Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Unterweltsgottheiten im italischen Volksglauben
Band VII,1 (1910) S. 308314
Erinnyen in der Wikipedia
GND: 118685163
Erinnyen in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register VII,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|VII,1|308|314|Furiae|[[REAutor]]|RE:Furiae}}        

Furiae, von furia Wut, Raserei, zu furere rasen, wüten; weiteres bei A. Walde Lat. etym. Wb. 255, vgl. Μανίαι als Epiklesis der Erinyen z. B. in dem Lokalkult zwischen Megalopolis und Messene (Paus. VIII 34, 1), sowie die gleichbedeutenden Bezeichnungen Μαινάδες, Θυῖαι (Strab. X 468), Θυιάδες für die Bakchantinnen, mit denen die Erinyen gewisse Verwandtschaft haben, Dilthey Arch. Ztg. XXXI 1873, 90ff.; bei Aisch. Eum. 499f. nennen sie sich selber βροτοσκόποι μαινάδες, und bei Euripides heißen sie Βάκχαι Ἅιδου (Hekabe 1077) und haben einen ἀβάκχευτον θίασον ἐν δάκρυσι καὶ γόοις (Orest. 319f.). Wie bei den meisten Gestalten der römischen Mythologie, haben wir auch in der Vorstellung der F. zu unterscheiden zwischen dem, was die Römer von den Etruskern, und dem, was sie von den Griechen übernommen haben, ferner zwischen einer Vorstellung der F., wie sie im italischen Volksglauben lebte, und ihrer literarischen Ausgestaltung, bei der das griechische Vorbild durchaus bestimmend war. ,Daß im etruskischen Glauben F. oder ähnliche Wesen vorkamen, lassen nicht bloß Bildwerke, sondern auch schriftliche Nachrichten abnehmen‘, K. O. Müller-Deecke Die Etrusker II 109f. (I 391); man denke an die F. oder weiblichen Todesdaimonen mit Namen Vanθ, Culs'u, Ναθum, häufig auch ohne bestimmten Namen, wie sie mit Vorliebe eingemischt sind in Darstellungen aus der griechischen Mythologie, zumal blutigen, grauenhaften Inhalts, und wie sie sich dem etruskischen Charu(n) zur Seite stellen als dessen weibliches Gegenstück. s. o. Bd. VI S. 768. 1ff. Waser Charon, Charun, Charos 76, 1. 82f. (128. 133. 136. 141–148). So erscheint z. B. auf dem zu Berlin befindlichen Inschriftspiegel aus Vulci mit Tötung der Klytaimestra durch Orest links hinter diesem die Furie Naθum, eine schreckhafte Frauengestalt von vorn mit Kopf rechtshin, in kurzer Gewandung, mit sich sträubendem Haar und abstehenden Hauern, mit bärtigen Schlangen in der erhobenen Linken und in der gesenkten Rechten, vgl. Gerhard Etr. Spiegel III 221f. z. Taf. CCXXXVIII. Waser a. O. 76, 1. Roschers Mythol. Lexik. III 22, und ähnlich sehen wir auf einer etruskischen Aschenkiste in Paris mit der Ermordung Agamemnons hinter Aigisth die etruskische Furie, sei es als Todesgöttin oder rächender Daimon, geflügelt, im kurzen Gewand, mit zwischen den Brüsten gekreuzten Bändern und mit hohen Stiefeln, mit Schwert in der Rechten und Scheide in der Linken, vgl. Baumeister Denkm. I 21 Abb. 22; weitere etruskische F. treffen wir auf den zahlreichen Aschenkisten mit dem Wechselmord von Eteokles und Polyneikes, z. B. Baumeister III 1760f. Abb. 1841. 1842, vgl. Hor. carm. I 28, 17 [309] dant alios furiae torvo spectacula Marti. Vgl. noch Brunn Kl. Schr. I 160f. 174. 218. 