Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/3. Die Entwickelung der Stadt zur Herrschaft/3. Johann Senn von Münsingen

Gerhard von Wippingen. Johann von Chalon Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/3. Die Entwickelung der Stadt zur Herrschaft
von Rudolf Wackernagel
Johann von Bienne
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

[249] 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000

Drittes Kapitel.
Johann Senn von Münsingen.




Ein Charakteristisches dieser Periode ist zunächst, daß in ihr der Bischof regierte, den das Kapitel gewollt hatte; von vorneherein war damit ein Gegensatz beseitigt, der unter den letzten Episkopaten Verwirrung und Hader in die kleine Basler Welt gebracht hatte. Hiezu kam das Erlöschen des Streits im Reich und das Aufhören des Interdicts; die Folge hievon war eine unendliche Beruhigung im Innern der Stadt.

Die so gekennzeichnete Zeit ist von hoher Wichtigkeit für die Entwickelung Basels; aber der Gang dieser Entwickelung tritt nirgends in Anstoß und Wirkung scharf erkennbar hervor. Auch ist die Zeit durch keine heftigen Persönlichkeiten belebt. Ihr Eigenes liegt überdies darin, daß sie schwächer bezeugt ist als irgend eine andere Periode.

Alles dies gibt ihrem Bilde etwas Mattes, Unbestimmtes. Die großen Ereignisse der Pestilenz, des Judenmordes und des Erdbebens stehen in dem allgemeinen Verlauf wie rasche schreckliche Episoden.


Am 23. Mai 1335 starb Johann von Chalon. Offenbar in seiner Kathedralstadt Langres. Kein Basler Anniversar erwähnt seinen Tod.

Auch diesmal wieder unternahm das Domkapitel von Basel — es stand unter der Führung des mächtigen Dompropsts Thüring von Ramstein und des Dekans Jakob von Wattweiler — eine Wahl. Sobald es vom Tode des Administrators Kenntnis erhalten hatte, trat es zusammen und wählte als Bischof seinen Mitkanoniker Johann Senn von Münsingen, der auch Domherr zu Mainz und Propst von St. Viktor daselbst war.

Mit diesem Manne bemächtigte sich das gräfliche Haus Buchegg, das während dieser Jahrzehnte in der Geschichte des Reichs und der Kirche merkwürdig hervortritt, des Stuhles von Basel. Der Gewählte, Sohn des Freiherrn Burchard Senn, war durch seine Mutter Johanna Neffe des großen Grafen Hugo von Buchegg, des gewesenen Erzbischofs Mathias [250] von Mainz und des Bischofs Berthold von Straßburg. Mit Kraft vertraten diese drei Brüder in den Kämpfen der Zeit die Sache Oesterreichs und die Sache des Papstes; die Wahl Johanns, bei der wohl Hugo wie Berthold die Hand mit im Spiele hatten, durfte als eine der Curie genehme gelten.

Johann folgte dem Rufe. Er beschwor am 22. Juni 1335 den Domherren die Wahlkapitulation; unter den Zeugen des feierlichen Aktes stand sein Oheim Berthold.

Papst war seit kurzem, Dezember 1334, Benedikt XII. Nach des Johann von Chalon Tode hatte er keine Wahl für Basel getroffen, sondern das Kapitel handeln lassen. Aber um sein Recht zu wahren instruierte er jetzt den Erzbischof von Besançon als den Metropolitan des Gewählten, diesem die Bestätigung zu versagen. Johann sollte Bischof sein, aber nur von des Papstes Gnaden. So reiste Johann denn nach Avignon; ihn begleiteten Einige der Domherren, sein am päpstlichen Hofe wohlbekannter Oheim Graf Hugo, sowie der Bürgermeister von Basel. Die Verhandlungen begannen; Johann hatte auf alles Recht, das aus der Wahl des Domkapitels etwa hergeleitet werden könnte, förmlich zu verzichten. Endlich erhielt er die Stimme des Papstes. Am 24. April 1336 ernannte ihn dieser zum Bischof von Basel. Vom 8. Juli 1336 ist die erste uns bekannte Regierungshandlung des Bischofs Johann datiert, die Handfeste für Kleinbasel.


In den Beziehungen Basels zu Kaiser und Papst bewirkte diese Wahl keine Aenderung.

