Der Verschwiegene wider Willen

Textdaten
Autor: August von Kotzebue
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Titel: Der Verschwiegene wider Willen, oder die Fahrt von Berlin nach Potsdam
Untertitel: Ein Lustspiel in Einem Act
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Erscheinungsdatum: 1816
Verlag: Hartmann
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: MDZ = Commons
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[65]
Der
Verschwiegene wider Willen,
oder
die Fahrt von Berlin nach Potsdam.




Ein Lustspiel in Einem Act.


[66]
Personen.


  • Der General von Wildruff.
  • Dessen Gemahlin.
  • Der Major von Düna, ein Mann zwischen 40 und 50 Jahren.
  • Julie, dessen junge Gattin.
  • Hauptmann von Trott.
  • Fähndrich von Wiesen.
  • Commissions-Rath Frosch.
  • Ein Adjutant.


(Die Scene ist in Potsdam der Platz, auf welchem die Journaliere, welche täglich von Berlin nach Potsdam fährt, anzuhalten pflegt.)




[67]
Erste Scene.
Man hört in der Ferne ein Posthorn; es kommt näher; ein Wagen rasselt; man hört den Postillion oh! oh! rufen, der Wagen hält; man erblickt den Conducteur als sey er eben abgestiegen, habe nun den Wagen-Schlag geöffnet und helfe den Reisenden aussteigen. Neben ihn stellt sich der Postillion um sein Trinkgeld zu empfangen. Es scheinen nach und nach mehrere Reisende ausgestiegen zu seyn, unter andern auch Julie; zuletzt der Commissionsrath Frosch.
Die Reisenden drücken dem Postillion ein Trinkgeld in die Hand und gehn vorüber.

Frosch. (gleichfalls Trinkgeld gebend) Da Schwager! du bist gut gefahren.

(Der Conducteur und Postillion verschwinden, man hört den Wagen fortrasseln)

[68] Frosch (vortretend) Alle Wetter! ich fühle meine Ribben kaum. Man ist das Ding nicht mehr gewohnt. Seit zehn Jahren habe ich in keinem solchen Kasten gesessen. Da lob’ ich mir einen Spaziergang in den Thiergarten, fein Schritt vor Schritt, einen Fuß vor den andern, das greift den Bauch nicht an, der schwabbelt so sachte vor sich hin, und überall sind Bänke, Stühle, Tische, und höfliche, barmherzige Leute, die den Durstigen erquicken, und Virtuosen, die ihm was vorgeigen.

Julie. (zurückkommend und sich einigemal umsehend) Jetzt ist er allein.

Frosch. (ohne sie gewahr zu werden, sieht nach der Uhr) Drei Uhr. Wenn ich meinen Advocaten nur zu Hause treffe.

Julie. (für sich) Ich muß es wagen.

Frosch. (zieht einige Papiere aus der Tasche) Ei, ei, ich habe auf meinen Papieren gesessen. [69] Alles schief und krumm. I nu, wenn der Richter mir nur das Recht nicht krumm sizt.

(Er falzt seine Papiere in Ordnung.)

Julie. Mein Herr –

Frosch. Madam – oder Edelfrau, wenn Sie eine echte Deutsche sind.

Julie. Die bin ich, aber – (bei Seite) Ich weiß nicht, wie ich es einleiten soll.

Frosch. (für sich) Eine artige Person. Ei sieh doch, es ist ja dieselbe, die in der Diligence mir gegenüber saß, und mich oft so bedeutend ansah, als ob sie mir etwas zu sagen hätte.

Julie. Sie werden mich vielleicht für unbescheiden, für zudringlich halten, allein Ihr rechtliches Aussehn –

Frosch. (zieht den Hut) Gehorsamer Diener!

Julie. Ihr offnes Wesen –

[70] Frosch. Unterthänigster Diener!

Julie. Die Herzensgüte, die aus Ihren Zügen hervor leuchtet –

Frosch. Unterthänigster!

Julie. Haben mir Vertrauen eingeflößt –

Frosch. Viel Ehre.

Julie. Gewiß sind Sie der Mann, der, in meiner höchst sonderbaren Lage, mir seinen Beistand nicht versagen wird.

Frosch. O allerdings! wenn ich dienen kann – (für sich) was zum Henker! die geht wohl gar auf Abentheuer aus. Nimm dich in Acht, alter Frosch!

Julie. Darf ich mir schmeicheln –

Frosch. Ja, wenn ich nur erst weiß –

[71] Julie. Ich bin hier ganz unbekannt. Es schickt sich doch nicht für eine Dame, so allein in einer fremden Stadt herum zu laufen –

Frosch. Freilich, nochzumal wo viel Garnison liegt.

Julie. Darum bitte ich Sie, dass Sie mich begleiten, und diesen Abend wieder mit mir nach Berlin fahren.

Frosch. Erlauben Sie, ich habe selbst hier Geschäfte.

Julie. O schlagen Sie mir meine Bitte nicht ab! Sie würden eine seltene Gelegenheit versäumen, Gutes zu thun.

Frosch (bei Seite) Die hat es auf mich angelegt. Hübsch ist sie, verzweifelt hübsch, und sieht auch ganz honnett aus, aber – nimm dich zusammen alter Frosch!

Julie. Sie wanken noch?

Frosch. Erlauben Sie, ich finde es nur ein wenig sonderbar, [72] daß Sie sich gerade an mich wenden, an einen Unbekannten, der nicht mehr jung ist –

Julie. Ei eben deswegen. Wenn ich die Ehre hätte Sie zu kennen, und wenn Sie noch jung wären, so würde ich in einer so zarten Lage, als die meinige ist, nie gewagt haben – Ach mein Herr! wenn Sie wüßten –

Frosch. Ja, wenn ich wüßte! aber ich weiß ja nicht.

Julie. Wenn Ihnen die Gründe bekannt wären, die mir den Wunsch abnöthigen, dass Niemand von meiner Familie, von meinen Freunden den Schritt erfahre, den ich gewagt habe –

Frosch (bei Seite) Sie benimmt sich so anständig – ihre Stimme ist so lieblich – der Henker mag ihr widerstehn! (laut) Nun so befehlen Sie über mich, was soll ich thun?

Julie. Sie sind vermuthlich in der Stadt bekannt?

Frosch. O ja.

[73] Julie. Wissen Sie auch wo der General von Wildruff wohnt?

Frosch. Nein das nicht, aber das läßt sich ja wohl erfragen. Sehn Sie, da geht eben ein junger Officier über den Platz, der wird uns berichten können –

Julie. O laufen Sie! holen Sie ihn ein! Ich zähle die Minuten!

Frosch (brummend). Laufen? einholen? das wird mir sauer werden. (für sich, indem er fortwackelt) Warum thu ichs denn? sie hat mich behext. Pst! pst! (ab.)


Zweite Scene.
Julie allein.

