringen kann. Ich glaube nicht, daß er seine vorige Gesundheit wieder erlangen wird; seinem Aussehen und seiner Schwachheit nach kann es sein, daß er das Spätjahr nicht mehr erlebt; denn sobald er sieht, daß es wieder ein wenig besser wird, so trinke er darauf los, Wein und Branntwein. Der Arzt sagt, er habe nur noch wenig und verdorbenes Blut.“ Hierauf schreibt sie vom Wasserstreit mit dem Nachbar Bölger und fährt dann fort: Der Vater kann nun der Sache nicht vorstehen und ich selbst habe nicht immer Zeit hin und her zu laufen, denn es gibt jetzt viel Geschäfte, besonders mit dem Vater. Wenn Du daher den Gewerb einst nicht mit Schaden antreten willst, so ist es jetzt hohe Zeit, daß Du nach Hause kommst und Dich der Sache annimmst. Ich habe die Schriften, dem Vater einen Kurator zu stellen, schon lange beim Präsidenten in Füllinsdorf, der aber immer zögert. Uebrigens ist vielleicht ein Kurator nicht mehr nöthig, denn es kann sein, daß seine, durch sein liederliches Leben [20] sich zugezogene Krankheit zu seinem und unserm Besten seinem Leben ein Ende macht.
Auch im ersten Verhör gab sie die Krankheit des Mannes seinem unmäßigen Trinken schuld, weshalb sie sich auch vor einem Jahr habe von ihm scheiden lassen wollen. In 2 Tagen trinke er gewöhnlich 3 Schoppen Brenz. Seit dem schlimmen Gerücht, welches über die Krankheit ihres Mannes unter den Leuten herumgeboten werde, habe sie ihm kein Getränk mehr zukommen lassen, denn – fügte sie bei – „ich dachte, wenn er stürbe, müßte ich zuletzt noch schuld daran sein.“ Ueber die Vergiftung gab sie ausweichenden Bescheid. „He, ich kann hierüber Nichts sagen, ich muß nur antworten, was man mich fragt. Man hat ihn ja untersucht und es wird sich schon gezeigt haben, was an der Sache ist. Wenn man mir’s kann zuschreiben, he nun, so muß ich mir’s gefallen lassen, was man mit mir macht; aber mein Mann würde es doch wohl gespürt haben und er hat doch nie was gegen mich geklagt. Für das kann ich Nichts, daß die Leute so böse Sachen schwatzen; man hat meinem Mann auch einmal nachgeredet, er habe vor zirka 15 Jahren im Kornhause in Basel einen Sack Korn gestohlen, ich weiß auch nicht, wo das herrührt.“ Auf die Frage: was denn beim Friedensrichter in Frenkendorf verhandelt worden sei, antwortete sie etwas verlegen: es wird ja Alles eingeschrieben sein. Auf stärkeres in sie Dringen äußerte sie sich sehr zornig über den Stockar, er sei ihr noch Mehl schuldig etc.
[21]
Diese schildern den Krankheitszustand Busers ungefähr wie er oben (Abschnitt VI.) angegeben ist. Die Ursachen betreffend, äußern sie sich sehr vorsichtig. Bohni sagt: „dieselben seien sehr schwer auszumitteln, und um so schwieriger, da von dem Kranken keine bestimmte Data darüber erhältlich und die Zufälle selbst nur ein unvollkommenes und unbestimmtes Resultat gewährten.“ Jenny leitet die Erscheinungen möglicher Weise von Gift her, Bestimmtes aber lasse sich noch Nichts ausmitteln.
Unterm 20. Mai zeigte der Gefängnißwärter Rudin dem Statthalter schriftlich an, daß die Müllerin ihm eine Belohnung von 100 Neuthalern nebst Verschwiegenheit (es möge Etwas nützen oder nicht) versprochen habe, wenn er ihr erlaube, einen Brief an ihren Schwager in Gelterkinden zu schreiben. Rudin antwortete ihr: er thue es nicht, er sei beeidigt. Müllerin: bei den Großen werde auch viel Derartiges getrieben, man setze sich über den Eid hinweg; er würde ihr und der ganzen Familie einen großen Dienst erweisen, wenn er einwilligte. Sie möchte ihrem Schwager nur schreiben, daß er sich bei den Doktoren, die ihren Mann nach seinem Tode untersuchen [22] müßten, verwende. Ihr Mann könne, da er immer in den Wirthshäusern herumgefahren und sich betrunken habe, anderwärts so Etwas bekommen haben, für welches sie dann, die ja unschuldig hier sitze, büßen müßte. Da Rudin auf seiner Weigerung beharrte so ersucht sie ihn beim Nachtessen, er möchte doch schweigen; hätte er es aber gethan, so hätten er und seine Familie gewiß 2 Jahr lang genug Brod haben müssen. – Am gleichen Tage zeigte Landjäger Gürtler dem Statthalter an, die Müllerin lasse ihn ersuchen, daß er ihre Söhne nicht in die Verhandlung ziehe, sie seien ganz unschuldig und wissen Nichts. Auf Befragen berichtet der Landjäger ferner: die Müllerin liege fast immer im Bette, man höre sie übrigens häufig tiefe und schwere Seufzer ausstoßen.
