Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Weishaupt, Adam“ von Daniel Jacoby in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 539–550, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weishaupt,_Adam&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 04:07 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Weishaupt, Samuel
Band 41 (1896), S. 539–550 (Quelle).
Adam Weishaupt bei Wikisource
Adam Weishaupt in der Wikipedia
Adam Weishaupt in Wikidata
GND-Nummer 118766384
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|539|550|Weishaupt, Adam|Daniel Jacoby|ADB:Weishaupt, Adam}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118766384}}    

Weishaupt: Adam W., Stifter des Illuminatenordens und philosophischer Schriftsteller, wurde am 6. Februar 1748 zu Ingolstadt geboren. Sein aus Westfalen stammender Vater war von Würzburg nach Ingolstadt als Professor der Rechte berufen worden. Adam kam, 7½ Jahre alt, in die Jesuitenschule zu Ingolstadt. Lernbegierig, lebhaft, ehrgeizig, wurde er bald ein Liebling seiner Lehrer, die Großes von ihm erwarteten. Früh zeigte er Liebe zu den alten Classikern; auch in die Anfangsgründe der Philosophie wurde er eingeführt. Der Unterricht aber war schlecht, und mit Abscheu erfüllten den Knaben Cicero’s Schriften durch die verkehrte Art, mit der er in sie eingeführt wurde. Für die religiöse Erziehung waren die Jesuiten noch weniger geeignet. W. erzählt selbst – s. „Nachtrag zur Rechtfertigung meiner Absichten“ und „Pythagoras“ –, daß durch fortwährendes Beichten und äußeren Gottesdienst der junge Kopf so bemeistert werden sollte, daß er dereinst bei reiferen Jahren gar kein Bedürfniß nach tieferen Gründen empfände. Jeden Freitag mußten die Schüler „aus dem Canisius ein Stück herplappern“, bei der Prüfung mußte der Schüler ein Räthsel aus dem Canisius auflösen, z. B. wie oft et, in, oder cum in dem vierten Hauptstück stehe; „oder es wurden uns zwei oder drei Worte aufgegeben, wo wir sogleich fortfahren mußten“. 15 Jahre alt verließ er das [540] Gymnasium und begann die akademischen Studien. Sein Fach war die Jurisprudenz, doch zogen ihn die Staatswissenschaften, Geschichte und Philosophie lebhaft an. Ohne Gegenwehr und Vorbereitung lernte er durch Bücher eine neue Welt kennen: in der Bibliothek seines Gönners, des Professors und Directors der Universität v. Ickstatt (s. A. D. B. XIII, 740), der als solcher eine bessere Lehrmethode eingeführt hatte, las er auch Bücher, die die strenge theologische Censur von der Universitäsbibliothek ausschloß. Die französischen Aufklärungsphilosophen waren ihm um so sympathischer und wurden von ihm um so mehr bewundert, als auch sie in ihrer Frühzeit die Despotie der Kirche und der Geistlichkeit kennen gelernt und in früheren Jahren mit glühendem Haß verfolgt hatten. Daß durch die jesuitische Erziehung seine religiöse Entwicklung Schaden gelitten, hat W. klar erkannt; weniger ist ihm zum Bewußtsein gekommen, daß er nicht ohne Gefahr mit der jesuitischen Moral so lang vertraut gewesen war. Der Sinn für Offenheit und Wahrheit, das Ehrgefühl konnten in Jesuitenschulen nicht ausgebildet werden, dagegen gedieh die Kunst der Verstellung und die Sucht, andre zu beherrschen und zu eigenen Zwecken auszunutzen. Bei seiner großen Fassungskraft wurde er 20jährig Doctor der Rechte, 1772 außerordentlicher Professor, nach der ein Jahr darauf erfolgten Aufhebung des Jesuitenordens wurde er nach eigenen Angaben in der „Apologie“ Ordinarius der Juristenfacultät und erhielt die Professur des Kirchenrechts, die vorher 90 Jahre hindurch Eigenthum und Monopol der Jesuiten gewesen. 1775 wurde er beauftragt, über Feder’s praktische Philosophie Vorlesungen zu halten. Dadurch wurde er der natürliche Gegner der jesuitischen, und besonders der Stattlerischen Theologie und Philosophie. Bisher hatte er sich in Grübeleien verloren, jetzt wurde er aus der übersinnlichen Welt auf die Erde und unter Menschen versetzt. Seine praktische Denkart, sagt er im „Pythagoras“, und sein Studium der Menschen verdanke er Feder. Trotz den Anfeindungen der Anhänger des aufgelösten Ordens lehrte er so eifrig und beredt, daß die Jugend aus allen Facultäten ihm zulief, und daß es den Jesuiten unmöglich war, die Schüler ganz an sich zu reißen und ihre Lehre in Baiern herrschend zu machen. Zu keiner Zeit aber, äußert er selbst, war es so gefährlich, als nach Aufhebung des Jesuitenordens, auf der Universität Ingolstadt eine Lehrstelle zu versehen. Luther hatte schon 1524[WS 1] in einer heftigen Flugschrift diese Burg der Jesuiten bekämpft; nach der Aufhebung des Ordens war die unersättliche Herrschsucht seiner früheren Mitglieder nicht vermindert worden.