Schön! Der Officier sieht sich um – wartet – jetzt stehen sie beisammen – er zieht den Hut – Himmel! es ist Wiesen selbst! – O wenn er nur nicht hieher kommt! – Ich Unbesonnene! die fatale [74] Correspondenz! – Warum habe ich nicht, noch vor der Hochzeit, meinem Gatten Alles freimüthig bekannt? – ich habe geliebt, ich war noch so jung – doch habe ich mir nichts vorzuwerfen, nichts als einige Briefe, die ich freilich an einen Fähndrich nicht hätte schreiben sollen – aber gewiß, mein guter, vortrefflicher Gatte würde mir verziehen haben. Ich albernes Geschöpf! ich schwieg, und nun habe ich seit einigen Tagen sehr wohl bemerkt, dass ihm etwas im Kopfe herum geht, daß sein Betragen gegen mich verändert ist – o sicher hat der leichtsinnige Wiesen mit meinen Briefen geprahlt und sicher haben Ohrenbläser meinen Mann davon unterrichtet.


Dritte Scene.
Julie. Frosch.

Frosch. Wir haben uns eben an den Rechten gewendet. Der junge Herr ist Fähndrich in des Generals Regiment.

Julie (hastig). Ganz recht, ich habe ihn erkannt.

[75] Frosch. Den jungen Herrn?

Julie. Nicht doch, die Uniform. Sie haben ihm doch nicht gesagt, daß ich bei Ihnen wäre?

Frosch. Nu, was hätte ich ihm denn sonst sagen sollen was hätte ich denn sonst mit ihm reden sollen?

Julie. (verlegen) Ich meine nur – damit es ihm nicht etwa einfiele galant zu seyn und mich selbst zum General führen zu wollen.

Frosch. Na warum denn nicht? Das wäre ja ganz natürlich? er gehört zu dessen Regiment, es ist ein artiger Mensch – noch ist er eben nicht weit, wir wollen ihn rufen.

Julie. Ums Himmels willen nicht! ich habe wichtige Ursachen ihn zu vermeiden.

Frosch. Aha! Sie kennen ihn also?

[76] Julie. Er besuchte vormals das Haus meines Vaters, allein er hat nachher sich so gegen mich betragen, daß –

Frosch. So? so? nun versteh’ ich. Versprechungen, Schwüre, nicht gehalten – ja lieber Gott! unsere jetzigen jungen Herrn! sie haben kein Gedächtniß. Aber wenn Sie sich nur wiedersehen, dann erfolgt eine zärtliche Explication und dann –

Julie. (empfindlich und mit Würde) Mein Herr, wo wohnt der General?

Frosch. In der breiten Straße Nr. 17. es stehen zwei Schildwachen vor der Thüre. Jetzt habe ich mein Wort gelöst und bitte mich zu entlassen, denn ich muß zu meinem Advocaten.

Julie. Wie mein Herr? Sie könnten mich verlassen? o seyn Sie großmüthig! allein kann ich und darf ich nicht gehn. Wenn der junge Mensch mir begegnete – o führen Sie mich selbst zum General!

[77] Frosch. Frei heraus, Madam! Sie haben mir zwar viel Theilnahme eingeflößt, aber – nehmen Sie mirs nicht übel, dieses geheimnißvolle Wesen – ich bin kein Freund vom Nebel, weder in der Philosophie noch im Umgange mit Menschen; ich mag gern hell sehn.

Julie. Soll ich denn bereuen Ihnen mein Vertrauen geschenkt zu haben?

Frosch. Ihr Vertrauen? noch kann ich mich dessen eben nicht rühmen. Ich weiß weder wer Sie sind, noch was Sie wollen, noch in welcher Qualität ich die Ehre haben soll, Sie zum General zu begleiten. Das habe ich wohl bemerkt, daß Sie einen Fähndrich kennen und sich vor ihm scheuen; daraus schließe ich denn freilich auf ein verliebtes Abentheuer. Aber welches? davon weiß ich nichts. Was hat der General dabei zu thun? Davon weiß ich auch nichts. Und meine eigne Rolle? es ist nur eine Nebenrolle, ein Vertrauter in der französischen Comödie. Aber sehn Sie, das schickt sich nicht für mich; ich bin Commissionsrath, ein [78] Mann bei der Stadt, ein ehrbarer Berliner Bürger. Wenn Sie mir also nicht haarklein erzählen –

Julie. Himmel! was fordern Sie von mir?

Frosch. Was jeder vernünftige Mann an meiner Stelle fordern würde.

Julie. Es gnüge Ihnen zu wissen daß, wenn Sie die Güte haben mich zu begleiten, ich Ihnen vielleicht meine Ehre und die Ruhe meines Lebens verdanke. Ein einzelnes Frauenzimmer in meiner Lage veranlaßt wenigstens Mißdeutung, wo nicht Verachtung; darum beschwöre ich Sie: seyn Sie mein Führer, meine Stütze, mein Verwandter nur für wenige Minuten!

Frosch. (bei Seite) Nun da haben wirs! Die Thränen kommen mir in die Augen. (laut) Wohlan, Madam, ich widerstehe nicht länger. Befehlen Sie über mich den ganzen Tag. Möge daraus entstehen was da wolle.

[79]
Vierte Scene.
Fähndrich Wiesen. Die Vorigen.

Wiesen. (noch hinter der Scene) Hieher, mein lieber Hauptmann, hieher!

Julie. (faßt ängstlich Froschens Arm) Das ist er. Fort! fort! (sie verschleiert sich)

Wiesen. (hinter der Scene) Ich bitte dich, komm!

Julie. Geschwind, fort! wenn er mich erkennt, so bin ich verloren.

Frosch. Ruhig, ruhig, Sie haben ja keinen Strohmann bei sich. (er will sie fortführen.)

Wiesen. (vertritt ihnen den Weg) Um Verzeihung, schöne Dame, ich vermuthe, daß [80] Sie es sind, die so eben durch diesen wackern Mann von mir zu wissen begehrte –

Frosch. (zwischen beide tretend) Wo der General von Wildruff wohne, ganz recht. Nun aber, da der wackere Mann es weiß, hat er Ihnen nichts weiter zu sagen und Madam noch weniger. Also, mit Erlaubniß –

Wiesen. Mit nichten! ich habe die Ehre den General genau zu kennen, ich gelte etwas bei ihm, und da eine wichtige Angelegenheit diese Dame zu ihm zu führen scheint, so bin ich so frei ihr meine Dienste anzubieten.

Frosch. Sie können ihr allerdings einen großen Dienst erweisen –

Wiesen. O geschwind! welchen?

Frosch. Wenn Sie uns aus dem Wege gehn. (will fort)

Wiesen. (ihn aufhaltend) Sie bemerken vielleicht nicht, mein Herr, daß ich nicht mit Ihnen, sondern mit der gnädigen Frau spreche.

[81] Frosch. Sie bemerken vielleicht nicht, mein Herr, daß die gnädige Frau keine Lust hat Ihnen zu antworten; also nehmen Sie vorlieb und machen Sie Platz.

Wiesen. Der Herr ist vermuthlich der Ehemann, der Vater oder der Vormund?

Frosch. Das geht Sie nichts an, und es kommt mir in der That ein wenig unbescheiden vor, Ihre Dienste aufdringen zu wollen. Ich weiß nicht, ob ich deutlich genug spreche?