Am gleichen Tag und unterm gleichen Datum lief beim Präsidium des Regierungsraths die Anzeige vom Statthalter ein, daß Buser gestern Nachts um 10 Uhr gestorben sei. Der Statthalter trägt darauf an, daß durch die Kantonalwundschau die Legalsektion vorgenommen werde, welches dann durch die H. H. Doktoren Bohni, Gutzwiller, Jenny und Matt sogleich geschieht. Ihr Bericht lautete so: „In Betracht, daß Buser vor etwa 12 Wochen plötzlich erkrankte, furchtbares Brechen und Durchfall bekam u. s. w. (wie oben); ferner die bei der Leichenöffnung wahrgenommenen Erscheinungen: blaue [23] Ringe um die Nägel der Finger und um die Augen, die schnell eingetretene Fäulniß der Leiche etc: so können wir nicht anders, als uns dahin aussprechen: daß gerade der Genuß von metallischen Giften solche Entzündung im Magengrunde verursacht und die oben erwähnten Erscheinungen und Zufälle diejenigen sind, wie sie bei einer metallischen Vergiftung namentlich bei Arsenikvergiftungen laut allen bekannten Erfahrungen und Beobachtungen vorzukommen pflegen. Daß der Tod nicht bald nach dem ersten Anfalle, sondern erst nach 12 Wochen und zwar nach wiederholten Brechruhranfällen erfolgt ist, läßt annehmen, daß Buser zu verschiedenen Malen Gift genossen, aber nur in kleinen, wohlberechneten Gaben.“ Am 11. November versammelten sich auf Verlangen der Kriminal-Verhör-Kommission die nämlichen Herrn Aerzte zu einer nochmaligen gemeinschaftlichen Berathung und sprachen sich dann nach ausführlicher Erörterung und genauer Prüfung jedes einzelnen der vom Kranken genossenen Stoffe in Verbindung mit den vor und nach dem Tode an demselben Statt gehabten Erscheinungen – mit Bestimmtheit „nach bestem Wissen und Gewissen“ dahin aus: „es sei Buser in Folge von metallischer Vergiftung gestorben.“
[24] führen, und theilte ihr die Botschaft mit. Sie vernahm dieselbe höchst kalt und gleichgültig. „So – in Gottes Namen,“ sagte sie, weiter Nichts. Der Statthalter hält ihr ihre empörende Gleichgültigkeit vor. Sie: He, wie so? Ich kann's ietzt einmal nicht anders machen. Ich muß mich jetzt fassen, um Antwort zu geben und kann mich also nicht dem Andern überlassen. – Bei der weitern Anzeige jedoch, daß nun der Körper ihres Mannes durch die Kantonalwundschau werde geöffnet werden, drückt sich auf ihrem Gesicht unverkennbar Angst und Unruhe aus. Ich kann Nichts dawider haben, sagte sie, ich muß mir’s halt gefallen lassen, was man daraus schließt. Es ist mir leid, daß so Etwas vorgehen soll. Ich muß es mir lassen gefallen, wenn man mir’s beimessen kann. Man müßte mir dann aber doch sagen, woher ich das Gift gehabt habe. Ich habe nie Gift gehabt, habe also auch nie welches meinem Manne geben können. Der Statthalter sucht sie durch Vorhalten mehrerer überführender Thatsachen zum Geständniß zu bringen, allein sie sträubt sich dagegen.
In ihre einsame Zelle zurückgekehrt, mochte sie sich überzeugen, daß unter obwaltenden Umständen längeres Läugnen vergeblich sein würde. Ueberwältigt von so starken wider sie zeugenden Thatsachen und wohl auch getrieben von der Angst ihres Gewissensens, entschloß sie sich zum Bekenntnisse. Am 24. Mai, Abends zwischen 9 [25] und 10 Uhr, verlangte sie ein Verhör und Tags darauf um die nämliche Zeit wieder eins und später noch mehrere. Auf die Frage des Statthalters: warum so spät? antwortete sie: es sei wegen der vielen Leute, die sich auf der Gasse sammeln, sie würde ihn sonst nicht so spät bemühen. Wie sehr sie überhaupt bei all’ ihrer innern Verworfenheit an dem Urtheil der Menschen hing, beweist auch der Umstand, daß sie sich jedesmal, wenn’s zum Verhör ging, mit vieler Sorgfalt ankleidete und wohl auch einzelne Kleidungsstücke von der Frau Zuchthausverwalterin entlehnte, wenn ihr die ihrigen nicht gut genug schienen.