Um Weishaupt’s Unternehmen richtig zu würdigen, um zu begreifen, warum er ohne klare und bestimmte Ziele zunächst alles Bestehende in Staat und Kirche zu bekämpfen suchte, müssen wir die Zustände Baierns im Beginn und im Laufe des 18. Jahrhunderts kennen lernen. Jahrhunderte lang war der Aufschwung des tüchtigen, derben, zum Sinnengenuß neigenden deutschen Stammes durch die Macht der Kirche niedergehalten worden. Das Volk blieb in Unwissenheit und Aberglauben. Das schon im 16. Jahrhundert in seinen Anfängen bestandene Volksschulwesen untergruben die Jesuiten. Das „Landgebot wider den Aberglauben, Zauberei, Hexerei und andere Teufelskünste“, das im J. 1611 von Maximilian I. herausgegeben wurde, wird man nicht ohne Verwunderung lesen; aber, so sagt Westenrieder im Abriß der bairischen Geschichte (1798), man ist erstaunt, daß eben dieses Mandat noch 1746 zu München durch öffentlichen Druck wiederholt wurde. Die Baiern standen im Rufe, der römischen Kirche eifrigste Bekenner, aber unter den übrigen Völkerschaften, nicht bloß Deutschlands, geistig am meisten zurückgeblieben zu sein. Der natürliche Mutterwitz des kräftigen Volkes fand weder in der Schule noch in der Kirche Nahrung: auf den Kanzeln wurden die Wundersucht und der Verfolgungsgeist gefördert. [541] Noch in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts wurden zwei ganz junge Mädchen der Hexerei wegen ums Leben gebracht. Im J. 1760 schrieb, nach A. v. Bucher, ein Jesuit eine pietas cotidiana, in der sich Fragen fanden wie diese: „wie trug Jesus seine Kleider? was trug Jesus für ein Unterkleid?“ War es da ein Wunder, daß das Landvolk unglaublich roh, unwissend und tief entsittlicht war? Aber der Widerwillen gegen die Priesterherrschaft und alle geistige Absperrung erstarkte allmählich unter dem Kurfürsten Maximilian III. Josef († 1777), der die Vorkämpfer einer vernünftigen Aufklärung begünstigte. Die 1759 gegründete Akademie der Wissenschaften in München erweckte die schlummernden Geister; allmählich las man auch die deutschen Dichter: besonders Gellert’s, Rabener’s, Lessing’s Schriften wurden durch die akademische Buchhandlung und durch die Verwendung der Akademie weit verbreitet. Heinrich Braun versuchte das Schulwesen zu fördern wie die Kenntniß der deutschen Sprache; Lorenz Westenrieder erzählte dem Volke Baierns Geschichte und wirkte veredelnd durch vernünftige religiöse Schriften; der Theatiner Sterzinger (siehe A. D. B. XXXVI, 124) bekämpfte die Hexenprocesse seit dem Jahre 1766. Der bereits genannte Freiherr v. Ickstatt faßte eine Umgestaltung des gesammten Jugendunterrichts ins Auge: seine Wirksamkeit ging auch in der folgenden Zeit nach seinem 1776 erfolgten Tode nicht verloren, und mit Beginn unseres Jahrhunderts wurde in die von ihm gewiesene Bahn wieder eingelenkt. Mit Max Josef starb die ältere Linie des Wittelsbachischen Hauses aus, und Baiern fiel an Karl Theodor von der Pfalz und Herzog von Jülich und Berg. Seine Regierung (1779–99) war für Baiern von Unsegen. Zwar hoffte man zuerst Gutes von ihm. Hatte er doch seit 1742 am Rhein als aufgeklärter Fürst regiert; man erinnerte sich, daß in Mannheim eine Akademie der Wissenschaften begründet war, daß er das Schauspiel gepflegt, daß er Lessing’s Rathschläge erbeten hatte: aber man vergaß auch, daß der jesuitische Geist jede freiere Forschung gehemmt hatte. In den ersten Jahren trat er keineswegs freieren Bestrebungen entgegen, allein bei seiner Schwäche, seiner Inconsequenz, seiner durchaus sinnlichen Natur wußten die Finsterlinge über ihn bald Macht zu gewinnen. Das von Maximilian Josef für die Schulen bestimmte ehemalige Vermögen der Jesuiten verwendete er zur Stiftung einer bairischen Zunge des Malteserordens; an seinem lüderlichen Hofe lebte ein sittenloser und träger Adel, der Beamtenstand war tief gesunken und buhlte um die Gunst seiner Maitressen und seiner Beichtväter. So fühlten sich die denkenden Männer nicht sicher. Pater Frank, Karl Theodor’s Beichtvater, bei den Pfälzern schon verhaßt, fand ein gefügiges Werkzeug an Lippert (s. A. D. B. XVIII, 735), der unter Max Josef sich als Gegner der Jesuiten geberdet hatte. W. erzählt, daß er, von den Jesuiten unaufhörlich verfolgt, besonders im J. 1777 unter der Direction Lippert’s in Gefahr war seine Stelle zu verlieren. Wie gefährdet die Freunde vernünftiger Menschlichkeit waren, zeigte das Geschick des Hofkriegsrathssecretärs und Mitglieds der Akademie der Wissenschaften Andreas Zaupser. Dieser, ein überzeugter Gegner alles „falschen Religionseifers“, hatte 1777 „mit Genehmigung des churfürstlichen Büchercensurcollegiums“ seine Ode auf die Inquisition drucken lassen. Sie begann: „Fährt wieder prasselnd auf dein kaum erstorbnes Feuer, Megäre Inquisition, Des Orkus und der Dummheit Tochter, Ungeheuer, Pest der Vernunft und der Religion!“ Gegen Zaupser predigte der Exjesuit Gruber und schalt ihn ein Teufelskind, der Dominicaner Thomas Aquino Jost in Landshut vertheidigte die Inquisition und rieth sie wieder in Baiern einzuführen. Obwol das Büchercensurcollegium sich Zaupser’s annahm, siegten die Gruber, Jost und Frank: Zaupser wurde gezwungen, vor der Oberlandesregierung sein katholisches Glaubensbekenntniß abzulegen. Dem Directorium des [542] Hofkriegsraths aber wurde aufgegeben, „Zaupser mit der Kanzleiarbeit soweit zu beschäftigen, damit ihm zu theologischen und anderen ausschweifenden Schreibereien keine Zeit übrig verbleibe“. Dies geschah 1780. „Höre es Nachwelt“, rief Nicolai aus; und im deutschen Museum (I, 416–419) erschien 1782 ein längeres Gedicht an Zaupser: „Laß dich’s nicht irren, Freund, wenn Fürsten schwach und Priester zornig sind … Dich lieben doch, vom Ister bis zum Belt, Der guten, freien, edlen Männer viel!“ Und 1783 schrieb Friedrich Schiller an Reinwald: er wolle im „Don Carlos“ es sich zur Pflicht machen, „in Darstellung der Inquisition die prostituirte Menschheit zu rächen … Ich will einer Menschenart, welche der Dolch der Tragödie bis jetzt nur gestreift hat, auf die Seele stoßen“.

