ADB:Frank, Ignaz
Karl Theodor großen Einfluß auf das Kirchenregiment in der Pfalz, und nicht blos in Scandalschriften wird behauptet, daß sich des Jesuiten Einmischung auch auf viele andere Regierungsgeschäfte erstreckt habe. Als Karl Theodor, den Bestimmungen des Münchener Hausvertrags zu Folge, nach dem Tode Max Joseph’s III. nach München übersiedeln mußte, folgte ihm auch sein Beichtvater dahin. „In Rücksicht seines bethätigten Seeleneifers“ wurde durch kurfürstliche Ordonnanz (10. Mai 1780) dem Hofpfarrer und „ordentlichen Beichtvater“, auch geistlichen geheimen Rath, neben seinem Gehalt eine Extrapension von 200 Gulden bewilligt. F. entwickelte eine rege Thätigkeit für das Lieblingsproject seines Herrn, Baiern oder wenigstens bairische Landestheile an Oesterreich gegen anderweitigen Ersatz zu vertauschen. Der Anschlag scheiterte bekanntlich am zähen Widerstand des Herzogs Karl August von Zweibrücken, des präsumtiven Erben Karl Theodors. Der zweibrücken’sche Hofmaler Christian von Mannlich erzählt nun in seinen (noch ungedruckten) Memoiren eine charakteristische Episode aus den Tagen der ersten Zusammenkunft der anscheinend wieder versöhnten Fürsten, Karl Theodor und Karl August, in Mannheim. Die Herren vom Gefolge Karl Theodors, Höflinge von ächtem Schlage, waren in übler Lage: sie durften bei Leibe nicht vor ihrem derzeitigen Gebieter durchblicken lassen, daß sie im Herzog noch etwas Anderes sähen als den Gast ihres Herrn, – andererseits wollten sie es aber ebensowenig mit dem künftigen Gewalthaber verderben. Daher war das Vorzimmer zu den Gemächern des Herzogs täglich gefüllt mit Cavalieren, die ihre Devotion darthun wollten. Auch ein Prälat „von ziemlich gewöhnlichem Aussehen und wenig einnehmender Miene“ fand sich Tag für Tag ein und drückte sich bescheiden in einen Winkel des Gemachs, ohne je vorgerufen zu werden. „Er machte den Eindruck eines Fuchses, der den Bau, wo er sich verborgen hatte, zu verlassen im Begriff steht, vorher aber mit Vorsicht den Wind prüft, ehe er sich offen zeigen will.“ Es war F., der gefürchtete Gewissensrath des Kurfürsten, der so lange und eifrig gegen das zweibrücken’sche Cabinet operirt hatte. Als nun eines Tags der Herzog selbst in’s Vorzimmer heraustrat, drängte sich der Prälat vor und wollte mit einer wohl längst einstudirten Anrede anheben, doch der Fürst verbeugte sich nur tief vor dem Pater und zog rasch einen Cavalier in’s Gespräch. Da wurde plötzlich der Besuch des Kurfürsten angemeldet! Bei seinem Eintritt zog sich Alles in den Hintergrund zurück und als Oheim und Neffe nach kurzer Unterredung im Zimmer des Herzogs wieder herauskamen, war das ganze Vorzimmer leer! – Auch in München beobachtete F. stets vorsichtige Zurückhaltung, selten trat er selbst mit Vorschlägen oder Anträgen auf, sondern ließ dies lieber durch den ihm ganz ergebenen Geheimrath Lippert besorgen. Es war aber nur ein öffentliches Geheimniß, daß F. der moralische Anstifter aller Feindseligkeiten, die aus Regierungs- und Volkskreisen gegen die „Aufklärer“, d. h. gegen diejenigen Männer, die an Stelle des in Baiern üppig aufgewucherten Wunder- und Aberglaubens ächte Religiosität und gründliche Bildung setzen wollten, unternommen wurden. Insbesondere die Akademie der Wissenschaften, die unter dem Vorgänger Karl Theodors so vielverheißend zu wirken begonnen hatte, suchte er lahm zu legen und es gelang ihm auch bei dem Kurfürsten, der sich doch früher in Mannheim als eifriger Gönner der Gelehrsamkeit und der Gelehrten bewährt hatte, eine erhebliche Schmälerung der akademischen Fonds [253] durchzusetzen. Das Büchercensur-Collegium erhielt verschärften Befehl gegen alle Schriften, „welche das katholische Gewissen der Unterthanen gefährden könnten“, einzuschreiten; mehrere Schriftsteller wurden mit Haft bestraft oder des Landes verwiesen. Als vollends in Folge der Auffindung geheimer Papiere des Illuminatenordens, dessen utopische Phantasmen als staatsgefährlich angesehen wurden, vom beängstigten Kurfürsten strenge Verfolgung und Bestrafung der Illuminaten angeordnet wurde, artete das Verfahren bald in eine so unwürdige Hetze aus, daß in München, wie A. Buchner, ein Cleriker und besonnener Historiker, schreibt, kein Mann von Kopf noch eine Nacht ruhig im Bette schlafen konnte. F. und sein Werkzeug Lippert standen an der Spitze des Inquisitionsgerichts, das sich in zahlreichen Fällen jede Willkür erlaubte, sogar gegen Männer, die nicht einmal Mitglieder jenes Geheimbundes waren, sondern sich nur durch unvorsichtige Aeußerungen verdächtig oder durch laxe Befolgung der Kirchengesetze mißliebig gemacht hatten. Selten nur wurde die Untersuchung den ordentlichen Gerichten überlassen, meistens wurden von der allgemein gehaßten und gefürchteten „Specialcommission im gelben Zimmer des Schlosses“ im Namen des Kurfürsten die strengen Urtheile verhängt. – Unter dem Namen des P. F. kam nur eine Druckschrift in die Oeffentlichkeit, eine „Trauerrede auf den tödtlichen Hintritt der durchlauchtigen Frau Maria Anna, verwittweten Herzogin in Ober- und Niederbaiern“ etc. Die Proben, die ein Recensent in der jenaischen Litteraturzeitung (Jahrgang 1790, S. 815) aus diesem „ersten und einzigen litterarischen Producte eines von anderer Seite längst bekannten Mannes“ zum Besten gibt, lassen den Vorwurf der Trivialität und Abgeschmacktheit durchaus gerechtfertigt erscheinen. Baader (Das gelehrte Baiern, I, S. 345) theilt übrigens mit, daß F. auch an vielen anderen polemischen Schriften kirchenpolitischen Inhalts mittelbaren oder unmittelbaren Antheil hatte. Er starb zu München 26. Jan. 1795. Ein in Kupfer gestochenes, überaus charakteristisches Porträt findet sich in Nicolai’s Reiseberichten, VI, S. 542.
Frank: Ignaz F., Mitglied der Gesellschaft Jesu, gewann als Beichtvater des 1742 zur Regierung gelangten Kurfürsten- Bucher, Die Jesuiten in Baiern, II, S. 131. – Kluckhohn, Die Illuminaten und die Aufklärung in Baiern unter Karl Theodor; Beilage zur Augsb. Allg. Ztg., Jahrg. 1874, Nr. 173 ff.