Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/3. Die Entwickelung der Stadt zur Herrschaft/4. Johann von Bienne

Johann Senn von Münsingen Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/3. Die Entwickelung der Stadt zur Herrschaft
von Rudolf Wackernagel
Imer von Ramstein
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Viertes Kapitel.
Johann von Vienne.




Dieser Episkopat ist eine der wichtigsten Perioden in der Basler Geschichte. Sie führt das Verhältnis zwischen Bischof und Stadt zum heftigsten Konflikt, sie eröffnet den großen, langdauernden Kampf Oesterreichs gegen die Stadt; in die hierdurch schon hoch bewegte Zeit bringt dann das Schisma der Kirche noch Erregungen besonderer Art.


Zu Beginn, sofort nach des Johann Senn Tode, stand Basel in der Gefahr eines Ueberfalls durch die Engländer. Diese beherrschten vorerst Alles. Am Todestage selbst noch, am 30. Juni 1365, glaubte der Rat den Straßburgern die verlangten Hilfstruppen zur Deckung ihrer Stadt verweigern zu müssen; da das Hochstift ohne Herr sei, ruhe nun alle Sorge für Sicherung der stiftischen Schlösser und Lande auf ihm. Dennoch verstand er sich dann zur Leistung eines Zuzugs und sandte Glefen und Schützen nach Straßburg. Wenige Wochen später aber war Basel selbst in der Lage, um Hilfe zu bitten. Die „böse Gesellschaft“ Cervolas zog das Elsaß herauf, und Ende Juli war man hier täglich darauf gefaßt, sie vor den Mauern erscheinen zu sehen. Der Rat schrieb um Zuzug nach Straßburg, nach Bern, Zürich, Luzern. Am raschesten half Bern. Es sah ein, daß es mit Basel die Jurapässe und sich selbst deckte; es rüstete fünfzehnhundert Mann; in weißen mit dem Bär gezeichneten Waffenröcken erschienen sie hier, „taten zu Basel so wackeren Einzug, daß Manchem vor Freude die Augen übergingen.“ Auf ihr Verlangen, an die gefährlichste Stelle der zum Teil noch offenen Stadt gestellt zu werden, wurden sie in die Steinenvorstadt beordert und warteten hier der Feinde. Aber diese zeigten sich nicht, und bald kam die Nachricht, daß alle Gefahr vorüber sei. Der Kaiser hatte sich endlich zur Gegenwehr erhoben, war mit seinem Heere den fremden Scharen nachgezogen; da entwichen diese bei Masmünster über die Vogesen.

[277] Der Schrecken, der diesen Raubscharen vorausging, hatte aber nicht nur auf den Rat gewirkt, sondern auch auf das Domkapitel. Es sah sich durch den unerwarteten Tod des Bischofs in eine schlimme Lage gebracht, um so mehr, da gerade in dieser Zeit auch allerhand Streitigkeiten des Bistums mit den wälschen Herren im Gange waren. Dem Kapitel standen als Propst der alte Thüring von Ramstein, als Dekan Walther von Klingen vor; in ihrer Bedrängnis war die Hilfe des städtischen Rates unentbehrlich, und um solche Hilfe zu erhalten, oder auch um sie zu belohnen, kam es in diesen Monaten der Sedisvakanz zu allerhand Verhandlungen; dabei scheinen die Domherren dem Rate Konzessionen und Zusagen hinsichtlich seiner Befugnisse, wahrscheinlich in betreff der Ungelderhebung, gemacht zu haben, die über den bisherigen Brauch hinausgingen. Wir kennen ihren Inhalt nicht, vermuten aber, daß sie hauptsächlich der Ungeldfrage galten; jedenfalls hielt in einem spätern Momente das Kapitel für nötig, deutlich zu erklären, daß für Anwendung der bischöflichen Handfeste nicht diese zwischenhinein gemachte Zusage maßgebend sein solle, sondern der alte Brauch.

Der Wahl eines neuen Bischofs nahm sich das Kapitel diesmal nicht an. Der Papst vollzog ohne weiteres die Ernennung, am 13. August 1365.

Der Erhobene war Johann von Vienne, aus dem vornehmsten Hause der Grafschaft Burgund, Sohn des Vauthier von Vienne, Herrn von Mirebel, und Vetter des großen Johann von Vienne, Admirals von Frankreich. Seit Mitte der 1340er Jahre begegnet er in Prälaturen; 1355 erhielt er als Nachfolger seines Oheims Hugo von Vienne das Erzbistum Besançon, 1361 das Bistum Metz. Der Geschichtschreiber dieser Kirche rühmt die vollendete Schönheit seiner Erscheinung, seine Friedensliebe und Gerechtigkeit; er schildert auch die energische Art seines Regimentes, mit derer die Lande von Räubern und Mördern gereinigt sowie den Klerus diszipliniert habe, den Uebergriffen der Bürgerschaft von Metz entgegen getreten sei. Doch scheint gerade dieser Streit mit der Stadt, bei dem Johann mit starken Gegnern zu tun hatte, ihm die Freude am Metzer Bistum genommen zu haben, und er bat den Papst um Versetzung an eine andere Stelle. Urban V. gab ihm das soeben frei gewordene Bistum Basel.

Hier tritt nun Johann von Vienne auf; auch er wieder ein wälscher Herr, den Sitten und Verhältnissen des Ortes fremd. Im November 1365 erscheint er in Pruntrut; seine früheste städtische Funktion war die Erteilung der sogenannten Handfeste an Kleinbasel, am 15. Januar 1366.

[278] Bei dieser Gelegenheit verlangte auch der Rat der großen Stadt die übliche Handfeste. Er erhielt sie nicht; wohl aber zeigte sich nun die leidenschaftliche, hastig zufahrende Art des neuen Herrn.

Dieser brachte vor, was er am Benehmen des Rates zu tadeln finde. Der Rat habe im letzten Jahr ein neues großes Ungeld eingeführt und dieser Steuer auch die Geistlichkeit und die Gotteshausdienstleute unterworfen; er habe diese Verfügungen durch öffentlichen Ruf vom Rathaus zu Schmach und Schande des Hochstifts verkündet; er habe das Tragen von langen Messern verboten; er habe Eigenleute des Bischofs, namentlich aus Liestal und Schliengen, in sein Bürgerrecht aufgenommen. Alles dies seien Eingriffe in die Freiheiten und Rechte des Hochstifts; mit Heftigkeit erging sich der Bischof über solche Anmaßung und verweigerte der Stadt die Handfeste. Wahrscheinlich zufolge dieser Weigerung nahmen nun die Zünfte ihre Leuchter aus dem Münster weg. Jetzt ging der Bischof noch weiter. Er versuchte Alles in Frage zu stellen, was Ergebnis einer hundertjährigen Entwickelung war. Er bekannte sich zu einem ganz ungeschmälerten Begriff bischöflicher Stadtherrschaft; er bestritt der Bürgerschaft die Möglichkeit, ohne Gunst und Gewalt des Bischofs irgend etwas zu unternehmen, einen Rat zu setzen, Gesetze zu erlassen, Zölle und Steuern zu erheben, Zünfte zu machen, Bündnisse einzugehen; er griff zurück bis auf die Diplome König Friedrichs von 1218. In einer großen Urkunde vom 14. April 1366 legte er alle seine Beschwerden gegen die Stadt nieder mit der Drohung, daß, wenn die Bürger sich nicht fügten und dem Hochstifte Genugtuung leisteten, der Gottesdienst in allen Kirchen der Stadt aufhören, das Domkapitel die Stadt verlassen, der Thesaurar den Domschatz nach Schloß Istein bringen würde. Aber die Bürger fügten sich nicht; die gedrohten Maßregeln traten ein, die Kirchen wurden geschlossen. Es folgte im Juni die Zeit der jährlichen Ratserneuerung; der Bischof sandte seinen Vikar und einige Domherren, um ihn hiebei zu vertreten; aber der Rat nahm keine Rücksichten auf den Bischof, da dieser die Handfeste nicht erteilt habe, und nahm am bestimmten Tage, 21. Juni 1366, die Neuwahl von Bürgermeister und Rat vor. Nun wendete sich Bischof Johann an den Kaiser. Er schrieb ihm seine Klagen, er suchte ihn im September in Frankfurt auf und erlangte hier in der Tat von Karl, was er wollte: die Bestätigung der alten Privilegien der Kirche Basel und einen kaiserlichen Befehl an die Stadt, binnen Monatsfrist ihre Uebergriffe in die bischöflichen Rechte einzustellen. In den Domherren, die den Bischof nach Frankfurt begleiteten, Rudolf Fröwler, Konrad Münch, Heinrich von Masmünster, dürfen wir wohl die Intransigenten des Kapitels erkennen.

[279] Aber auch jetzt noch beharrte der Rat auf seinem Sinn. Er gab nicht nach. Er zwang Geistliche, Gottesdienst zu halten, trieb die sich Weigernden aus der Stadt, verbot, dem Klerus zu mahlen oder auf andere Weise zu dienen, sperrte das geistliche Gericht. Der Bischof antwortete mit Verhängung des Interdicts über die Stadt und mit Exkommunizierung der Schuldigen. Der Kaiser aber gab den Bischöfen von Straßburg und Speier, dem Simon von Lichtenberg und dem Rate der Stadt Straßburg den Auftrag, diesen Basler Streit in Ordnung zu bringen; sie sollten die Parteien vorladen und womöglich zum Frieden bringen. Wir wissen nicht, was hiebei geschah; wohl aber, daß die Vorgesetzten des Landfriedens, der vor kurzem im Elsaß geschlossen worden und an dem auch Basel beeiligt war, nun eingriffen. Sie begegnen uns auf dem Rathause zu Basel, und ihr Zureden brachte wirklich einen Ausgleich zu Stande. Der Rat versprach, seine rechtswidrigen Verordnungen aufzuheben, und am 23. Januar 1367 erteilte ihm Bischof Johann die Handfeste in alter Form; das Domkapitel besiegelte sie unter der oben erwähnten Verwahrung hinsichtlich der Zusagen, die es während der Sedisvakanz gegeben hatte. Die formelle Erteilung der kirchlichen Absolution an die Stadt zog sich noch bis Ende des Jahres 1372 hinaus.