W. sah sich, von Verfolgern umringt, nach Gleichgesinnten um. Er war zuerst willens gewesen in den Freimaurerverein einzutreten. Der Bund hatte besonders in Norddeutschland Fortschritte gemacht, seitdem 1737 die erste Loge in Thätigkeit getreten war: bis 1760 gab es bereits 13 in Deutschland. Das Ziel der echten Freimaurerei war Duldung, Gedankenfreiheit, Menschenliebe: die Freimaurer sollten über die Vorurtheile der Völkerschaft hinweg sein, dem Vorurtheil ihrer angeborenen Religion nicht unterliegen, durch bürgerliche Hoheit nicht geblendet werden. So Lessing in „Ernst und Falk“. In den siebziger Jahren war eine Gährung vorhanden: die drei Grade des Lehrlings, Gesellen, Meisters genügten den Ehrgeizigen und Eitlen nicht, man griff auf die altheidnischen Mysterien, die Gnostiker und mit besonderer Vorliebe auf die Tempelherren zurück. So machten sich Mystiker und Betrüger die Vorliebe für geheime Verbindungen zu Nutze, und die Gesellschaft der neueren Rosenkreuzer, der vorübergehend selbst Männer wie Sömmerring und Georg Forster angehörten, wurde eine Zeit lang die Stätte für unklare Schwärmer, für Schwindler, für Dunkelmänner jeder Art. W. fühlte sich durch die Freimaurerei enttäuscht; seine Achtung, erzählt er im „Pythagoras“, war geschwunden, seit er alle Grade kennen gelernt hatte. Er trat zwar 1777 in die Freimaurerloge zu München ein, aber sein Eintritt war von keinem Belang. Als jedoch ein Officier, der eine auf Alchemie zielende Loge errichtet hatte, nach Ingolstadt kam, um die fähigsten Studenten zu werben, beschloß er die Gründung eines eigenen Ordens, schon um die Studenten, wie er sagt, zu retten. Eine Stelle in Abbt’s Schrift vom Verdienste feuerte ihn an, sie las er immer wieder, so oft der Muth ihm sinken wollte. „Ich machte mich sogleich an die Arbeit und entwarf die allgemeinen Statuten, welchen ich, ehe ich auf den Namen Illuminaten fiel, den Namen der Statuten der Perfektibilisten gab. Diesen Namen habe ich bloß aus der Ursache geändert, weil das Wort zu sonderbar klingt; indessen zeigt er doch, welche Absichten ich bei Gründung der Gesellschaft hatte. Diese nahm mit dem 1. Mai 1776 ihren Anfang“. Drei Gehülfen standen ihm zunächst zur Seite: Zwack, Massenhausen, Merz. Einige Studenten wohnten in Weishaupt’s Hause und aßen an seinem Tisch, durch sie zog er neue Jünger an sich. Die Verbindung verbreitete sich nach München, Freising, Eichstätt. Durch Zutrauen, Liebe und Hochachtung sollte der Anzuwerbende gewonnen werden, daß nach und nach in ihm die Begierde entstände, der Gesellschaft anzugehören. Der Gewonnene mußte sich verpflichten, Keinem von ihr etwas zu sagen oder anzudeuten. Er durfte vom Ursprung des Ordens und von seinen Oberen nichts erfahren; nach der Probezeit erfolgte erst die Aufnahme. Offenbar war für W. die Verfassung des Jesuitenordens das Vorbild. Auch W. verlangte blinden Gehorsam der Untergebenen gegen die unbekannten Oberen; ein Mann sollte der Mittelpunkt des Ordens bleiben. Die Mitglieder sollten in der Oeffentlichkeit Einfluß zu gewinnen, Aemter zu erlangen suchen; sie sollten nicht bloß über [543] ihre eigenen Fortschritte Bericht erstatten, sondern auch die Mitglieder überwachen und über sie berichten. Der Sieg der Aufklärung sollte beschleunigt oder herbeigeführt werden durch Benutzung der Formen, durch die der Jesuitenorden die Geister unterjocht hatte. „Mon but“, so schreibt W. an Zwack am 10. März 1778, „est faire valoir la raison. Als Nebenzweck betrachte ich unsern Schutz, Macht, sichern Rücken von Unglücksfällen, Erleichterung der Mittel, zur Erkenntniß und Wissenschaft zu gelangen“. Und weiter: „Sie können denken, daß wir es mit dem Pedantismo, mit öffentlichen Schulen, Erziehung, Intoleranz, Theologie und Staatsverfassung werden zu thun haben. Dazu kann ich die Leute nicht brauchen, wie sie sind, sondern ich muß mir sie erst bilden. Und jede vorhergehende Classe muß die Prüfungsschule für die künftige sein“. Die Classe der Minervalen bildete des Ordens Pflanzschule; jeder Jünger erhielt einen Ordensnamen gleich den Oberen, die Areopagiten hießen. Die Ordensnamen waren meist dem classischen Alterthum entlehnt; so hieß W. Spartacus, Xaver v. Zwack Cato, Massenhausen Ajax. Auch die Länder und Städte erhielten altclassische Namen; Oesterreich hieß Aegypten, Baiern Achaja, Schwaben Pannonien: München hieß Athen, Ingolstadt Eleusis (auch Ephesus), Wien Roma, Eichstätt Erzerum, Frankfurt Edessa. Der Orden hatte auch einen eigenen Kalender, den altpersischen, und eine Chiffreschrift. Daß W. in gebildeten Kreisen Anhänger fand, ist erklärlich. Aber die Fortschritte in den drei ersten Jahren waren dennoch nicht bedeutend. Nahe daran, sich von den Mitgliedern zu trennen, denen er Selbstsucht, Schlaffheit und Ungehorsam vorwarf, während sie ihn der Herrschsucht bezichtigten, wurde W. durch die Verbindung mit Adolf v. Knigge (s. A. D. B. XVI, 282) zu einer thatkräftigen Arbeit für seine Ideen angefeuert. Das Freimaurerthum wurde für die Illuminaten nutzbar gemacht: die von den Regierungen nicht beargwohnten Freimaurer konnten ihnen Schutz gewähren.