Bischof Johann scheint stets zum Papste gehalten, nie dem Wittelsbacher gehorcht zu haben. Daß er im März 1338 an der Versammlung der Bischöfe der Provinz Mainz in Speier teilnahm und das Schreiben mitunterzeichnete, wodurch die Bischöfe sich beim Papste für Kaiser Ludwig verwendeten, war vielleicht das Werk einer zur Zeit im Domkapitel mächtigen Partei; vielleicht folgte darin Johann lediglich dem Beispiel des ihm verwandten Straßburger Bischofs, mit dessen Angelegenheiten er gerade zu dieser Zeit aufs ernstlichste beschäftigt war. Wie aber dieser Berthold sich sogleich nachher wieder völlig als Parteigänger des Papstes benahm, so ist diesem auch Johann von Basel treu geblieben und dann im Sommer 1346 dem gegen Ludwig zum König erhobenen Karl von Böhmen sofort zugefallen.

Ueber die Zustände in der Stadt ergibt sich Folgendes. Nachdem wir im Oktober 1333 von dem Zuge gehört haben, den die Bürger unter [251] der Führung des Generalvikars Johann gegen Ludwig zu unternehmen Willens sind, finden wir im Februar 1335 wieder das Interdict in Basel wirksam; von den Mönchen zu St. Alban vernehmen wir in dieser Zeit, daß sie sich des Celebrierens enthalten. Dann folgen die großen Ereignisse des Sommers 1338: die Erklärungen der Kurfürsten zu Lahnstein und Rense und die Erlasse des Kaisers zu Frankfurt, durch welche die Ansprüche des Papstums auf die Uebertragung der kaiserlichen Gewalt zurückgewiesen, die Rechte des von den Kurfürsten Gewählten festgesetzt wurden. Die Wirkung dieser Beschlüsse, in denen Kaiser und Fürsten, wenn auch nur für kurze Zeit, vereinigt zusammenstanden, ging mit Macht durch das Reich; und als nun Kaiser Ludwig dem Klerus insgesamt bei Strafe der Friedlosigkeit befahl, trotz päpstlichen Prozessen Gottesdienst zu halten, da brach in den Städten der Sturm los gegen alle Geistlichen, die dem Papste mehr gehorchten als dem Kaiser. Sie sollten singen oder aus der Stadt springen, hieß es. In Konstanz nahm Welt- wie Klostergeistlichkeit, durch die Bürgerschaft gezwungen, jetzt den Gottesdienst wieder auf, der seit 1326 geruht hatte; Zürich vertrieb seinen Klerus, weil er sich nicht fügen wollte, und elf Jahre lang blieb die Stadt ohne Singen und Gottesdienst. Der Dominikanerkonvent zu Straßburg, der bis dahin das Interdict nicht beobachtet hatte, dies aber jetzt tat und das Singen einstellte, mußte aus der Stadt weichen.

Von alledem ist in Basel nichts zu finden. Hier sehen wir eine Bevölkerung, die zum großen Teil kaiserlich gesinnt ist und trotzdem den Klerus das Interdict halten läßt. Daß dies geschehen konnte, ist auffallend. Wir vermögen diesen Zustand nur aus dem Willen der damaligen städtischen Behörden zu erklären.

Es ist zu beachten, daß während des ganzen Jahrzehnts nach 1338 die Ritter Konrad Münch und Konrad von Bärenfels in der Bürgermeisterwürde alternierten. Wir werden die Art dieser beiden Männer kennen lernen bei der merkwürdigen Scene der Absolution Basels 1347; diese Art, die es nicht zum Aeußersten will kommen lassen, war mit ihnen, solange sie an der Spitze der Stadt standen, hier offenbar maßgebend. Zeugnis davon sind die Stadtfrieden, Einungen, die gerade in der kritischen Zeit der ersten Erregung, zu Beginn 1339, für Bürgerschaft und Pfaffheit erlassen wurden. Beide Bürgermeister hielten von Haus aus jedenfalls zum Papste; aber wie es ihrem persönlichen Interesse entsprach, alles Gewalttätige vom papstgetreuen Klerus fernzuhalten, so ihrer Politik, auch in der andern Richtung nicht schroff zu sein. Eine duldsame Auffassung [252] beherrschte die Lage; sie war auch den Gesinnungen des Bischofs gemäß. Dieser ließ es geschehen, daß, während der städtische Klerus das Interdict beobachtete, durch die übrige Diöcese, mit Ausnahme des einzigen Rheinfeldens, gesungen und celebriert wurde. Und ebenso schritt in der Stadt dieselbe Behörde, die das Interdict anerkannte und seine Beobachtung schützte, doch nicht ein, wenn einzelne Priester sich darüber hinwegsetzten und die Sakramente Denjenigen reichten, die sie aufsuchten; den Heinrich von Nördlingen ließ man vierzig Tage lang in der Spitalkirche predigen und für die Deutschordensherren Messe sprechen.