Am 24. bekannte sie dem Statthalter: sie habe ihrem Mann in den Monaten Hornung und März l. J. Silberglätte in den Branntwein gethan, aber nur um ihm den Branntwein zu verleiden, es sei ihr leid, wenn dies Ursache an seinem Tode gewesen sei. Am 25 : Der Stockar habe ihr gesagt, er wolle ihr von ihrem Manne helfen und habe ihr dann Etwas in einem Glase geschickt, wovon sie dem Manne gegeben. Sie habe dabei allerdings die Absicht gehabt, den Mann wegzuschaffen und da sie gesehen, daß das von Stockar gegebene Mittel nicht genug wirke, so habe sie ihm später die Silberglätte gegeben.[2] Am 29: „Ich will lieber Alles eröffnen, was ich gemacht habe, denn ich möchte nicht, daß nachher noch Etwas herauskäme, was ich nicht gesagt habe. In der Absicht, meinem [26] Mann die Auszehrung anzuhängen, ließ ich vor ungefähr 3/4 Jahren durch meinen Knecht Heuberger Etwas von einem Kupferkreuzer heruntermachen, etliche Spänlein, ich dachte nämlich, das möchte Einem auf die Länge an der Gesundheit schaden. Ich gab ihm dieses unter Einem Male unter den geprägelten Erdäpfeln. Das that ich weil man mich nicht von ihm scheiden wollte und er einen liederlichen Lebenswandel führte. Ich dachte, es wäre in solchem Falle für beide Theile besser, wenn sie getrennt würden. Dann, als mein Mann bereits krank war, gab ich ihm unter der Medizin, die er vom Dr. Jenny und vom Champoz halte, Vitriol und Salzsäure, wovon ich ihm in jedes Gütterli etliche Tropfen hineinschüttete.“ Am Ende stellt sie das Ansuchen, man möchte sie nicht öffentlich und körperlich bestrafen, sondern mit einer Geldbuße, nicht um ihret- sondern der Kinder und ihres alten Vaters willen. Sodann wünscht sie gegen Kaution aus dem Gefängnisse entlassen zu werden um sich wieder ein wenig zu erholen. Das Gesuch um Entlassung wiederholte sie später mit dem Beifügen, die Oberwiler seien größere Verbrecher gewesen als sie, und man habe sie auch entlassen. Mit weinenden Augen sagt sie: wenn ich noch Etwas zu bekennen habe, so halte man mir es vor. – Unterdessen schrieb sie an ihre Söhne, sie sollen nur dem Heinrich vertrauen, er sorge gewiß besser für Alles, als der Vater gesorgt habe, sie stehe gut für seine Treue.
[27]
Hr. Statthalter Spitteler zog auch diesen Gegenstand in den Kreis seiner Untersuchung und wir geben hier wörtlich, was die damals Busersche Dienstmagd Magdalena Adler, sowie Hr. Doktor Jenny ihm darüber berichteten.