Die Akten dieses Streites sind sehr umfangreich und ihr Stil auf Seite des Bischofs ein merkwürdig erregter und heftiger. Dennoch dürfen wir ihnen nicht zu große Bedeutung beimessen. Sachlich bewirkte der ganze Konflikt offenbar nichts; sein Wert für uns liegt darin, daß er den neuen Bischof sofort in seinem Wesen zeigt.

Viel bedeutsamer ist die neben diesem Handel hergehende Freiburger Angelegenheit. Am 24. November 1365 hatte Basel mit Freiburg wieder einen Bund geschlossen, der bis 1. Januar 1369 währen sollte; am 29. November war Breisach, am 7. Dezember Neuenburg diesem Bunde beigetreten. Es ist zu beachten, daß der Bund mit Straßburg am 11. November 1365 ausgelaufen war, ohne wieder erneuert zu werden.

Schon kurz nach Antritt der Herrschaft durch Graf Egen von Freiburg war sein Verhältnis zur Stadt ein schlechtes geworden. Streitigkeiten verschiedener Art hatten sich erhoben; der Graf wollte sich der Stadt mit Gewalt bemächtigen, aber sein Versuch eines nächtlichen Ueberfalls am 24. März 1366 mißlang. Die Folge war offener Krieg. Die Bürger zerstörten das schöne Schloß des Grafen über der Stadt; der Graf und seine Alliierten verwüsteten ringsum das Land. Auch Basel machte, von Freiburg aufgeboten, diese Fehde mit; am 2. April 1366 zogen seine [280] Truppen ins Feld nach Breisach. Der Krieg ging weiter. Im Herbst 1367 legten sich die Freiburger mit den Zuzügern aus den drei Bundesstädten vor das vom Feinde besetzte Endingen; ihr Heer zählte vierhundert Glefen und gegen viertausend Fußgänger. Da in der Frühe des 18. Oktober kam die Nachricht ins Lager, daß ein starkes Entsatzheer heranziehe; um nicht „zwischen Roß und Wand zu kommen“, traten die Städter den Rückzug an, so eilig, daß sie Banner, Zelte und Gezeug zurückließen. Aber die Herren, Graf Egen, Markgraf Rudolf von Hochberg, die Grafen von Salm und Leiningen, die Herren von Geroldseck, Usenberg, Lichtenberg usw. jagten ihnen nach, verritten ihnen den Weg; in wiederholten blutigen Gefechten, bei Ober-Rothweil und Breisach, kam es zu einer völligen Niederlage der Städter; sie büßten über tausend Tote und zahlreiche Gefangene ein, indes die Herren kaum Schaden litten. Auch Basel verlor zahlreiche Mannschaft, dazu das Banner der Stadt. Schon sein Marsch ins Feld war von einem Tumult begleitet gewesen, mit heftigen Worten über die Ratsherren, die den Auszug befohlen; jetzt nach der schweren Niederlage brachen Haß und Hader wieder hervor; der Oberstzunftmeister Werner Ereman wurde verbannt unter der Beschuldigung, die Stadt verkauft und verraten zu haben, und am nächsten Schwörtage weigerten sich Viele, den Bürgereid zu leisten, sodaß der Rat auf Jeden, der nicht innert acht Tagen Gehorsam schwöre, die Strafe des Bürgerrechtsverlustes für fünf Jahre setzte.

Daneben aber ging der Kampf im Breisgau weiter, und an einem Kriegszuge der Freiburger nach dem geroldseckischen Lahr nahm Basel Teil, wie es auch eine Besatzung von vierzig Glefen nach Kenzingen legte, um diesen Zug zu decken. Die Kraft Freiburgs war keineswegs gebrochen, nur die Möglichkeit fernern Zusammenlebens mit dem Grafen dahin. Da trat Oesterreich ins Mittel und zog aus diesem Streit seinen Nutzen. 1368 kamen die Abreden zu Stande, denen zufolge Graf Egen auf alle Herrschaftsrechte in Freiburg gegen Zahlung einer Geldsumme durch die Bürger verzichtete, die Herzoge von Oesterreich aber diese Zahlung übernahmen und sich von der Stadt als Herren anerkennen ließen.

Für Basel, das 1368 gleichfalls seinen Frieden mit dem Grafen schloß, bedeutete dieser Ausgang eine Erweiterung österreichischer Macht, die sehr zu denken gab. Aber noch mehr. Es schloß sich dabei für Basels auswärtige Politik ein ganzes Gebiet. Die vierzigjährige Bundesgenossenschaft mit Freiburg war unter den rechtsrheinischen Beziehungen Basels, die im übrigen nie sehr intensive waren und schon an dem wohlabgerundeten, [281] in festem haushälterischem Sinn verwalteten Territorium des Hauses Hochberg ein Hindernis fanden, von hoher Wichtigkeit gewesen; sie verband zwei Communen und bewirkte zu Zeiten auch eine Liga mit Breisach und Neuenburg. Alles dies war nun zu Ende. Die Namen dieser Städte treten in den Basler Akten erst wieder auf, als unter der Leitung Oesterreichs ihre ehemalige Freundschaft zur Gegnerschaft geworden war.

Es ist zu verstehen, daß nach einer solchen Einbuße Basel um so eifriger wieder alte Beziehungen aufnahm. Der allgemeine Zustand war bedrohlich, die Lage des Gemeinwesens von allen Seiten gefährdet. Auch die Landfrieden hatten nur bedingten Wert. In Zeiten von Gefahr hastig geschlossen, versagten diese aus disparaten Elementen geformten Bünde doch meist, wenn die Kalamität eintrat, der sie begegnen sollten. Und wie wenig sicher eine solche Koalition sich selbst vorkam, zeigt der Herlisheimer Bund 1373. Herr Johann Erbe hatte mit einer großen Bande von „Bösewichtern und Straßenräubern“ sich der Hatstättischen Burg Herlisheim bemächtigt; das Reich, die Herrschaft Oesterreich, die Städte in Elsaß und Breisgau waren vor die Burg gezogen, hatten sie gewonnen und die Besatzung teils auf Räder gesetzt, teils gehenkt, teils enthauptet. Das Land war auf einen Schlag von zahlreichen Räubern befreit; dennoch fanden die Urheber dieser großen Exekution, darunter auch Basel, für nötig, sich gegenseitig für ewige Zeiten durch Gelöbnis der Hilfe gegen alle schlimmen Folgen dieser „getat“ sicher zu stellen.

Auch die Beziehungen zu Kaiser Karl boten der Stadt keinen Halt. Wie hatte er sich 1366 benommen, alle Prätensionen des neuen Bischofs gefördert! Aber schon im Frühjahr 1368 war er wieder dafür zu haben, daß er dem Rat einen Transitzoll auf dem Rheine gab; er empfing von der Stadt zweitausend Gulden und schlug diese Summe als Pfandschatz auf die verliehene Rechtsame. Und 1372 stellte er an demselben Tage, 9. Juli, vier Privilegien für Basel aus, über das Kleinbasler Ufergericht, das Geleite von Gästen und Durchfahrenden, die Vertretung der vor fremde Gerichte geladenen Basler, Bestätigung von Rechten und Freiheiten der Stadt insgesamt. Die Rechnungen des Rates zeigen, wie teuer ihn diese Gnade zu stehen kam; ein Zeugnis bestimmter Gesinnung des Kaisers ist in ihr nicht zu sehen.

Basel war auf sich selbst angewiesen. Und daneben auf die Freundschaft gleichgearteter Gemeinwesen. Es galt Interessen, die nicht nur solche der einzelnen Stadt waren. Ueberall in den Räten drängte man zu gemeinsamer Aktion, zum Zusammenhalten gegen Alle, die den Städten [282] „gegen Recht etwas antun möchten." Daher schon 1366 die Anregung des Straßburger Ammeisters Heilman zu einem Bunde seiner Stadt mit Basel, Freiburg, Zürich, Bern, Luzern; daher im Mai 1371 der Vorschlag des Basler Rates: die obern und die niedern Städte sollten sich verbinden zum Widerstand gegen die „Bedrückungen“, die sie täglich erleiden müßten. Keines dieser Projekte wurde ausgeführt. Aber am 20. September 1370 kam Basel dazu, nach fünfjähriger Unterbrechung sich wieder mit Straßburg zu verbünden.


In den ersten Jahren nach dem Streite des Bischofs ereignet sich zwischen diesem und der Stadt nichts Bemerkenswertes mehr. Der Anlauf gegen die städtische Freiheit, unbedacht und jedenfalls ohne Kenntnis der vorhandenen Zustände sowie der Personen unternommen, hat Johann nichts eingebracht, und er wendet nun sein Interesse andern Dingen zu. Aber sein Regiment ist ein völlig weltliches, kriegerisches. Nichts von dem ruhig Aufbauenden und Ordnenden seines Vorgängers. Er hat Streit nach links und rechts. Aber er gewinnt wenig, er belastet sein Hochstift mit Schulden, bringt Unruhe und Unsicherheit in die allgemeine Lage.

