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Artikel „Maria Anna Josepha, Herzogin in Baiern“ von August Rosenlehner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 196–201, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Maria_Anna&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 15:25 Uhr UTC)
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Maria Anna Josepha, Herzogin in Baiern, war geboren am 22. Juni 1722 in der kurpfälzischen Sommerresidenz Schwetzingen bei Mannheim als viertes Kind und zweite Tochter des Erbprinzen Joseph Karl Emanuel von Pfalz-Sulzbach und seiner Gemahlin Elisabeth Auguste Sophie, der einzigen noch überlebenden Tochter und Erbin des letzten Neuburgers auf dem pfälzischen Kurstuhle, des Kurfürsten Karl Philipp. Ihre Jugendjahre verlebte sie fast ständig am Hofe ihres mütterlichen Großvaters, der auch nach dem frühen Tode ihrer beiden Eltern (1728 und 1729) und ihres Oheims Johann Christian (1733) die Vormundschaft über sie führte und ihre weitere Erziehung und die Ausbildung ihrer reichen Geistes- und Herzensgaben überwachte. Politische Gründe zeitigten schon 1733 das Project, zur Herstellung engster Beziehungen zwischen den beiden Häusern Pfalz und Baiern die sulzbachischen Prinzessinnen mit bairischen Prinzen zu vermählen. Das Project wurde im späteren Verlaufe wenigstens inbetreff Maria Anna’s verwirklicht: am 17. Januar 1742 wurde sie zu Mannheim unter glänzenden Festen, an denen fast das gesammte wittelsbachische Haus theilnahm, dem bairischen Herzog Clemens Franz vermählt, zur gleichen Stunde, in der ihre ältere Schwester, Elisabeth Maria, mit ihrem Vetter, dem jungen Herzog Karl Theodor von Pfalz-Sulzbach, späterem Kurfürsten von Pfalz-Baiern, ihre so wenig glückliche Ehe schloß. Maria Anna’s Ehe nun, welcher vier, nach anderen Angaben sechs Kinder entsprossen, die sämmtlich, wenn sie überhaupt lebend zur Welt kamen, am Tage ihrer Geburt wieder verstarben, kann man zwar nicht auch geradezu als eine unglückliche bezeichnen; denn Herzog Klemens Franz (geboren am 19. April 1722, † 6. August 1770), Neffe des Kurfürsten Karl Albrecht und durch seine Mutter Großneffe des Kurfürsten Karl Philipp und Erbe reicher böhmischer Besitzungen, wird als frommer und leutseliger Herr geschildert, der Sinn für Wissenschaft und Kunst, besonders Musik, besaß; aber er war im Gegensatz zu seiner hübschen Gemahlin von unansehnlicher Gestalt, etwas verwachsen, besaß schrullenhafte Lebensgewohnheiten und scheint, wenn man auch ihm, der dreiundzwanzigjährig die hohe und verantwortungsvolle Stellung eines Präsidenten des Hofkriegsraths erhielt, die er 1745–1753 bekleidete, die Schuld an dem Tiefstand des bairischen Heerwesens nicht beimessen darf, doch kaum in geistiger Beziehung seiner Gemahlin ebenbürtig gewesen zu sein. Schon früh, in der letzten Zeit vor dem Füssener Frieden, trat diese auf dem Gebiete hervor, zu welchem ihr ein heiß für die Selbständigkeit Baierns glühender Patriotismus, ihre große Energie und ihre geistigen Fähigkeiten, denen sich ein ausgeprägter Sinn für die diplomatische Intrigue gesellte, den Weg wiesen, und auf welchem sie eine höchst dankenswerthe Thätigkeit entfaltete, dem der Politik.