Es war, hob jene an, Ende März vor 2 Jahren, wir setzten Erdäpfel und hatten gleichzeitig Wasche. Die Tochter wollte auch mit aufs Feld, aber die Mutter hieß sie daheim beim Plunder bleiben, weil die Feldarbeit für sie zu streng sei. Als wir heim kamen, fanden wir das Plunder noch Alles hängen, weshalb die Mutter sie fragte, warum sie nicht dazu geluegt habe; sie erwiedert: es sei ihr nicht wohl gewesen. Die Mutter fragte, wo es ihr fehle, und da just Jemand hineinging, kam die Tochter zu mir hinaus und sagte, sie habe sich seit 4 Uhr, da sie ein Glas Wein getrunken und ein Stück Brod dazu gegessen, immer erbrochen. Ich schickte sie ins Bett, aber sie wollte vorher noch den Kaffee machen und that es auch. Sie trank ein Schüsselein und ging hinauf ins Bett; sie mußte sich aber immerfort erbrechen. Es war Nachts 12 Uhr, als ich hinaufging, ich fragte nach ihrem Befinden, worauf sie erwiederte: es gehe ihr immer gleich und das Erbrechen wolle nicht aufhören. Ich rieth ihr Etwas zu nehmen, worauf sie ein wenig Drusenbranntwein verlangte; ich ging hinunter, um der Mutter solchen zu fordern, diese sagte aber, sie wisse wohl, daß sie denselben nicht gern trinke, ich solle ihr Nußwasser geben. Ich that es, und ging ins Bett, als es 11 Uhr war. [28] Zwischen 2 und 3 Uhr erwachte ich und hörte, daß die Tochter im Nebenzimmer auf sei und umeinander gehe. Ich ging hinüber und fragte, ob es ihr übel sei und ob sie Etwas verlange; sie sagte ja, es sei ihr übel und wenn sie nur sterben könnte. Sie verlangte hierauf Kaffee. Ich ging hinunter zur Mutter und sagte ihr, sie solle geschwind hinaufgehen, die Tochter sei so schlecht. Sie hängte ihre Kleider an den Arm und ging schnell, um den Lehrjungen zu wecken, damit er zum Arzt gehe. Während ich nun den Kaffee machte, war sie überoben, dann rief sie mir und sagte, sie wisse Nichts anzufangen, die Tochter liege schon am Ende. Die Mutter war sehr traurig und bleich wie eine Mauer; anfänglich konnte sie nicht einmal grinnen, was sie aber später that. Um 3 Uhr kam dann Hr. Doktor Jenny, aber die Tochter war schon todt. Die Mutter wollte die Leiche vor dem 5. Tag nicht aus dem Hause lassen, weil sie immer noch nicht glauben wollte, daß die Tochter wirklich todt sei. Die Mutter war lange traurig, weinte aber nicht vor den Leuten, sondern ging dann immer in ihr eigenes Zimmer.
Das Gleiche sagte der Knecht Bernhard Christen.
Etwas abweichend hingegen, namentlich was das Betragen der Eltern betrifft, lautet der Bericht des Arztes, Dr. Jenny, sowie derjenige des Ortspfarrers. Jenny erzählt: Als ich um Mitternacht gerufen wurde, war die Tochter schon todt. Etwa 1–—2 Jahr vorher war sie unwohl gewesen, was aber auf ihr Ende durchaus keine Beziehung haben konnte. Durch ein Examen brachte ich heraus, daß die Tochter Abends sich über Kopfschmerzen beklagt, dann im Zimmer sich erbrochen und wegen überhandnehmenden Leibschmerzen sich auf dem Boden herumgewälzt habe. Eine starke Ruhr soll zum Erbrechen getreten sein. Die Magd habe dieses der Mutter Buser [29] angezeigt, diese habe ihr dann befohlen, Camillenthee zu machen und es der Tochter zu bringen, welches auch geschah. Erst auf die wiederholte Meldung der Magd, daß die Tochter ihrer Meinung nach sterben müsse, soll die Mutter zu ihr hinausgegangen sein. Sie hatte noch Kaffee für die Tochter befohlen, den aber diese nicht mehr trinken konnte. Als die Mutter Buser ins Zimmer gekommen war, war die Tochter schon todt. Gesicht, Hände und Fuße waren schon eiskalt, die Augen ganz eingefallen, die Lippen blau, ebenso die Finger um die Nägel herum schwarzblau und auch so an den Füßen. Daß Finger und Zehen schwarzblau waren, bemerkte auch der Mühlemacher Friederich Geiger. Das mag Alles etwa 1/2 Stunde nach dem Hinscheid gewesen sein. Wie ich beim Todtbett war, stand Frau Buser neben bei, sprach Anfangs Nichts, auf meine Frage nach den Erscheinungen gab mir die Magd Antwort, die Mutter nicht. Als ich bemerkte, die Tochter sei wirklich todt, sagte sie wieder Nichts, es zeigte sich in ihrem Gesichte nicht die geringste Spur von Trauer. Sie öffnete einen Kleiderschrank und sagte, die und die Kleider müsse man der Tochter anlegen und ihr das neue seidene Halstüchli, das sie erst kürzlich von den Jungfrauen Bohni gekauft habe, ins Grab mitgeben. Unterdessen waren der Müller Buser und der Sohn Heinrich auch ins Zimmer gekommen, dieser letztere machte die Bemerkung: „Mutter, ihr werdet doch das Salomeli nicht selber wollen anlegen?“ Darauf sagte sie, es ist Nacht, man kann jetzt Niemand holen, endlich aber fügte sie bei, man könne „d’Urbene“ (Frau Urben) holen. Den Kaffee, der im Zimmer stand und für die Tochter bestimmt war, hieß sie hinuntertragen und lud mich ein, denselben mit ihr zu trinken, er sei fürs Salomeli gemacht worden. Sie ging dann mit mir hinunter, der Mann und der [30] Sohn folgten. Wirklich setzte sich die Mutter zum Kaffee, ich schlug die Einladung zum Mittrinken ab. Der Vater Buser brachte eine Flasche rothen Wein und ein Stück Käs und that sich gütlich dabei; er hatte mich eingeladen mitzuhalten, weil ich doch keinen Kaffee wolle, ich schlug die Einladung ab. Die Mutter hieß den Sohn Heinrich die Hefe machen, weil es gegen Morgen ginge, damit man backen könne. Ich entfernte mich. Wie ich mich vom Tode der Tochter überzeugt hatte, bemerkte ich, man hätte mich eher rufen sollen, es wäre vielleicht noch Hülfe möglich gewesen. Die Mutter antwortete hierauf; sie habe geglaubt, das Erbrechen und die Ruhr sei nichts Anderes, es werde wohl vorübergehen. Am andern Morgen wollte ich in die Mühle gehen, um zu fragen, ob eine Sektion Statt finden dürfe; der Vater Buser, den ich vor der Mühle antraf, sagte mir aber, es gäbe gar ein Lärm, wenn es hieße, man hätte sie noch verschnitten. Auf das hin sagte ich Nichts mehr und ging nicht in die Mühle hinein.