Gleich zu Beginn finden wir ihn im Zank mit den Landgrafen des Sisgaus, denen gegenüber er die Exemtion der Herrschaft Waldenburg vom landgräflichen Rechte behauptet. Es folgt der leidenschaftliche und wilde Krieg mit Bern im Winter 1367/1368. Mit dem Domkapitel gerät der Bischof in Streit über Gefälle in Riehen usw., sodaß der Papst Kommissäre zur Schlichtung senden muß. Er hat Fehde mit Ludwig von Gliers, Herrn von Froberg. Auch der in den Schriften jener Zeit überall begegnende Rutschman von Blauenstein wird Feind des Bischofs, der sein Schloß am Blauen über Kleinlützel wiederholt belagert, 1370 und 1371. Endlich ist zu nennen der Krieg Johanns mit einer mächtigen Gruppe von Widersachern, an deren Spitze der Freiherr Henman von Bechburg, dessen Schwager Burchard von Buchegg, der Basler Archidiakon Werner Schaler stehen. Die Ursache dieses Krieges kennen wir nicht; er hielt Lande und Leute des Bistums in Bewegung; Graf Walraf von Tierstein stritt auf Seite des Bischofs, und diesem stand, wie in der Fehde gegen Blauenstein, auch die Stadt Basel bei. Im Jahre 1371 gelang den Feinden die Einnahme des festen Schlosses Istein, durch Verrat eines bischöflichen Dieners, und Werner Schaler behauptete sich in diesem Besitze bis zum Mai 1372, wo die Basler Bürger vor das Schloß zogen und es in ihre Gewalt brachten. Dieser Hauptschlag endete den Krieg. Es kam ein Vertrag zu [283] Stande, nicht zu Gunsten des Bischofs. Große Kriegsentschädigungen wurden ihm auferlegt, und die Zahlung dieser Summen zog sich noch Jahre lang hinaus. Einen Teil derselben, im Betrage von 2860 Gulden, erlegte die Stadt für den Bischof und behielt dafür als Pfand das von ihr eroberte Schloß Istein. Sie besaß und verwaltete nun dieses Schloß, erhob die zu ihm gehörenden herrschaftlichen Nutzungen; erst im Jahre 1375 geschah die Lösung.

Diese Art von Eingreifen der Stadt in Händel, die sie im Grunde wenig berührten, ist bezeichnend. Die Politik tritt hier zu Tage, die von da an Seitens der Stadt gegenüber ihren Bischöfen geübt wurde. Wenn der vorwiegend bürgerliche und zünftische Rat für große politische Aufgaben unzulänglich sein mochte, so bewegte er sich dafür mit Meisterschaft in dieser spezifisch kaufmännischen Politik. Das System war, sich dem Bischof unentbehrlich zu machen, ihm keine Hilfe zu versagen, damit immer mehr sein Gläubiger zu werden, immer mehr Rechte seiner Herrschaft pfandweise in Gewalt zu bekommen. Leichter als einem weltlichen ließ sich diese Taktik einem geistlichen Fürsten gegenüber üben, der keine Leibeserben hatte, ohne dynastische Pläne und Verpflichtungen regierte. Ein solcher mochte drauf los leben und Rechte um Rechte verpfänden; nur daß er dies tat an die Stadt und nicht an einen auswärtigen weltlichen Herrn.

Vor allem aus solchen Erwägungen heraus haben wir uns die Beflissenheit zu erklären, mit der in diesen Jahren, unmittelbar nach dem heftigen Streit um Macht und Recht, die Stadt dem Bischof zur Hand war. Zunächst in seinen Fehden. Deutlich lernen wir bei diesen Unternehmungen der Stadt ihre kriegerische Kraft kennen, ihre aus Glefen, Schützen und Speerknechten gebildeten Truppen, ihre Söldnerkompagnie, in der neben den von überall herkommenden und in Jedermanns Dienst sich verkaufenden Berufssöldnern Gyr, Brugger, Cuntz im Hag, Richard von Metz, Zschan Leller usw. Söhne der einheimischen Geschlechter ritten, wie Cuntzman ze Rin, Johann Stamler, Peterman Stralenberg, Cunrat zer Sunnen, Hüglin Vitztum usw. Mit diesen Truppen und mit einem wohlausgestatteten Train von Wurfmaschinen, Wagen, Werkzeug half die Stadt dem Bischof wider seine Feinde; sie sicherte ihm Olten durch eine Besatzung; sie belagerte ihm Blauenstein; sie gewann Istein.

Das Zweite aber war das Geld sowohl der Stadt selbst als ihrer reichen Bürger, womit dem Bischof gedient wurde. In großer Zahl sind Verschreibungen Johanns von Vienne schon aus den ersten Jahren seiner Regierung als Zeugnisse solcher Geldgeschäfte erhalten. Neben den Edeln [284] von Ramstein, von Eptingen, von Bärenfels usw. erhalten die Basler Bürger Henman Stamler, Werner von Halle, Jakob Fröwler für ihre Vorschüsse Güter und Rechte des Hochstifts als Pfand. In denselben Wochen, während deren die Versöhnung des Bischofs mit der Stadt zu Stande gebracht wurde, Ende 1366, kam zwischen ihnen auch schon ein großes Darleihen zur Sprache; Johann war Willens, seinen Zoll zu Basel dem Rate um zwölftausend Gulden zu versetzen. Es ward nichts daraus; aber wenig später fanden dann doch die denkwürdigen Verpfändungen statt, mit denen die Stadt Zoll und Münze an sich brachte, am 12. März 1373. Der Zoll wurde um zwölftausendfünfhundert Gulden verpfändet, die Münze um viertausend Gulden, und der Bischof begründete die Weggabe so großer Rechte mit dem Wunsche, seine Schuldenlast zu erleichtern und den Landen und Leuten, die um dieser Schulden willen beunruhigt würden, zum Frieden zu verhelfen. In der Tat geschah unmittelbar nach dem Abschluß des Handels die Liquidierung bischöflicher Schulden durch die Stadtkasse, auf Rechnung dieser Pfandsummen. Die Beträge, die hiebei an Rutschman von Blauenstein, an den Buchegger und den Bechburger auszurichten waren, stellen sich als Kriegsentschädigungen dar; andere gingen an Burchard Münch, Küntzli Puliant und Gottfried von Eptingen, Graf Rudolf von Habsburg, Hans Werner Fröwler usw.

Jetzt aber tritt Herzog Leopold von Oesterreich auf die Bühne, und die Szene ändert sich durchaus.


Herzog Rudolfs IV. Brüder Albrecht und Leopold hatten nach seinem Tode die Regierung zunächst gemeinsam geführt. Auch diejenige der Vorlande. Aber der jüngere Leopold, herrschsüchtig, voll Ehrgeiz, kriegslustig, drängte überall vor. Wenn er auf Erweiterung seiner Macht am Oberrhein, auf Verbindung dieser Gebiete mit den alten Stammlanden überm Jura, sowie auf ihre Verbindung mit Tirol ausging, so war das im Grunde nur Fortführung einer Politik seines Hauses. Aber sein Eigenes war die Hast, mit der er diesen Zielen zustrebte. Freiburg hatte er schon erlangt; jetzt ging sein Sinn unzweifelhaft auf den Gewinn Basels.

Kaum zwanzigjährig, im Winter 1369/1370, hielt er sich in diesen Gebieten auf; wir finden ihn in Freiburg, in Baden, in Lenzburg und Burgdorf, in Basel. Mit dieser Stadt schloß er am 24. Januar 1370 ein Bündnis; es sollte bis zum Georgstag 1372 währen; es bedang gegenseitige Hilfe in dem großen Bereich vom Albrechtstal in den Vogesen bis zur Stadt Bregenz, und vom Schwarzwald bis an die Alpen und den [285] Jura; es sollte die Fortsetzung alter Freundschaft sein und hauptsächlich zur Abwehr „des fremden schädlichen Volkes“ dienen.

Vor wenigen Jahren waren die Banden Cervolas im Lande gewesen, und man fürchtete eine Wiederholung dieses Unheils. Die wilden Kompagnien im Westen bestanden noch immer; aber jetzt heftete sich die Vorstellung von ihnen nicht mehr an einen Abenteurer wie Cervola gewesen, sondern an den großen Enguerrand von Coucy, Grafen von Soissons und Beford. Dieser hatte Ambitionen, die höher gingen, und erhob eigentliche Forderungen; als Enkel des frühern Herzogs Leopold von Oesterreich verlangre er sein Erbe. Diese persönliche Angelegenheit des Coucy, bei der vielleicht an Gründung einer Herrschaft auf der deutschfranzösischen Grenze gedacht wurde, vermengt sich nun aber nicht allein mit der Sache der Söldnerscharen, sondern auch mit allgemeinen Tendenzen, auf die hier schon einmal hingedeutet worden ist. Es sind die in den burgundischen Gebieten bestehenden Tendenzen einer Einwirkung in die Verhältnisse am Oberrhein.

Dieses Bestreben, das später unverhüllt auftritt, meldet sich auch jetzt. Die „Wälschen“ beginnen ein Faktor zu werden; sie machen in diesen Jahren wiederholt von sich reden, und dabei ist keineswegs an das „üppige schädliche Volk“ der Soldbanden zu denken, sondern an diese Nachbarn auf der Grenze Wälschlands. Sie sind eine Gefahr für Oesterreich so gut wie für Basel. In erster Linie stehen auch jetzt wieder Mömpelgard und Burgundisch-Neuenburg; beachtenswert ist aber, daß der Basler Bischof selbst, Johann von Vienne, wälsches Wesen vertritt und gleichfalls in diese Beziehungen hineingreift. Im Oktober 1366 erscheint er als der Verbündete des Grafen Heinrich von Mömpelgard.

