Anthologie auf das Jahr 1782
Unergründlicher Nimmersatt in der
ganzen Natur!
Mit unterthänigstem Hautschauern unterfange ich mich, deiner gefräßigen Majestät klappernde Phalanges zu küssen, und dieses Büchlein vor deinem dürren Kalkaneus in Demut niederzulegen. Meine Vorgänger haben immer die Weise gehabt ihre Sächlein und Päklein, dir gleichsam recht vorsezlich zum Aerger, hart an deiner Nase vorbei, ins Archiv der Ewigkeit transportiren zu lassen, und nicht gedacht, daß sie dir eben dadurch um so mehr das Maul darnach wässern machten, denn auch an dir wird das Sprüchwort nicht zum Lügner: Gestohlen Brod schmeckt gut. Nein! dediziren will ich dir’s lieber, so bin ich doch gewiß, daß du’s – weit weglegen werdest.
[VI] Doch Spaß beiseite! – Ich denke, wir zween kennen uns genauer, denn nur vom Hörensagen. Einverleibt dem äskulapischen Orden, dem Erstgebornen aus der Büchse der Pandora, der so alt ist als der Sündenfall, bin ich gestanden an deinem Altare, habe, wie der Sohn Hamilkars den sieben Hügeln, geschworen unsterbliche Fehde deiner Erbfeindin Natur, sie zu belagern mit Medikamenten Heereskraft, eine Wagenburg zu schlagen um die Stahlische Seele, aus dem Feld zu schlagen mit Sturm die Trozige die deine Sporteln schmälert, und deine Finanzen schwächt, und auf dem Wahlplaz des Archaeus hoch zu bäumen deine mitternächtliche Kreuzstandarte. – Dafür nun (denn eine Ehre ist werth der andern) wirst du mir auswürken den köstlichen Talisman, der mich mit heiler Haut und ganzer Wolle an Galgen und Rade vorübergeleitet –
Jusque datum sceleri –
Ey ja doch! Thue das goldiger Maezenas; denn siehst du, ich möchte doch nicht [VII] gern, daß mirs gienge wie meinen tollkühnen Kollegen und Vettern, die mit Stilet und Sakpuffer bewaffnet in finstern Hohlwegen Hof halten, oder im unterirrdischen Laboratorium das Wunderpolychrest mischen, das, wenns hübsch fleißig genommen wird, unsere politische Nasen, über kurz oder lang, mit Thronvakaturen und Staatsfiebern kizelt. – D’amiens und Ravaillac! – Hu! hu! hu! – Es ist ein gut Ding um gerade Glieder!
Ob du auch deinen Zahn auf Ostern und Michaelis gewezt hast? – Die grose Bücherepidemie in Leipzig und Frankfurt! – Juch heisa Dürrer! – wird ein königlich Fressen geben. Deine fertigen Mäkler, Völlerey und Brunst liefern dir ganze Frachten aus dem Jahrmarkt des Lebens. – Selbst der Ehrgeiz dein Großpapa, Krieg, Hunger, Feuer und Pest deine gewaltigen Jäger haben dir schon so manche fette Menschenklopfjagd gehalten – Geiz und Golddurst, deine mächtigen Kellermeister trinken dir ganze schwimmende Städte im [VIII] sprudelnden Kelch des Weltmeers zu. – Ich weiß in Europa eine Küche, wo man dir die raresten Gerichte mit Festtagsgepränge auf die Tafel gesezt hat – Und doch – wer hat dich je satt gesehen, oder über Indigestionen klagen gehört? – Eisern ist deine Verdauung; grundlos deine Gedärme!
Puh – Ich hätte dir noch so manches zu sagen, aber ich tummle mich, daß ich wegkomme – Du bist ein garstiger Schwager – Geh – Du machst dir Rechnung, höre ich, eine Generalcollazion zu erleben, wo dir Groß und Klein, Weltkugeln und Lexika, Philosophieen und Puzwerk in Rachen fliegen sollen – Guten Appetit, wenns so weit kommt! – Doch, Hungerwolf der du bist! siehe zu, daß du dich da nicht überessest, und deinen ganzen Fraß haarklein wiedergeben müssest, wie dir’s ein gewisser Athenienser, der dir gar nicht wohl will, prophezeyt hat.
[IX]
– Tum primum radiis gelidi incaluere Triones. –
Blumen in Sibirien? – Dahinter stekt eine Schelmerey, oder die Sonne muß Front gegen Mitternacht machen. – „Und doch – wenn ihr euch auf den Kopf stelltet! Es ist nicht anders; – Wir haben lange genug Zobel gefangen, laßt’s uns einmal auch mit Blumen versuchen. Sind nicht schon Europäer genug zu uns Stiefsöhnen der Sonne gekommen, und durch unsern hundertjährigen Schnee gewatet, irgend ein bescheidenes Blümchen zu pflücken? Schande unsern Ahnen – wir wollen sie selbst sammeln, und einen ganzen Korb [X] voll nach Europa frankiren. – Zertretet sie nicht, ihr Söhne des milderen Himmels!
Aber im Ernst zu reden – Das eiserne Gewicht des widrigen Vorurtheils, das schwer über dem Norden brütet, von der Stelle zu räumen, foderte einen stärkeren Hebel als den Enthusiasmus einiger wenigen, und auch ein festeres Hypomochlion als die Schultern von zween oder drey Patrioten. Doch wenn schon auch diese Anthologie euch lekerhafte Europäer, so wenig, als – wenn ich den Fall seze – unser Musenalmanach, den wir – wenn ich ja den Fall sezen wollte – hätten können geschrieben haben, mit uns Schneemännern versöhnen wird, so bleibt ihr doch mindestens das Verdienst, Hand in Hand mit ihren Kamerädinnen im weitentlegenen Teutschland dem ausröchelnden Geschmack den G’nikfang geben [XI] zu helfen, wie wir Tobolskianer zu sprechen belieben.