Ganz übereinstimmend mit dieser Erzählung gibt Hr. Pfarrer Meier in Frenkendorf an: weder Vater noch Mutter hätten sich bei dem Tod der Tochter betrübt gezeigt und ihn durch ihre Theilnahmslosigkeit tief empört. Er habe gegen den Arzt Jenny den Gedanken geäußert, man sollte den Leichnam aufschneiden, aber zur Antwort erhalten, er habe schon hieran gedacht, aber die Eltern wollten es nicht gestatten.
Hr. Statthalter Spitteler, schrieb hierauf an die H. H. Bezirksphysikus Dr. Bohni und Dr. Jenny und verlangte ihre Ansicht über eine jetzt noch vorzunehmende Oeffnung des Leichnams der Tochter. Die Antwort fiel dahin aus, daß durch eine nachträgliche Leichenöffnung nichts Wesentliches erhältlich sein würde.
[31] Die Buser selbst, hierüber ins Verhör gezogen, stellte die Vergiftung der Tochter des Bestimmtesten in Abrede, sie habe kein anderes Verbrechen begangen, außer gegen Ihren Mann. Die Todesumstände erzählt sie wie ihre Magd.
Ein böser Geist schien sich des Buserschen Hauses bemächtigt zu haben; eine Greuelthat folgte der andern und Abscheu und Entsetzen knüpfte sich an den Namen der sonst so gut renommirt gewesenen Drahtzugmühle. Freitag Abends den 14. Juni 1839 ging durch Taglöhner Frei von Füllinsdorf beim Statthalteramt Liestal die Nachricht ein, daß sich der Sohn Heinrich Buser in der Drahtzugmühle im Laufe des Nachmittags erschossen habe. Hr. Statthalter Spitteler begab sich in Begleit des Bezirksphysikus Dr. Bohni sogleich an Ort und Stelle. Sie trafen den Leichnam mit Gilet, Hosen und Hemd und Pantoffeln angekleidet, eine Treppe hoch in dem Schlafzimmer des Bruders Jakob Buser auf dem Boden ausgestreckt an, neben ihm einen gewöhnlichen Scharfschützenstutzer. Eine runde Schußwunde von der Größe eines Batzenstücks befand sieh an der untern Seite des Unterkiefers gegen dem Halse. Das Gesicht war ganz zerstört, von einer großen Blutmasse umgeben; ringsherum lagen Knochen und Fleischstücke das Gehirn außer dem Kopf, einzelne Theile davon neben Blutflecken an der Wand klebend, der Anblick war gräßlich.