Allerdings in dem lebhaften Streite, der sich nach Karl’s VII. Tode in der diplomatischen Welt Münchens über die Frage der Fortsetzung des Krieges mit Oesterreich entspann, unterlag M. A., und die Kriegspartei, die der Ansicht waren, daß der mit Preußens und Frankreichs Hülfe weitergeführte Kampf sicheren Sieg und Erfolg bringen würde: am 22. April 1745 schloß der achtzehnjährige Kurfürst Max Joseph III. den Füssener Vertrag. Daß er aber zunächst nicht weiter auf den Plan einer engeren Verbindung mit Oesterreich einging, war das unbestreitbare Verdienst der Herzogin, die, Oesterreichs selbstsüchtige Politik mit Mißtrauen verfolgend, den Einfluß, den sie allmählich auf [197] den Kurfürsten gewann, mit Nachdruck in österreich-feindlichem Sinne geltend machte, ebenso sehr dem Wiener Hofe, der über ihre politische Haltung nicht im Unklaren blieb und sie deshalb gerne aus München entfernt gesehen hätte, zum Verdruß, wie zur Freude Preußens und Frankreichs. In Verfolg dieser Tendenz machte M. A. ihren Einfluß auf ihren Gemahl dahin geltend, daß dieser, wenn er auch mit Rücksicht auf seine böhmischen Besitzungen, an denen Oesterreich leicht hätte Repressalien üben können, nicht gegen den Füssener Frieden offen protestirte, so doch diesen niemals anerkannte; ja, sie konnte ihn, den auch der Herzog von Zweibrücken, der Maria Anna’s Gesinnung gegen Oesterreich theilte, in derselben Richtung bearbeitete, sogar bewegen, daß er am 10. Mai 1745 seine sämmtlichen Rechte und Ansprüche, die er als Verwandter und möglicher Nachfolger Max Joseph’s auf dem bairischen Kurstuhle hatte, dem dann nächst berechtigten voraussichtlichen Erben, Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz, abtrat. Weiter aber scheint Maria Anna’s Einfluß nicht gereicht zu haben: sie konnte nicht verhindern, daß Max Joseph bald darauf Subsidienverträge mit Oesterreich und den Seemächten schloß, und auch ihre Hoffnung, durch Beförderung des Abschlusses einer neuen wittelsbachischen Hausunion (31. October 1746) Baiern auf die französische Seite, auf der die verwandten Wittelsbacher von der Pfalz und Köln standen, zu ziehen, wurde getäuscht. Ja, sie mußte es erleben, daß, als im siebenjährigen Kriege endlich der Anschluß Baierns an Frankreich wirklich zu Stande kam, dieses Oesterreichs Bundesgenosse war und die bairischen Truppen gerade gegen den Mann kämpfen mußten, den sie schwärmerisch verehrte, den großen Friedrich. Damals begann die für die Zukunft Baierns so hochbedeutsame Anknüpfung Maria Anna’s mit dem Preußenkönig, die durch einen interessanten Briefwechsel zwischen beiden erhalten wurde, welcher ein glänzendes Zeugniß für den begeisterten Patriotismus der Herzogin darstellt. Friedrich zollt diesem auch alle Anerkennung, und wenn er sich in seinen Briefen mehrmals als ihr Freund unterzeichnete, so sollte das keine leere Redensart sein; in der Folgezeit hat er seine Freundschaft zur Herzogin und deren heißgeliebten zweiten Heimath durch ernsteste Thaten bewiesen.