251. Nur Spuren noch lassen sich aufdecken von der ursprünglichen Gestalt der F., dieser Todesdaimonen, Rache-, Plage- und Quälgeister im italischen Volksglauben. Cicero de nat. deor. III 46 charakterisiert die F. als speculatrices et vindices facinorum et scelerum und stellt sie den Eumeniden zu Athen als gleichbedeutend gegenüber; ähnlich nennt Plutarch quaest. Rom. 51 die Λάρητες (singuläre und inkorrekte Pluralform für Lares) ἐρινυώδεις τινὲς καὶ ποίνιμοι δαίμονες ἐπίσκοποι βίων καὶ οἶκων, also erinyenartige, den Menschen auflauernde Rachegeister, deren sich nach römischem Glauben die Götter bei Bestrafung der Frevler zu Henkersarbeit bedienen. Demnach sind auch bei Dionys. Hal. II 75 die F. zu verstehen unter den καλούμεναι παρ' Ἕλλησιν Ἐρινύες, die als Rächerinnen zumal des Vertragsbruches schon im ältesten Rom in hohen Ehren standen. Dieser Gleichsetzung, die in der römischen Dichtung vollständig durchgeführt ward, ist es natürlich zuzuschreiben, daß sich von der ursprünglichen Gestalt der F. nur so wenige Züge erhalten haben. Darauf bezieht man auch die Anwendung des Wortes F. auf die beiden mit nächtlichem Gespensterspuk und Totenbeschwörung sich befassenden Zauberinnen Canidia und Sagana bei Hor. sat. I 8, 45; doch ebenso heißt auch Helena bei Ennius scaen. 71 Vahl.2 (56 Ribb.) Furiarum una, bei Verg. Aen. II 573 Troiae et patriae communis Erinys, wird Medea bei Val. Flacc. VIII 396 als Erinys bezeichnet (vgl. auch Hor. sat. II 3, 140f. nach Eurip. Orest. 264), ganz wie schon von den griechischen Tragikern verderbliche Frauen, Helena, Klytaimestra, Medeia usw., gelegentlich Erinyen genannt werden. Dahin gehört die dunkle Farbe, die sich für die F. ergibt aus der Herleitung ihres Namens von furvus (= niger, ater) in Paul. Fest. p. 84 M., die sie wie die furva Proserpina den Unterweltsgottheiten zuweist; gleichfalls unter den Unterweltsgottheiten aber wird die Furie aufgezählt zusammen mit den aquili dii, den dunkeln Göttern, bei Mart. Cap. II 164, wenn wirklich diese Stelle Fura Furinaque auf die F. bezogen werden darf. Aber wir finden auch sonst die altitalische Göttin Furrīna (oder Fūrina) zusammengebracht mit der Fŭria und von den Griechen identifiziert mit den Erinyen: lucus Furrinae übersetzt Plut. C. Gracch. 17 mit ἱερὸν ἄλσος Ἐρινύων, wie auch Cic. de nat. deor. III 46 dem Heiligtum der Eumeniden zu Athen diesen lucus Furrinae auf dem rechten Tiberufer gleichsetzt und beiden die römischen F. zur Seite stellt; dagegen vgl. Wissowa Rel. u. Kultus d. Römer 193: ,Obwohl die Göttin Furrina nicht nur einen eigenen Flamen Furrinalis, sondern auch ein Fest. die Furrinalia am 25. Juli, und einen heiligen Hain im Trastevere besaß, so bezeugt doch Varro (de l. l. VI 19, vgl. auch V 84. VII 45), daß zu seiner Zeit kaum ihr Name noch einzelnen Leuten bekannt war, und es ist bloße Spielerei mit dem Namen, wenn Cicero sie für gleichbedeutend mit den F. oder Eumeniden erklärt und wenn Neuere sie mit den in zwei stadtrömischen Inschriften erwähnten Forinae zusammengebracht haben, bei denen sowohl die Namensform wie die Mehrzahl beweist, daß sie mit Furrina [310] nichts zu tun haben‘, vgl. auch v. Wilamowitz Griech. Trag. übers. VII (Aisch. Eum.) S. 12, 2. Schon durch den sprachlichen Zusammenhang ihres Namens mit furere (s. o.) empfahlen sich unter den verschiedenen Rache- und Quälgeistern im italischen Volksglauben gerade die F. zur Identifikation mit den Erinyen der Griechen, und die Verschmelzung beider vollzog sich wohl hauptsächlich auf der Bühne, durch das griechische Theater, vgl. tragicae Erinyes, Prop. II 20, 29. Schon Ennius brachte diese Rachegöttinnen in seinem Alcumaeo (scaen. 