Wiesen. O sehr deutlich; indessen wenn Sie 40 Jahre weniger zählten, so würde ich mir doch noch eine andere Explication ausbitten.

Frosch. Ich stehe zu Befehl.

Julie. (leise) Mein Gott! was thun Sie?

[82]
Fünfte Scene.
Der Hauptmann Trott. Die Vorigen.

Trott. Nun Freund Wildfang! man muß gesunde Beine haben um dich einzuholen.

Frosch. Wenn der Herr da Ihr Freund ist, so haben Sie die Gewogenheit ihm zu sagen, daß es nicht fein steht, ehrlichen Leuten sich aufzudringen, und am Ende gar mit gewissen Explicationen zu drohen.

Trott. Was soll das heißen?

Frosch. Der junge Herr mag es Ihnen selbst erzählen, mit aller der Grazie die ihm eigen ist. Unterdessen wird uns vergönnt seyn, unsere Geschäfte abzuthun. (Zu Wiesen) Beliebt Ihnen nachher noch ein Wörtgen unter vier Augen mit mir zu sprechen, so bin ich der Commissionsrath Frosch aus Berlin, wohne in der Taubenstraße [83] Nr. 5. werde in zwei Stunden wieder nach Berlin fahren und bin Ihr bereitwilliger Diener (ab mit Julien.)


Sechste Scene.
Trott und Wiesen.

Trott. Hast du wieder einen dummen Streich gemacht?

Wiesen. Keineswegs. Die Dame hat ein Geschäft bei unserm General, ich, aus lauter Menschlichkeit, erbiete mich sie hinzuführen, für sie zu sprechen –

Trott. (spöttisch) Aus lauter Menschlichkeit.

Wiesen. Und werde zum Dank von dem Herrn Gemahl persifflirt.

Trott. Also der Mann?

Wiesen. Vermuthlich, ich weiß es nicht. Der Kerl ist zugeknöpft [84] von oben bis unten, aber warte, guter Freund, ich will dir sogleich auf die Spur kommen. (will fort)

Trott. Ei so laß die Leute doch zum Henker gehn.

Wiesen. Ihn zu allen Teufeln wenn er Lust hat; aber die Frau, die hübsche Frau – ich habe sie zwar nicht gesehn, aber hübsch ist sie gewiß, und du kennst meine Schwachheit, Alle hübsche Frauen verrücken mir den Kopf. (will gehn)

Trott. Ich lasse dich nicht fort. Du hast mir, deinem ältern Freunde, das Recht eingeräumt, dich zu warnen, dich von Unbesonnenheiten abzuhalten. In der That, du thätest besser die alten Sottisen wieder gut zu machen, als noch neue hinzuzufügen.

Wiesen. Alte Sottisen? daß ich nicht wüßte. Ich bin selbst noch jung und alle meine Sottisen tragen den Stempel der Jugend.

Trott. Leider ja. Du bist Soldat, ein Mann von Ehre, [85] aber gegen Frauenzimmer – nimm mirs nicht übel – führst du dich zuweilen sehr unanständig auf; machst dir gar kein Gewissen daraus, den guten Ruf einer Dame zu bemakeln.

Wiesen. Predige nur, predige nur immer drauf los!

Trott. Muß ich dich an Julien erinnern? Du warst mit ihr aufgewachsen, sie liebte dich wie ein Kind, sie schrieb dir kindliche Briefe, ihr reines Herz war immer an der Spitze ihrer Feder, und wer weiß was mit der Zeit daraus geworden wäre, wenn ihre Verwandten ihr nicht einen braven Mann gegeben hätten. Indessen bewahrte sie für dich noch immer eine schwesterliche Zuneigung, und du – du hast dir erlaubt, ihre Briefe hie und da vorzulesen, wohl gar einen Commentar dazu zu machen. Wie, wenn du auf diese Weise ihr häusliches Glück untergraben hättest?

Wiesen. Ihre eigne Schuld. Warum schwieg sie plötzlich, warum hat sie ohne meine Einwilligung sich verheirathet?

[86] Trott. Allerliebst! sie soll den Herrn Fähndrich um Erlaubniß fragen. Ohne Zweifel hat sie erfahren, wie du ihr Vertrauen gemißbraucht hast, und darum hat sie seit ihrer Verheirathung dir die Briefe schon zwanzigmal abfordern lassen.

Wiesen. Ich bin aber kein Narr gewesen, sie herzugeben.

Trott. Nimm dich inacht, wenn sie sich an den General wendet – Blitz und der Hagel! da geht mir ein Licht auf. Diese junge Dame, die von Berlin kommt, die so nothwendig mit dem General zu sprechen hatte, die sich so ängstlich verschleiert – was meinst du, wenn es Julie selbst wäre?

Wiesen. Welch ein Einfall?

Trott. Und ich wette sie ist es.

Wiesen. Und den alten Herrn, der sie führte, den machst du wohl gar zu ihrem Manne? und siehst voraus, daß ich mir den Hals mit ihm brechen muß?

[87] Trott. Das wäre gar nicht unmöglich. Um solche Unannehmlichkeiten zu vermeiden, befolge meinen freundschaftlichen Rath: geh nach Hause, hole Juliens Briefe, vertraue sie mir an, doch versiegelt. Dann suche ich die Dame auf, und hat meine Vermuthung mich nicht getäuscht, so gebe ich ihr die Briefe in deinem Namen zurück, mache eine höfliche Entschuldigung dabei, entwaffne ihren Zorn, sie geht dann nicht zum General, sie klagt nicht, setzt sich wieder in den Wagen und fährt glücklich nach Berlin zurück.

Wiesen. In der That, du forderst da ein Opfer –

Trott. Nicht ich, die Ehre fordert es, und für diese Stimme warst du ja sonst nicht taub.

Wiesen. Wohlan, es sey. Die Briefe sind mir zwar an’s Herz gewachsen, aber die Freundschaft – die Ehre –

Trott. Sind dir in das Herz gewachsen.

[88] Wiesen. Du sollst die Briefe haben. Zuvor mußt du mir aber beweisen, daß es wirklich Julie war –

Trott. Ich denke, das soll nicht schwer werden.


Siebente Scene.
Major von Düna. Die Vorigen.

Wiesen. Nun so sollst du sehen, daß Fähndrich Wiesen auch ein ehrlicher Kerl seyn kann.

Major. (im Hintergrunde) Fähndrich Wiesen? so heißt ja der junge Mensch. (vortretend) Verzeihen Sie meine Herren, mich dünkt, ich hörte Sie den Fähndrich Wiesen nennen?

Trott. Ganz recht.

Major. Ein Officier von Ihrem Regiment?

Trott. Allerdings.

[89] Major. Sie kennen ihn?

Wiesen. (lächelnd) Sehr genau.

Major. Und können mir sagen, wo er sich befindet?

Trott. Da steht er.

Major. Wie? Sie selbst?

Wiesen. Ich selbst.

Major. Ich wünsche mir Glück zu dem Zufall, Sie sogleich gefunden zu haben.