So zum ersten Male, als am 30. December 1777 mit Max Joseph III. die bairische Linie des wittelsbachischen Hauses im Mannesstamme erlosch. Wir haben schon gehört, wie M. A. sich zum Füssener Frieden und zur Hausunion von 1746 gestellt hat. Diese Zeit „bedeutete die Lehrzeit der berühmten Herzogin, die sie befähigte, zu dem zu werden, wodurch sie den Dank aller Baiern verdient hat, zur patrona Bavariae“. (Bitterauf.) Es ist nun bekannt, daß 1763 in der Wiener Hofburg wieder der alte Plan der Erwerbung eines großen Theils der bairischen Lande, auf Grund alter, seit 1426 bestehenden Ansprüche, lebhaft ventilirt wurde. Diesen Absichten entgegenzutreten und nach Max Joseph’s kinderlosem Hinscheiden einen ruhigen Uebergang der gesammten bairischen Lande an den nächsten Agnaten Karl Theodor von der Pfalz zu bewirken, schlossen die beiden Kurfürsten 1766, 1771 und 1774 miteinander Erbverträge ab, an deren Zustandekommen M. A. und die, starb auch Karl Theodor ohne legitime Söhne, als Erbin zunächst in Betracht kommende Zweibrückener Linie reichliches Verdienst hatten. Und dem eifrigen Bemühen Maria Anna’s, die ganz offen als Haupt der bairischen Patriotenpartei galt, deren hervorragendste Mitglieder der bairische Staatskanzler Freiherr v. Kreittmayr, die Geheimen Räthe v. Obermayr und v. Lori, der bairische Gesandte beim Reichstag zu Regensburg, Freiherr v. Leyden, der gelehrte Benedictiner Kennedy, der Kammerzahlmeister und Vertraute der Herzogin, Andrée waren, gelang es denn auch, alles aufs peinlichste für den [198] eintretenden Erbfall zu ordnen. Der Uebergang Baierns an Kurpfalz ging denn auch, dank ihrer Vorarbeit, rasch und glatt von statten. Dies entsprach über durchaus nicht den M. A. zum Theil, aber lange nicht in vollem Maaße bekannten Absichten Karl Theodor’s, der die sofortige Proclamation der neuen Regierung als voreilig bezeichnete. Denn dessen Sympathien für sein neues Besitzthum und dessen Bewohner waren so gering, daß er schon seit Februar 1777 dem Wiener Hofe seine Geneigtheit, sich gegen gewisse materielle Entschädigungen über Oesterreichs vorgebliche Ansprüche auf niederbairische und oberpfälzische Gebiete zu verständigen, kund gethan hatte. Mit Freuden hatte Oesterreich die dargereichte Hand ergriffen, die Krankheit Max Joseph’s half die Sache noch rascher reifen, und am vierten Tage nach dessen Tode, am 3. Januar 1778, unterzeichnete der pfälzische Gesandte in Wien einen den erwähnten Tendenzen und Anschauungen entsprechenden Vertrag. Am 14. Januar ratificirte der Kurfürst das schmähliche Geschäft, am 15. rückte der Vortrab der österreichischen Truppen in Baiern ein, erst am 22. verständigte der Kurfürst seinen präsumtiven Erben, Herzog Karl von Zweibrücken, officiell von dem Geschehenen.

Auch den durch das Einrücken der Oesterreicher in Baiern aufs heftigste erregten Patrioten wurde ihre Vermuthung, daß dies mit Zustimmung des neuen Landesherrn geschehen sei, der schon am 2. Januar 1778 nach München gekommen war, bald bestätigt, als am 17. und 31. Januar die niederbairischen Landstände gegen eine Dismembration des Landes beim Kurfürsten vorstellig wurden, und endlich M. A. diesen selbst über die Angelegenheit interpellirte. Nun war die große Zeit der Herzogin