Neben diesem Heinrich von Nördlingen, der von Konstanz herkam, weilte damals, in der Fastenzeit 1339, auch der große Johannes Tauler in Basel; er war aus Straßburg gewichen. Beide hatten sich als Anhänger des Papstes nach Basel begeben, um hier eine ruhige Stätte zu finden, und die Briefe, die Heinrich von hier aus der Margarethe Ebner schrieb, sind die schätzbarsten Zeugnisse für den Zustand der Stadt. In schöner Weise stimmt das Wesen von Ruhe und Milde, das in dieser hier sich zusammenfindenden Gruppe von Freunden der Mystik lebte, zu dem die Haltung der Stadt im allgemeinen bestimmenden Geiste.

Da starb Papst Benedikt am 25. April 1342. Er hatte Suspensionen des Interdicts nie erteilen mögen; sein Nachfolger Clemens VI. war auch in dieser Sache der gewandte Politiker. Die Begehren der Basler fanden jetzt Anklang. Clemens hob im Januar 1345 das Interdict für die Dauer eines Jahres auf und verlängerte in wiederholten Gewährungen diesen Termin bis 1. September 1346, sodaß während voller anderthalb Jahre die Stadt Basel vom Interdicte befreit war. Das ist die Zeit, die uns in einer zweiten Gruppe von Mystikerbriefen entgegentritt. Johannes Tauler und Heinrich von Nördlingen schildern, mit welchem Gefühl, mit welchem Aufatmen der Nachlaß der Interdictstrafe begrüßt wird. Der Basler Kirche ist jetzt wieder gestattet, öffentlich vor dem Volke Messe zu lesen und Allen das Abendmahl zu reichen. Wie kommen „die hungrigen Seelen jetzt mit großem Jammer zu Gottes Leichnam, dessen sie in christlichem Gehorsam wohl vierzehn Jahre gemangelt hatten!“

Bei den Suspensionen des Interdicts durch den Papst ist immer von den löblichen Absichten der Basler die Rede; sie machen Miene, zur Obedienz des heiligen Stuhles zurückzukehren; aber es fehlt immer noch an der völligen und entschlossenen Bekehrung. Da sehen wir im März 1346 zwei Basler, den Propst Rudolf von St. Peter und den Official Heinrich von Sursee, am Hof in Avignon auftauchen; es läßt dies auf Verhandlungen [253] schließen, die über Rückkehr der Basler zum Gehorsam und den hiefür von der Curie zu zahlenden Preis gingen. Als dann am Gründonnerstag 1346 Papst Clemens die erneute Bannung und Verfluchung des Kaisers Ludwig feierlich verkündete und den Kurfürsten des Reiches gebot, zu einer Neuwahl zu schreiten, da waren diese Basler Unterhändler vielleicht noch bei Hofe anwesend. Auch ihr Bischof erhielt jetzt den Erlaß zur Veröffentlichung in seiner Diöcese, samt dem Befehle, dem von den Kurfürsten zu wählenden neuen König beizustehen. Die Königswahl geschah am 11. Juli; sie fiel auf den Markgrafen Karl von Mähren, den Großsohn weiland Kaiser Heinrichs VII.

Bischof Johann erklärte sich ohne Zaudern für diesen König Karl. Auch das Geschlecht der Münche und sein Anhang traten für ihn ein. Noch war das Interdict in Basel suspendiert. Aber nun versagte die Bürgerschaft ihren bisherigen Häuptern den Gehorsam. Sie wich dem Drucke nicht. Sie folgte dem Beispiel der fränkischen, rheinischen, schwäbischen Städte; sie beschloß, noch fester als diese zu ihrem alten Kaiser zu stehen und versagte dem Gegenkönig die Anerkennung. Die Folge war, daß das Interdict neuerdings über Basel verhängt wurde.