Als Heinrichs Sohn Stephan 1367 die Grafschaft antrat, konnte er mit Stolz ihrer Macht und Größe bewußt sein. Am 19. September 1368 schloß er mit Coucy ein Bündnis gegen Oesterreich. Aber die Feindseligkeiten scheinen nicht sofort begonnen, vielmehr noch Unterhandlungen stattgefunden zu haben. Die österreichischen Herzoge suchten den Coucy mit Geld abzufinden; am 16. Oktober 1368 zahlten sie ihm zweitausend Gulden, wobei Bischof Johann von Basel an seiner Statt die Zahlung in Empfang nahm. Doch ließ sich damit der Krieg nicht aufhalten; er war ein Bedürfnis, der Gegensatz Deutsch und Wälsch in dieser Ecke viel zu lebhaft, und Mömpelgard selbst drängte jedenfalls zum Schlagen. Der Bischof freilich, zu schwach an Kräften und durch eigene Streitigkeiten in Anspruch genommen, hielt sich im Hintergrund; aber die Streitsache erweiterte sich nach einer andern Seite, indem nun auch der uns schon bekannte Diebold von Burgundisch-Neuenburg [286] sich zum Worte meldete. Er war der alte Feind Mömpelgards und wurde dementsprechend jetzt der Alliierte Oesterreichs.

Der Verlauf des Krieges, der 1368 begann und sowohl im Sundgau als am Doubs geführt wurde, ist hier nicht zu schildern. Für uns ist die Teilnahme der Stadt Basel an diesem Kriege wichtig. Sie war mit Oesterreich noch nicht verbündet. Daß sie dennoch mitkämpfte, dem Herzog Mannschaft schickte und Kriegsgeräte lieh, geschah, weil sie sich nicht wohl entziehen konnte, weil die Politik, die sie im Januar 1370 zum Bunde mit Oeslerreich führte, schon einige Monate vorher für sie galt, weil in ihrer Bürgerschaft ein Krieg gegen die Wälschen jedenfalls populär war. Wir vernehmen von allerhand Zügen der Basler Streitmacht, gegen Wattweiler zu, zweimal gegen Altkirch zu, wobei fünfzig Glefen und fünfhundert Schützen und Speerknaben ausrückten; aber die größte Leistung Basels war seine Hilfe bei der Einnahme der mömpelgardischen Burg Héricourt im August 1369. Außer den Bewaffneten lieferte sie ihre neue Wurfmaschine, die so groß war, daß ihr Transport 24 Wagen und 144 Pferde erforderte; wohl ihr vor allem war die Bezwingung des festen Schlosses zu verdanken. Wir erwähnen noch die Einnahme und Plünderung Altkirchs durch Coucy im August 1371 und die wiederholten, das Land zunächst bei Basel verheerenden Streifzüge der beiden Parteien.


Die Schwäche des Hochstifts, die in den zahlreichen Zinsverkäufen und Verschreibungen, am deutlichsten in der Verpfändung von Zoll und Münze sich zeigte, konnte beim Naturell Johanns von Vienne nicht als dauernde Sicherung vor Streit gelten. Ein Anstoß von außen, eine Zusage von Hilfe genügte, um den Fürsten sofort wieder aufs leidenschaftlichste zu erregen.

Dies geschah jetzt durch Herzog Leopold. Sein Bündnis mit der Stadt war seit Frühling 1372 erloschen, er selbst seit der Teilung mit Albrecht vom 25. Juli 1373 alleiniger Herr in den Vorlanden.

Zunächst haben wir wichtige Umwälzungen im Innern Basels zu beachten. Schon während der Anfänge Johanns von Vienne hatte sich im Stadtregiment der Wille der Zünfte deutlich als der bestimmende Wille gezeigt; wiederholt nennen Bischof und Kapitel die Zunftmeister, die societates, das commune als die Urheber der das Hochstift verletzenden Beschlüsse. Diese Entwicklung in der Richtung auf das bewußt Städtische, rein Bürgerliche und Zünftige, Adelsfeindliche ging jetzt noch einen Schritt weiter. Wir dürfen Einwirkungen von Straßburg her vermuten, vielleicht [287] im Anschluß an die Erneuerung des Bundes mit dieser Stadt am 14. Januar 1374. Aus Straßburg kam wohl der Anstoß zu dem Verfahren gegen den Adel, das jetzt in Basel geübt wurde. Klar und kräftig spricht der Straßburger Chronist das Raisonnement dieser Bewegung aus: unter den in der Stadt wohnenden Edelleuten erklärten die, welche der Stadt bedurften, sie wären Bürger; aber wenn man sie etwas tun hieß zu Nutzen der Stadt, das ihnen nicht wohl gefiel, so sprachen sie, sie wären nicht Bürger; da gebot man, daß jeder Edelmann entweder sich als Bürger erklären und der Stadt schwören oder aus der Stadt weichen sollte. Gerade so ging nun auch Basel vor. Es war nicht allein die Frage von Besteuerung und Waffendienst für die Stadt, um die es sich hiebei handelte; auch darüber beschwerten sich die Räte, daß kein Beschluß bei ihnen gefaßt werden könne, ohne daß er den Feinden der Stadt oder Denen, um die es sich dabei handle, mitgeteilt werde; hiebei fiel der Verdacht vor allem auf die ritterlichen Ratsmitglieder. Man schuf daher die Behörde der fünf Heimlicher und übertrug dieser, die anfangs überwiegend, später ausschließlich aus Bürgerlichen gebildet wurden, alle Kriegssachen; sie sollten heimlich auf die Feinde der Stadt stellen und den Sachen Nachdenken, wie wir unsere Feinde schädigen könnten.

In solcher Weise verfuhr der Rat, von den Edeln offene Erklärung über ihre Stellung zur Stadt fordernd und die Führung der wichtigsten Geschäfte den Edeln im Rat entziehend. Hierüber kam es aufs neue zum Streit zwischen Bischof und Stadt, wobei ohne Zweifel nicht nur der gemaßregelte Adel selbst, sondern nun auch Herzog Leopold auf den Bischof einwirkten. Dieser hatte auch noch wegen anderer Dinge zu klagen, namentlich wegen Eingriffs des Rates in die bischöfliche Hoheit über Kleinbasel. Es kam rasch wieder so weit, daß im Juni 1374, als es um die ordentliche Erneuerung des Rats zu tun war, der Bischof seine Mitwirkung hiebei verweigerte. Der Rat nahm die Erneuerung ohne den Bischof vor. „Und da unser Herre von Basel dem Burgermeister, den wir gesetzt hatten, und auch den Rittern verbot, in unsern Rat zu kommen, da mußten wir unsre Stadt besorgen mit einem Bürgermeister, der uns der Beste zu sein schien.“ In solcher Weise kam es, an Stelle des zuerst gewählten Ritters, zu der unerhörten Wahl des Hartman Rot, eines Achtburgers, als Bürgermeister im Juni 1374. Der Rat schob alle Schuld dem Bischof zu; dieser habe Gelübde und Eide gebrochen, die er der Stadt getan. Gleichwohl mußte die Wahl als eine Kriegserklärung der Stadt gelten. Nicht alle Adligen waren aus dem Rate gewichen; auf der Ritterbank saßen jetzt Hanneman [288] von Rotberg, Werner von Bärenfels, Konrad von Biedertan, Heinrich Reich. Von ihnen und Andern schrieb der Rat, daß sie der Stadt Gehorsam geschworen hätten, und daß man ihnen gerne Zucht und Ehre biete. Um so auffallender war, daß allem Herkommen zuwider der Bürgermeister nicht aus ihrer Mitte genommen wurde. Aber auch andere Beschlüsse zeigten nun, daß ein neuer Geist und Wille im Rathause galt: der alte Bürgermeister Hanneman von Ramstein wurde wegen Verweigerung des Bürgereides mit fünfjähriger Verbannung gestraft; gleiche Verfügung erging über Kunzman von Ramstein, Fritscheman von Notberg, Peterman und Rutschman von Biedertan, Franz Hagedorn, Bitterli von Eptingen, Kunzman Sinz genannt Kötzinger. Der Oberstzunftmeister Werner Ereman wurde neuerdings seines Amtes entsetzt und auf zehn Jahre verwiesen, weil er wider die Stadt Geld angeboten und angenommen und üble Rede gegen die Gemeinde geführt hatte.

Mit erregten Worten weist der Rat wiederholt darauf hin, wie hart und schwer es ihn angekommen sei, Leute in seiner Stadt zu wissen, die ihm nicht gehorsam wären, wie diese Edelleute alle Arbeit und Sorge in den so gefährlichen Zeiten den Andern überlassen hätten. Erst im Blick auf diese allgemeinen Zustände verstehen wir die Notwendigkeit dieser Beschlüsse, mit denen Rat und Bürgerschaft von unzuverlässigen Elementen gesäubert wurden, und würdigen auch die Kraft und Entschlossenheit, die in ihnen lebt.

Denn nach allen Seiten sehen wir die Stadt in diesem Sommer und Herbst 1374 in Krieg verwickelt, mit Junker Johann von Krenkingen, mit Graf Walraf dem Aeltern von Tierstein, mit dem unvermeidlichen Rutschman von Blauenstein, mit Martin Malterer, mit Henman von Hauenstein, mit dem Freiherrn Hans Ulrich von Hasenburg. Einzelne dieser Fehden gingen auf den Herlisheimer Bund zurück; bei den meisten ist uns der Anlaß verborgen. Aber wir vernehmen, wie beim Rate die Absagebriefe einlaufen von den Anhängern dieser Feinde, wie er sich rüstet, seine Boten sendet, Straßburger Zuzug erhält, die Söldner reiten läßt, wie er zu Felde zieht und Blauenstein belagert, das Städtlein Hasenburg und das Schloß Pfäffingen verbrennt.