30 Vahl.2 = 28 Ribb.) in griechischer Weise mit Fackeln und Schlangen auf die Bühne: während sich der Muttermörder Alcumaeo (Ἀλκμαίων), wie sein Vorbild Orestes von den Qualen seines Gewissens verfolgt, in einem berühmten Canticum in die Schilderung seines Leides versenkt, da steigen vor seinem Geiste die Schreckgestalten auf, mit brennenden Fackeln sieht er sie auf sich eindringen. vgl. Ribbeck Röm. Dichtg. I 31. Pacuvius ferner ließ, vielleicht in seiner Hermiona, Orest auf des Pylades Mahnung bei Apoll Erlösung suchen von den F.: vor diesen hat er sich in den Tempel geflüchtet; aber an der Schwelle harren sie ihres Opfers, und kaum tritt er heraus, so stürzen sie von neuem auf ihn, Serv. Aen. IV 173. Ribbeck Röm. Dichtg. I I71f. Und so ward beinahe sprichwörtlich der von den F. gehetzte Orestes scelerum furiis agitatus Orestes bei Verg. Aen. III 331, Agamemnonius scaenis agitatus Orestes, Verg. Aen. IV 471, vgl. Cic. pro S. Roscio Am. 66f. Hor. sat. II 3, 135. An Ennius scaen. 30 Vahl.2 (cum ardentibus taedis) klingt Cicero an in der Aisch. I 190 nachgebildeten Stelle pro S. Roscio Am. 67 nolite putare quemadmodum in fabulis saepenumero videtis eos ... agitari et perterreri Furiarum taedis ardentibus, ganz ähnlich Cic. in Pis. 46 nolite putare ut in scaena videtis homines consceleratos impulsu deorum terreri Furiarum (furialibus) taedis ardentibus und de leg. I 40 ut eos agitent insectenturque furiae non ardentibus taedis sicut in fabulis sed angore conscientiae fraudisque cruciatu, vgl. noch Cic. in Clod. I 6; pro Sulla 76. Selbst die Historiker nehmen gelegentlich zum Zweck anschaulicher Vergleichung auf die Erscheinung der F. Bezug, sei es in Anlehnung noch an altitalisch-etruskische Vorstellungen, sei es im Sinne der griechischen Erinyen, vgl. Liv. VII 17, wo die Priester der Falisker und Tarquinier facibus ardentibus anguibusque praelatis incessu furiali auf das römische Heer sich stürzen, um es in Schrecken zu setzen, ferner Tac. ann. XIV 30, wo von Weibern die Rede ist, die auf der Insel Mona zwischen den feindlichen Reihen durchliefen in modum Furiarum quae veste ferali, crinibus deiectis faces praeferebant. ,Im ganzen ziehen jedoch die augusteischen Dichter die griechischen Ausdrücke Erinyen und Eumeniden oder auch die einzelnen Namen wie Alekto (bezw. Allecto) und Tisiphone vor, während die nachaugusteischen wie Valerius Flaccus, der Tragiker Seneca, Statius die lateinische Benennung Furia ebenso häufig anwenden wie die griechischen; nirgends aber ist ein Unterschied in der Bedeutung bemerkbar ... in allen wesentlichen Zügen schließen sich die F. der römischen Dichter den [311] Erinyen an ...