ADB:Karl II. (Herzog von Pfalz-Zweibrücken)
Christian IV. in der Regierung des Herzogthums Zweibrücken. In seinem Charakter tritt eine merkwürdige Mischung von Esprit und bizarrer Pedanterie, großmüthiger Freigebigkeit und ans Lächerliche streifender Sparsamkeit, kurz, von lauter sich einander widersprechenden Zügen zu Tage. „Es ist überaus schwer“, urtheilt der eingeweihte Mannlich, „eine so bewegliche Physiognomie im Bilde zu fixiren, und der Biograph, der das Charakterporträt Karl Augusts zu zeichnen unternähme, könnte es je nach der Gruppirung der einzelnen Züge, ohne unwahr zu werden, edel oder häßlich gestalten.“ Als Regent eines größeren Staates hätte er vielleicht von seinen glücklichen Talenten und reichen Kenntnissen edleren Gebrauch gemacht – als Herr eines unbedeutenden Ländchens gefiel er sich fast ausschließlich in frivolen Ausschweifungen und schimmernden Nichtigkeiten. Nahe bei Homburg baute er sich in wald- und wildreicher Höhe das Schloß Karlsberg, das an Ausdehnung und Pracht mit Versailles wetteifern konnte. Insbesondere von dem Park, der in weitem Kreise den Palast umgab, werden von Knigge und anderen Zeitgenossen märchenhafte Dinge erzählt. Hier gab es marmorne Tempel und Porphyrpavillons mit goldenen Dächern, Bären- und Hundezwinger, Falken- und Fasanenbehälter, Muschelgrotten und Forellenteiche, Orangerien und Eremitagen, große Seeflächen und Wasserkünste aller Art! Josef II., der auf seiner Reise nach Paris den Karlsberg besuchte, soll geäußert haben, er habe annähernd ähnliche Pracht nirgends getroffen. Die Anlage von Schloß und Park kostete nahezu 14 Millionen Gulden; in welchem Mißverhältniß solche Ausgaben mit den Einkünften des kleinen Herzogthums standen, bedarf keiner Erörterung. Die Pompadour des Karlsbergs war eine Frau v. Esebeck, deren Bruder als dirigirender Minister an der Spitze des Cabinets stand. „Unverständige Bauten, kostbare Möblirung, zahllose Liebhabereien, Alles, was nur dem Gelde weh that, tausend Pferde im Marstall, noch mehr Hunde in den Zwingern, das ganze Land ein Thiergarten zum Verderben der Unterthanen“, so schildert Hans v. Gagern die damalige zweibrückische Staatswirthschaft. Wenn aber auch die moralische und sociale Führung des Herzogs zu berechtigten Ausstellungen Anlaß bot, so gereicht ihm doch eine politische Handlung, wobei er eine an den Höfen des 18. Jahrhunderts seltene Selbstlosigkeit an den Tag legte, zu hoher Ehre. Als Kaiser Josef II. dem Kurfürsten von Pfalz-Baiern, Karl Theodor, einen Austausch Baierns gegen anderweitige Entschädigung anbot und der Pfälzer, der aus seinem Mißvergnügen über den Anfall der altbaierischen Gebiete kein Hehl machte, sofort bereit war, auf den Handel einzugehen, hofften die beiden Contrahenten bei dem erbberechtigten Zweibrückener Agnaten um so weniger auf Widerstand zu stoßen, als eine Erhöhung der Appanage gerade für diesen verschwenderischen Fürsten verführerischen Reiz haben mußte. Am 3. Jänner 1778 wurde von Karl Theodor zu München ein Vertrag unterzeichnet, wonach ansehnliche Theile Altbaierns in Besitz Oesterreichs übergehen sollten. Erst am 22. Jänner benachrichtigte der Kurfürst hiervon seinen Neffen. Gern hätte er sich, so schrieb er, vorher über Karl Augusts Ansichten vergewissert, allein der kaiserliche Hof habe so gedrängt und getrieben, daß keine Zeit dazu blieb. Der Herzog werde aber zweifelsohne begreifen, daß der Vertrag nur im Interesse des Gesammthauses errichtet sei. K. A. scheint anfänglich des Glaubens gewesen zu [337] sein, daß ihm nichts Anderes übrig bleibe, als in das verlangte Opfer zu