[32] Um Nähere über diesen Vorfall zu erfahren, ward der Bruder Jakob, der gerade zugegen war, befragt und Folgendes durch ihn mitgetheilt: „Der hier liegende 23 Jahre und 5 Monate alte Bruder Heinrich Buser wurde verwichenen Montag vor acht Tagen aus der Mühle von Richterswil von mir hieher gebracht; ich war aus dem Grunde selbst hingegangen, weil sich das Gerücht verbreitet hatte, als habe er einen Selbstmordversuch gemacht; seitdem war er beständig bei uns zu Hause. Heute Nachmittags nun ging ich zirka 1 Uhr Geschäfte halber nach Frenkendorf und kehrte etwa um 5 Uhr wieder nach Hause zurück. Da ich meinen Bruder nirgends sah, fragte ich nach ihm und da mir Niemand Aufschluß über ihn geben konnte, suchte ich selbst nach ihm und kam endlich auch in dieses mein Schlafzimmer, wo ich ihn in seinem gegenwärtigen Zustande antraf. Der Stutzer, der neben ihm liegt, war sein Eigenthum, den man ihm 1831 schon angeschafft hatte und dessen er als Scharfschütze in den folgenden Zeiten sich bediente; in der Regel war dieser Stutzer immer geladen und Pulver und Blei war beständig vorhanden. Den Schuß selbst hat der Stallknecht gehört. Im Uebrigen habe ich von meinem Bruder niemals eine Aeußerung vernommen, welche auf ein derartiges Vorhaben hätte können schließen lassen, obschon er sehr tiefsinnig war und vom frühen Morgen an das Schicksal der Mutter bejammerte.
Als ich vorgestern Nachts zirka ½ 11 Uhr in mein Schlafzimmer kam, stund der Stutzer, welchen man sonst anderwärts aufbewahrte, in der Fenstervertiefung unweit meines Bettes, und das Pulverhorn hing am Fenster (NB. wo sich dasselbe noch befindet). Dieses Alles kam mir verdächtig vor. Ich schloß daher den Stutzer in das Gerümpelkämmerlein ein, welches rechts der Zimmerthür [33] seinen Eingang hat und wovon ich den Schlüssel zu mir steckte, nachdem ich das Schloß, ein französisches, 2 Mal hatte vorspringen lassen; – auf welche Weise es ihm nun gelungen sei die Thür aufzusprengen, ist mir unbewußt. Wie mir die Magd sagte, so verlangte heute Nachmittags dieselbe Schmutz von ihm, um das Geschirr in der Mühle zu schmieren. Da der Schmutz nun gewöhnlich in jenem Gerümpelkämmerlein aufbewahrt wurde, so suchte er darnach, sowie auch nach dem Kämmerleinschlüssel. Den Schmutz hat er dann wirklich hinuntergebracht; vermuthlich hat er, um den Schmutz zu holen die Thür aufgesprengt und bei dieser Gelegenheit sodann auch den Stutzer gesehen.“
Der hierauf vorberufene Stallknecht Martin Salathe von Nuglar deponirte hierauf noch auf Befragen, was folgt:
„Heute Nachmittags ungefähr um ½ 3 Uhr, als ich beim Bauchhause drüben Sensen dengelte, hörte ich einen Schuß, von dem ich aber glaubte, er sei ungefähr auf der Matte drüben losgeschossen worden. Ich dachte aber weiter an gar Nichts. In der Mühle konnte man den Schuß wegen des Geklappers nicht wohl hören. Heinrich hat heute Morgen noch gebacken und wie gewöhnlich zu Mittag gegessen, so daß man gar nichts Auffallendes an ihm bemerkt hat.“
War Heinrich's Selbstmord blos eine Folge seiner Teilnahme am Unglück und der Schande der Eltern, oder war er Mitschuldiger an der Ermordung des Vaters und wollte er als solcher der eigenen Schande und Strafe entfliehen? Wie gerne mochten wir zur Ehre des Verunglückten und auch zur Ehre der Menschheit das Erstere annehmen, allein die Akten zeugen gegen ihn. Was die Mutter ihm geschrieben, wissen unsere Leser; weit [34] schwerer anklagend aber ist, was der Arzt Stockar im Verhör gegen ihn aussagte. Derselbe will vom Knecht Heuberger ganz bestimmt die Mitwisserschaft Heinrichs bei der Vergiftung des Vaters erfahren haben. „Als ich den Heuberger fragte,“ das sind die eigenen Worte Stockars, „ob sonst Niemand als die Frau davon wisse, sagte er: „„Nein, Niemand, blos der Heinrich, der groß’ Bub’.““ Welch’ neues, schweres Gewicht, das ohne Zweifel in die Wagschale der Mutter fällt!