angebrochen. Sofort bat sie schriftlich den zunächst interessirten Zweibrücker, den übel berüchtigten Vertrag nicht mit zu unterzeichnen; zugleich wandte sie sich aber auch an ihren „Freund“ in Berlin, er möge die dem ganzen Reiche nöthige Selbständigkeit Baierns nicht durch Oesterreich vernichten lassen und auf Hülfe dagegen bedacht sein. Beide Bitten der thatkräftigen Frau hatten Erfolg: Herzog Karl August legte gegen des Kurfürsten Vorgehen zunächst schriftlich Beschwerde ein, der er nach Annahme einer Einladung Karl Theodor’s nach München persönlich Nachdruck geben wollte. Was Friedrich d. Gr. betrifft, der am 3. Januar die Nachricht vom Tode Max Joseph’s erhalten hatte, so hatte dieser Maria Anna’s Hülferuf nicht erst abgewartet, sondern schon bald darauf den Grafen Eustach Görtz beauftragt, heimlich nach München zu gehen, damit er sich selbst einen Einblick in die politischen Tendenzen Karl Theodor’s wie auch des Zweibrücker Herzogs verschaffe. Mit Recht hat v. Erhard, der beste Kenner des Lebens der Herzogin, betont, daß man deren politische Thätigkeit, so hoch sie auch zu veranschlagen sei, doch nicht überschätzen dürfe. Friedrich d. Gr. hätte auch ohne Maria Anna’s Anregung im eigenen Interesse sich der bedrohten Selbständigkeit Baierns angenommen; aber es ist doch zweifellos ihr Verdienst, den etwas unentschlossenen Karl August in Verbindung mit dessen allen österreichischen Bestechungsversuchen Trotz bietendem Minister v. Hofenfels zu energischem Kampfe um sein voraussichtliches Erbe angestachelt, seine Willenskraft gefestigt zu haben, so daß die Mission des Grafen Görtz von bestem Erfolg begleitet war. Am 6. Februar kam dieser zu München an, und M. A. war es, die ihn bis zu Einbruch der Dunkelheit in ihrem Gartenpalais vor dem Neuhauser Thor verbarg, ihn dann durch ihren Vertrauten, den Kammerzahlmeister Andrée, in die Herzog Max-Burg führen ließ und eine geheime Audienz bei Herzog Karl vermittelte, der nun wie seine beiden Minister durch Vorlage einer von erläuternden Noten begleiteten Denkschrift nochmals aufs genaueste von Preußens Entschluß, daß Baierns Selbständigkeit erhalten bleiben sollte, wenn [199] er, der Herzog, nur der österreichischen Anmaßung gegenüber fest bliebe, unterrichtet wurde, und jetzt wirklich ein bindendes Versprechen in diesem Sinne abgab. Eine ebenfalls durch die Herzogin am nächsten Tage vermittelte lange Conferenz zwischen Görtz und den zweibrückischen Ministern v. Hofenfels und Frhr. v. Esebeck zeitigte das Resultat, daß der Herzog beschloß, seine Weigerung, dem Vertrage vom 3. Januar beizutreten, dem Münchener und Wiener Hofe, wie dem Reichstag zu Regensburg durch officielle Actenstücke mitzutheilen und den Preußenkönig zur Gewährleistung der letzten bairisch-pfälzischen Hausverträge aufzurufen. Diesem Beschluß gemäß handelte er auch, nachdem er, unbewegt von allen Bitten, Versprechungen, Schmeicheleien und Drohungen des Kurfürsten und Oesterreichs, nach seiner Residenz zurückgekehrt war, gefolgt und beeinflußt von Görtz, der, nachdem er während seines Münchener Aufenthalts seine Persönlichkeit unter der Maske eines Kaufmanns verborgen hatte, von nun an öffentlich als preußischer Gesandter auftrat. Auch M. A., die mit Görtz in reger Correspondenz