willigen; der Aufforderung des Oheims Folge leistend, reiste er nach München ab. Am 3. Februar 1778 langte er in Augsburg an. Hierher kam ihm jedoch sein Geheimrath v. Hofenfels aus München entgegen, mit der Botschaft, daß Preußen gegen den beabsichtigten Tauschhandel Einspruch erheben und das gute Recht des Herzogs von Zweibrücken kräftigst vertheidigen wolle. Dem patriotischen Eifer der Herzogin Maria Anna von Baiern und der gewandten Vermittlung des zweibrückenschen Bevollmächtigten Hofenfels war es gelungen, das Berliner Cabinet für solche Durchkreuzung der österreichischen Pläne zu interessiren. Allein das Gelingen des Anschlags hing im Wesentlichen von der Mitwirkung des Herzogs von Zweibrücken ab. K. A. zauderte, gemeinsam mit dem Berliner Hof in Action zu treten, so daß König Friedrich schon ungeduldig wurde und seinem Unmuth in einem Schreiben an Maria Anna auf drastische Weise Luft machte. Das Zögern des Herzogs erklärte sich jedoch hauptsächlich daraus, daß er auch über die Stimmung des französischen Hofes orientirt sein wollte, wo zwar bei den Ministern die Ansicht feststand, daß Nachgiebigkeit gegen Oesterreich dem Interesse Frankreichs widerspreche, aber der Einfluß der reizenden Königin zu Gunsten der Pläne Josefs II. wirkte. Endlich erhielt K. A. soweit beruhigende Nachrichten, daß er die entscheidende Karte auszuspielen wagte. Am 14. März ließ er unter die Abgeordneten des Reichstags zu Regensburg einen Protest gegen die Münchener Abmachungen vertheilen. Auf seines Oheims Vorstellungen und Anerbietungen erwiederte er: „Es handelt sich nicht um einen augenblicklichen Vortheil, sondern um die Ehre des pfälzischen Hauses, und diese gilt für mich so viel, daß mir Niemand einen entsprechenden Ersatz bieten kann; ich erhebe Einspruch gegen den Austausch und werde niemals den Vertrag unterzeichnen.“ Seiner Erklärung secundirte ein preußisches Memorandum, das die Nichtigkeit der österreichischen Ansprüche auf baierische Landestheile nachwies und dem erbberechtigten Zweibrückener Hause Schutz und Hülfe zusicherte. Da Kaiser Josef auf das vortheilhafte Geschäft nicht verzichten wollte, kam es zum Krieg. Auf Betreiben Maria Theresias wurde jedoch schon am 13. Mai 1779 zu Teschen ein Friedensvertrag unterzeichnet. Zwar wurde dadurch das baierische Innviertel dem Kaiser zugesprochen, dagegen jener Vertrag vom 3. Jänner 1778 zu nichte gemacht, und Oesterreich mußte auf ewige Zeiten allen weiteren Ansprüchen auf baierisches Gebiet entsagen. Außerdem trugen die Bevollmächtigten Preußens und Rußlands Sorge für Alles, was den ruhigen Uebergang der gesammten pfalz-baierischen Lande an die zweibrücken’sche Linie sichern konnte. Nicht allein wurde der Mitwirkung Karl Augusts in den Verträgen gedacht, welche Karl Theodor mit Oesterreich schloß, sondern er gab auch noch eine besondere zustimmende Erklärung ab. Oheim und Neffe gelobten außerdem, an den alten Wittelsbachischen Hausverträgen unverbrüchlich festhalten und denselben auf keinerlei Weise zuwiderhandeln zu wollen, und Rußland, Frankreich und Preußen übernahmen die Gewährschaft. Dies hinderte aber nicht, daß am Hofe Karl Theodors nach wie vor österreichische Agenten rege Thätigkeit entfalteten; im J. 1784 nahmen diese Unterhandlungen bestimmtere Gestalt an, als der kaiserliche Gesandte Graf Lehrbach die österreichischen Niederlande mit der Königskrone als Ersatz für Baiern zu bieten hatte. Man kam in München über die politischen und finanziellen Punkte bald überein, das Project schien in der Hauptsache bereits gesichert: es galt nur noch, den Herzog von