Johannes Heuberger von Bözen, Kanton Aargau, 43 Jahre alt, verheirathet, Vater von 3 Kindern, gewöhnlich nur „der Hans“ genannt, diente früher schon und während der letzten 2 Jahre wieder als Karrenknecht in der Buserschen Mühle. Die Akten bezeichnen ihn als einen erzschlechten Menschen. Er war Vertrauter der Müllerin und ihr sehr thätiger Gehülfe bei der Vergiftung ihres Mannes. An ein geheimes Liebesverhältniß zwischen ihnen läßt sich indessen kaum denken, da Heubergers äußere Figur eben so abscheulich ist wie sein Charakter. Als der kranke Müller Buser vom Statthalter Spitteler verhört wurde, klagte er vor Allem aus diesen Knecht an. „Heuberger“, bemerkte er, „ist ein böser Mensch, er machte mit meiner Frau Partei gegen mich, that mir alles Mögliche zu leid, sagte, er sei nicht mein Knecht, habe mehr Geld als ich, und drohte mir mit Schlägen. Meine Frau entließ ihn wegen Trunkenheit aus dem Dienst. Als er wegging, äußerte er gegen Lehenmann Möschiger: er wolle jetzt fort und ich [35] (der Meister) müsse fort.“ Möschiger, hierüber verhört, bestätigte das Gesagte, und bekräftigte nachher seine Aussage mit einem Eid. Auch Fahrbot Brotbeck von Liestal schwur einen Eid, daß Heuberger ihn geheißen habe, ihm Vitriol, Salzsäure und „Stützmenni“(?) von Basel mitzubringen. Zu Stockar in Frenkendorf kam er oft, und um Gelegenheit zu haben, ins Haus zu kommen, brachte er manchmal nur 1/4 Sack Mehl. Daß er dabei die Absicht hatte, Gift für seinen Meister zu erhalten, beruht auf dem Geständniß der Müllerin Buser selbst und auf anderen 3fachen Zeugenaussagen. Als seine und der Müllerin desfallsige Bitten bei Stockar immer fruchtlos blieben, schlug er einen andern Weg ein. Unter dem Vorgeben, daß er „Gesüchte“ in den Gliedern habe, meldete er sich einmal bei Stockar, um während einiger Tage bei ihm zu verweilen und in einem eigens dazu eingerichteten Salzfasse zu schwitzen. Dies geschah in dem Zimmer, wo Stockar seine Arzneien aufbewahrte. Als Stockar einmal Nachts in dieses Zimmer kam, traf er den Heuberger vor dem geöffneten Wandkasten. Heuberger wußte sich nicht anders zu entschuldigen, als: „er habe nur wollen luegen, was er auch für eine Apotheke habe.“ Stockar aber vermuthete, er habe Gift suchen wollen und jagte ihn zum Hofe hinaus. Im Frühjahr 1839 erschien er beim Bezirksstatthalter in Liestal und verlangte seine Schriften heraus. Er wurde angewiesen, seine Aufenthaltskarte und Abschied beizubringen. Er verließ aber alsbald den Kanton mit Hinterlassung seines Heimathscheins. Später wurde er dann von den aargauischen Behörden auf geschehene hierseitige Reklamation wieder ausgeliefert. Während seines Arrestes wurde Heuberger von 2 Bürgern aus Prattelen, Meier und Sutter, eines Raubmordversuches angeklagt, den er im Jahre 1834 in [36] Gemeinschaft mit seinem Bruder, auf der Straße zwischen Muttenz und Prattelen, an einem unbekannten Fremdling begangen habe. Die Ankläger, denen der Angegriffene nach seiner eigenen Versicherung das Leben verdankte, erklärten, selbiges Mal aus dem Grunde keine Anzeige gemacht zu haben, weil man nicht gewußt habe, ob die Regierung auf dem Land oder in der Stadt zu suchen sei. Sie anerboten die Wahrheit ihrer Aussage mit einem Eid zu bekräftigen.
Heuberger seinerseits leugnete alle diese gegen ihn erhobenen Klagen vom A bis zum Z, trotz Konfrontation und Eiden. Er hatte sich einst gegen Stockar geäußert: „er würde nie bekennen, wenn er auch im Loch verfaulen müßte,“ dabei blieb er und schloß seine Antworten mit der Erklärung: was er gesagt, sei so gewiß wahr, als die Sonne am Firmamente scheine. Er wurde in den strengen Wasserthurm gelegt, aber umsonst. Einmal, am 11. Juli, verlangte er ein Verhör und sagte: „Ich habe gedacht, es müsse besser oder schlechter gehen, denn ich gehe sonst im Thurme zu Grunde. Das wüste Mensch, das dem Reichthum und dem Teufel anhängt, hat mich schon unglücklich gemacht. Wenn ich ein Urtheil verdiene, so will ich es geduldig annehmen, man kann mich doch nicht für sie strafen, ich bin ja nur ihr Knecht gewesen.“ Allein das Bekenntniß selbst, welches man nach dieser Einleitung hätte erwarten sollen, unterblieb; er leugnete im Gegentheil wiederholt alle und jede Mitwissenschaft an der Ermordung Busers. Die Geschichte mit dem Kaffee stellte er auch jetzt noch so dar, als ob der Meister der Vergifter gewesen wäre. Es scheint ihm nur darum zu thun gewesen zu sein, auf einige Augenblicke frische Luft zu schöpfen. Auf seine wiederholten Bitten beschloß die Verhörkommission ihn aus seiner strengen [37] Haft wieder zu entlassen und in das gewöhnliche Untersuchungsgefängniß mit gewöhnlicher Gefangenkost zu versetzen.