‘ Rapp bei Roscher Mythol. Lex. I 1562, 19ff. Während Iuno bei Verg. Aen. VII 323ff., um den Krieg gegen die verhaßten Teukrer zu entflammen, die scheußliche Erinys Allecto aus dem Tartaros emporruft (vgl. Ribbeck Röm. Dichtg. II 75), bedient sich bei Ovid. met. IV 451ff. (in der Geschichte von Ino und Athamas) dieselbe Göttin in gleichem Sinne der Tisiphone. Volkskundlich interessant ist bei Ovid, der überhaupt ja in seine Darstellung wertvolle volkstümliche Züge verwoben hat, griechischem und auch römischem Volksaberglauben entlehnt (s. z. B. o. Art. Fames), die Bereitung des scheußlichen Giftsaftes, des furiale venenum, das die F. den beiden, Ino und Athamas, in die Brust gießt, dessen Ingredienzien sind: Schaum vom Maul des Kerberos und Schleim der Echidna, unsteter Irrsinn, Vergessenheit dumpfer Betäubung, Frevel und Tränen und Wut und Verlangen nach Mord, alles mit frischem Blute gemengt, im Hexenkessel gekocht und umgerührt mit dem grünen Stengel des Schierlings, vgl. v. 500ff. Besonders hervorgehoben wird von den römischen Dichtern die Ausstattung der F. mit Schlangen, vgl. Aisch. Cho. 1049f. πεπλεκτανημέναι πυκνοῖς δράκουσιν, seit Ennius scaen. 30 Vahl.2 (caerulea incinctae angui); sie haben Schlangen statt der Haare, vgl. Catull. 64, 193f. (anguino redimita capillo frons). Tibull. I 3, 69 (inpexa feros pro crinibus angues, ebenso Myth. Vat. I 109). Verg. Aen. VII 329 (tot pullulat atra colubris). Claudian. de raptu Pros. I 39 (crinita sontibus hydris, vgl. Myth. Vat. II 12 serpentibus crinitae), oder sie haben Schlangen in die Haare geflochten, Hor. c. II 13, 35f. (intorti capillis Eumenidum recreantur angues, nämlich bei des Orpheus Gesang), welche Stelle vorbildlich geworden für Verg. Georg. IV 481ff. (caeruleos implexae crinibus angues Eumenides), wie auch noch Ovid met. X 45f. unter der Macht dieses Gesanges der Eumeniden Wangen von Tränen feucht werden läßt; ferner vgl. Ovid. met. IV 454 (cum suis atros pectebant crinibus angues) und 475 usw.; zuweilen läßt die Furie zwei der Schlangen aus dem Haar sich aufrichten, Verg. Aen. VII 450, wozu vgl. Ovid. met. IV 195. Lucan. IX 634. Durchaus in Übereinstimmung ist es mit Darstellungen etruskischer Kunst, daß die F. Schlangen als Schreckmittel um die Arme gewunden haben, Verg. Aen. VI 571f. (torros sinistra intentans anguis). Ovid. met. IV 491 (nexa vipereis distendens bracchia nodis), vgl. Liv. VII 17, und wie die Schlangen von den F. statt Armbändern getragen werden, dienen sie auch als Halskette, werden als Gürtel um den Leib geschlungen und züngeln um Schultern und Brust. Ovid. her. II 119 (brevibus torquata colubris); met. IV 483 (torto incingitur angue). 493f. (pars iacent umeris, pars circum pectora lapsae sibila dant saniemque vomunt linguaque coruscant). Die Schlangen zischen, deshalb wird auch den F. selbst ein Zischen zugeschrieben, Stat. silv. III 3, 26 (Furiarum sibila), vgl. Verg. Aen. VII 447 (tot Erinys sibilat hydris). Neben den Schlangen sind Fackel und Geißel Hauptattribute wie der Erinyen so auch der F. Zu Ennius scaen. 