Aber am 11. Oktober 1347 starb Kaiser Ludwig auf der Jagd, und auch für die Basler ergab sich nun die Notwendigkeit, zu den neuen Verhältnissen Stellung zu nehmen.

Karl IV. machte seinen Königsritt durch das Reich, um die Huldigung der Stände zu erhalten, und näherte sich im Dezember 1347 dem Oberrhein. In Straßburg vor dem Münster, mit allen Zeichen der Königsmacht angetan, hatte er den Bischof Berthold feierlich mit den Regalien investiert und zog nun das Land herauf. Am 20. Dezember traf er vor Basel ein. Aber die Bürger weigerten sich, ihm das Tor zu öffnen, wenn er nicht schaffe, daß sie den öffentlichen Gottesdienst wieder bekämen. Diese Gnade aber konnte nur der Papst gewähren, und man war in Verlegenheit, was zu tun sei. Da traf zu guter Stunde der Bamberger Dompropst Marquard von Randegg, der als Gesandter Karls nach Avignon gegangen war, von dort herkommend vor Basel ein mit Schreiben des Papstes, welche die Formel der Absolution und die Vollmacht zu deren Erteilung enthielten. Die Formel verlangte das Gelübde, daß man nie mehr einem ketzerischen Kaiser anhangen und jeden nicht vom Papst bestätigten Kaiser verwerfen wolle. Diese Forderung zu erfüllen weigerten sich die Bürger; sie versagten aber zugleich dem König die Huldigung, solange das Interdict auf ihrer Stadt liege. Der Klerus seinerseits drang [254] darauf, den Gottesdienst wieder zu beginnen. Die Lage war in jedem Betrachte schwierig. Da fanden die beiden Bürgermeister, deren kluge Führung der Stadt schon erwähnt worden ist, auch jetzt den Ausweg. Sie traten mit dem Rate vor den König, und hier erklärte Konrad von Bärenfels, weder gestehen noch glauben zu wollen, daß Kaiser Ludwig je ein Ketzer gewesen; auch würden sie Jeden für einen König oder Kaiser halten, den die Majorität der Kurfürsten gewählt, auch wenn er die Bestätigung des Papstes nicht suchen wollte; sie würden auch nichts unternehmen gegen die Rechte des Reiches; aber wenn der Bamberger Bischof Macht habe, ihnen ihre Sünden zu vergeben, so solle es ihnen recht sein. Nach dieser Rede wendete sich Bärenfels ans Volk und rief ihm zu: „gebt ihr mir und Konrad Münch Gewalt, zu bitten, daß ihr von euren Sünden absolviert werdet?“ Das Volk rief: „ja!“ Eine weitergehende Vollmacht hatten also die Beiden nicht; aber beiseits leisteten sie nun vor dem päpstlichen Sekretär den vorgeschriebenen Eid. Dessen Hauptinhalt hatten sie durch ihre vorhergehende Erklärung aufgehoben. Dem Papste war genügt und zugleich dem Volke. „Und man hielt es für gut, ungerade gerade sein zu lassen.“ Der Bamberger Bischof ledigte die Anhänger Ludwigs vom Banne, der Gottesdienst wurde wieder hergestellt, König Karl erhielt von den Bürgern die Huldigung. Nun war Freude in der Stadt, und am Feste, das hier zu Ehren des Königs gegeben wurde, trieb er selbst allerhand Torheiten mit den Basler Damen. Aber am Weihnachtstage trat er im Münster vor den Hochaltar und sang da mit lauter Stimme, das entblößte Schwert in der Hand haltend, das Evangelium des Tages es ging ein Gebot aus von Kaiser Augustus. Das war von Königs wegen ein feierlicher Wiederbeginn des so lange unterbliebenen Gottesdienstes.