blieb, sandte ein um Hülfe rufendes Schreiben an König Friedrich. Dieser war mit Maria Anna’s Thätigkeit sehr zufrieden, deren Verdienste für Baiern er in einem Schreiben vom 13. Februar voll anerkannte; er bedauerte nur, daß sie nicht Kurfürst war, dann wäre alles anders geworden; aber auch so hoffte er den bösen Handel noch zu gutem Ende zu führen. Auf friedlichem Wege aber gelang dies nun trotz fortgesetzter Verhandlungen nicht: am 5. Juli überschritten die preußischen Truppen die böhmische Grenze, zur größten Freude Maria Anna’s, die am liebsten selbst in den Kampf gezogen wäre und dem König mehrmals anbot, auf eigene Faust Truppen zu sammeln und ihm zu Hülfe zu schicken, was dieser aber besonders in den letzten Monaten des Feldzuges im Hinblick auf Oesterreichs Ausgleichsversuche, die dadurch gestört worden wären, ablehnte. Denn es ist charakteristisch für den ganzen Krieg, daß schon kurz nach dessen Ausbruch Verhandlungen zwischen Preußen und Oesterreich angeknüpft wurden. Während aber Pfalz-Baiern zunächst daran nicht selbständig Antheil nehmen konnte, trachtete M. A. aufs eifrigste, Einblick in diese zu bekommen und sie durch ihren königlichen Freund in ihrem Sinne zu beeinflussen. In dieser Hinsicht aber hatte sie einen Mißerfolg zu verzeichnen. Ihren Wunsch, Baiern in seinem vollen Umfange zu erhalten, konnte Friedrich nicht erfüllen. Zu ihrer größten Enttäuschung konnte Oesterreich im Frieden von Teschen, wenn es auch seine Ansprüche nicht völlig durchsetzte, diese doch zum Theil verwirklichen: das Innviertel wurde zu Oesterreich geschlagen. Tief war der Schmerz der Patrioten über diese Vergewaltigung ihres Vaterlandes; bald aber sollten sie Grund haben, ihr eigenes Geschick zu beklagen; denn harte Ungnade, ja zum Theil Verfolgung von Seiten der Regierung traf mehrere ihrer Häupter, unter ihnen auch den langjährigen Vertrauten und Kammerzahlmeister der Herzogin, Andrée. Doch gelang es M. A., seine Haft in der Festung Rothenburg in Verbannung auf ihr Gut Rieden am Staffelsee zu verwandeln; sie dauerte über den Tod der Herzogin hinaus, erfuhr aber dadurch eine rührend anmuthende Milderung, daß M. A., vermuthlich am Jahrestag der Gefangensetzung Andrée’s, am 10. Juni 1780, sich dort mit dem ihrem Herzen längst nahestehenden Beamten morganatisch vermählte.

Wenn nun auch durch den Teschener Frieden Baierns Selbständigkeit wenigstens gerettet war, so waren doch damit die österreichischen Expansionspläne nicht begraben, die Wühlereien in München dauerten vielmehr fort, man glaubte Grund zur Hoffnung zu haben, den Kurfürsten (seit 1780) zu einem Austausch Baierns gegen ein neu zu errichtendes Königreich Burgund zu gewinnen. Zu Ausspionirung der politischen Verhältnisse am Münchener Hofe [200] und Erforschung der Pläne der bairischen Patriotenpartei bediente sich nun Oesterreich auch des am 1. Mai 1776 gegründeten Illuminatenordens. Die Herzogin war diesem anfangs sympathisch und fördernd gegenübergestanden und hatte gehofft, sich dieses Geheimbundes zu ihren patriotischen Zwecken bedienen zu können. Als dieser nun aber an den Secretär Maria Anna’s, Utzschneider, angeblich um seine Ergebenheit zu prüfen, das Ansinnen stellte, er solle wichtige diplomatische Schreiben Friedrich’s