30 Vahl.2 (cum ardentibus taedis) vgl. Cic. pro S. Roscio Am. 67; in Pis. 46; de leg. I 40; in Clod. I 6, ferner auch Liv. VII 17. Tac. ann. XIV 30. [312] Dazu gehört das Schleudern des Feuerbrandes, Verg. Aen. VII 456f., die bluttriefende Fackel der Tisiphone bei Ovid. met. IV 481f. und der theatralische Effekt, wie er dem Dichter vom Auftreten der F. auf der Bühne vorschweben mochte, v. 508f., wo Tisiphone durch Schwingen der Fackel im Kreise herum ein Feuerrad bildet, ferner vgl. Ovid. her. XI 103. Lucan. III 15. Sil. Ital. II 610f. Claudian. XX 484. XXXV 215f. XXXVI 386f. Bei Seneca erscheint die Fackel sozusagen als stehendes Attribut, vgl. Herc. f. 100f. 987; Thyest. 251f.; Oed. 162; Med. 15; Ag. 798; Herc. Oet. 675. 1009 u. s. f. Für die Geißel vgl. Verg. Aen. VI 570. VII 451, auch VII 336. Sen. Herc. f. 88. 987. Lucan. VI 731. 747. Val. Flacc. VIII 20. Stat. Theb. III 630. Sil. Ital. II 530. 625. Claudian. LXXIV 5 u. s. f. Besonders betont wird der Peitschenknall, der dem auf den Blitz (wofür die Peitsche das Symbol) folgenden Donner entspricht, Verg. Aen. VII 451 (verbera insonuit, sie ließ die Peitsche knallen), vgl. auch Sen. Herc. f. 987; an eine aus Nattern gewundene Geißel (vgl. die bei Nonnos wiederholt genannte ἐχιδνήεσσα ἱμάσθλη, z. B. Dion. X 38. XLIV 261) ist wohl zu denken bei Sen. Herc. fur. 88 (viperea verbera). Val. Flacc. VIII 20 (torto Furiarum flagello). Auch von Beflügelung ist die Rede, Verg. Aen. VII 408 (fuscis tristis dea tollitur alis, ähnlich VIII 369 von der Nox), vgl. auch VII 476 (Stygiis alis). VIII 701. XII 848 (ventosae alae). 855ff., was zumal im Hinblick auf die erwähnten weiblichen Daimonen auf etruskischen Aschenkisten verständlich ist, aber auch auf Grund der Wesensgleichheit der F. mit den Erinyen (ἄπτεροι bei Aisch. Eum. 51. 250, dagegen πτεροφόροι bei Eurip. Orest. 317, vgl. auch Iph. Taur. 289). Schwarz ist ihre Farbe wie die der Erinyen, vgl. das oben Gesagte über die Herleitung ihres Namens von furvus und ihren Zusammenhang mit den aquili dii, ferner atra bei Verg. Aen. VII 329. Ovid. her. XI 103. Sil. Ital. II 529. XIII 575. Feuer sprüht aus ihren Haaren, Sen. Herc. f. 87 (ignem flammeae spargant comae), daher ihr Epitheton flammifera. ebd. v. 987, wozu Ennius scaen. 29 Vahl.2, wo bereits von der flammifera vis die Rede; feuerschnaubend erscheint die F. bei Stat. Theb. I 107f. (igneus atro ore vapor); ,sie gleißt von Gift und Geifer‘, Stat. Theb. I 106f., vgl. Verg. Aen. VII 341. Ovid. met. IV 494. 500ff. Wie die Κὴρ ὀλοή bei Hom. Il. XVIII 538 ist sie gelegentlich angetan mit bluttriefendem Gewande, Verg. Aen. VI 555. Ovid. met. IV 482f. usw. Die augusteischen Dichter halten sich gewöhnlich an die seit Euripides (Orest. 408. 1650; Tro. 457) geläufige Dreizahl dieser Schwestern, vgl. z. B. Ovid. met. VIII 481 (poenarum deae triplices), während bei den spätern, wohl wieder mehr der ursprünglichen Bedeutung der gespenstischen F. gemäß, eher eine unbestimmte Zahl, furiarum agmina, cohors, turba, globi erscheinen, vgl. Sen. Herc. f. 101 (agmen); Thyest. 78 (f. agmina). 250 (f. cohors); Oed. 162 (turba sororum); Med. 966 (turba f.). Val. Flacc. II 227 (agmina Eumenidum). III 217 (Eumenidum globi) usw., auch die sprichwörtliche Redensart mens otiosa in mille furias incidit, App. sententiar. 95 Ribbeck (Scaen. Romanor. poesis frg.² II p. 373). Die drei F. Alecto, Megaera, [313] Tisiphone stammen von Aether und Terra ab, Hyg. fab. praef. p. 10, 5 Sch., vgl. der Erinyen Herkunft von Gaia und Uranos bei Hesiod. theog. 