Dieser Vorgang hat hohen Wert nicht nur wegen des lebendigen Reizes der Szene an sich. Er zeigt die Schroffheit der Curie und die Schwäche ihres Geschöpfes, des „Pfaffenkönigs“; er gibt die erregte Stimmung der durch die Kirche mit Strafe verfolgten, am Reiche festhaltenden Bürger; er faßt in wenigen Zügen Stellung und Bedeutung der Stadt. Wichtig ist er auch als frühes Zeugnis für die politische Manier des Basler Stadtregiments. Wenige Tage später befand sich König Karl in Worms auch dort handelte es sich um Aufhebung der kirchlichen Zensuren. Da waffneten sich die Bürger, stürmten dem König vors Haus und ertrotzten von ihm und den Prälaten, ohne Schwur und frei von jeder Bedingung, die Absolution. Wie ganz anders in Basel, wo der Bürgermeister den [255] Unterhändler macht und seiner Bürgerschaft die Beschwörung des päpstlichen Formulars mit einem Kunstgriff zu ersparen versteht.

Um eine Wertung dieses Verfahrens handelt es sich hier nicht. Für die geschichtliche Betrachtung ist wesentlich, daß das städtische Wesen sich als ein eigenartiges zeigt und seine Selbständigkeit erweist gegenüber König und Papst. Diese Haltung war die Frucht der schweren durchgekämpften Jahrzehnte.

Von der Begünstigung des Wachstums städtischer Freiheit durch die Zeitumstände war schon die Rede. Aber auch davon, daß die Stadt keineswegs schon als souveräne Stadt zu denken ist. Wie sie dem König schwor von der Reichsvogtei wegen, so dem Bischof. Diesen nennt sie noch immer ihren Herrn, nicht nur mit einem Sprachgebrauch offizieller Courtoisie. Die Verfassung der Handfeste gab Formen und Grenzen, über die das städtische Wesen nicht hinauskam; in Rechtsamen hoher Art — Gerichtsbarkeit, Zollrecht, Münzrecht — lebte noch die alte Stadtherrschaft des Bischofs. Freilich neben diesem allem lag das Gebiet der Administration, auf dem die Stadt schon lange selbständig waltete und dessen Umfang sie durch Usurpationen beständig erweiterte, lag vor allem das große, von reichstem Leben durchwogte Feld politischer Tätigkeit. In ununterbrochenem Verkehr mit aller Welt, mit Fürsten und Städten behauptete diese Stadt ihr Ansehen; sie schloß Bündnisse und zog gewaffnet ins Feld; sie empfing die Besuche des Kaisers, aber auch der König Peter von Cypern, der König Waldemar von Dänemark waren in diesen Jahren ihre Gäste. In allem führte sie selbst ihre Politik; bei dieser schränkten weder verbriefte Rechte noch Verfassungsformen ein, sondern kam es einzig an auf Willen und Kraft.


Einer freien Entwicklung der Stadt war vor allem förderlich Bischof[WS 1] Johann selbst. Sein Regiment hat Reiz und Charakter. Nachdem die wiederholten Zwistigkeiten zwischen Bischof und Kapitel, die Parteiungen, die jahrzehntelangen Banns- und Interdiktszustände Geistliches wie Weltliches aus den Fugen gebracht hatten, tritt er in diese arge Verwirrung ein als ein Ordner, als ein Reorganisator und Beschwichtiger. Daher zeigt seine Regierung im Verhältnis zu ihrer langen Dauer wenig Tätigkeit nach außen. Neben der Teilnahme an der Coalition gegen Bern im Laupenkrieg 1339 ist hier nur zu nennen sein Eingreifen in die Angelegenheiten des Nachbarbistums Straßburg, wo er nach der Gefangennahme des Bischofs Berthold, seines Oheims, durch den Domkustos Konrad [256] von Kirkel 1337 das Bistum als Administrator regierte, dann als Verbündeter Bertholds an dessen Fehden mit Kirkel und Johann von Lichtenberg teilnahm; er rückte ins Feld mit dreihundert Helmen und viertausend Fußknechten.

Alles Andre galt der Sorge für das eigene Bistum. Zunächst handelte es sich um Lösung von Schulden, die von den letzten Bischöfen her auf dem Hochstift lasteten; die hiezu nötigen Mittel wurden beschafft durch neue offenbar günstigere Geldaufnahmen bei Basler Kapitalisten wie Jakob Fröwler, Berthold Schönkind u. A., durch Verpachtung der Zölle in Groß- und Kleinbasel auf dreizehn Jahre, durch Verpfändung des Weinbannes an die Stadt selbst. Neben diesen Finanzoperationen steht der günstige Kauf der Dörfer Schliengen, Mauchen und Steinenstadt 1343. Namentlich aber ist zu achten auf die methodische Arbeit Johanns für Ordnung und Sicherung der Rechte seines Hochstifts. Sie äußert sich in den zahlreichen Privilegien und Stadtrechtscodifikationen für die bischöflichen Städte Biel, Neuenstadt, Delsberg, St. Ursanne, Pruntrut, Laufen; in der Aufzeichnung eines Urbars der Einkünfte des Bistums; in der großen Enquete 1352 über Zoll, Wage und Maß in Basel; in der Neuredaktion des Lehen- und Dienstmannenrechts 1351; in der energischen Wahrung des Martinszinsrechtes; im Erlaß von Diözesanstatuten.