Wiesen. Sehr gütig. Was steht zu Ihren Diensten?

Major. Es betrift eine Sache von Wichtigkeit.

Wiesen. Das wäre die erste in meinem Leben.

Major. Ich muß allein mit Ihnen sprechen.

[90] Wiesen. Warum das? Der Hauptmann Trott ist mein bester Freund, ich habe kein Geheimniß vor ihm.

Major. Sie mögen es ihm nachher vertrauen.

Trott. Ich entferne mich, habe ohnehin noch ein Geschäft für dich zu besorgen. (ab.)


Achte Scene.
Der Major. Wiesen.

Major. Herr Fähndrich, Sie kennen mich nicht?

Wiesen. Nein mein Herr.

Major. Aber Sie kennen vielleicht die Frau von Düna?

Wiesen. Eben so wenig.

Major. Aber doch Fräulein Julie von Winterfeld.

[91] Wiesen. O ja, die kenne ich wohl, es ist eine allerliebste kleine Person, voll Geist, voll Grazie, schreibt wie ein Engel. Ich wäre im Stande gewesen, sie zu heirathen, wenn ihre Familie sie nicht an einen Mann von gewissen Jahren vermählt hätte, den ich zu kennen nicht die Ehre habe.

Major. Er steht vor Ihnen.

Wiesen. Unmöglich.

Major. Ganz gewiß.

Wiesen. Nun, mein Herr, so wünsche ich Ihnen Glück, Sie besitzen einen Schatz.

Major. Dessen Werth ich zu schätzen weiß.

Wiesen. Ohne Zweifel hatten Sie verdient allen Ihren Nebenbuhlern vorgezogen zu werden.

Major. Ich verlange keine Complimente.

[92] Wiesen. Freilich sollten Sie eher Vorwürfe erwarten.

Major. Von Ihnen?

Wiesen. Allerdings. Mir ein Mädgen zu entreißen, das ich seit einem Jahrhundert angebetet habe!

Major. Ohne Scherz, mein Herr.

Wiesen. Mein Freund hat Ihnen schon gesagt, daß ich zu ernsthaften Unterhaltungen wenig tauge.

Major. Desto schlimmer für Sie, denn unsere Unterhaltung wird ernsthaft seyn. Ich komme, mich über Sie zu beklagen. Sie haben, seit Julie meine Gemahlin ist, sich ein Betragen gegen sie erlaubt, welches einem Manne von Ehre nicht geziemt.

Wiesen. Mein Herr, dieser Ausdruck –

Major. Ist ganz an seiner Stelle und ich bin nicht gesonnen ihn zu mildern.

[93] Wiesen. Sie wollen mich also beleidigen?

Major. Sie haben mich beleidigt.

Wiesen. Wie konnte ich das, da ich Sie nicht kannte?

Major. Der gute Ruf meiner Gattin ist der Meinige. Sie haben mit den Briefen geprahlt, die sie vor unserer Vermählung an Sie geschrieben; Sie haben ihr meine Achtung, mein Vertrauen entziehn, mein und ihr Unglück machen wollen, und Sie können noch fragen, ob Sie mich beleidigt haben? – wundern Sie sich also nicht, daß ich, ohne Julien von diesem Schritt zu unterrichten (denn sie ahnt nicht was vorgegangen) heute nach Potsdam komme, um Genugthuung von Ihnen zu fordern.

Wiesen. Ich bin bereit.

Major. Bestimmen Sie Ort und Waffen.

Wiesen. Dieß Recht steht Ihnen, als dem Beleidigten zu.

[94] Major. Ich thue Verzicht darauf.

Wiesen. Wohlan, auf den Degen.

Major. Ich bin’s zufrieden.

Wiesen. In jenem Gebüsch.

Major. In einer Viertelstunde.

Wiesen. Es sey. (beide zu verschiednen Seiten ab.)


Neunte Scene.
(Eine Straße. Man erblickt vor einem Hause zwei Schildwachen.)
Frosch und Julie treten auf.

Frosch. Hier stehn die Schildwachen, hier wohnt der General. Soll denn nun durchaus mit hinein gehn?

[95] Julie. Sie haben es mir versprochen.

Frosch. Ganz wohl, aber wenn ich noch immer nichts mehr erfahre, so werde ich eine seltsame Figur da spielen. Seit einer Viertelstunde schlendre ich neben Ihnen her, allein Sie haben nichts gethan als sich umgesehn, ob auch der junge Officier uns nicht folge, und so bin ich denn noch immer eben so klug als zuvor. Ich müßte denn doch wissen, wenn ich als Ihr Begleiter auftreten soll –

Julie. Bei dem General sollen Sie Alles mit anhören, allein ersparen Sie mir den Schmerz, die Geschichte zweimal erzählen zu müssen.

Frosch. Aber wenn nun der General mich anredet, mich fragt – Bah! da steh ich wie ein dummer Junge.

Julie. So wissen Sie denn –

Frosch. Endlich!

[96] Julie. (sich umsehend) Fort! fort! da kommt sein Freund!

Frosch. Wessen Freund?

Julie. Des Fähndrich Wiesen.

Frosch. Also Wiesen heißt er?

Julie. (ihn fortziehend) Geschwind ehe er uns einholt.

Frosch. (folgend) Nun so weiß ich fürs Erste doch den Namen, das ist immer etwas.


Zehnte Scene.
Trott. Die Vorigen.

Trott. (ihnen nacheilend) Ach gnädige Frau! wie glücklich bin ich Sie anzutreffen, ehe Sie noch mit dem General gesprochen haben. Gewähren Sie mir nur einen Augenblick.

[97] Frosch. (leise) Der Freund sieht ganz honnet aus.

Trott. Wenn ich in der Person mich nicht irre –

Julie. Bemühen Sie sich nicht, mein Herr, blos dem General werde ich sagen, wer ich bin.

Frosch. (leise) Also dem antworten wir nicht? auch gut. (laut) Ja, mein Herr, wir werden uns blos dem Herrn General zu erkennen geben, und der wird Ihren Freund lehren, wie man gegen Damen sich benimmt. (geht mit Julien in das Haus.)


Eilfte Scene.
Trott allein.

Aha! meine Vermuthung bestätigt sich. Es ist Julie selbst. Die Art, wie sie mich als Wiesen’s Abgeordneten empfing, die paar Worte, die sie sagte, das Bestreben mir zu entschlüpfen, die Plumpheit ihres Verwandten – ja ja, sie ists. Ich fange an zu fürchten, daß Wiesen zu spät gethan hat was sich [98] ziemt. Der General versteht keinen Spaß über solche Dinge, er wird ihm derb den Text lesen. Indessen ist doch auch noch immer möglich, daß ich mich irre, daß es Julie nicht ist. –


Zwölfte Scene.
Trott. Frosch. (zurückkommend)

Frosch. (für sich) Es scheint im Rath der Götter beschlossen, daß ich heute nichts erfahren soll.

Trott. (ohne ihn zu sehn) Ich hätte doch auf eine Antwort dringen sollen.