Zweibrücken zu gewinnen. Die Karten lagen diesmal für Kaiser Josefs Lieblingsidee insofern weit günstiger, als die beiden Garantiemächte Frankreich und Rußland nicht abgeneigt waren, gegen anderweitige Dienste dem Kaiser hierin willfährig zu sein. Ja, der russische Gesandte am kaiserlichen Hofe, Graf Romanzow, begab sich [338] selbst nach Karlsberg, wo auch andere Diplomaten den Herzog für den Austausch günstig zu stimmen suchten. Endlich theilte Romanzow offen mit, wie weit schon der Handel in München gediehen sei, und erbot sich zu sofortiger Auszahlung einer Million Gulden an die herzogliche Rentkammer. Da zwischen den Höfen von Wien, Paris und Petersburg volles Einverständniß bestehe, könne der Herzog nichts besseres thun als das großmüthige Geschenk annehmen, das man ihm dafür anbiete, daß er dereinst statt eines Kurhutes eine Königskrone zu tragen sich bereit erkläre. Allein auch diesmal widerstand der Herzog der lockend an ihn herantretenden Versuchung. Das dynastische Gefühl war in ihm lebendig, das Bewußtsein, daß ein Fürstenhaus sich nicht ohne Weiteres von einem ihm treu ergebenen Volke losreißen dürfe. Er zögerte keinen Augenblick, dem Grafen Romanzow eine abschlägige Antwort zu ertheilen, und erbat aufs Neue die Unterstützung des Königs von Preußen gegen ein Vorhaben, das auf eine Entfernung des Hauses Wittelsbach aus der deutschen Fürstenreihe gemünzt sei. Ehe er auf solche Anschläge eingehe, – so lautete seine schneidige Erklärung, – wolle er sich lieber unter den Ruinen des baierischen Landes begraben lassen. Friedrich II. erhob denn auch laute Klage über den Bruch des Teschener Friedens und stiftete mit Herzog K. A. und den angesehensten deutschen Fürsten einen Bund zur Abwehr der österreichischen Uebergriffe, den sogen. Fürstenbund. Karl Theodor, der an die Annehmbarkeit der Anträge des kaiserlichen Hofes selbst nicht recht glaubte und einen gewissen Widerwillen gegen das Geschäft nicht überwinden konnte, beeilte sich, das Gerücht von Abmachungen mit dem Kaiser als völlig unbegründet zu bezeichnen, und auch das Wiener Cabinet hielt für opportun, seine Wünsche wenigstens zu vertagen. In den letzten Jahren der Regierung Karl Augusts brach der Sturm der Revolutionskriege über die Pfalz herein. Am 3. Februar 1793 floh K. vor den in Zweibrücken eingefallenen Sansculotten nach Mannheim. Wenige Tage später ging das Karlsberger Wunderschloß, dessen kostbare Kunstschätze vorher mit vandalischer Wuth zerstört wurden, in Flammen auf; drei Tage und drei Nächte wüthete das verheerende Element, bis sogar fast alle Spuren der Existenz jener zahllosen Bauwerke vertilgt waren: nur einige von dichtem Laub überwucherte Mauertrümmer haben sich erhalten. Als ein Fürst ohne Land, auf die Unterstützung seines Oheims angewiesen, verlebte K. A. seine letzten Lebenstage in Mannheim, wo er, noch nicht 46 Jahre alt, am 1. April 1795 starb. Seine Ansprüche auf Zweibrücken und das pfalzbaierische Erbe gingen, da sein einziger Sohn schon im achten Lebensjahre gestorben war, an den Bruder, Max Josef, den nachmaligen ersten König Baierns, über.
Karl August, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Zweibrücken, geb. zu Düsseldorf am 29. October 1746, folgte am 5. November 1775 seinem Oheim- Memoiren des baierischen Hofmalers etc. Christian v. Mannlich (handschriftl. in der k. Hof- u. Staatsbibliothek München). – Häusser, Geschichte des rheinischen Pfalz, II. 998. – Aulenbach, Rhapsodien, S. 57. – Lehmann, Geschichte des Herzogthums Zweibrücken, S. 498. – Erhard, Herzogin Maria Anna v. Baiern u. d. Teschener Friede.