Der Triumf der Liebe, eine Hymne

Textdaten
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Autor: Friedrich Schiller
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Titel: Der Triumf der Liebe
Untertitel: Eine Hymne
aus: Anthologie auf das Jahr 1782, S. 58 – 68
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1782
Verlag: J. B. Metzler
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Originalsubtitel:
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[58]
Der Triumf der Liebe,
eine Hymne.


     Seelig durch die Liebe
     Götter – durch die Liebe
          Menschen Göttern gleich!
     Liebe macht den Himmel

5
     Himmlischer – die Erde

          Zu dem Himmelreich.

Einstens hinter Pyrrhas Rüken,
     Stimmen Dichter ein,
Sprang die Welt aus Felsenstüken,

10
     Menschen aus dem Stein.


Stein und Felsen ihre Herzen
     Ihre Seelen Nacht,
Von des Himmels Flammenkerzen
     Nie in Glut gefacht.

[59]
15
Noch mit sanften Rosenketten

Banden junge Amoretten
     Ihre Seelen nie –
Noch mit Liedern ihren Busen
Huben nicht die weichen Musen

20
     Nie mit Saitenharmonie.


Ach! noch wanden keine Kränze
     Liebende sich um!
Traurig flüchteten die Lenze
     Nach Elisium.

25
Ungegrüßet stieg Aurora

     Aus dem Schoos Ozeanus.
Ungeküsset sank die Sonne
     In die Arme Hesperus.

Wild umirrten sie die Hayne,

30
Unter Lunas Nebelscheine,

     Trugen eisern Joch.
Sehnend an der Sternenbühne
Suchte die geheime Thräne
     Keine Götter noch.



[60]
35
Und sieh! der blauen Flut entquillt

Die Himmelstochter sanft und mild,
     Getragen von Najaden
     Zu trunkenen Gestaden.

Ein jugendlicher Mayenschwung

40
Durchwebt wie Morgendämmerung

     Auf das allmächtge Werde
     Luft, Himmel, Meer, und Erde.

Schon schmilzt der wütende Orkan,
(Einst züchtigt’ er den Ozean

45
     Mit rasselndem Gegeissel)

     In lispelndes Gesäusel.

Des holden Tages Auge lacht
In düstrer Wälder Winternacht,
     Balsamische Narzissen

50
     Blühn unter ihren Füßen.
[61]

Schon flötete die Nachtigall
     Den ersten Sang der Liebe.
Schon murmelte der Quellen Fall
     In weiche Busen Liebe.

55
     Glükseeliger Pygmalion!

     Es schmilzt! es glüht dein Marmor schon!
Gott Amor Ueberwinder!
     Glükseeliger Deukalion,
     Wie hüpfen deine Felsen schon!

60
     Und äugeln schon gelinder!

     Glükseeliger Deukalion,
Umarme deine Kinder!




     Seelig durch die Liebe
     Götter – durch die Liebe

65
          Menschen Göttern gleich.

     Liebe macht den Himmel
     Himmlischer – die Erde
          Zu dem Himmelreich.



[62]

Unter goldnem Nektarschaum

70
Ein wollüstger Morgentraum

     Ewig Lustgelage
     Fliehn der Götter Tage.

     Prächtig spricht Chronions Donnerhorn,
Der Olympus schwankt erschroken

75
Wallen zürnend seine Loken

     Sfärenwirbeln gibt sein Athem Sporn,
Göttern läßt er seine Throne,
Niedert sich zum Erdensohne,
     Seufzt arkadisch durch den Hayn,

80
Zahme Donner untern Füssen,

Schläft, gewiegt von Ledas Küssen,
     Schläft der Riesentöder ein.