Frosch. (für sich) Der General ist nicht zu Hause, die Frau Generalin hat uns recht artig empfangen, aber mich armen Teufel schickt sie in die Casernen um den Herrn Gemahl aufzusuchen.

Trott. Sieh, da ist ja der Verwandte. Dießmal soll er mir nicht entschlüpfen. – Mein Herr, ohne Zweifel

[Ξ]

[99] hat die junge Dame, welche Sie begleiten, wichtige Gründe unbekannt zu bleiben?

Frosch. So vermuthe ich.

Trott. Aber Sie, mein Herr, Sie werden doch keine Schwierigkeiten machen –

Frosch. Mein Herr, ich bin genöthigt zu schweigen und zwar aus den unverwerflichsten Gründen.

Trott. Discret zu seyn ist eine sehr löbliche Eigenschaft.

Frosch. Es ist so meine Gewohnheit mit Leuten, die ich nicht kenne.

Trott. Es treten jedoch bisweilen Umstände ein, wo man sich ein wenig Gewalt anthun muß, um Unglück zu verhindern. Die Lage zum Beispiel, in welcher wir uns jezt befinden –

Frosch. Nöthigt mich zur äußersten Verschwiegenheit.

[100] Trott. Es gäbe also gar kein Mittel, Sie zum Reden zu bewegen?

Frosch. Ich habe Ihnen nichts zu sagen. (bei Seite) Das ist doch weiß Gott wahr!

Trott. Ein einziges Wort könnte vieles aufklären.

Frosch. Da haben Sie ganz Recht.

Trott. Der Dame selbst muß viel daran gelegen seyn.

Frosch. Das ist wohl möglich.

Trott. Warum denn so hartnäckig schweigen?

Frosch. Und wenn mein Leben darauf stünde, so könnte ich Ihnen nichts weiter sagen.

Trott. (hitzig) Nun wohl, mein Herr, so werde ich Sie belehren.

[101] Frosch. Das wird mir sehr angenehm seyn, denn ich schmachte nach Belehrung.

Trott. (sich fassend) Ich mache Sie verantwortlich für die Folgen Ihres hartnäckigen Schweigens.

Frosch. Die nehme ich Alle auf mich.

Trott. Sagen Sie wenigstens dem General nicht –

Frosch. Seyn Sie ganz ruhig, von mir soll er nichts erfahren.

Trott. Es könnte Sie gereuen. (ab.)


Dreizehnte Scene.
Frosch allein.

Das ist eine verfluchte Geschichte. Ei was! ich thue wohl am Besten, wenn ich meine Unbekannte sizzen [102] lasse und mich skisiere – Pfui Commissionsrath Frosch! Du hast dein Wort gegeben. Einer Dame muß man Wort halten, wenn man auch schon ein Funfziger ist.


Vierzehnte Scene.
Der Major. Frosch.

Der Major. (für sich) Fataler Streich! der einzige Bekannte, den ich hier habe, ist verreist, und ich muß mich schlagen ohne Zeugen.

Frosch. (ohne ihn zu sehn) Der Herr Hauptmann, oder was er ist, meinte, es solle mich gereuen? und das sprach er in einem gewissen drohenden Tone? Sapperment! er weiß nicht, daß ich in Halle und Jena den Fechtboden frequentirt habe. O ich war zu meiner Zeit eine Art von Renomist, ich stieß meine Quarte – ich parirte die Terze – ich verstand zu ligiren – Eins – zwei – drei – (Er ficht in die Luft.)

[103] Major. (für sich) Sieh da, ein Herr, der sich mit der Luft herumstößt. Da hätte ich ja wohl meinen Mann gefunden.

Frosch. (ohne ihn zu sehn) In meinem Leben habe ich keine Ehrensache von der Hand gewiesen.

Major. Desto besser, mein Herr! so werden Sie mir einen Gefallen thun.

Frosch. He?

Major. Sie scheinen mir ein Mann von Muth?

Frosch. Ich bin keine Memme.

Major. Sie werden ohne Bedenken die Partie eines ehrlichen Mannes ergreifen, der beleidigt worden ist?

Frosch. So pflege ich es zu halten.

Major. Ich bin nach Potsdam gekommen, um mich zu schlagen, ich habe keinen Secundanten. Da ich nun [104] so eben gesehn habe, daß Sie auf die Klinge sich verstehn, so gebe ich Ihnen den stärksten Beweis meiner Hochachtung, indem ich Sie ersuche, mein Secundant zu seyn, und, wenn ich falle, meinen Tod zu rächen.

Frosch. Das ist allerdings sehr schmeichelhaft für mich, es thut mir nur leid, daß ich Ihrem Zutrauen nicht entsprechen kann.

Major. So hätte ich mich in Ihnen geirrt?

Frosch. Ganz und gar nicht, aber in diesem Augenblicke gehöre ich mir selbst nicht an.

Major. Ausflüchte! Der Kampfplatz ist zehn Schritt von hier, in ein paar Minuten ist Alles vorbei.

Frosch. Ich habe nicht Eine zu verlieren. Ich begleite hier eine junge liebenswürdige Dame, die sich in großer Verlegenheit befindet.

Major. Eine junge Dame?

[105] Frosch. Ich muß Jemanden aufsuchen, den sie zu sprechen wünscht.

Major. (unruhig) Jemanden? Doch nicht einen Officier?

Frosch. Allerdings einen Officier.

Major. (für sich) Welch ein Argwohn ergreift mich! (laut) O dürfte ich Sie bitten sich näher zu erklären?

Frosch. (für sich) Da kommt mir schon wieder Einer, der eine Erklärung von mir fodert.

Major. Nun mein Herr?

Frosch. Ich habe Ihnen gar nichts zu sagen, aber wenn Sie etwa einen gewissen Fähndrich Wiesen begegnen –

Major. (hastig) Fähndrich Wiesen?

[106] Frosch. Der kann Ihnen vielleicht die nöthigen Erläuterungen geben.

Major. (bei Seite) Ha! sie ist es! Julie ist hier! und ich Narr, der ich sie ruhig in Berlin glaubte; der ich nach Potsdam eilte, um mein Blut für sie zu vergießen – O Weiber! Weiber! (laut) und Sie mein Herr sind ihr Begleiter?

Frosch. Ich habe die Ehre.

Major. Sie sollten sich schämen eine solche Rolle zu spielen.

Frosch. Wie?

Major. Sie hätten eine junge leichtsinnige Frau warnen sollen, statt ihren Verführer selbst aufzusuchen. In die Erde sollten Sie sinken vor Scham.

Frosch. Ei was, da ist nichts in die Erde zu sinken. Es ist keinesweges ihr Verführer, den ich aufsuche –

[107] Major. Ich gehe Ihnen aber nicht von der Seite, bis Sie mir sagen wo sie ist?

Frosch. O in sehr guter Gesellschaft, hier bei dem Herrn General, mit dessen Frau Gemahlin sie sich unterhält bis er nach Hause kommt.

Major. Bei dem General? sie hat also Wiesen nicht gesehn? nicht mit ihm gesprochen?

Frosch. Keins von beiden; aber das will ich Ihnen nicht verhehlen: sein bloßer Name erschüttert sie.