Deutlich erkennbar tritt aus diesem ganzen Gewirre von Kampf nur der sogenannte Safrankrieg hervor. Der Freiherr Henman von Bechburg hatte auf der Straße bei seiner Feste Falkenstein einen nach Basel reisenden Kaufmannszug ausgeplündert und die Beute im Schlosse geborgen; es war Gut, das nach Basel, Straßburg, Frankfurt, Köln gehörte, das Wertvollste [289] dabei eine Last von acht Zentnern Safran. Es war eine Repressalie der elendesten Art, aber völlig im Stile der Zeit; zu ihrer Beschönigung mochte Henman auf die Streitigkeiten seines Lehensherrn, des Bischofs, mit Basel sich berufen, vielleicht auch auf Forderungen, die er noch von Bischofs wegen an die Stadt hatte. Aber die Tat war geschehen im Frieden und Geleit der Landgrafschaft Buchsgau, und der Landgraf Rudolf von Nidau erhob sich sofort zur Bestrafung des Räubers. Ende April 1374 legte er sich vor Falkenstein und bot Basel zur Hülfe auf; die Stadt sandte hundert Schützen und den Werkmeister Konrad mit einer Wurfmaschine. Die Mauern wurden untergraben und beschossen; nach einer Belagerung von vierzehn Wochen, im August 1374, ergab sich die Burg. Den Schloßherrn fand man freilich nicht vor, wohl aber seinen Schwager Burchard von Buchegg, den Grafen Hans von Tierstein, den Konrad von Eptingen und einige andere Edelleute. Diese nahm der Nidauer in seinen Gewahrsam; den Knechten aber, die man betraf, es waren ihrer sechzehn, wurden auf dem Platze vor der Burg durch den Basler Nachrichter die Köpfe abgeschlagen. Die Beute teilten die Eroberer unter sich, und mit ihr auch das durch den Bechburger geraubte Kaufmannsgut. „Nu lug jederman, wo gerechtigkeit were!“ ruft Justinger aus, „darumb sie den röubern ir höupter abslugen, daz taten sie selber und beroubeten die kouflüte zem andern male.“ Das mag für den Grafen von Nidau gelten; Basel gab seinen Anteil an die beraubten Kaufleute heraus, im Betrage von hundertundsiebzig Gulden.

Neben alledem drohte auch die wälsche Gefahr wieder, und unverhohlen sprach der Rat aus, daß der Bischof diese Feinde der Stadt und des Landes unterstütze, sie in seinen Schlössern hause und hofe. In schwerer Besorgnis schrieb er am 4. September seinen Straßburger Freunden, wie er wegen der Ansammlung der „Walchen“ gewarnt worden sei; sie haben Willen, gegen Niemand anders als gegen die Stadt Basel zu ziehen; man wisse, daß drei Herren von Vienne, Verwandte des Bischofs, hiebei treiben und werben.

Aber über den Krieg der Stadt mit dem Bischof selbst vernehmen wir Weniges. Es war eine Fehde wie die andern; Keiner der Streitenden sammelte seine Kraft zu einzelnen starken Schlägen, sondern mit Streifereien und Verwüstungen suchte Jeder den Andern nach Möglichkeit zu schädigen. Ein Unternehmen dieser Art war die Einnahme von Bure bei Pruntrut durch die Basler.

Die Stellung Herzog Leopolds in allen diesen Bewegungen ist anfangs nicht recht ersichtlich. Basel konnte eine Zeitlang glauben, auch jetzt [290] noch mit ihm zusammen zu gehen, wie es vor wenigen Jahren getan hatte; als es seinen Zug gegen den Hasenburger Freiherrn tat, zogen mit seinem Haufen auch Kriegsknechte aus dem österreichischen Amte Pfirt, und als Entgelt des Schadens, den Bischof Johann durch Begünstigung der Wälschen dem Sundgau zufügte, ließen diese Pfirter unterwegs in den Dörfern einige bischöfliche Häuser in Feuer aufgehen. Aber dann ward die wirkliche Parteinahme Leopolds doch bald sichtbar. Er zeigte sich auf der Seite des Bischofs und half diesem „ernstlich und getreulich, mit großer Zehrung und Kosten“, sowohl kraft Vasallenpflicht, wie er vorgab, als auf Grund besonderer Abmachung. So hatten nun die Basler auch gegen ihn zu fechten, und wohl hiemit erklärt sich der Zug Basels gegen Belfort im August 1374, von dem gelegentlich die Rede ist; daß es dabei auf eine Belagerung des Platzes abgesehen war, zeigen die Posten der Basler Ausgabenrechnungen für Gräber.

In dem Vorgehen gegen Basel bediente sich jetzt Leopold auch der Hülfe des Kaisers. Dieser hatte vor neun Jahren die Judensteuer zu Basel, allerdings auf Widerruf, dem Rate gewährt; am 25. November 1374 aber nahm er die Klage Leopolds an, daß die Basler ihre Juden nützen den Rechten des Reiches zuwider, und übergab den Judenschutz dem Herzog selbst.

Dieser erweist sich nun immer mehr als der eigentliche Leiter des Unternehmens gegen Basel; und es ist ein ernsthaftes Schauspiel, das sich vor uns entwickelt. Aus der Menge der Fehden Basels nach allen Seiten, aus den hastig und ohne Ueberlegung unternommenen und dann auch wieder verlassenen Streitigkeiten des Bischofs Johann mit der Stadt wächst rasch der eine große, alles Andere absorbierende Kampf hervor, den der Herzog von Oesterreich mit dieser Bürgerschaft unternimmt und bei dem diese um ihre Freiheit kämpft. Der Bischof ist dabei völlig in der Gewalt des Herzogs; er hält sich bei ihm in Rheinfelden auf; er verschreibt ihm am 28. November 1374 für seine auf dreissigtausend Gulden geschätzten Kriegskosten die Stadt Kleinbasel; und da diese noch nicht verfügbar ist, so verschreibt er ihm unterdessen als Pfand die Stadt Liestal, Burg und Stadt Waldenburg und die Feste Honberg. Die Wahl dieses Interimspfandes durch den Herzog war eine wohlberechnete; er schob sich damit zwischen die Stadt Basel und den mit ihr verbündeten Grafen Rudolf von Nidau.

Kleinbasel war für die Verpfändung an den Herzog nicht zu haben, weil es zur Zeit in der Gewalt der großen Stadt sich befand. Die Stellung der letztern im Kriege war somit eine starke, und hiefür kommt ferner [291] in Betracht, daß Basel immer noch die Burg Istein besaß. Auch von einer Besatzung, die sie auf Schloß Rheinegg unterhielt, ist öfters die Rede.

Unter diesen Umständen mochte es der Herzog nicht auf einen Gewaltstreich wollen ankommen lassen; er zog jetzt, da die Stadt vom monatelangen Kampf jedenfalls ermüdet war, den Weg der Verhandlungen vor und ließ sich vom Bischof als Schiedsrichter über dessen Streitigkeiten mit dem Rat aufstellen. Er wählte damit auch hier das Mittel, das ihn vor wenigen Jahren in Freiburg zum Ziel gebracht hatte. Daß freilich Basel geneigt war, einem solchen Schiedsrichter Alles in die Hände zu legen, ist kaum zu glauben; immerhin fanden im Dezember 1374 zu Rheinfelden Konferenzen statt, an denen auch Gesandte des Basler Rates teilnahmen. Ihre Instruktionen kennen wir nicht; aber die damalige Stimmung Basels lebt in dem Schreiben, das der Rat an Luzern, an Bern, an Zürich sandte; da wirbt er aus seiner tiefen Bedrängnis heraus, „als wol offenbar ist, wie man auf ehrbare Städte jetzt mit großen Aufsätzen stellet und sonderlich die Herren einander raten und helfen,“ um eine Vereinigung der Städte, damit eine der andern in ihrer Not beistehe.

Die Verhandlungen beim Herzog führten zu nichts; der Krieg wurde wieder ausgenommen, mit vermehrter Kraft. Herzog und Bischof scheinen jetzt das Stärkste versucht zu haben. Es kam bis zur Belagerung Basels durch ihre vereinigten Streitkräfte.

Die Mitteilungen über diese wichtige, für den schließlichen Ausgang entscheidende Episode sind außerordentlich dürftig. Nur wenige Rechnungsposten zeigen uns die Verteidigungsanstalten der Stadt, das Ausbessern und Zurüsten der Geschütze, die Einrichtung ständiger Wachtposten auf allen Türmen, bei den Zünften und in den Vorstädten, das Anbringen von Verhauen auf den Straßen, von Fußangeln u. dgl. m. Zwei Nauen wurden mit armem Volk gefüllt, das hier hinderlich war, und rheinab nach Straßburg geschickt. Näheres vernehmen wir nicht. Zwar führte diese Belagerung nicht zur Einnahme Basels. Aber sie war es doch, die den letzten Widerstand der Stadt brach, dem Krieg ein Ende machte. Und nun meldeten sich die Vermittler, Allen voran die Straßburger, die schon im Dezember hatten verhandeln helfen; aber auch die Grafen Walraf und Sigmund von Tierstein, der Graf von Nidau, der Herr von Rappoltstein, Freunde aus Schlettstadt, Freiburg, Breisach kamen nach Basel und gaben dem Rat gute Worte. Auch den Marschall des Herzogs und den gewandten Johann Schultheiß, Bischof von Brixen und österreichischen Rat, treffen wir in diesen Frühsommertagen 1375 im Basler Rathause. Das [292] Ergebnis war, daß Basel in einen Frieden willigte. Seine Gesandtschaft, bestehend aus Oberstzunftmeister Hartman Fröwler, Thüring Schönkind, Konrad zer Sunnen und Peter von Laufen begab sich nach Rheinfelden zum Herzog, und hier kamen nun die Verträge zu Stande.