Wenn eure Homere im Schlaf reden, und eure Herkules Müken mit ihren Keulen erschlagen – Wenn jeder, der seinen bezahlten Schmerz in Leichenalexandriner auszutropfen versteht, das für eine Vokazion auf den Helikon auslegt – wird man uns Nordländern verdenken mitunter auch in den Leyerklang der Musen zu klimpern? – Eure Matadore wollen Silbergeld gemünzt haben, wenn sie ihr Brustbild auf elendes Meßing prägten; – und zu Tobolsko werden die Falschmünzer aufgehangen. Zwar möcht ihr oft auch bei uns Papiergeld statt rußischen Rubels finden, aber Krieg und theure Zeit entschuldigen alles.
So geh dann hin, Sibirische Anthologie – Geh – du wirst manchen Süßling beseeligen, [XII] wirst von ihm auf den Nachttisch seiner Herzeinzigen gelegt werden, und zum Dank ihre alabasterne Lilienschneehand seinem zärtlichen Kuß verrathen. – Geh – du wirst in den Assembleen und Stadtvisiten manchen gähnenden Schlund der Langenweile ausfüllen, und vielleicht eine Circassienne ablösen, die sich im Plazregen der Lästerung müde gestanden hat. – Geh – du wirst die Küche mancher Kritiker berathen; sie werden dein Licht fliehen, und sich gleich den Käuzlein in deinen Schatten zurükziehen. – Hu hu hu! – Schon hör ich das ohrzerfezende Geheule im unwirthbaren Forst, und hülle mich angstvoll in meinen Zobel.
[XIII]
Die Journalisten und Minos 1781. | Seite 1 |
Fantasie an Laura | 7 |
Bacchus im Triller | 12 |
An die Sonne | 16 |
Laura am Klavier | 19 |
Die Herrlichkeit der Schöpfung, eine Fantasie | 22 |
Elegie auf den Tod eines Jünglings | 26 |
Der wirthschaftliche Tod | 32 |
Roußeau | 33 |
An den Galgen zu schreiben | 37 |
Die seeligen Augenblike an Laura | 38 |
Spinoza | 41 |
Die Kindsmörderin | 42 |
Aufschrift einer Fürstengruft | 48 |
In einer Bataille von einem Offizier | 49 |
Grabschrift | 53 |
[XIV]
An die Parzen | Seite 54 |
Der Triumf der Liebe, eine Hymne | 58 |
Klopstock und Wieland (als ihre Silhouetten neben einander hiengen) | 68 |
Gespräch | 69 |
Vergleichung | 70 |
Die Rache der Musen, eine Anekdote vom Helikon | 72 |
Das Glück und die Weisheit | 76 |
Räzel | 77 |
An einen Moralisten, Fragment | 78 |
Grabschrift eines gewissen - Physiognomen | 81 |
Eine Leichenfantasie 1780 (in Musik zu haben beim Herausgeber) | 82 |
Aeschylus | 87 |
Der hypochondrische Pluto, Romanze | 88 |
Die Buße | 99 |
Aktäon | 100 |
Zuversicht der Unsterblichkeit | 100 |
Vorwurf an Laura | 101 |
Die Alten und Neuen | 105 |
Der einfältige Bauer | 106 |
Edgar an Psyche | 107 |
Sitten und Zeiten | 109 |
Ein Vater an seinen Sohn | 110 |
Die Meßiade | 111 |
Oßians Sonnengesang * aus dem Gedichte Karthon (in Musik zu haben beym Herausgeber) | 112 |
[XV]
In Fulda’s Wurzellexikon | Seite 114 |
Kastraten und Männer | 115 |
Doktor Pandolff | 122 |
An den Frühling | 123 |
Polizeyordnung | 124 |
Die alten und neuen Helden | 125 |
Unterschied der Zeiten | 125 |
Hymne an den Unendlichen | 126 |
Auf den Herrn R * | 127 |
Die Gröse der Welt | 128 |
Gegründete Furcht | 130 |
Passantenzettel am Thor der Höllen | 131 |
Meine Blumen | 132 |
Fluch eines Eifersüchtigen | 134 |
Das Geheimniß der Reminiszenz, an Laura | 137 |
Gruppe aus dem Tartarus | 147 |
Die Freundschaft, (aus den Briefen Julius an Raphael; einem noch ungedrukten Roman) | 148 |
An Fanny | 152 |
Gefühl am ersten Oktober 1781 | 156 |
Peter | 162 |
Der Wirtemberger | 162 |
An mein Täubchen | 163 |
Melancholie an Laura | 166 |
Die Pest, eine Fantasie | 173 |
Das Muttermahl | 174 |
[XVI]
Die Spinne und der Seidenwurm | Seite 175 |
Monument Moors des Räubers | 177 |
Auf Chloes Geburtstag den 4. Januar | 181 |
Morgenfantasie | 184 |
Lied eines abwesenden Bräutigams | 187 |
An Minna | 190 |
Der Unterschied | 193 |
Elisium, eine Kantate | 196 |
Quirl | 198 |
Semele, eine lyrische Operette von zwey Scenen | 199 |
Die Büchse der Pandora | 243 |
Die schlimmen Monarchen | 244 |
Graf Eberhard der Greiner von Wirtemberg | 251 |
Alte Jungfern | 257 |
An Gott | 258 |
Baurenständchen | 260 |
Der Satyr und meine Muse | 263 |
Die Winternacht | 268 |