Einzelnes in dieser Reihe mag unerheblich sein; aber zusammengefaßt geben diese Maßnahmen die Vorstellung eines durchgreifenden Erneuerns fast aller Grundlagen des öffentlichen Lebens. Ihre Ergänzung sind die auffallend häufigen Weihen von Kirchen und Altären durch den Bischof, im Gnadental zu Basel, in Pfäffingen, in Altkirch, in Lützel, in Sulz, in Moutier usw. Sie lassen schließen auf zahlreiche Neubauten an Stelle alter zerfallender Gotteshäuser sowie auf Verschönerung von bestehenden. Dabei ist hier vor allem daran zu erinnern, was Bischof Johann Senn für den Bau des Münsters getan hat, und auch Einzelheiten verdienen Erwähnung wie der Guß von U. F. Glocke 1347 und die Anschaffung einer prunkvollen Mitra. Wenn auch Störungen nicht fehlten, wie die Revolte der Kleinbasler 1342, die Verbrennung des Pruntruter Schlosses, der große Brand in Kleinbasel 1354, der Sturz der bischöflichen Pfalz in den Rhein 1346, und namentlich das seinen Episcopat unvergeßlich kennzeichnende Unglück des Erdbebens, so ist doch das ganze Bild der Tätigkeit Johann Senns ein wohltuendes. Nichts von Großartigkeit und mächtiger Leidenschaft ist darin; aber Klugheit, Ruhe, Festigkeit machen sein Wesen aus. Daß ihn diese Tätigkeit ganz in Anspruch nahm und daß er persönlich zu Milde [257] und Gewährenlassen veranlagt war, begünstigte in hohem Grade die Entwicklung der Stadt. Er war oft von Basel abwesend, residierte auf seinen Schlössern St. Ursitz, Delsberg, Pruntrut, Istein. Der Brief des Rates, mit dem dieser am 30. Juni 1365 den Tod Johanns nach Straßburg meldet, hat einen warmen Ton der Klage, und in ungewohntem Wortreichtum preist der Anniversarienschreiber des Doms diesen Fürsten als friedevollen und von Allen geliebten Vater, als Reformator und Mehrer des Bistums.


Auch von Seiten des Reiches fand die Stadt keine Hemmung. Sie stand außerhalb der Reichsangelegenheiten; was dort geschah, berührte sie kaum. Als Repräsentanten des Reiches hatte sie in ihrer Mitte den Vogt, und die Bürger schworen dem König, das Recht seiner Vogtei wahren zu wollen. Als solche Vögte finden wir hier bis in die Mitte der 1340er Jahre Herren aus dem Geschlechte der Schaler, dann solche vom Geschlechte Münch. Ihre Tätigkeit tritt wenig hervor; bemerkenswert ist nur ein Konflikt zwischen Vogt und Rat, der 1359 den Kaiser zu einer Rüge veranlaßte, und dessen Ursache wahrscheinlich die Konkurrenz war, die dem Vogtsgericht aus der Handhabung des Stadtfriedens durch den Rat erwuchs.

Karl IV. war schon als Prinz von Böhmen in Basel gewesen, im Sommer 1344; als deutschen König lernten ihn die Basler im Dezember 1347 kennen. Auch später noch bekamen sie ihn wiederholt zu sehen, und wir würden gerne Mehreres erfahren über die Art dieser Besuche, über die Berührungen dieses merkwürdigen Mannes mit den Leitern der Stadt. Die Nachrichten mangeln. Aber schon die vereinzelte kurze Notiz, daß im Herbst 1356 Petrarca als Gesandter des Visconti nach Basel kam und während eines Monats, auf den Kaiser wartend, in dieser „großen und schönen“ Stadt verweilte, zeigt, um was für Beziehungen und Menschen es sich dabei handeln konnte.