Sie galten durchaus nicht vor allem einer Beilegung der Streitigkeiten zwischen Bischof und Stadt. Leopold ließ es sich wenig angelegen sein, dem Bischof zu einem Siege zu verhelfen. Er hatte am Kriege teilgenommen um des eigenen Vorteils willen, und diesem sollte nun auch der Friede dienen. Es galt den Erwerb Kleinbasels.

Aber schon die Vorverhandlungen hatten gezeigt, daß der Herzog bei einem solchen Erwerb nicht nur mit dem Bischof, sondern auch mit Großbasel rechnen mußte. Der Rat dieser Stadt hatte Befugnisse auf dem Kleinbasler Ufer; er verlangte auch Zusicherungen, daß im Falle der Pfanderwerbung Kleinbasels durch den Herzog er selbst später dieses Pfand an sich lösen könne. Er machte offenbar seine Haltung im Friedensgeschäfte von der Annahme dieses Begehrens abhängig; da er hiebei durch die Straßburger unterstützt wurde, und da er im übrigen sich zu einer erheblichen Geldleistung verstand, nämlich zur Erstattung des in den letzten Jahren von den Juden gezogenen Gutes an den Herzog als jetzigen Inhaber des Judenschutzes, so machte Leopold die verlangte Konzession und sicherte der Stadt die Lösung um zweiundzwanzigtausend Gulden unter Bedingungen zu.

Nach solcher Bereinigung der Vorfragen wurden am 18. Juni 1375 zu Rheinfelden die Hauptverträge geschlossen, folgenden Inhalts:

Basel verspricht, dem Bischof alles das zurückzugeben, was es ihm bei seinen Zeiten wider Recht und wider seinen Willen genommen und entfremdet hat.

Bischof Johann übergibt dem Herzog zu rechtem Pfande die Stadt Kleinbasel, auf so lange, bis er sie um dreißigtausend Gulden löse. Ohne Willen des Bischofs darf der Herzog das Pfand Niemandem zu lösen geben, der Bischof aber die Lösung Niemandem gegen des Herzogs Willen gestatten.

Der Herzog trifft mit Basel eine Abrede wegen seiner künftigen Pfandherrschaft über Kleinbasel, über Neutralität, Durchpaß usw.

Dies war das Resultat. Als Gewinner konnte sich nur der Herzog fühlen. Der Bischof hatte nichts erlangt als eine sehr allgemein gehaltene Zusage des Rates, und auch die im Anschluß an diese Verträge später, im April 1376, geschehene Entscheidung streitig gebliebener Punkte durch den Herzog - Besteuerungsrecht, Bürgermeisterwahl, Schultheißengericht - [293] lautete mehrdeutig und unbestimmt. Die Stadt hatte das Recht der Lösung Kleinbasels zugesprochen erhalten; aber in seiner Verklausulierung war dieses Recht ein sehr schwaches.

An demselben 18. Juni noch erteilte Bischof Johann der Kleinbasler Bürgerschaft die Weisung, dem Herzog den Eid des Gehorsams zu leisten, und Leopold kam in den nächsten Tagen persönlich nach Kleinbasel, nahm die Stadt in Pflicht, bestätigte ihre Freiheiten.

So hatte Basel seinen Feind vor dem Tor, in nächster Nähe auf der Lauer, und die tiefe Demütigung dieses Friedensschlusses zeigte sich auch in Anderm. Die Verbannungsurteile der letzten Jahre mußten aufgehoben werden; die Edelleute, die freiwillig aus der Stadt gewichen waren, kehrten zurück. Unter solchen Umständen ging das denkwürdige Amtsjahr des Hartman Rot zu Ende, geschah die Erneuerung. Hanneman von Ramstein, Lütold von Bärenfels, Werner Ereman traten wieder ein; Peterman Sevogel und Konrad Iselin kamen als Achtburger, die bis dahin nicht im Rate gewesen waren; auch die Bänke der Zünfte zeigten allerhand Wechsel. Als Bürgermeister wurde Hans Puliant von Eptingen gewählt.

Die Stimmung der Bürgerschaft muß eine schwer gedrückte gewesen sein. Man hatte alle Ursache, noch Schlimmeres zu befürchten. Und daß dies nicht sofort eintraf, bewirkte wohl nur die Invasion der Engländer, die schon lange gedroht hatte, jetzt aber zur Wahrheit wurde und vor allem den Herzog Leopold in Anspruch nahm.

Anfangs Oktober waren mächtige Söldnerscharen, durch einen Waffenstillstand im englisch-französischen Kriege frei geworden, über die Zaberner Steige ins Elsaß eingebrochen und gegen Straßburg gezogen. Während die Schreckensnachricht hievon rasch die Lande heraufkam und den Herzog Leopold zu einem Bund mit den Städten der Eidgenossenschaft nötigte, erhielt Basel die Botschaft, daß andere Scharen unter dem walisischen Edelmann Jevan ap Eynion, bei dem auch ein Herr von Vienne war, sich in der Gegend von Belfort sammelten. In derselben Gegend verweilte auch Ingelram von Coucy selbst; er zog mit diesen Haufen ins Elsaß, vereinigte sich hier mit der Hauptmacht. Ende des Monats brach das ganze Heer unter Coucys Führung gegen das Aaregebiet auf, indes Herzog Leopold sich in Breisach eingeschlossen hielt. Niemand hatte je soviel Menschen beisammen gesehen. Es war „streitbares“ und „bübisches“ Volk durcheinander, Reisige, Bewaffnete, zuchtloser Troß aller Art. „Mörder, Räuber, Brenner, Kirchenaufbrecher, Frauenschänder u. dgl.“ nennt der Chronist dieses “Teufelsvolk“. Ihrer Kapuzen wegen hießen sie gemeinhin die „Gugler“.

[294] Am 2. Dezember, einem Sonntag, erschienen sie vor Basel. An diesem Tage, am Montag, am Dienstag zogen sie an der Stadt vorbei, kaum zwei Armbrustschüsse von den Mauern entfernt. Eine Schar nach der andern; man zählte deren vierzehn und schätzte jede auf viertausend Mann. Während[WS 1] sie zogen, sammelte sich an anderer Stelle bei Basel ein Heer des Herzogs Leopold. Es hätte sich mit dem Feinde messen können. Jevan ap Eynion hielt mit seinen Truppen bei Basel stille und bot dem Herzog die Stirne. Aber dieser wich dem Kampf aus. Wenige Tage später folgte dem Heere eine Nachhut aus Burgund, durch den Herrn Johann von Vienne geführt. Auch sie zogen dem Hauenstein zu. Dann bald schon kamen von oben her die Nachrichten nach Basel: von der Zerstörung Waldenburgs, vom Zug der Feinde über den offenen Bergpaß, von der Eroberung der Klus und des Städtchens Fridau, von dem blutigen Nachtgefecht in Fraubrunnen, vom Sturm auf Büren und dem Tode des Grafen von Nidau.


Die wichtige Folge des Engländereinfalls für Basel war, daß Herzog und Bischof, die schon bisher nicht Freunde gewesen waren und nur in der Feindschaft gegen die Stadt sich gefunden hatten, nun entschieden auseinandergingen. Bischof Johann hatte den Guglern freien Durchzug gestattet; dies und seine alten Beziehungen zu Coucy, die Teilnahme seiner Vettern von Vienne ließen ihn als Begünstiger der Invasion erscheinen, die ja in erster Linie gegen den Herzog gerichtet gewesen war.

Hiezu kam, daß der Streit über das Erbe des von den Guglern erschossenen Grafen von Nidau den Bischof in Händel verstrickte, die ihn während der folgenden Jahre seines Episkopats von jeder unmittelbaren Beschäftigung mit den Angelegenheiten der Stadt abzogen.

Im Vordergrunde der städtischen Geschichte steht nun durchaus das Verhältnis zu Leopold. Daß dieser sich mit dem bisher Erreichten nicht zufrieden gab, ist natürlich.

Zunächst erwarb er die oberste Richtergewalt in der großen Stadt. Am 21. Januar 1376 übergab ihm Kaiser Karl die Vogtei. Sie blieb Reichsvogtei, aber an die Stelle der Basler Ritter, die sie in den letzten Jahrzehnten besessen, trat nun der Herzog. Ein wichtiger Teil des öffentlichen Rechtes der Stadt ruhte nun, indem er dieses Amt ausübte und nutzte, in seiner Hand.

Das Zweite war der unter dem Namen der bösen Fastnacht bekannte Vorfall.

[295] Herzog Leopold hielt mit zahlreichen Herren seiner Lande Hof in Kleinbasel und kam hiebei wiederholt auch in die große Stadt herüber. Am letzten Tage der Lustbarkeiten, am Dienstag vor Aschermittwoch, 26. Februar 1376, waren in den Domherren- und Adelshöfen des Burgbezirkes Feste mit den Damen, auf dem Münsterplatz wurde turniert. Da entstand plötzlich eine Unruhe. Speere fielen auf die Zuschauer, Rosse liefen in sie. Durch dies Treiben erregt, infolge der letzten Ereignisse höchst reizbar und mißtrauisch, glaubte das Volk an einen tückischen Ueberfall, erhob sich zur Wehr, zur Rache, rief nach Waffen. Man läutete die Sturmglocken. Die Zünfte scharten sich um ihre Banner, stürmten hinauf zum Münster. Ein wilder Tumult brach nun los; die Herren, überrascht und durch das in Massen auf sie einstürmende Volk erschreckt, suchten die Flucht; Herzog Leopold rettete sich in einem Kahn über den Rhein; im Eptingerhof an der Rittergasse aber war die größte Adelsgesellschaft beisammen. Dorthin drang der wilde Haufe, hieb das Tor auf, brach über Herren und Frauen herein. Im Tumult wurden erschlagen die Edelknechte Hanneman von Ongersheim, Wilhelm vom Stein und Hülwer von Velsemberg sowie der gräflich freiburgische Jäger Hans Hasenschnur; Einige, unter ihnen Graf Egen von Freiburg, vermochten durch eine hintere Türe zu entweichen; die Andern alle wurden durch die Bürger gefangen. Es war eine herrliche Beute: die Grafen Walraf von Tierstein, Rudolf und Hänsel von Habsburg, Hug und Heinrich von Montfort, Hans von Greyerz, der Markgraf Rudolf von Hochberg, der Freiherr Johann Ulrich von Hasenburg, zahlreiche Ritter und Edelknechte aus dem Sundgau und Aargau, aus Schwaben, viele aus Tirol, Krain, Oesterreich; auch Geistliche fanden sich vor: der Bischof von Chur, zwei Domherren von Straßburg, ein Chorherr von Augsburg, dann eine Anzahl Schreiber, Beamte, Diener der Edeln. Im ganzen weit über Hundert.