Dies kam so. Der von den Illuminaten in Baiern abgesendete Marquis v. Costanzo (oder Costanza) – mit dem Ordensnamen Diomedes – machte 1780 in der Loge zu Frankfurt die Bekanntschaft des damals 28jährigen Knigge. Schon als Knabe hatte dieser Lust an geheimen Verbindungen, als Student gab er sich mit Alchemie ab, 20 Jahre alt wurde er in Kassel Freimaurer und kam in großen Ruf bei Goldmachern und Geistersehern aller Art. Als Knigge dem Marquis entdeckte, er wolle ein eigenes Ordenssystem ausarbeiten und begründen, hörte er, ein solches sei schon vorhanden. Er erhielt die Papiere der Minervalclasse und fühlte sich enttäuscht, fand er doch in ihnen nicht viel mehr als Anleitung zur Ausbildung junger Leute und Empfehlung von Büchern, die in protestantischen Ländern verbreitet waren. Durch einen Brief von W. im November 1780 wurde er für den Orden gewonnen: W. versprach ihm ein Bündniß der Edelsten, eine heilige Legion unüberwindlicher Streiter für Weisheit und Tugend. Obwol er bald gestehen mußte, daß der Orden eigentlich nur in seinem Kopfe lebte, daß nur die unterste Classe, die Pflanzschule, in einigen katholischen Provinzen errichtet sei, ließ sich Knigge doch beruhigen und kam Ende des Jahres 1781 nach Baiern. Die Areopagiten verehrten ihn; er söhnte sie mit W. aus. In einem Vertrag wurde nun bestimmt, Philo-Knigge solle mit Benutzung der Materialien Weishaupt’s, der manchen Aufsatz schon vorläufig ausgeführt hatte, das ganze System bis auf die höheren Grade ausarbeiten, es mit der Freimaurerei verknüpfen und dahin wirken, daß die Illuminaten in den Logen der verschiedenen Systeme das Uebergewicht erhielten. Wieder in Frankfurt, stellte Philo die mittleren Grade zuerst fest, die niederen blieben im wesentlichen, wie W. sie gestaltet hatte. Ueber der Pflanzschule, die das Noviziat und die Minervalclasse inbegriff, erhob sich die Freimaurerei [544] in zwei Abtheilungen: die symbolische mit den drei Graden des Lehrlings, Gesellen und Meisters, und die schottische mit den beiden Graden des schottischen Novizen (Illuminatus maior) und des Ritters (Illuminatus dirigens). Die höchste Stufe nahm die Mysterienclasse ein, die die kleinen, aus Priester- und Regentengrad, und die großen Mysterien enthielt. Die Grade der höheren Mysterien, des Magus und des Rex, sind nicht ausgearbeitet worden. Knigge setzte überall mittlere und niedere Obere ein, entwarf eine Geographie des Ordens und war bestrebt neue Mitglieder zu gewinnen. Lessing’s Freund Bode leistete gute Dienste: sehr bedeutende Männer wurden Illuminaten. So Feder in Göttingen, kurze Zeit auch Nicolai in Berlin, Joh. Georg Schlosser in Emmendingen; Prinz August, Bruder des Herzogs Ernst von Gotha, trat als Walther Fürst in den Orden, der Herzog selbst als Timoleon, Reichard, der uns darüber berichtet hat, als Wicleff. Selbst die Namen von Herder und Goethe fanden sich auf den Listen. Leitende Geheimbünde erschienen in einer Zeit, wo von öffentlichem Leben keine Rede war, von hoher Bedeutung; alle Romane, erinnert Gervinus (V4, 252), sind mit solchen Verbindungen angefüllt: im Wilhelm Meister Goethe’s, in Jean Paul’s, in Knigge’s Leben, seinen Romanen ist alles voll davon. Ruht doch selbst eine Tondichtung Mozart’s auf diesem Grunde! Die Erfolge machten W. stolz; ein unbekannter Professor in Ingolstadt stand an der Spitze einer Verbindung, der Fürsten, Dichter, Staatsmänner, Gelehrte, Geschäftsmänner angehörten! Er kränkte Knigge durch eigenmächtige Zusätze und Umgestaltungen: die gegenseitige Erbitterung führte zur Parteiung im Innern des Ordens. Knigge trat aus, mit dem festen Vorsatz, nie wieder einer geheimen Verbindung anzugehören. Am 1. Juli 1784 kam ein Vergleich zu Stande: ihm wurde bezeugt, er sei friedlich ausgetreten und habe sich um die Ausbreitung des Ordens verdient gemacht. Bald aber zog sich ein Unwetter über diesen und W. zusammen. Frank und seine Gesinnungsgenossen verhetzten das Freimaurerthum in Baiern unaufhörlich, so daß 1784 ein Verbot aller heimlichen Verbindungen erfolgte: die Illuminaten waren noch nicht ausdrücklich genannt. Aber das Jahr darauf erhielt der Kurfürst von der Herzogin Maria Anna, der Wittwe des Herzogs Clemens, nähere Auskunft über den Orden. Der Geheimschreiber Josef Utzschneider (s. A. D. B. XXXIX, 420) verrieth ihn: auf Zureden seines Amtsgenossen an der Marianischen Akademie, des Weltpriesters Cossandey, war er in den Orden getreten aber bald wieder 1783 ausgeschieden. Von der durch Herzberg, den Minister Friedrich’s des Großen gewarnten Herzogin aufgefordert, sich über das Gerücht zu äußern, nach dem Mitglieder des Ordens den österreichischen Plan, Baiern gegen Belgien umzutauschen, unterstützt hätten, offenbarte Utzschneider, was er vom Orden wußte, und durch ihn erhielt auch Karl Theodor bald Kenntniß. So erfolgte am 2. März 1785 ein Verbot gegen die Illuminaten und Freimaurer zugleich. Zugleich begannen Strafen und Kränkungen aller Art. Der Hofkammerrath Costanzo z. B. wurde mit Pension entlassen, v. Zwack nach Landshut versetzt und von Spähern umringt, der damals 27jährige Büchercensurrath Max Josef v. Montgelas (siehe A. D. B. XXII, 193) verlor sein Amt und verließ das Land, um unter dem folgenden Fürsten der Schöpfer des modernen Baiern zu werden. W. wurde entlassen; er verließ Ingolstadt und ging zunächst nach Regensburg, dann fand er Zuflucht bei dem Herzog Ernst II. von Gotha. Gegen die Ankläger verfaßte W., von kleineren Schriften abgesehen, die „Vollständige Geschichte der Verfolgungen der Illuminaten in Bayern“ (1786, nur ein Band erschienen); bald folgte die „Apologie der Illuminaten“ mit heftigen Angriffen gegen Utzschneider; durch Anführung von Stellen aus Tacitus und Montesquieu zeigt er die Verächtlichkeit der Angeberei und sucht alle Beschuldigungen zu widerlegen. [545] In der Beilage A – am Schluß ist Regensburg, 19. Juli 1786 und Adam W., Hzl. sachsen-gothaischer Hofrath zu lesen – griff er Cossandey an, der in seinem Nachtrag zu der Schrift: „Große Absichten des Ordens der Illuminaten“ sich vertheidigt und W. angeklagt hatte. Am Schluß seines Buches ließ W. die „philosophische Rede“ „über die Schrecken des Todes“ abdrucken (auch besonders Wien 1786), um die Beschuldigung gegen die Oberen der Illuminaten, sie seien Gottesleugner und Lobpreiser des Selbstmordes, abzuweisen. „Schon meine kleine Schrift über den Materialismus und Idealismus (sie erschien Nürnberg 1786, 2. Aufl. 1788) wäre zwar ohne weiteres im Stande, diese Calumnie von mir zu entfernen“. Gegen Utzschneider erschien von ihm noch ein Pamphlet mit dem Vorspruch „cavete vobis a signatis“ (so).