Major. Ich weiß genug. Auf der Stelle gehe ich zu ihr, beschäme sie, verachte sie – doch nein, ich will sie nicht eher sehn, bis ich Wiesen zu Boden gestreckt habe. Wenn Sie ihn früher antreffen als ich –

Frosch. Wen?

Major. Den Officier, den Sie suchen. Sagen Sie ihm, daß ich auf dem Kampfplatz ihn erwarte. Hüten Sie [108] sich aber ihm merken zu lassen, daß die Dame hier ist, deren unbeschränktes Vertrauen Sie besitzen und allerdings rechtfertigen. Wenn er sie zu sehn bekommt, so haben Sie es mit mir zu thun. Verstehn Sie mich? (ab.)


Funfzehnte Scene.
Frosch allein.

Nicht so ganz. Sapperment! ich komme da in eine dumme Patsche. Entschlüpfe ich dem Einen, so packet mich der andere. Wer ist denn der Herr Oben hinaus und nirgend an? Ein Liebhaber? so scheint es, aber er ist ein bisgen alt. Ein Ehemann? nicht doch, er ist gar zu eifersüchtig. So viel merke ich nun wohl: Wiesen ist sein Nebenbuhler – beide sind verliebt in die junge Dame – sie wollen sich schlagen, Einen von beiden kann der Teufel holen – da thue ich wohl am besten, dem Herrn General entgegen zu laufen, damit er dumme Streiche verhütet. (ab.)

[109]
Sechszehnte Scene.
Wiesen und Trott.

Trott. Du willst mir die Briefe nicht geben?

Wiesen. Nein jezt nicht.

Trott. Ich habe dein Wort.

Wiesen. Aber die Umstände haben sich geändert. Der Fremde, den du bei mir ließest –

Trott. Nun?

Wiesen. Er ist Juliens Gemahl. Er hat mich gefordert.

Trott. Nun da haben wirs.

Wiesen. Ich gehe eben hin mich zu schlagen, und nun begreifst du wohl, daß ich in diesem Augenblicke die [110] Briefe nicht herausgeben kann. Es würde scheinen, als wollte ich einen Zweikampf vermeiden; lieber sterben!

Trott. So weit ist es also gekommen, daß du, nachdem du die Ehre der Frau angetastet, den Mann ermorden mußt.

Wiesen. Lerne mich besser kennen. Ich habe Unrecht gegen den Major, ich muß ihm Genugthuung geben, das versteht sich, aber ich bin fest entschlossen, sein Leben zu schonen, mich blos zu vertheidigen. Bleibe ich im Vortheil, so werde ich ihn um Verzeihung bitten. Falle ich, so wird er von dir erfahren, wie ich dachte, und – daß Julie seiner Achtung nie unwerth war. Auf diesen Fall vertraue ich dir hier das wohl versiegelte Paket. (gibt ihm die Briefe.)

Trott. So handelst du wie ein Mann von Ehre.

[111]
Siebzehnte Scene.
Der Major. Die Vorigen.

Major. Haben Sie vergessen mein Herr?

Wiesen. Solche Dinge vergesse ich nie.

Major. Die Viertelstunde –

Wiesen. Ist noch nicht verstrichen.

Major. Ohne Zweifel gibt es Gründe, die noch an diesen Platz Sie fesseln?

Wiesen. Was wollen Sie damit sagen?

Major. Ich bin meiner Sache gewiß. Ich weiß daß Julie hier ist.

Wiesen. Julie hier?!

[112] Major. (spöttisch) Sie scheinen es nicht zu wissen?

Wiesen. Auf Ehre! nein.

Major. Nun, so ist sie wenigstens um Ihretwillen hergekommen.

Trott. Sollte die junge Dame, die sich bei dem Herrn General befindet –

Major. (zu Wiesen) Ihr Freund ist aufrichtiger, oder doch besser unterrichtet als Sie.

Trott. (leise) Sagte ich dir nicht?

Wiesen. Wer Teufel hätte denken sollen –

Major. Ich selbst würde nichts davon wissen, wenn ich nicht zufällig ihren Vertrauten angetroffen hätte.

Trott. Der hat Ihnen gesagt – ?

[113] Major. So viel als nöthig war, um den Zweck der Reise meiner unwürdigen Gattin zu errathen. Er war beauftragt, den Herrn Fähndrich zu ihr zu führen, und ich wundre mich sehr, wenn das noch nicht geschehen ist.

Wiesen. Das ist mir unbegreiflich. Die Art, wie sie mich so eben empfangen –

Major. (hastig) Wie mein Herr? Sie haben sie gesehen?

Wiesen. Sogar mit ihr gesprochen, aber ohne sie zu kennen, ich schwöre es Ihnen!

Major. Wollen Sie mir ein Mährgen aufbinden?

Wiesen. Herr Major, wir werden uns schlagen, darauf gebe ich Ihnen mein Wort; aber ehe wir unsere Klingen messen, halte ich für meine Pflicht Sie zu versichern, daß Ihre Gemahlin völlig unschuldig ist und daß, wenn ich den Schritt, welchen sie heute gethan, recht verstehe, sie ihrer Hochachtung nie würdiger war als eben heute.

[114] Major. Daß Sie so sprechen, ist honett, ich glaube Ihnen aber kein Wort und werde Julien künftig – doch das gehört nicht hieher. Kommen Sie Herr Fähndrich. (Als er gewahr wird, daß Trott folgen will) Ich habe keinen Secundanten.

Wiesen. Nun so begehre ich auch keinen. (beide ab.)

Trott. Das sind die Folgen, mein guter Wiesen, wenn man den Ruf der Frauen nicht schont. Ich werde wenigstens von weitem folgen, um im Nothfall gleich bei der Hand zu seyn. (will gehn.)


Achtzehnte Scene.
Frosch. Trott.

Frosch. (für sich brummend) Der Teufel ist im Spiele! ich hab’ ihn doch nicht gefunden.

[115] Trott. Aha mein Herr! Sie haben ein sauberes Meisterstück gemacht.

Frosch. Ich? Welches?

Trott. Maliziöser Mensch! Zittern Sie, wenn es mir nicht gelingt beiden das Leben zu retten. (ab.)

Frosch. (allein) Ich maliziös? lieber Gott! du kennst mich. Zittern soll ich? Ganz wohl, aber warum? ich will verdammt seyn, wenn ich weiß was ich verbrochen habe. Daß ich in dieser Comödie mitspiele, das merke ich wohl, aber welche Rolle? das weiß der Teufel! (er geht in des Generals Wohnung.)

[116]
Neunzehnte Scene.
(Das Zimmer der Generalin, welches an den Garten stößt, den man durch eine Glasthür erblickt.)
Die Generalin. Julie.

Generalin. Ich habe es Ihnen wohl vorher gesagt, daß mein Mann sehr lange ausbleiben würde.

Julie. (beängstigt) In der That, er bleibt sehr lange.

Generalin. Ich weiß nicht, ob Sie Zeit haben werden ihn zu erwarten.

Julie. O wenn meine Gegenwart Ihnen nur nicht lästig fällt.