Der Basler Rat redete später „von fremdem Volk und bösen Leuten“, die diesen Auflauf gemacht hätten. Wir können in der Tat an Anstifter auf des Herzogs Seite denken. Aber jedenfalls hatten Solche ihre Genossen und Helfer in der Stadt selbst; mit oder ohne Anstiftung von Außen her fanden sich hier Schuldige, die zum Sturm geläutet, die Haufen geführt, in Totschlag und Mißhandlung sich vergangen hatten. Hartman Rot und Hugo von Schliengen, der Ratsherr der Brotbeckenzunft Gottfried von Buchs, Ottman Kürschner, Lewolf, der Werkmeister Konrad u. A. waren solche Schuldige. Nicht allein in den Augen des Adels. Nach zehn Jahren noch, als doch die Zunftpartei gesiegt hatte, blieben die wegen der bösen [296] Fastnacht Verbannten, auch wenn sie hatten heimkehren dürfen, vom Rate ausgeschlossen und ihrer konfiszierten Güter beraubt.

Im ersten Augenblick muß bei allen Feinden Oesterreichs in Basel die Freude über diesen Ausgang der Sache eine gewaltige gewesen sein. Man hatte eine glänzende Schar von Edlen, unter ihnen den Herzog selbst und die höchsten Herrschaften des Landes, in raschem Anlauf überwältigt, gedemütigt, größtenteils gefangen. Der Rat aber tat das Seinige. Er ließ Strenge walten; den schweren Stadtfriedensbruch zu ahnden, wurden zwölf Hauptschuldige hingerichtet. Den gefangen genommenen Herren gab der Rat die Freiheit, gegen das Versprechen, für das Erlittene sich nicht rächen zu wollen. Vom Herzog Leopold und dem Grafen Egen von Freiburg aber, die Beide am Unglückstage hatten fliehen können, ließ sich der Rat Urkunden ausstellen, die in ihren Landen den Basler Kaufleuten und Gütern gute Behandlung in Zöllen und Geleiten zusicherten. Alles dies geschah in den nächsten Wochen nach dem Ereignis.

Aber nun, nachdem die erste Erschütterung vorüber war, erhoben sich die Gegner der Stadt um so feindseliger. Die geschehene Uebeltat galt nicht als gesühnt durch solche Urkunden und die Strafurteile des Basler Rates. Nicht nur Friede und Geleit war verletzt; edles Blut war geflossen, auf der ritterlichen Ehre der in diesem Bürgerkrawall Ueberwältigten, der Getöteten und Gefangenen lag ein Makel; noch viele Jahrzehnte später empfand die österreichische Ritterschaft die Schmach dieses Tages.

Daher jetzt Klagen und Kriege von allen Seiten über Basel losbrachen, daher namentlich die Rache Herzog Leopolds. Er trug die Sache als einen Landfriedensbruch der Stadt vor den Kaiser und erwirkte die Verhängung der Reichsacht über Basel. Diese Strafe war neben all der sonstigen Bedrängnis und unter den bestehenden Verhältnissen eine so schwere und spürbare, daß Basel, um ihrer los zu werden, sich jedem Begehren des Herzogs geneigt zeigen mußte. Derer in der Stadt, die auch jetzt noch mutig genug waren, um ihm zu widerstehen, waren sehr Wenige im Vergleich zu seinen Anhängern und den zur Unterwerfung Bereiten. Was im Juni 1375 begonnen hatte, fand jetzt seine Fortsetzung.

Die Boten des Rates suchten den Herzog zu Hall im Inntal, und dort kam es am 9. Juli 1376 — genau zehn Jahre vor der Sempacherschlacht — zum Vergleich. Am 24. Juli stellten zu Basel Bürgermeister und Rat den Gegenbrief aus. Das Abkommen war so schimpflich als möglich für Basel. Die Sühne mit Herzog und Adel und die Aufhebung der Acht mußte die Stadt durch das Versprechen erkaufen, dem Herzog und [297] seinem Bruder Albrecht in deren Landen zu Aargau, Thurgau, Burgund, Breisgau, Elsaß und Sundgau zu dienen und zu warten gleich den österreichischen Landstädten, mit Ausnahme der Steuerpflicht. Die Abhängigkeit Basels von Oesterreich war damit aufs deutlichste ausgesprochen, eine eigentliche Dienstpflicht anerkannt.

Die Wirkung dieses Vertrages zeigte sich sofort in Basel selbst. Ohne Schonung gebrauchten nun hier die Herrschenden ihre Macht; den im März geschehenen Verurteilungen folgte ein zweites Strafgericht, mit neuen Hinrichtungen und namentlich mit Gütereinziehungen. Enthauptet wurden jetzt der Werkmeister Konrad und im Gebiete des Grafen von Tierstein die aus Basel geflohenen, dort festgenommenen Ottman Kürschner und Lewolf. Im Schlosse Dorneck hatte der Letztere auf der Folter den Hartman Rot als einen der Ursächer des Auflaufes genannt, und nun wurde auch gegen diesen eingeschritten. Ihn zu töten wagte man nicht; aber die Verbannung traf ihn und auf Herzog Leopolds Verlangen die Aechtung durch König Wenzel. Auch sein Vermögen wurde durch den Rat eingezogen, sein Haus in der Stadt zerstört.

Zu dieser Sühne gehörten auch die Zahlungen, die Basel als Buße und Schadensersatz zu leisten hatte. Von achttausend Gulden ist die Rede, die an den Herzog Albrecht, Leopolds Bruder, entrichtet werden mußten; wie sich Leopold selbst hielt, wissen wir nicht; an die Familien der getöteten Ritter von Ongersheim, Velsemberg, Stein wurden Sühnegelder von dreizehnhundert, tausend, siebenhundert Gulden gegeben, dem Grafen Egen von Freiburg dreitausend.

Daß neben dieser Erledigung des großen Straf- und Sühnegeschäftes nichts Weiteres verlautet, ist natürlich. Die Stadt hatte durch den Vertrag von Hall einstweilen auf eigenes Leben verzichtet; sie stand in der Gewalt der Mächtigen, die als unmittelbaren Lenker den Herzog Leopold und unter sich eine ganz entmutigte Bürgerschaft hatten. Sie schlossen nun auch Frieden mit dem alten Feinde der Stadt Henman von Hauenstein sowie mit dem Herrn von Hasenburg, der vom Jahre 1374 her noch Ansprüche geltend machte; und daß die Stadt jetzt auch beim Kaiser, der sie geächtet, wieder in Gnaden war, zeigen die Privilegien, die er und König Wenzel ihr erteilten; deren wichtigstes war die Erhöhung des Transitzolles auf das Doppelte unter gleichzeitiger Steigerung der Pfandsumme.

In der Geschichte Basels bedeuten diese Jahre ein kurzes Stillestehen der Entwicklung. Dabei spielt aber der Bischof keine Rolle; einzig und [298] allein der Wille des Herzogs ist zu spüren und als dessen Vollstrecker der Adel. Dieser handelt durchaus nicht als Stiftsadel, sondern lebt im Interesse Oesterreichs.

Beachtung verdient der unter diesem Regiment eintretende Bruch mit Straßburg. Seit dem 11. November 1376 bestand kein Bund der beiden Städte mehr; und die Folgen der bösen Fastnacht führten zu eigentlicher Zwietracht. Der aus Basel verbannte, mit der Reichsacht belegte Bürgermeister Hartman Rot fand Unterkunft in Straßburg, trotz ernstlichen Verboten des Kaisers; er gewann sich auch Anhang und Freunde im Elsaß überhaupt, bei den Reichsbeamten und in den Städten. Wiederholt trat König Wenzel hiegegen auf; die Stadt Basel geriet in offene Feindschaft mit ihren alten Verbündeten, mit dem ganzen Elsässer Landfrieden; sie erhielt Absagebriefe von den Anhängern Rots, unter denen keine Geringern waren als der Graf Hannemann von Zweibrücken, der Straßburger Domkustos Johann von Ochsenstein, der Landvogt Ulrich von Finstingen usw., und als Alliierten hatte sie jetzt den Erzpriester Werner Schaler. Deutlichen Einblick in die gereizte Stimmung hüben und drüben geben die Reden Einzelner, die uns überliefert werden; unter der Basler Bürgerschaft wurden böse Worte gebraucht, und in Straßburg erinnerte man an den Tag von Endingen, bei dem auch Bürger ihrer Stadt auf Seiten des Grafen gewesen, und versprach den Baslern eine gleiche Züchtigung wie die dort empfangene. Erst gegen Ende des Jahres 1380 ward Friede zwischen den Streitenden.

