Die Journalisten und Minos
Mir kam vor wenig Tagen
Wie? fragt mich eben nicht,
Vom Reich der ewgen Plagen
Die Zeitung zu Gesicht.
Wo noch kein Kopf zerbrach,
Dem Freykorps unsrer Pressen
Wie billig, wenig nach.
Doch eine Randgloß lokte
Denkt! wie das Blut mir stokte,
Als ich das Blatt begann:
„Seit zwanzig herben Jahren“
(Die Post, versteht sich, muß
Hieher vom Erebus)
„Verschmachteten wir Arme
„In bittrer Wassersnoth,
„Die Höll kam in Allarme
„Den Styx kann man durchwaten,
„Im Lethe krebset man,
„Freund Charon mag sich rathen,
„Im Schlamme liegt sein Kahn.
„Hinüber, jung und alt,
„Der Schiffer kommt vom Brode
„Und flucht die Hölle kalt.
„Fürst Minos schikt Spionen
„Die Teufel müssen frohnen,
„Ihm Kundschaft einzuziehn.
„Juhe! Nun ists am Tage!
„Erwischt das Räubernest!
„Komm Hölle komm zum Fest!
„Ein Schwarm Autoren spükte
„Um des Kozytus Rand,
„Ein Dintenfäßgen schmükte
„Hier schöpften sie, zum Wunder
„Wie Buben süssen Wein
„In Röhren von Hollunder,
„Den Strom in Tonnen ein.
„Die Schlingen über sie! –
„Man wird euch schön empfahen
„Kommt nur nach Sanssouci.
„Schon wittert sie der König,
„Und schnauzte drauf nicht wenig
„Die Delinquenten an.
„Aha! sieht man die Räuber?
„Weß Handwerks? Welches Lands?
„Da haben wir den Tanz!
„Schon hätt ich Lust gleichbalden
„Euch, wie ihr geht und steht,
„Bei’m Essen zu behalten,
„Doch schwör’ ichs hier bei’m Styxe,
„Den eure Brut bestahl!
„Euch Marder und euch Füchse
„Erwartet Schand und Qual!
„Spaziert zum Born der Krug!
„Was nur nach Dinten wittert
„Entgelte den Betrug!
„Herab mit ihren Daumen!
„Schon wässert ihm der Gaumen
„Nach einem solchen Schmaus.
„Wie zukten ihre Waden
„Vor dieses Bullen Zahn!
„Und Joli pakte an.
„Man schwört, daß noch der Stumpen
„Sich krampfigt eingedrukt,
„Den Lethe auszupumpen
Und nun, ihr guten Christen
Beherziget den Traum!
Fragt ihr nach Journalisten,
So sucht nur ihren Daum!
Wie Jauner ohne Ohr
Sich helfen mit Perüken, –
Probatum! Gut davor!
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Die Autorschaft des Textes ist nicht zu hundert Prozent geklärt. Die Chiffre Y. kann zwar Friedrich Schiller zugeordnet werden, allerdings gibt Heinrich Döring sowie auch Eduard Boas (dieser änderte später aber seine Meinung) Ferdinand Friedrich Pfeifer aus Pfullingen als Autor an. Bülow und Goetze bezeichnen allerdings Schiller als Verfasser.
Genaueres in:
- Heinrich Döring: Friedrichs von Schiller Leben. Weimar: in der Hofbuchhandlung der Gebrüder Hoffmann.
- Edmund Goetze: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen von Karl Goedeke. Zweite ganz neu bearbeitete Auflage. Fünfter Band - Vom siebenjährigen bis zum Weltkriege. Zweite Abteilung. Dresden: Verlag von L. Ehlermann, 1893, Seite 166f.
- Friedrich Schiller; Eduard Bülow (Hrsg.): Anthologie auf das Jahr 1782 von Friedrich Schiller — Mit einer einleitenden Abhandlung über das Dämonische und einem Anhange neu herausgegeben von Eduard Bülow. Heidelberg: Verlag von Bangel & Schmitt; Hoffmeister’sche Univ.-Buchhandlung, 1850. Seite XXXI.