Majestätsche Sonnenrosse
     Durch des Lichtes weiten Raum

85
     Leitet Föbus goldner Zaum,

Völker stürzt sein rasselndes Geschosse

[63]

     Seine weissen Sonnenrosse,
     Seine rasselnden Geschosse
Unter Lieb und Harmonie

90
Ha! wie gern vergaß er sie!


Zitternd vor der Götterfürstin
Krümmen sich die Götter, dürsten
     Nach der Gnade goldnem Thau.
Sonnenglanz ist ihre Schminke

95
Myriaden jagen ihrem Winke

     Stolz vor ihrem Wagen prahlt der Pfau.

Schöne Fürstin! ach die Liebe
Zittert mit dem süßen Triebe
     Deiner Majestät zu nahn.

100
Seht ihr Chronos Tochter weinen?

Geister kann ihr Wink verneinen,
     Herzen weißt sie nicht zu fahn.




Seelig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe

[64]
105
     Menschen Göttern gleich.

Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
     Zu dem Himmelreich.




Liebe sonnt das Reich der Nacht,

110
Amors süßer Zaubermacht

Ist der Orkus unterthänig,
Freundlich schmollt der schwarze König
Wenn ihm Zeres Tochter lacht;
Liebe sonnt das Reich der Nacht.

115
Himmlisch in die Hölle klangen

Und den wilden Beller zwangen
     Deine Lieder, Thrazier –
Minos, Thränen im Gesichte,
Mildete die Qualgerichte,

120
Zärtlich um Megärens Wangen

Küßten sich die wilden Schlangen,
     Keine Geissel klatschte mehr,
Aufgejagt von Orfeus Leyer
Flog von Tityon der Geyer

[65]
125
Leiser hin am Ufer rauschten

Lethe und Kozytus, lauschten
     Deinen Liedern Thrazier,
     Liebe sangst du Thrazier.




Seelig durch die Liebe

130
Götter – durch die Liebe

     Menschen Göttern gleich.
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
     Zu dem Himmelreich.




135
     Durch die ewige Natur.

     Düftet ihre Blumenspur,
Weht ihr goldner Flügel.
     Winkte mir vom Mondenlicht
     Afroditens Auge nicht

140
Nicht vom Sonnenhügel?
[66]

     Lächelte vom Sternenmeer
     Nicht die Göttin zu mir her,
Wehte nicht ihr Flügel
     In des Frühlings Balsamhauch

145
     Liebe nicht im Rosenstrauch,

Nicht im Kuß der Weste,
     Stern, und Sonn und Mondenlicht,
     Frühling, Rosen, Weste nicht
Lüden mich zum Feste.

150
     Liebe Liebe lächelt nur

     Aus dem Auge der Natur
Wie aus ihrem Spiegel!

     Liebe rauscht der Silberbach,
Liebe lehrt ihn sanfter wallen;

155
     Seele haucht sie in das Ach

Klagenreicher Nachtigallen,
     Unnachahmliches Gefühl
     In der Saiten Wonnespiel
Wenn sie Laura! hallen.

160
     Liebe Liebe lispelt nur

     Auf der Laute der Natur.

[67]

Weisheit mit dem Sonnenblik,
Große Göttin tritt zurük,
     Weiche vor der Liebe.

165
Nie Erobrern, Fürsten nie

Beugtest du ein Sklavenknie
     Beug es izt der Liebe.
Wer die steile Sternenbahn
Gieng dir Heldenkühn voran

170
     Zu der Gottheit Size?

Wer zerriß das Heiligthum
Zeigte dir Elisium
     Durch des Grabes Rize?
Lokte sie uns nicht hinein,

175
Möchten wir unsterblich seyn?

Suchten auch die Geister
Ohne sie den Meister?
     Liebe Liebe leitet nur
     Zu dem Vater der Natur

180
          Liebe nur die Geister.
[68]

     Seelig durch die Liebe
     Götter – durch die Liebe
          Menschen Göttern gleich.
     Liebe macht den Himmel

185
     Himmlischer – die Erde

          Zu dem Himmelreich.

Y.