Das merkwürdigste Dokument dieser Periode aber ist der große Vertrag, den die vom Adel regierte Stadt am 16. November 1377 mit dem Adel selbst abschloß. Er stellt sich dar als ein Uebereinkommen der Stadt mit der „Gesellschaft“, zu der alle Edeln gerechnet wurden, die „in der Gegend um Basel seßhaft waren oder zu der Stadt Basel gehörten.“ Das Uebereinkommen galt dem Schutze der Freiheiten und Rechte, die der Stadt von Kaisern und Königen verliehen worden, und dem gemeinsamen Einschreiten beider Teile gegen Verletzer dieser Freiheiten. Für die Regelung solchen Einschreitens, die Kriegführung, das Friedeschließen wurde eine Kommission von einundzwanzig Mitgliedern aufgestellt, zehn vom Rat, zehn von der edeln Gesellschaft unter halbjährlich wechselndem Vorsitz des Bürgermeisters und Oberstzunftmeisters. Diese Einundundzwanziger sollten auch zur Schlichtung von Differenzen zwischen den Teilen selbst kompetent sein.

Daß in solcher Weise der Adel, und zwar auch der umwohnende, bei der Wahrung der städtischen Rechte beteiligt wurde, ist auffallend und [299] nur aus der momentanen Lage der Stadt zu verstehen. Aber sie hatte hiefür auch einen Preis zu zahlen: der Rat versprach, die Ritterschaft nicht mehr zum Ungeld zwingen zu wollen, außer wenn der Bischof mit Rat von Domherren und Dienstleuten ein gemeines Ungeld zu erheben erlaube; ferner wurde das alte Recht der Rückforderung der in die Stadt ziehenden Eigenleute des Adels erneuert.

Alles dieses zeigt, daß zur Zeit im Basler Ratssaale der Adel das große Wort führte. Er war es auch, der im Juni 1380 den Bund der Stadt mit der Gesellschaft zu dem Löwen schloß. Erst kurz zuvor, im Oktober 1379, war diese Gesellschaft durch rheinische und wetterauische Edle gegründet worden. Gleich den andern Rittergesellschaften zur Selbsthilfe, zum gegenseitigen Schutze des edeln Standes gegenüber Fürsten wie Städten gebildet, umfaßte sie Herren, Ritter und Edelknechte, und der Eintritt der Stadt Basel in diesen Verband war somit etwas Unnatürliches. Seine Wirkung bestand darin, daß Basel dem Bunde auf dessen Mahnung mit sechs Glefen „zu der kleinen Summe“, mit zwanzig Glefen „zu der großen Summe“ zu dienen verpflichtet war im Bereich der Bistümer Basel und Straßburg und der Herrschaft Würtemberg; die Hülfe der Gesellschaft an Basel sollte stattfinden in der ganzen Ausdehnnng ihres Gebietes.


Wir haben uns hier nach Bischof Johann umzusehen und finden ihn mitten in jenem Gewirre von Krieg, das, unter merkwürdig raschem Wechsel in der Gruppierung der Kriegenden, damals die Lande um Basel erfüllte. Auch diese Stadt war wiederholt dabei beteiligt.

Voraus geht der Kampf um das Erbe des Grafen von Nidau, der “Bettlertanz“ des Basler Bischofs mit den Schwägern des Erblassers, den Grafen von Tierstein und von Kiburg. Nachdem hier Friede geworden, geht der Krieg des Bischofs mit dem Tiersteiner weiter; die Kiburger Grafen aber halten jetzt zum Bischof.

Herzog Leopold selbst steht anfangs diesen Bewegungen ferne; er hat noch mit der Stadt Basel zu tun. Dann aber tritt auch er hervor, mit dem Bischof wegen der Forderung Coucys Abrechnung zu halten. Der Vertrag von Hall stellt auch die Stadt Basel an seine Seite, und so finden wir als deren Feinde den Bischof, die Grafen von Kiburg, den Herrn von Bechburg, den von Blauenstein, den Burchard Sporer von Eptingen, den Johann von Nans u. A. m. Sie zieht 1378 vor Burgdorf; sie brennt und verwüstet dort; am 29. Dezember wird zwischen ihr und Graf Berthold von Kiburg Friede geschlossen. Auch der Zug Basels gegen das [300] eptingische Schloß Wildenstein gehört wohl in den Zusammenhang dieses Krieges. Dann aber gelingt den Feinden ein Hauptstreich: Graf Sigmund von Tierstein wird ihr Gefangener, und auch eine Reihe von Basler Bürgern und Söldnern fallen in ihre Gewalt, vielleicht bei einer Unternehmung gegen Falkenstein. Die gefangenen Basler werden auf den bischöflichen Schlössern Delsberg, Pruntrut, Pleujouse verwahrt; auch eine eherne Büchse, Pulver, Sturmleitern usw. büßt Basel ein. Zu Beginn des Jahres 1379 scheint dies geschehen zu sein; am 22. Februar verbündeten sich die jungen Grafen von Tierstein mit Herzog Leopold, am 26. Februar schloß dieser einen Bund mit Basel gegen den Bischof. Aber schon am 15. April war die Sache friedlich beigelegt, und die Stadt erhielt vom Bischof beruhigende Zusicherungen wegen der Gefangenen.

Zwei Jahre später ist die Konstellation schon wieder eine andere. Sigmund von Tierstein, der Liestal als Pfand vom Bischof innehat, verweigert die Lösung, und da hierdurch Pläne des Herzogs gestört werden, greift dieser ein, verbündet sich am 18. Oktober 1381 mit dem Bischof, nimmt Liestal gewaltsam in Besitz und läßt sich von den Bürgern schwören. Doch bleibt ihm das Städtchen nicht; der Bischof erscheint schon am 8. November wieder als dessen Herr, wobei er gelobt, Zeit seines Lebens Liestal ohne Zustimmung des Kapitels nicht mehr zu verpfänden.

Dieses Streben Leopolds nach einer Herrschaft im Sisgau entsprach alter Praxis seines Hauses. Aber auch in Basel selbst ruhte er mit Verfolgung seiner Pläne nicht. Am 11. November 1379 erwirkte er sich die Erlaubnis König Wenzels, den Reichszoll zu Basel von der Stadt zu lösen; am 23. August 1380 erwarb er von den Brüdern von Biedertal deren Gericht in der St. Albanvorstadt.

So drang Leopold vor, und die Gefahr für Basel wurde immer größer. Aber nun trat hier in Wirkung, was auch sonst die Tätigkeit Leopolds kennzeichnet. Er begann zu viel nebeneinander, vermochte keinen Plan vollständig durchzuführen. Unruhig, ohne Beharren handelte er auch jetzt. Ehe er die Basler Angelegenheit zu Ende geführt hatte, ließ er sich durch Geschäfte seiner italienischen Politik ablenken; er erwarb Treviso, er zog wiederholt hinüber, er trat in den Kampf mit Franz von Carrara; und zur gleichen Zeit arbeitete er an Erweiterung seiner Herrschaft im südlichen Schwaben.


Am 7. Oktober 1382 starb Bischof Johann von Vienne. Sein Schicksal hat etwas Tragisches. Als Bischof von Metz energisch aber ohne Erfolg [301] für die Rechte der Kirche streitend verlangte er, von diesen Bürgern sans fois et sans loi wegzukommen und ein ruhigeres Bistum zu erhalten. Der Papst gab ihm Basel; aber hier fand er die Ruhe vollends nicht.

Er kam aus großen Verhältnissen; er hatte das Vorurteil des Fremdseins gegen sich; und nun riß ihn, als er diese Stadt und ihre Selbständigkeit vor sich fand, sein heißes Temperament viel weiter fort, als er anderwärts, in Besançon und in Metz, je gegangen war. Er beging den großen Fehler, sofort, ohne Kenntnis von Land und Leuten, von Recht und Gewohnheit, dreinzufahren. Er gab sich Blößen und verdarb damit von Anbeginn seine Position. Namentlich auch dem Domkapitel gegenüber, wo er seinem Neffen Johann von Vienne trotz den Ansprüchen des Heinrich von Hohenstein die Propstei verschafft, und das gerade damals eine Reihe energischer eigenwilliger Figuren aufweist: den Archidiakon Schaler, der mit dem Bischof Krieg führt, die Münche, den auch in Straßburg mächtigen Thesaurar Rudolf Fröwler. Dazu kamen die Lasten, die das Bistum von seinen Vorgängern her trug, und die Händel aller Art mit großen und kleinen Machthabern, in die er sich allzurasch einließ. Sein offizieller Biograph sagt, daß er die gute Absicht möge gehabt haben, die entfremdeten Güter und Herrschaften des Bistums wiederzuerlangen; aber er habe sich in der Rechnung geirrt, indem er das Entfremdete nicht gewann und das, was er noch hatte, verlor. Sein Verhängnis aber war Oesterreich. Denn dieses, das von vornherein kein starkes Hochstift Basel wollte, bediente sich jeder Schwäche und jedes Streites dieses Bischofs zum eigenen Vorteil. Bischof Johann wurde das Werkzeug Leopolds.

Ueber dem allem ging er unter. Sein Episkopat ist charakterisiert durch sein vom Domkapitel aufgestelltes Sündenregister und durch die ausführliche Beschwerdeschrift, die der Rat der Stadt gegen seine Schädigung des Hochstifts beim päpstlichen Stuhle eingab. Auch unbeteiligten Zeitgenossen erschien er als ein Verderber des Bistums. In der Geschichte der Stadt Basel hat er die Bedeutung eines erbitterten, aber ungeschickt und sieglos kämpfenden Gegners; das Letzte, was er erleben mußte, war der Eintritt der Zunftmeister in den Rat. Auch im Tode war er der Stadt entfremdeter als irgend einer der alten Bischöfe; der Einzige unter diesen, der im Bistum, aber nicht in der Kathedrale sein Grab fand. Er wurde zu St. Michael in Pruntrut bestattet.


  1. Vorlage: Wahrend