Das fortwährende Spähen und Spioniren der Feinde des Ordens hatte endlich zur Folge, daß in Zwack’s Wohnung und ebenso auf dem Gute Sandersdorf des Barons v. Bassus Durchsuchungen stattfanden und Papiere und Briefe entdeckt wurden. Darauf erschien auf Befehl des Kurfürsten ein Band: „Einige Originalschriften des Illuminatenordens, welche bey dem gewesenen Regierungsrath Zwack … zu Landshut den 11. und 12. October 1786 vorgefunden worden“ (München 1787). Außer der Zahlenschrift des Ordens wie der Zeitrechnung fand man auch u. a. von Cato’s (Zwack’s) Handschrift ein Verzeichniß der im Jahre 1776–1779 aufgenommenen Mitglieder, die Statuten, den Wortlaut der Reverse, die den Aufgenommenen vorgelegt wurden, endlich Briefe. W. als Stifter und seine Genossen wurden in ihrer Denkart, ihrem Thun und Treiben den Augen des Publicums vorgeführt. Bald folgte der „Nachtrag von weiteren Originalschriften“ u. s. w. (München 1787), die Frucht der Hausdurchsuchung in Sandersdorf. Das Buch enthielt weitere Briefe von W. und Knigge, S. 108 waren in einem Briefe Philo’s die drei Classen der Pflanzschule, der Freimaurerei und der Mysterien abgedruckt. Von hoher Bedeutung aber war die Anrede des Spartacus an die Illuminatos dirigentes (S. 44–121). Der glückliche Naturzustand, führt W., Rousseau folgend, aus, hörte mit dem Entstehen des Eigenthums auf: die Starken beherrschten die Schwachen, Furcht war die einzige Triebfeder menschlicher Handlungen. Die Erlösung des Menschengeschlechts sieht er durch geheime Weisheitsschulen herannahen. „Durch sie wird der Mensch von seinem Fall sich erholen, Fürsten und Nationen werden ohne Gewaltthätigkeit von der Erde verschwinden, das Menschengeschlecht wird dereinst eine Familie und die Welt der Aufenthalt vernünftiger Menschen werden. Die Moral allein wird diese Veränderungen unmerkbar herbeiführen. Jeder Hausvater wird dereinst, wie vordem Abraham und die Patriarchen, der Priester und der unumschränkte Herr seiner Familie und die Vernunft das alleinige Gesetzbuch der Menschen sein“. Die Lehre Jesu deutet W. in diesem Sinne aus: der Zweck seiner Lehre war, den Menschen ihre ursprüngliche Freiheit und Gleichheit wieder zu geben. „Nun klärt sich die Lehre von der Erbsünde, von dem Fall des Menschen, von der Wiedergeburt auf. Nun weiß man, was der Zustand der reinen Natur, der Zustand der gefallenen Natur, und das Reich der Gnade sei“. Nach dieser Veröffentlichung wurden die Feinde des Ordens immer heftiger; man beutete auch die unschuldigsten Bemerkungen aus, besonders auch die Thatsache, daß unter Zwack’s Papieren von geheimen Recepten und Instrumenten die Rede war. Der Kurfürst lebte in Furcht, er sei vor Gift und Dolch nicht sicher, sein Thron wanke. Verfolgungen aller Art, auch gegen Unschuldige, begannen: die gefügigen Werkzeuge der Macht übertrieben liebedienerisch die Gefahr. Verhältnißmäßig noch milde war der Angriff gegen die Illuminaten in der Schrift „System und Folgen des [546] Illuminatenordens … In Briefen“ (München 1787). An W. schrieb Zwack, der nach Wetzlar geflohen war, einen öffentlichen Brief, der im „Journal von und für Deutschland“ (1787, S. 392 f.) erschien, auch besonders unter dem Titel: „Anhang zu den Originalschriften des Illuminatenordens“ (Frankf. u. Leipzig 1787, 39 S.). Er wies nach, daß die bairische Regierung die Papiere nicht in der Ordnung, in der man sie gefunden, veröffentlicht habe, sondern daß die Sammler willkürlich ausgelassen hätten, was die wahrhaft gute Absicht des Instituts deutlicher machte. Der Vorschlag zur Errichtung eines Weiberordens, vor vielen Jahren in einer müssigen Stunde von ihm aufgeschrieben, habe gar nicht zum System gehört. Der Macht der Jesuiten sei er wie andere Staatsbürger entgegengetreten. Die von Massenhausen (Ajax) aufgeschriebenen Maschinen und Bestandtheile zu den Recepten seien unverfänglich; kein Gesetz verbiete, sich alles Auffallende in der Mechanik, Chemie und Medicin anzumerken: deshalb sei man kein Giftmischer und Mörder. Aufzeichnungen aus seiner Jugend seien verleumderisch gegen ihn ausgebeutet worden: in der That hatte man eine von ihm aus Goethe’s Werther abgeschriebene Stelle ihm zugeeignet und gehässig ausgelegt. Welchen Grund, heißt es zum Schluß, hat man gehabt, daß man den Hofkammerrath Massenhausen und Kanonikus Hertel gefänglich einzieht, daß man die Güter des Barons Bassus sequestrirt, seine Schränke erbricht und durchsucht, daß man W. und mir heimlich nachstellt? – Massenhausen entkam übrigens, Hertel aber wurde Monate lang gefangen gehalten, der Stadtrath v. Delling seines Amtes entsetzt und aus Baiern verwiesen, weil er das Geschick seines Freundes Fischer, der als Illuminat sein Bürgermeisteramt in Ingolstadt verlor, betrauert hatte. W. selbst wurde nicht müde, die Feder gegen seine Gegner zu