Ein Verhältnis Karls zu Basel ist ausschließlich niedergelegt in seinen Privilegien. Vor allen in denjenigen, die er im Frühjahr 1357 auf seinem Schlosse Karlstein den Baslern ausstellte, als Ersatz der im Erdbeben zu Grunde gegangenen Dokumente; Andres folgte, als er 1365 Basel passierte. Beide Male mochte die Stadt solche Gunst ihrem Bischof, mehr vielleicht noch ihrem Gelde verdanken. Von einer bestimmten Haltung Karls gegenüber Basel ist jedenfalls nicht zu reden. Es war lauter Zweckmäßigkeit, einen „listigen sinnrichen man“ nennt ihn der Basler Chronist; seine Sorge galt vor allem der Mehrung des Hausbesitzes und dem Glanze Böhmens, und [258] gegen gute Zahlung erteilte er seine Privilegien. In der Zeit des Bischofs Johann von Vienne zeigt sich dann das Schwankende dieses ganzen Verhältnisses aufs deutlichste.


Von hoher Bedeutung für die Geschichte der Stadt aber war das Haus Oesterreich. Was die Könige Rudolf und Albrecht für die Macht dieses Hauses am Oberrhein getan hatten, fand seine Fortsetzung zunächst durch Herzog Albrecht. In einer langdauernden kräftigen Regierung wurde dieser der Begründer der dominierenden Stellung Oesterreichs in diesen Landen. Es ist zu erinnern an seine Erheiratung der Herrschaft Pfirt, an den Pfanderwerb der Städte Rheinfelden, Neuenburg, Breisach, an die Uebernahme der Herrschaft Wartenberg.

Eine solche Ausgestaltung des österreichischen Territoriums war unmittelbar wichtig für Basel. Noch Manche mochten hier leben, die sich an die Zeiten der Bischöfe Peter und Otto und deren Kämpfe mit Oesterreich erinnerten. Die jetzige Zeit war völlig anders gerichtet; und wie damals so wirkten auch jetzt wohl vor allem persönliche Art und Richtung. An die Männer ist zu denken, denen die Leitung der Stadt übergeben war, an Bischof Johann, an den Herzog Albrecht, endlich an dessen Schwester, die durch hohe politische Einsicht ausgezeichnete Königin Agnes, die in Basel selbst Haus und Hof besaß.

Die einzelnen Motive und Beziehungen sind nicht erkennbar. Aber deutlich ist, daß die Basler Politik in dieser Zeit vielfach durch eine Allianz mit Oesterreich beherrscht wird. Dem war auch die Parteinahme der Stadt für Kaiser Ludwig nicht im Wege, seit im Reiche der Gegensatz Oesterreich-Wittelsbach nicht mehr im Vordergrunde stand.

Von einem Bündnisse der Stadt mit Oesterreich ist zuerst 1343 die Rede. Im Jahre darauf folgte zwischen ihnen eine Münzkonvention, an der auch Bischof Johann und die Stadt Zürich teilnahmen.

Das Eintreten der letztgenannten Stadt in die auswärtigen Beziehungen Basels ist zu beachten. Sie war ein Teil der großen Politik Rudolf Bruns. Denn an die Münzvereinigung schloß sich am 7. September 1345 ein Bündnis Zürichs mit Bischof und Stadt von Basel, wobei sich die Verbündeten Hilfe in erstaunlich weitem Umkreise gelobten, von den Vogesen bis zum Arlberg, vom Schwarzwald bis zum Weißenstein, Brünig und Septimer. Seitdem gehen die beiden Verbindungen Basels, mit Oesterreich und mit Zürich, eine Zeitlang nebeneinander her. Am 25. August 1347 schloß Basel wieder einen Bund mit Oesterreich, auf fünf Jahre; [259] am gleichen Tage verband sich der Herzog auch seinerseits und für die gleiche Zeitdauer dem Bischof. Dem folgte am 14. Januar 1348 die Erneuerung des Bundes der Stadt mit Zürich, mit Dauer bis Johannistag 1349.

Aber dann gingen die Wege der beiden Städte auseinander.

