Lied eines abwesenden Bräutigams
Verfliegen noch zwey Jahre, dann
Nenn’ ich mein Mädchen mein!
Und gieng es noch so schlimm, es kann
Kein ganzes drüber seyn!
Zwar eine hübsche Zeit!
Doch die zwey längsten Jahre sind
Lang keine Ewigkeit!
Und ist nicht diese ganze Zeit
Sie wirds gewiß nicht mehr als heut
In zehen Jahren seyn!
Zwar dann in meinen Armen mein,
Und das ist freilich viel!
Ist auch kein Kinderspiel.
Der Freude wird die Zeit nicht lang
Und mir ist bis dahin
Deswegen nicht für Freuden bang
Dann bin ichs nur, so giebt sie mir
Solch einen Vorrath mit,
Der mich mit guter Laune schier
Ein Vierteljahr versieht.
Das macht das Jahr durch vier!
Das sind nur wenig – denkt ihr zwar
Doch schmek ich die dafür
Die ich bekomme, mehr als ihr!
Und erst vier Wochen drauf wird mir
Die Wange wieder kühl!
Zwey hab ich noch für heuer gut,
Zwey hab ich schon geschmekt,
Die ihr euch ewig lekt!
Zwey hab’ ich jezt noch gut – die zwey
Nicht einen gäb ich euch
Um tausend andre, meiner Treu!
Den dritten hol’ ich bald bey ihr!
Wie fliegt die Zeit vorbey?
O Mädchen! Mädchen! bleibe mir
Nur noch zwey Jahre treu.
Doch zur Beständigkeit
Du lieber Gott! – zwey Jahre sind
Gar eine lange Zeit!
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Die Autorschaft des Textes ist nicht zu hundert Prozent geklärt, da sich die Chiffre G. nicht mit Sicherheit einem bestimmten Schriftsteller zuordnen lässt.
Eduard Bülow kann die Chiffre keinem bestimmten Autor zuordnen.
Eduard Boas vermutet Ferdinand Friedrich Pfeifer als Autor.
Edmund Goetze hingegen schreibt die Chiffre G. (sowie die Chiffren Ha. und U.) Johann Christoph Friedrich Haug zu. Aus diesen Chiffren kann auch der Name "Haug" gebildet werden.
Genaueres in:- Edmund Goetze: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen von Karl Goedeke. Zweite ganz neu bearbeitete Auflage. Fünfter Band - Vom siebenjährigen bis zum Weltkriege. Zweite Abteilung. Dresden: Verlag von L. Ehlermann, 1893, Seite 165f.
- Eduard Boas; Wendelin von Maltzahn (Hrsg.): Schiller’s Jugendjahre. – Zweiter Band. Hannover: Carl Rümpler, 1856. Seite 205 f.
- Friedrich Schiller; Eduard Bülow (Hrsg.): Anthologie auf das Jahr 1782 von Friedrich Schiller — Mit einer einleitenden Abhandlung über das Dämonische und einem Anhange neu herausgegeben von Eduard Bülow. Heidelberg: Verlag von Bangel & Schmitt; Hoffmeister’sche Univ.-Buchhandlung, 1850. Seite XXXIX. f.