führen. In der „Einleitung zu meiner Apologie“ (1787) sieht er die Veröffentlichung der Schriften des Ordens für eine Wohlthat an: dadurch könne er am besten seine Ehre schützen, die Uneigennützigkeit seiner Absichten darlegen. Von den verdächtigen geheimen Mitteln hat er nichts gehört noch gesehen. Es gab eigentlich nur zwei Classen der Mitglieder; „meine im Druck vorliegende Apologie des Uebels und Mißvergnügens war großentheils, besonders aber der noch folgende 5. Theil der Gegenstand von den Lehren der ersten Classe“. W. meint das 1787 erschienene Buch (neue Auflage 1790), in dem in drei Gesprächen die Ansprüche der Sinnlichkeit gegen die Vernunft hervorgehoben werden. Unter einem bestimmten Gesichtspunkt hat er die verschiedenen die Menschheit bedrückenden Uebel dargestellt und, von Leibniz beeinflußt, ihre wohlthätigen Absichten zu erforschen gesucht. Der Gegenstand der höchsten Classe war das System über den Materialismus und Idealismus. Schon 1780, als er es zuerst entworfen, sei er vom Naturalismus und Materialismus längst zurückgekommen. Auch er tadelt wie Zwack den Mangel aller Rechtsform gegen die Illuminaten; die Schriften wurden keinem vorgelegt, niemand wurde über den Sinn seiner Worte befragt: alles nahm man als erwiesen an. Dem Gedanken an die Fortsetzung seiner Gesellschaft entsage er für die Zukunft, aber bereuen könne er nicht, daß er seine Ideen zum Theil ausgeführt habe. Die „Kurze Rechtfertigung meiner Absichten“ aus demselben Jahre 1787 enthält eine Vertheidigung gegen einen schlimmen Vorwurf, der ihn vor der Welt vernichten sollte. In den „Originalschriften“ war durch einen Brief Weishaupt’s nicht ausgeführtes Vorhaben zu Tage getreten, seiner von ihm geschwängerten Schwägerin die Leibesfrucht abzutreiben. W. leugnet die Thatsache nicht, aber er stellt ausführlich die Gründe zu seiner Entschuldigung dar. Während der Krankheit seiner Frau gegen Ende der siebziger Jahre hatte er ihre Schwester zu sich genommen; der sterbenden Frau versprach er, in Gegenwart ihrer Mutter, er werde ihre Schwester heirathen. Aber nach dem 1780 [547] erfolgten Tode seiner Frau war die Erlaubniß zur Ehe schwer zu erhalten. Es vergingen drei Jahre: beide widerstanden der Versuchung nicht. „Ich hatte Hoffnung, die Erlaubniß zu erhalten; meine Schwägerin wohnte bei mir, alle Welt versicherte mir den Erfolg meines Gesuches als gewiß; ist es unter den Umständen so entsetzlich gefehlt, daß ein Mann sich in einer schwachen Stunde dahinreißen läßt?“ Aber von Rom kam über Wien die Nachricht, daß neue Schreiben und Empfehlungen nothwendig seien; „indes war meine Frau schon gegen Ende des dritten Monates in ihrer Schwangerschaft vorgerückt, und in jedem Fall meine und ihre Prostitution unvermeidlich. Man denke sich in meine Lage …“ Mutter und Kind blieben gesund. „Hört die Stimme der Menschlichkeit“, ruft W. den Richtern und Gesetzgebern zu, „ich will gern diesen Fehler selbst begangen, diesen Drang und diese Schande selbst erfahren haben, wenn mein Beispiel dazu dienen kann, unsere Gesetze menschlicher zu verfassen“. Im „Nachtrag zur Rechtfertigung“, ebenfalls 1787 erschienen, sind die Geständnisse von Interesse, daß die Jesuiten ihm die Bibel verleidet hätten; er lese sie aber jetzt täglich: „Michaelis und Steinbart haben mich ausgesöhnt; ich bin nun vielleicht mehr Christ als mancher, der in mir einen Ungläubigen verabscheut“. Die Geschichte seiner Anrede an die Illum. dirigentes, die oben erwähnt wurde, erzählt er ausführlich. Den Mißbrauch der obersten Gewalt habe er allerdings mit „starken Farben gemalt“, „aber ich kam von Raynal[WS 2]“. Wahr bleibt ihm noch jetzt, daß der Regent nichts ist als der erste Beamte und Unterthan seines Volkes, daß unsere Unsittlichkeit die Quelle unserer Knechtschaft ist, daß die Spaltungen in der Religion die Menschen noch mehr getheilt haben, daß ein neues Bindungsmittel nöthig ist, damit die getrennten Menschen sich weniger hassen. Gegen die ungerechtfertigten Angriffe wurde W. von Verständigen in Schutz genommen, die besonders seine guten Absichten betonten und die Fehler bei dem sogen. gerichtlichen Verfahren gegen die Mitglieder des Ordens mißbilligten. Die Allgemeine (Jenaer) Litteraturzeitung äußerte sich mehrfach in diesem Sinne und zeigte das „merkwürdige“ Buch Weishaupt’s, „Das verbesserte System der Illuminaten mit allen seinen Graden und Einrichtungen“ (1787, neue verm. Aufl. 1788, 3. Aufl. 1818) lobend an, tadelte jedoch, daß manche Lehrsätze, die nicht zur Moral gehören, in einem dogmatischen Ton vorgetragen wurden. Von Bedeutung ist Nicolai’s Urtheil. In seiner breiten Art erzählt er in der „öffentlichen Erklärung über seine geheime Verbindung mit dem Illuminatenorden“ (1788), er habe erst 1784 erfahren, daß W. der Stifter sei. Die Schriften las er bis zur