Dieses war am 4. Februar 1840. Aufgefordert, ihre bisherigen Angaben noch einmal im Zusammenhang zu wiederholen, hob sie an: Ich hatte im Ganzen 6 Kinder, 1 Tochter und 5 Knaben. Anfangs habe ich meinen Mann lieb gehabt und hätte ihn immer geliebt, wenn er sich gehalten hätte. Als er aber sich unaufhörlich betrunken und in der Trunkenheit ein skandalöses Leben führte, und er meine Mahnungen mit Flüchen und Drohungen beantwortete, so erkaltete meine Liebe und ging nach und nach in Verachtung und Haß über. Oft kam er erst am Morgen nach Hause und ging dann ins Bett, statt zur Arbeit. Anfangs, da er mehr Vermögen besaß, als ich, sagte er, ich lebe von seinem Gelde, nachher: ich solle mich mit meinem Gelde zum Teufel streichen. Ich konnte nicht wohl zusehen, daß ein so schönes Vermögen zu Grunde gehe. Gerne hätte ich mich auf gesetzlichem oder gütlichem Wege seiner entlediget, allein alle meine Versuche schlugen fehl. Hätte das Gericht uns nicht zusammengewiesen und hätte der Mann nicht zuerst den Kaffee vergiftet, so wäre mir nie so Etwas in den Sinn gekommen. (Erzählt nun wie oben, wie sie ihm die giftigen Stoffe beigebracht habe.) Frage: Warum thatet ihr das? Antw.: He, das kann man sich wohl einbilden. Frage: Hattet ihr je die Absicht, euren Mann zu vergiften? Antw.: Ja, ich verlangte das von Stockar dafür. Fr.: Wandtet ihr in dieser Absicht Stoffe an, die ihr für Gift hieltet? Antw.: Ja, ich hielt das von Stockar dafür. Betreffend den Tod der Tochter weist sie alle Fragen zurück. Sie wisse Nichts als daß dieselbe seit [38] einem Jahr vor ihrem Tode ihre Reinigung nicht mehr gehabt habe. Sie habe sich übrigens, fügte sie bei, den Tod oft gewünscht und gesagt, wenn sie nur sterben könnte. Der immerwährende Streit und das Benehmen des Vaters verdarb ihr alle Freude. Ich kaufte ihr nach ihrer Rückkunft aus dem Welschland 2 schöne Hüte, welche sie aber gleichgültig liegen ließ. Frage: Wer gab ihr den Wein, den sie an jenem Abend vor ihrem Tode trank? Antw.: He, sie wird ihn selbst genommen haben, als sie den Arbeitern zu trinken holte.
Inquisitin schließt mit dem Wunsch gegen Caution aus dem Gefängniß entlassen zu werden und bittet um ein gnädiges Urtheil. – Stockar und Heuberger verharren bei ihren Aussagen.
Schon Samstags den 7. März war das Kriminalgericht versammelt, um das Urtheil über die Angelegenheit zu fällen. Allein die Advokaten stellten Vorfagen (die Buserin sei wahnsinnig u. a. m.) und als das Gericht dieselben von der Hand wies, appellierten sie. Das Appelationsgericht bestätigte den Spruch und hieß das Kriminalgericht in der Sache vorwärts fahren. Letzteres versammelte sich hierauf Samstags den 4. und Montags den 6. April auf’s Neue und verurtheilte dann die Frau Buser einhellig[3] zum Tode durch das Schwert, Heuberger zu 10 und Stockar zu 5 Jahr Kettenstrafe. Die Buserin hörte dies Urtheil an ohne eine Miene zu verändern, ebenso gleichgültig erwies sich ihr Knecht Heuberger; Stockar hingegen lamentierte entsetzlich und mußte durch Landjäger zur Ruhe gebracht werden. Vielleicht hofft erstere noch auf den Landrath.
- ↑ Heimathort Bowalds.
- ↑ In dem Spezialverhör vom 21. Nov. nahm sie diese letztere Angabe als vom Verwalter aufgezwungen wieder zurück, indem sie abermals erklärte, die Silberglätte nur in der Absicht dem Manne gegeben zu haben, um ihm das Trinken zu verleiden.
- ↑ Hr. Kriminalrichter Aenishänsle trat aus, weil er, wie er sagte, nie zu einem Todesurtheil stimmen werde.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Eimal