185; für gewöhnlich aber ist die Nacht ihre Mutter (vgl. Aisch. Eum. 321f. 416. 745. 792f.), Verg. Aen. VI 250. VII 331 (Allecto virgo sata Nocte). XII 846 (Nox intempesta). 860 (sata Nocte). Ovid. met. IV 452 (Nocte genitae). Val. Flacc. III 252 (Nocte satae). Sil. Ital. II 531 (Noctis alumna); ihr Vater ist Pluton selbst, Verg. Aen. VII 327, wie sie auch in den Orph. Hymnen LXVIII 8. LXIX 2 als des Hades Töchter erscheinen, wogegen Serv. Aen. VII 327 bemerkt: venerationis est ,pater‘; nam furiae Acherontis et Noctis filiae sunt, ebenso Myth. Vat. II 12; auch Stat. Theb. XII 559 heißt Acheron sator Eumenidum, vgl. auch XI 69. 150 (Verg. Aen. VII 569f. Val. Flacc. IV 73f.), s. o. Bd. I S. 218f., wogegen Stat. Theb. XI 136 für die Furie Erebo sata virgo hat. Für gewöhnlich stehen die F. im Dienste des Pluton, Fulg. myth. I 7 p. 20 Helm. Myth. Vat. I 109. II 12. III 6, 23; sie heißen famulae Ditis, Sen. Herc. f. 100 usf.; in der Unterwelt sind sie zu Hause, vgl. Verg. Aen. VI 280 (ferrei Eumenidum thalami), wozu Stat. Theb. I 598, für Tisiphone vgl. Aen. VI 571, für Allecto VII 324, für Megaera XII 846; sie heißen Tartareae Verg. Aen. VII 327. XII 846. Stat. Theb. V 66. Dracont. X 449, vgl. Verg. Aen. VII 479 Cocytia virgo, ferner Stygiae, Stat. Theb. IV 53f. X 833. XI 415. 576 (XII 215); Stygiae sorores für die Parzen Lucan. IX 838. Nach der gewöhnlichen Annahme also sind alle drei F. in der Unterwelt zu Hause, Aen. XII 845ff. gibt Vergil durch das einleitende dicuntur zu verstehen, daß er hier einer besondern Version folge, nach der nur die Megaera in der Unterwelt wohnte (weshalb er sie Tartarea nennt), wogegen die beiden andern (geminae pestes cognomine Dirae) als Dienerinnen des Zeus an dessen Thron zur Hand sind, seiner Befehle gewärtig, vgl. auch Val. Flacc. IV 74f. (Erinys respiciens celsi legem Iovis). Dirae ist eine weitere selbständige Bezeichnung für die F., vgl. Verg. Aen. IV 473 und 610 (beidemal Dirae ultrices). VIII 701. XII 845. 869, wozu Verg. Aen. VII 324 und 454 (dirarum ab sede dearum, sororum); ferner Val. Flacc. IV 586. V 445 (Kopie von Aen. IV 473), vgl. Sen. Thyest. 78 und 250 (dira furiarum agmina, cohors); Herc. Oet. 675 und 1009 (dira lampade, face), besonders auch 1011. 1016 (dira Tisiphone). Aus Aen. XII 845ff. heraus konstruiert Servius folgenden Unterschied in der Benennung der F.: ,dirae‘ in caelo sunt, ,furiae‘ in terris, ,eumenides‘ apud inferos ... sed haec nomina confundunt poetae, Serv. Aen. IV 609. XII 846; dazu kommt die gelegentliche Identifizierung der F. mit den Harpyien, Serv. Aen. III 209: sane apud inferos furiae dicuntur et canes, apud superos dirae et aves, in medio vero harpyiae dicuntur, wozu Comm. Lucan. VI 733: canes furias dixit; apud inferos enim furiae dicuntur, apud superos canes, in caelo dirae; wenn es aber bei Verg. Aen. VII 324f. heißt, dirarum ab sede dearum infernisque tenebris rufe die Iuno die Allecto herbei, so sind doch deutlich der Wohnsitz der Diren und die unterweltliche Finsternis nicht als etwas Verschiedenes, sondern als eins zu verstehen. [314] Mit den Harpyien vergleicht die Erinyen schon die delphische Priesterin bei Aisch. Eum. 50f,; die Verwandtschaft auch der F. mit den Harpyien führte zur Vermischung dieser Gestalten, vgl. Verg. Aen. III 252, wo die Harpyie Kelaino sich selber als der F. älteste bezeichnet, wie Aen. VI 605 eine der wirklichen F. (Tisiphone?) Furiarum maxima heißt; für die Identifizierung vgl. auch Serv. Aen. III 209. 