dritten Classe oder zu den kleinen Mysterien. „Von einer Absicht, eine neue Volksreligion einzuführen, den Deismus oder Naturalismus auszubreiten …, davon habe ich nie etwas gehört“. Mit vielem guten Willen, mit einigen scharfsinnigen Ideen, mit viel Phantasie kehre man die Welt nicht um; „es ist aber unbillig, daß man allein über die Illuminaten herfällt, diesen nicht sehr weltklugen, etwas voreiligen und inconsequenten Leuten die gräßlichsten Absichten andichtet und den Namen zum Schimpfworte macht“. Aehnlich, nur noch unverhohlener, urtheilt Nicolai später in einem Briefe an Höpfner 1794: W. nennt er einen Schulmeister und Knigge einen Brausekopf; „beide waren ehrgeizig und beide hatten nicht die geringste Weltkenntniß“. „Was Böses hatte wirklich keiner von allen den Leuten im Sinne“. Er glaubt nicht, daß sie Macht und Einfluß gehabt haben. „Alle Staatsmänner und Gelehrte, die aus Neugierde (wie ich) in diese Gesellschaft getreten waren, traten zurück, sowie sie sahen, daß es nichts als Dinge waren, die nach Utopien gehören. Dalberg, Goethe, Herder, Sonnenfels, Friedrich Jacobi und andere mehr waren Illuminaten und traten ab, nicht, weil es etwas Böses war, sondern weil sie mit Grillen nicht die Zeit verderben wollten“. „Die Hauptsache [548] ist“, meint Nicolai, „daß W. als ein vernünftiger Katholik wohl einsah, daß alles Uebel in den katholischen Landen von den Jesuiten herkommt“. Mit seinem Orden habe er sie stürzen wollen, was ihm übel ausschlug. „Die Jesuiten aber brauchen nun den Namen eines Illuminaten zum Popanz; … sie bilden jetzt allen großen Herren ein, alle Aufklärer wären Aufrührer, und hiezu brauchen sie auch das Gespenst des Illuminatismus“. Vergeblich, daß W. seine Gegner in ruhiger Weise zu überzeugen suchte, so in der für die Geschichte seiner Geistesentwicklung wichtigen Schrift „Pythagoras oder Betrachtungen über die geheime Welt- und Regierungskunst“ (1790). Mit dem Ausbruch der französischen Revolution traten die Mächte der Finsterniß ganz besonders siegesgewiß in Baiern auf. Jeder Forscher galt als verdächtig, Ketzergerichte waren an der Tagesordnung, sicher fühlte sich nur der ganz Dumme. Noch 1794 erschien (o. O.), wol auf Veranlassung der bairischen Regierung, die Schrift: „Die neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo in dem Illuminatenorden, jetzt zum erstenmal gedruckt und zur Beherzigung bey gegenwärtigen Zeitläuften herausgegeben“. Mit Ausfällen gegen die „herrschsüchtigen Weltumwälzer“ wird auf einen Artikel der „Wiener Zeitschrift“ des schändlichen L. A. Hofmann hingewiesen, der als dritte Ursache der französischen Revolution die Einmischung deutscher Illuminaten hinstellt. Wesentlich Neues brachte die Schrift nicht, und dem Herausgeber gelang es nicht, W. gefährliche Lehren nachzuweisen. In der „Kritischen Geschichte der Illuminatengrade“ läßt er es „dahingestellt“ sein, ob W. bei der sogen. hauptsächlich von Dr. Bahrdt beabsichtigten Deutschen Union „hinter dem Vorhang gestanden“. Jedenfalls, meint er, waren andere Illuminaten dabei geschäftig, wie aus Bahrdt’s Erzählung erhellt. Er meint Bahrdt’s Buch: Geschichte und Tagebuch meines Gefängnisses (1790), in dem die Deutsche Union bestimmt wird als eine stille Verbindung des schreibenden und lesenden Publicums, deren letzter Zweck ein geheimer bleibt für die Brüder des 3. Grades. Hauptzweck seien Vervollkommnung der Wissenschaften, der Künste, des Handels, insonderheit der Volksreligion. W. aber hatte gerade gegen die Finanzspeculationen Bahrdt’s im „Pythagoras“ seinen Widerwillen erklärt, „durch geheime Verbindungen den Buchhandel an sich zu reißen und die Wissenschaften als eine Finanzquelle zu benutzen“ (S. 557). Ebenso wenig schadete W. in den Augen Unbefangener die Schrift „Illuminatus dirigens oder Schottischer Ritter“ (1794, o. O.). Der Verfasser ist ein Freimaurer, aber auf die Illuminaten erbittert. In dem Katechismus des schottischen Ritters hören wir auf die Frage: woran arbeitet er? die Antwort, die wir aus der früheren Darlegung errathen, „daran, daß er die Harmonie wieder herstelle, seine Natur veredle und sich zum reinsten Werkzeug der Gottheit mache“. Wer der Meister? Antwort: Jesus von Nazareth. In Oesterreich begann die Verfolgung später als in Baiern. Während die Illuminaten unter Josef unbehelligt waren, entstand ihnen unter Leopold II. in L. A. Hofmann ein bösartiger Gegner: alle freigesinnten Freimaurer wurden auch in Oesterreich bedrängt, die Freimaurerei als Grund aller Revolution verschrieen. Auch nach Leopold’s Tode verstummte er nicht, und für den Schweizer Johann Georg Zimmermann war es schmachvoll, daß man ihn als Mitschreier in dieser Gesellschaft sah. Ein Glück für W., daß Herzog Ernst nach der damaligen Verfassung des deutschen Reiches ihn schützen konnte! Während die