d. Gr. und Hertzberg’s an diese aus deren Schreibmappe wegnehmen und ihm übermitteln, und Utzschneider sich dessen weigerte und nach Austritt aus dem Orden, über dessen hochverrätherisches Treiben M. A. auch durch König Friedrich unterrichtet wurde (25. Januar 1785), der Herzogin alles mittheilte, da bot sich eine erwünschte Gelegenheit, ihren politischen Widersachern einen Schlag zu versetzen. Sie übermittelte dem Kurfürsten ein durch Utzschneider besorgtes Mitgliederverzeichniß des schon aus anderen Gründen der Regierung verdächtigen Ordens, und Utzschneider selbst klärte in dreistündiger Audienz Karl Theodor über „die höchst staats- und religionsfeindlichen Absichten“ des Geheimbundes auf. Die Beweggründe für ein Vorgehen gegen den Orden waren bei Karl Theodor und M. A. die denkbar verschiedensten; aber in der Endabsicht trafen sich beide, und die gewaltsame Unterdrückung des Ordens nahm ihren Anfang. (2. März und 16. August 1785.) Um dieselbe Zeit (23. Juli) verwirklichte Friedrich d. Gr., von den immer weiter fortschreitenden Tauschverhandlungen zwischen Karl Theodor und Joseph II. unterrichtet, den schon öfter erwogenen Gedanken eines deutschen Fürstenbundes, der den kleineren Reichsständen Schutz gegen Oesterreichs überwiegende Macht und Annexionspläne gewähren sollte. Eigenes Interesse trieb ihn dazu, doch hat M. A. auch hierbei in gewisser Beziehung mitgewirkt, insofern sie Friedrich’s Hülfe anrief und wieder den Herzog Karl von Zweibrücken im Widerstande gegen Oesterreichs Pläne bestärkte und bewog, gleichfalls Friedrich zu abermaliger Rettung der Selbständigkeit Baierns aufzurufen. Aber schon damals gestand sie zu, daß sie nicht mehr über ihre alte Spannkraft und Rührigkeit in Aufspürung und Durchkreuzung der österreichischen Machinationen verfügte. Nichtsdestoweniger hörte sie bis an ihr Lebensende nicht auf, regsten Antheil am politischen Leben zu nehmen und nach Kräften in patriotischem Sinne zu wirken.

Das Lebensbild dieser erlauchten Frau wäre einseitig, wollte man nicht auch ihre Antheilnahme an den Geschicken des bairischen Heeres und ihrer Fürsorge für einzelne Theile desselben gedenken. Die Zeit nach dem Füssener Frieden bezeichnet einen jämmerlichen Tiefstand des bairischen Heerwesens. Die Patriotin, die in Verbindung mit dem Feldmarschall Grafen Törring stand, mußte sich aber sagen, daß bei den österreichischen Aspirationen auf Baiern ein verstärktes und gut gehaltenes Heer von großer Bedeutung war. Die drückende Schuldenlast des Landes wies aber gerade den Weg zur Sparsamkeit, die nach des Generalkriegscommissärs Frhr. v. Berchem’s Vorschlag inbezug auf das Heer so weit getrieben wurde, daß man (1750) beschloß, den Mannschaften an Stelle der dickeren und längeren Tuchröcke nur dünne, schlechte Leinenkittel, auch für Wachdienst und Winterszeit, zu reichen. Diese Maßregel empörte das mitfühlende Herz der Herzogin der Art, daß sie „in einer fulminanten Epistel“ dem Kurfürsten den mit diesem Beschluß gethanen Mißgriff vorhielt, ihn als Schande für das bairische Volk bezeichnete und endlich erklärte, daß, wenn der Kurfürst seine Soldaten nicht mehr kleiden könne, sie selbst dafür die Sorge übernehmen wolle“. Auch gegen den Soldatenhandel trat sie energisch auf.