Generalin. (erzwungen) Ganz und gar nicht.

Julie. Sie sind so gütig, so zuvorkommend –

[117] Generalin. (gereizt) O Sie werden meinen Mann noch weit zuvorkommender finden. Mein Mann ist sehr galant gegen Damen. Doch vermuthlich kennen Sie ihn schon?

Julie. Ich habe die Ehre gehabt ihn einigemal zu sehen.

Generalin. (mit erzwungenem Scherz.) So wette ich, daß er auch schon die Ehre gehabt hat, Ihnen die Cour zu machen.

Julie. Sie scherzen gnädige Frau.

Generalin. Ganz und gar nicht. Bei ihren Reizen –

Julie. Ich glaube nicht, daß der Herr General mich bemerkt hat.

Generalin. Verlassen Sie sich darauf, eine solche Gestalt läßt er nie unbemerkt.

Julie. Wäre ich so glücklich gewesen, ihnen einiges [118] Interesse einzuflößen, so würde ich um so kühner ihnen mein Anliegen vortragen.

Generalin. Vermuthlich ein sehr wichtiges Anliegen?

Julie. (seufzend) Sehr wichtig!

Generalin. Wenn Sie sich mir vertrauen wollten, ich würde mit Vergnügen –

Julie. Ich fühle den ganzen Werth dieses Anerbietens, da aber nur der Herr General mir helfen kann –

Generalin. Freilich, so wäre es unbescheiden von mir, mich in Ihr Geheimniß eindringen zu wollen. (bei Seite) Das ist doch verzweifelt seltsam.

[119]
Zwanzigste Scene.
Frosch. Die Vorigen. (Gleich darnach) Der General.

Frosch. Meine gnädigen Damen, ich bin außer Athem. Se. Excellenz der Herr General muß noch ein flinker Mann seyn, denn ich bin ihm nachgelaufen von einem Thore zum andern, allein vergebens!

Generalin. Da ist er schon.

General. (zum Adjutanten) Eilen Sie auf den Platz, den der Hauptmann Trott mir bezeichnet hat! suchen Sie zu verhüten – und rapportiren Sie mir sogleich. (Der Adjutant verschwindet.)

Ein Officier meines Regiments hat mir so eben gesagt, daß eine junge Dame mich erwarte; ohne Zweifel Sie, gnädige Frau, denn das reizende Gemählde, welches er entwarf, gleicht Ihnen vollkommen.

[120] Generalin. Habe ichs nicht gesagt, er ist galant?

General. Wenn ich einen solchen Besuch hätte ahnen können, fürwahr, Sie hätten nicht auf mich warten sollen.

Julie. Ich bedarf in der That so vieler Güte –

General. Seyn Sie ruhig, ich kenne schon einen Theil Ihres Geheimnisses.

Julie. Wie?

Frosch. (für sich) Es scheint, daß die ganze Welt mehr weiß, als ich. Geduld! es wird auch an mich kommen.

General. Was mir noch zu erfahren übrig ist, kann mich nur in der hohen Meinung bestärken, die ich von Ihrem Charakter hege.

Generalin. Sie hören, daß mein Mann sehr günstig von schönen Damen urtheilt. Zögern Sie daher nicht –

[121] Julie. Ich bin so verlegen –

General. Die Gegenwart meiner Frau und dieses Herrn legen ihnen Zwang auf. Darf ich die Ehre haben, Sie in den Garten zu begleiten?

Frosch (für sich) Was?

Generalin. (für sich) Allerliebst!

General. (zu seiner Frau) Du wirst verzeihn, mein Kind –

Generalin. O es ist ja ganz natürlich, daß man dem Manne Geheimnisse vertraut, welche die Frau nicht wissen soll, und ich würde wenig Weltkenntniß verrathen, wenn ich das übel nähme.

General. (gibt Julien den Arm) Kommen Sie, gnädige Frau. (beide ab.)

[122]
Ein und zwanzigste Scene.
Die Generalin (und) Frosch.

Frosch. (für sich) Also soll ich wieder nichts erfahren?

Generalin. (für sich) Das ist mir denn doch außerm Spaß.

Frosch. (für sich) „Ersparen Sie mir den Schmerz, die Geschichte zweimal erzählen zu müssen – beym General sollen Sie alles mit anhören –“

Ja prost die Mahlzeit! sie geht davon und läßt mich stehen.

Generalin. (für sich) Vielleicht daß ihr Verwandter –

Frosch. (für sich) Am Ende wird die Frau Generalin mich noch anzapfen.

Generalin. Mein Herr, Sie sind verwandt mit der jungen Dame?

[123] Frosch. (für sich) Dachte ichs doch. (laut) Allerdings, gnädige Frau, sie ist meine – meine Cousine – wir sind Geschwisterkind.

Generalin. Es scheint, daß sie meinem Manne etwas sehr wichtiges zu vertrauen hat?

Frosch. Vermuthlich.

Generalin. Sie war so verlegen?

Frosch. Blödigkeit.

Generalin. Ist zuweilen nur eine Larve.

Frosch. Nicht bei meiner werthen Cousine.

Generalin. Sie werden mir aber doch eingestehen, daß etwas in der Sache ist – etwas –

Frosch. Dunkles, ja.

[124] Generalin. Und daß – wenn ich zum Argwohn geneigt wäre – ich allenfalls vermuthen könnte, ihre werthe Cousine – verzeihen Sie mir den Ausdruck – gehe auf Abentheuer aus.

Frosch. Sie würden irren. (bei Seite) Gewiß weiß ich es aber nicht.

Generalin. Beweisen Sie mir, daß ich mich irre.

Frosch. Die Geheimnisse meiner Cousine sind nicht die meinigen.

Generalin. Man muß gestehen, Ihre Verschwiegenheit ist exemplarisch.

Frosch. Sie würden an meiner Stelle eben so verschwiegen seyn.

Generalin. Im Grunde muß die Sache mir sehr gleichgültig seyn.

[125] Frosch. Ganz gewiß.

Generalin. (losbrechend) Sie ist es aber nicht! und wenn sie nicht reden wollen, so werde ich ihre sittsame Cousine selbst ersuchen, den Schleier ein wenig zu lüften. (ab in den Garten.)

Frosch. (allein) Nun geht die auch hinaus und hört zu, und ich erfahre wieder nichts.


Zwei und zwanzigste Scene.
Frosch. Der Major. Der Adjutant.

Major. Mit welchem Rechte arretiren Sie mich mein Herr?

Adjutant. Sie kennen die Gesetze gegen den Zweikampf.

Major. Ich habe die Gesetze der Ehre befolgt.

[126] Adjutant. Und ich habe nur meinem General gehorcht. (ab in den Garten.)

Major. Ich errathe, wer mir diesen Streich gespielt hat, aber das Donnerwetter soll – (erblickt Frosch) Aha mein Herr! Sie sind es ohne Zweifel, dem ich diesen Affront verdanke?

Frosch. Wer? ich?

Major. Ja ja, spielen Sie nur den Verwunderten.

Frosch. Den spiele ich weiß Gott sehr natürlich.