252. Lact. Plac. z. Stat. Theb. VIII 255. Myth. Vat. I 27. II 13. III 15. 5. Daß die F. zumal der Unterwelt zugehörig erscheinen, entspricht wie der griechischen Auffassung der Erinyen, so auch der altitalischen von den F., ebenso, daß sie die römischen Dichter vorwiegend in den Tartaros versetzen, den Ort der Verdammten, um an dessen eisernem Tor Wache zu halten und an den Seelen der Bösen ihr Straf- und Racheamt zu versehen, nicht unähnlich den Larvae, Gestalten des italischen Volksaberglaubens, die gleichfalls in der Unterwelt der Sünder Seelen plagen, vgl. die sprichwörtliche Redensart cum mortuis non nisi larvas luctari, Plin. n. h. praef. 31. Otto Sprichw. und sprichwörtl. Redensarten d. Römer 230; im Tartaros geißelt Tisiphone die Schuldigen und schreckt sie mit ihren Schlangen, Verg. Aen. VI 570ff. Tibull. I 3, 67ff. Ovid. met. IV 451ff. Sen. Herc. f. 989ff. Unterweltsdaimonen sind die F., Gottheiten des Todes und des Verderbens ganz allgemein, vgl. z. B. Verg. Aen. VII 324ff., wo es von der luctifica Allecto heißt cui tristia bella iraeque insidiaeque et crimina noxia cordi; sie stiften verderbliche Zwietracht und Haß, ebd. v. 335ff. 455. Sen. Thyest. 251 (discors Erinys), schrecken die armen Sterblichen, sind Urheberinnen von Krankheit und Sterben der Völker, Verg. Aen. XII 850ff. Stat. Theb. I 108f. Bei Verg. Aen. VII 346ff. versetzt Allecto die Amata dadurch, daß sie ihr eine ihrer Schlangen in den Busen schleudert, in Wut und Wahnsinn; dasselbe erzählt Ovid. met. IV 490ff. von der Tisiphone, und wenn es Ovid. met. I 241. IX 14 fera, insana regnat Erinys heißt, so ist das etwa gleichbedeutend mit unserer Redensart ,Alle Teufel sind los!‘ Der Wahnsinn, den die F. ihrem Namen gemäß erregt durch Fackel und Peitsche, zumal durch die Geißelschläge (furiarum verbera Stat. Theb. III 630, vgl. Sil. Ital. II 530. 625), begleitet sie als personifizierte Insania zusammen mit Luctus, Pavor und Terror bei Ovid. met. IV 484f. Über die weitere Bedeutung der F. ist zu handeln im Zusammenhang mit den Erinyen, in deren Funktionen sie ja eintreten, so namentlich über die mutmaßliche ursprüngliche Naturbedeutung, ihr Zurückgehen auf die Wetter- und Gewitterwolke, über ihre Parallelen in der Vorstellung anderer Völker, ihre Verwandtschaft z. B. mit den Gespenstern des deutschen Volksglaubens, die gleichfalls geflügelt, feurig gedacht werden, in der Nacht und im Wütenden Heer dahinfahrend, vgl. Grimm D. Myth.3 865ff.; über diese Dinge vgl. besonders auch die trefflichen Artikel Erinys und Furiae von Rapp in Roschers Myth. Lex. I 1310–1336. 1559–1564, für weitere Epitheta s. Carter Epith. deor. quae ap. poetas Lat. leguntur, unter Furiae (p. 39), Erinyes (Eumenides) und Erinys (p. 35f.), Allecto (p. 7), Megaera (p. 67) und Tisiphone (p. 98).

[Waser. ]