Aber noch nach einer anderen Richtung hin bethätigte sie ihr Interesse [201] für das Heer. Als Karl Theodor nach seinem Regierungsantritt auf Antrag des von Mannheim nach München berufenen Generals Frhrn. v. Belderbusch die am 1. Juli 1756 unter dem Namen „Kadettencorps“ gegründete Bildungsanstalt für künftige Officiere als überflüssig aufzulösen beschloß, und deren damaliger Commandeur, Ingenieuroberst Chev. d’Ancillon, der Herzogin, die volles Verständniß für die Bedeutung eines richtigen Officierersatzes für die Armee hatte, darüber Vorstellungen machte und besonders auf das den dort untergebrachten Waisen und Kindern bedürftiger Eltern durch die Auflösung der bisher gut bewährten Anstalt drohende traurige Schicksal hinwies, da versprach die Herzogin, sich vom Kurfürsten als Gnade auszubitten, „Mutter dieser Verlassenen“ sein zu dürfen. Wirklich ließ der Kurfürst sich durch sie bewegen und übergab ihr das Kadettencorps mit allen Baulichkeiten und Insassen zur freien Verfügung. Vom 14. Juli 1778 an führte die von der Herzogin durch eine jährliche Geldspende von 6–8000 fl., die zu zahlen ihr nicht immer leicht fiel, unterhaltene Anstalt dann den Namen „Herzoglich marianische Landesakademie“; sie bestand bis zum November 1789, von welchem Zeitpunkte an sie zufolge eines vom General Grafen Rumford veranlaßten kurfürstlichen Befehls mit der Mannheimer Hauptkriegsschule in eine Militärakademie zu München verschmolzen wurde. Seit 19. Januar 1805 führt die noch heute bestehende Anstalt wieder ihren ursprünglichen Namen. Wie sich die Fürsorge Maria Anna’s für das Heer im Großen zeigte, so bewies sie sich auch im Kleinen als wahre Soldatenmutter. Sie, die jedes Neujahr den Mannschaften, die die Wache bei ihrem etwas vor dem Thore gelegenen Gartenhause versahen, eine Extragratification reichen ließ, bedachte die Soldaten auch in ihrem Testamente. Den Münchener Kasernen vermachte sie 1000 fl., den Grenadieren, die in der Herzog Max-Burg Wache gestanden, 100 bairische Thaler, durch Verwundung dienstuntauglich gewordenen Soldaten 500 fl. Auch sonst bewährte sie die ihr als Mädchen schon nachgerühmte Tugend der Wohlthätigkeit. So bestimmte sie testamentarisch 40 000 fl. zur Stiftung eines zu München auf dem Anger zu errichtenden Findelhauses zur Erziehung unglücklicher, außer der Ehe erzeugter Kinder, und 3000 fl. als „Malefikanten-Unterhalts-Fundationscapital“, das dazu verwendet werden sollte, von der Todesstrafe begnadigte Verbrecher durch Arbeit zu nützlichen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zu machen. Nach kurzer, mit Ergebenheit getragener Krankheit endete am 25. April 1790 das thaten- und erfolgreiche Leben dieser edlen und hochbegabten Frau.

F. M. Rudhart, Maria Anna, Herzogin in Baiern. (M.-Bl. d. bair. Ztg. 1865 Nr. 270, 1, 3. 4.) – A. v. Erhard, Maria Anna, Baierns unvergeßliche Herzogin. (Lesebuch für Capitulantenschulen II, 359 ff., 1879.) – Ders., Drei bairische Gedenktage. (Beil. z. Allg. Ztg. 1878, Nr. 37.) – Ders., Herzogin Maria Anna von Baiern und der Teschener Friede. (Oberbair. Archiv XL, 1 ff., 1881.) – Ders., Bairische Patriotenverfolgung vor einem Jahrhundert. (Sammler, Beil. z. Augsburg. Abendztg. 1884, Nr. 121–132.) – Th. Bitterauf, Die Wittelsbachische Hausunion von 1746/47. (Festgabe f. K. Th. v. Heigel. 1903, S. 456 ff.) – A. Unzer, Der Herzog von Zweibrücken und die Sendung des Grafen Görtz. (Mitth. d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung XVIII, 401 ff.) – E. Meisner, Die Herzogin Maria Anna von Baiern und der preußische Reichstagsgesandte v. Schwarzenau. 1890. – Ferner die reichhaltige handschriftliche Materialiensammlung A. v. Erhard’s über Maria Anna, deren Durchsicht mir in liebenswürdigster Weise gestattet wurde.