Mitglieder des Bundes, erzählt Friedrich Jacobs, von den Barruels, Hofmanns und ähnlichen Gesellen mit Verleumdungen bedeckt wurden, wohnte das Haupt an dem Fuße des Schlosses Friedenstein in Gotha, geachtet von seinen Freunden, von dem Bruder und der Gemahlin des Herzogs ausgezeichnet, von dem Herzog nicht gemieden. Die Angriffe gegen W. hörten auch mit Beginn des neuen Jahrhunderts nicht auf. Noch 1804 beklagt er sich in [549] der Schrift „Die Leuchte des Diogenes oder Prüfung unserer heutigen Moralität und Aufklärung“ über den Geist der Verleumdung, der manche seiner eines edleren Sinnes fähigen Worte falsch gedeutet habe: „Die oberste Gewalt und Religion habe ich als wesentliche Bedürfnisse des Menschen betrachtet, aber zu einer Zeit, wo des Spielens und Mißbrauchens in geheimen Gesellschaften kein Ende war, habe ich gewollt, daß diese Schwäche der Menschen zu würdigeren Absichten benutzt werde“. In Sachen des Glaubens hält er es im wesentlichen mit Voltaire: Dieu ne doit point patir des sottises du prêtre, Reconnaissons ce Dieu quoique très-mal servi. Wie in anderen seiner zahlreichen Schriften betont er auch hier mit ermüdender Breite die Wichtigkeit der Moralität für die Glückseligkeit der Menschen. Daß W., der Bewunderer Feder’s und Meiners’, ein Gegner Kant’s war, ist erklärlich. Schon 1788 hatte er seine „Zweifel über die Kantischen Begriffe von Zeit und Raum“ drucken lassen. Mit Kant glaubt er, daß unsere Eindrücke von den Dingen nicht die Dinge selbst sind, unsere Philosophie ist Philosophie der Erscheinungen, aber er will zu diesen Resultaten „auf dem Weg der Erfahrung“ gelangen. In der folgenden Schrift „Ueber die Gründe und Gewisheit (so) der menschlichen Erkenntniß. Zur Prüfung der Kantischen Kritik der reinen Vernunft“ aus demselben Jahre gesteht er zu, daß er jetzt in Kant’s System Ordnung, Zusammenhang und Uebereinstimmung gewahr wird, aber er will zeigen, daß es zu einer gänzlichen Subjectivität unserer gesammten Erkenntniß führe; eine solche sei aber „schlechterdings ungereimt und folglich unmöglich“. Eine dritte Schrift fand W. Zeit in demselben Jahre bekannt zu machen „Ueber die Kantischen Anschauungen und Erscheinungen“. Es gibt keine reinen Anschauungen, alle ohne Ausnahme sind ein Werk der Erfahrung und eine Folge von den Einwirkungen äußerer Gegenstände. Der Induction und Analogie weist er Allgemeinheit zu und beweisende Kraft für das objective Dasein übersinnlicher Gegenstände. Ein überzeugter Anhänger Kant’s entgegnete mit persönlichen Ausfällen durch die Schrift „Entdeckte Illuminaten-Recepte von Aqua Fontana und anderen geheimen Mitteln“ von M. A. Z. Müller (Berlin 1788, 72 S.).

W. erlebte noch eine bessere Zeit in seinem engeren Vaterlande Baiern. Mit dem Regierungsantritt Max Josef’s im J. 1799 wurde der schlechten Verwaltung ein Ende gemacht, die Rechtspflege verbessert, das Pfaffenthum in seine Schranken gewiesen, die Liebe zu Wissenschaften und Künsten gefördert. Bestrebungen, wie sie W. unternommen hatte, wurden unnöthig und unmöglich. Treffend bemerkte Friedrich Jacobs 1804 in seiner Rede auf Ernst II.: „Die sicherste Maßregel gegen geheime Verbindungen ist eine weise, im Lichte wandelnde Gesetzgebung, eine gerechte, die Freiheit des Gewissens mit Aufrichtigkeit schützende Regierung. Das Licht des Tages und der Oeffentlichkeit löscht die Lampen aus, die ein untilgbares Bedürfniß unter dem Druck der Finsterniß anzündete“. W. erreichte ein hohes Alter: im 83. Jahre entschlief er sanft am 18. November 1830 zu Gotha.

Außer den im Text angeführten Quellenschriften vgl. Goedeke § 222, 20. Mit Verzeichniß aller Schriften Weishaupt’s. – A. v. Bucher, Die Jesuiten in Baiern, 1819. I, 149. – Cl. Th. Perthes, Polit. Zustände u. Personen in Dt. z. Z. der frz. Herrschaft, 1862. I², 431 f. – Goedeke, Ad. Freiherr Knigge, 1844. S. 40–67. – Prantl in Bluntschli’s und Brater’s Dt. Staatswörterbuch V, 290 f. (1860). – Reichard’s Selbstbiographie, von Uhde. 1877. S. 117. 165–66. 251. – Kluckhohn, Vorträge und Aufsätze, 1894. S. 344–399. – Erich Schmidt, Faust und Luther. Sitzb. d. Berl. Akad. 1896. S. 570. – Ueber Zaupser s. Nicolai, Reise durch Dt., 1785. VI, 684–692 und K. v. Reinhardstöttner, Forsch. z. Kultur- u. Littg. Baierns, 1892. I. Jahrg. S. 121–226. Ueber Zwack s. ebenda [550] III. Jahrg. S. 186 f. von Richard Graf Du Moulin Eckart. – Friedrich Jacobs; Verm. Schriften, 1823. I, 72 f. – Nicolai’s Brief an Höpfner s. K. Wagner, Briefe … Leipzig 1847. S. 330 f.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. wie das? Jesuiten gab es in Ingolstadt erst 20 Jahre später.
  2. Guillaume-Thomas François Raynal auch Abbé Raynal (1713-1796), französischer Schriftsteller, bekannt durch „Geschichte zweier Indien“ (1770), eine der meistgelesenen Schriften der Spätaufklärung.