Major. Sie werden meiner Rache nicht entgehn.

Frosch. Das wollen wir sehn.

Major. Zuerst machen Sie den gefälligen Unterhändler der Frau, und dann wollen Sie auch noch den Mann hindern, seine Ehre zu rächen, oder wenigstens ihn dafür bestrafen, daß er sie gerächet hat? Pfuy mein Herr!

[127] Frosch. Erlauben Sie. Sparen Sie Ihr Pfuy noch einen Augenblick. Sie erwähnten da des Mannes – wohl gar des Ehemannes?

Major. Aber alle Ihre Künste haben Wiesen doch nicht gerettet.

Frosch. Was? Sie haben ihn erstochen?

Major. Wenigstens ihm eine derbe Erinnerung gegeben. Jetzt ist die Reihe an Ihnen.

Frosch. Ach lassen sie mich zufrieden.

Major. Sie besinnen sich noch?

Frosch. Gehn Sie zum Teufel!

Major. Ich fordre Genugthuung.

Frosch. Sie sind nicht wohl gescheidt.

Major. Sie wagen es noch mich zu insultiren? [128] Frosch. Ist gar nicht meine Absicht, und wenn Sie bei etwas kälterm Blute wären, so sollte es mich nur zwei Worte kosten, um Sie schamroth zu machen. Sie würden sehen, daß ich in der ganzen Sache nichts weiter gethan habe, als meine eignen Geschäfte vernachlässigt, um einer achtungswürdigen Frau beizustehn, der Sie wahrscheinlich, gleich mir, in kurzem die demüthigsten Entschuldigungen zu machen haben.

Major. Ich bitte sich näher zu erklären.

Frosch. Wenn Sie mich nicht unterbrechen wollen –

Major. Reden Sie, reden Sie.

Frosch. Nun so wissen Sie, daß –

[129]
Drei und zwanzigste Scene.
Hauptmann Trott. Die Vorigen.

Trott. (zu Frosch) Kommen Sie, mein Herr, kommen Sie! Betrachten Sie Ihr Werk.

Frosch. Wieder was neues?

Trott. Sehen Sie, in welchem Zustand der arme Wiesen versezt worden.

Frosch. Ei was geht das mich an; halten Sie sich an den Herrn da, der sich mit Ihm geschlagen hat.

Trott. Der Herr hat als ein Mann von Ehre gehandelt, und Niemand hat das Recht ihm Vorwürfe zu machen; aber Sie, mein Herr, Sie verdienen –

Frosch. Nun wird mirs zu bunt. Am Ende soll ich jeden Stoß verantworten, den der Herr da mit seinem Degen zu thun beliebt.

[130] Trott. Allerdings. Sind Sie es nicht, der, nachdem er zur Unzeit gegen mich den Verschwiegenen gespielt, dem Herrn Major die Ankunft seiner Gemahlin verrathen hat?

Frosch. Wollen Sie mir einbilden, daß ich verrückt bin?

Trott. Hätten Sie mir gleich Alles gesagt, so wäre kein Zweikampf vorgefallen, Wiesen wäre nicht verwundet und der Herr Major nicht arretirt.

Frosch. Ich mögte des Teufels werden!

Major. Herr Hauptmann, da Sie überzeugt zu seyn scheinen, daß ich nicht anders handeln konnte, so haben Sie die Güte sich für meine baldige Befreiung zu verwenden.

Trott. Es ist wahr, mein Freund hatte Sie beleidigt, aber erlauben Sie mir den Jüngling zu beklagen, der es schwer gebüßt hat.

[131] Major. Ich bin unglücklicher als Er. Diese Wunde (auf sein Herz deutend) ist tiefer als die seinige.

Trott. Mögte die seinige so schnell zu heilen seyn als die Ihrige.

Major. Wollte Gott, Sie sprächen wahr!


Vier und zwanzigste Scene.
Der General. Die Vorigen.

General. Herr Major, verzeihn Sie mir die Unannehmlichkeit, die ich Ihnen verusachen mußte. Ich hoffte Unglück zu verhüten, es war zu spät. Daß die Begebenheit keine weitere Folgen habe, sey meine Sorge. Zum Glück berichtet mir der Wundarzt so eben, daß Wiesen’s Wunde nicht gefährlich sei, und so mag sie ihm zu Lehre und Warnung dienen. Was Sie betrifft, Herr Major, so kann ich Sie versichern, daß Ihr [132] Verdacht ungegründet und Ihre Gemahlin Ihrer nie unwürdig war.

Major. Aber Herr General, wie soll ich mir diese heimliche Reise nach Potsdam erklären?

General. Eine Unbesonnenheit zieht die andere nach sich. Diese Reise hatte blos zum Zwecke, durch mich die Zurückgabe gewisser Papiere zu bewirken –

Trott. Die mein Freund, schon ehe er sich schlug, mir aufgetragen hatte. (er überreicht dem Major das versiegelte Packet) Hätte er meinen Rath befolgt, es wäre früher geschehen.

General. Ist Ihnen nun Alles klar?

Frosch. (für sich) Mir nicht.

Major. Gott sey Dank! ich habe meine gute Frau nur um Verzeihung zu bitten.

Frosch. Na das sagte ich Ihnen ja gleich. Es freut mich [133] von Herzen, daß sie nun Alle wissen woran Sie sind, aber wenn es Ihnen gefällig wäre, nun auch mir das Verständniß zu eröffnen –

Major. Vollenden Sie Ihr Werk, Herr General, helfen Sie mir die Verzeihung meiner Gattin erlangen.

General. Folgen Sie mir. (beide ab)


Letzte Scene.
Trott. und Frosch.

Frosch. (ihnen nachrufend) Meine Herren! meine Herren! ich bitte Sie um Gotteswillen –

Trott. (klopft ihm auf die Schulter) Herr Commissions-Rath Frosch –

Frosch. Was beliebt?

Trott. Sie haben einen verdammten Wirrwar angerichtet, indessen ist Alles noch glücklich abgelaufen, ausgenommen für meinen armen Freund, der durch Ihre Schuld [134] sechs Wochen das Zimmer hüten muß; aber verlassen Sie sich darauf, seine erste Ausfahrt wird nach Berlin seyn, in die Taubenstraße Nr. 5. (ab.)

Frosch allein. Er soll nur kommen, ich werde ausziehen. Ich fürchte mich eben nicht vor dem jungen Eisenfresser, aber meine Frau – die ist zu Ohnmachten geneigt – (sieht nach der Uhr) Alle Wetter! ich habe meiner Frau versprochen zur Comödie zurück zu seyn. Ich muß fort über Hals und Kopf! – (gegen das Publicum) sollte etwa Jemand erfahren, was ich in Potsdam gemacht habe, so bitte ich, es mir zu melden in der Taubenstraße Nr. 5.

Ende.

Anmerkung.

Es versteht sich daß, wenn dieses Lustspiel in Berlin aufgeführt werden sollte, man bei Nennung der Taubenstraße eine solche Nummer wählen müsse, die entweder gar nicht in derselben vorhanden ist, oder doch keine zufällige Beziehung veranlassen kann.