Aus dem Privatzank eines Mülner von Zürich mit den Waldnern von Sulz scheint der Streit erwachsen zu sein. Basler und Straßburger, die mit jener Sache gar nichts zu tun hatten und nach Einsiedeln wallfahrteten, wurden auf dem Wege dorthin durch Zürich festgenommen; da Beschwerden nichts fruchteten, griffen die beleidigten Rheinstädte zu Repressalien und setzten ihrerseits Zürcher in Haft. Dennoch hätte der Handel, dessen gleichen allenthalben geschah, ohne weitere Folgen bleiben können. Aber mit den Streitigkeiten zusammenwirkend, die gerade damals zwischen Zürich und seinen Feinden am obern See walteten, brachte er eine völlig neue Gestaltung der Dinge zu Wege. Am 23. April 1350, mit welchem Tage der große oberrheinische Landfriede von 1345 auslief, tat sich die Herrschaft Oesterreich mit den Städten Straßburg, Basel, Freiburg zu einem Bund auf fünf Jahre zusammen. Genau zwei Monate nach der Zürcher Mordnacht. Unverkennbar ging die Spitze dieses Bundes gegen Zürich. Und da er zur Hilfeleistung an Oesterreich vom Jura bis zum Arlberg, vom Schwarzwald bis an den Gotthard und Septimer verpflichtete, mußte er nicht nur in Zürich, sondern auch in den Waldstätten ernste Beunruhigung wecken.

Unterdessen lagen die Gefangenen vom Waldnerhandel hüben und drüben fest; am 11. Mai 1350 erklärte die Stadt Breisach, mit Straßburg Basel Freiburg verbündet, den Zürchern offen die Feindschaft. Kriegsrüstungen wurden betrieben. Doch kam es nicht so weit. Der unermüdlichen Schlichterin Königin Agnes gelang noch eine Vermittlung; am 6. Juli 1350 brachte sie den Frieden zu Stande. Es kam sogar zum Projekt eines Bundes zwischen Zürich und Oesterreich. Aber der Zug des Rudolf Brun gegen Rapperswil am 1. September brach alle solche Möglichkeiten und führte zum Kriege.

Während nun Zürich einen Rückhalt an den Waldstätten suchte, am 1. Mai 1351 sein ewiger Bund mit diesen geschlossen wurde, befestigte sich Basel um so mehr in dem Kreise, dem sein öffentliches Leben angehörte. Am 3. Dezember 1351 sandte die Stadt ihren Fehdebrief an Zürich. Als am 26. Dezember gleichen Jahres die Zürcher, die von einem gegen Baden unternommenen Streifzuge heimkehrten, bei Tätwil überfallen wurden und [260] ein heftiges Nachtgefecht sich entspann, war es das Basler Banner, unter dessen Führung die Gegner Zürichs stritten. An den Belagerungen Zürichs durch Herzog Albrecht und seine Verbündeten nahm Basel gleichfalls teil.

Auch die folgenden Jahre der Basler Geschichte stehen noch unter der Wirkung des Verhältnisses zu Oesterreich. Am 20. Juli 1358 starb Herzog Albrecht, nachdem seine Gemahlin Johanna von Pfirt, die zu Zeiten die Geschäfte Oesterreichs in diesen Landen allein geführt hatte, 1351 dahingegangen war. Seinem Sohne Rudolf hatte er schon 1357 die Verwaltung übertragen, und dieser setzte die traditionelle Politik in mächtigster Weise fort. Die Freude am Herrschen, das Streben nach Gründung eines von Kaiser und Reich unabhängigen Staates, ein wunderbar gesteigertes Gefühl von Wert und Beruf seines Hauses und namentlich seiner eigenen Person trieben diesen Fürsten wie überall so auch in den oberrheinischen Gebieten zu weitausgreifender Tätigkeit. Wenn Rudolf sein Bündnis mit Basel am 7. Oktober 1359 abschloß, wenige Tage nach einem Bunde mit Solothurn und kurz vor einem solchen mit Zürich, wenn er im Jahre darauf sich vom Grafen Sigmund von Tierstein die Herrschaft Dornegg aufgeben ließ und auch in die tiersteinischen Reichslehen Maisprach und Wintersingen eintrat, wenn er vom Grafen Rudolf von Nidau die Feste Fridau, von den Grafen von Kiburg Burgdorf und Oltingen, vom Grafen Rudolf von Habsburg Ansprüche auf die Grafschaft Honberg erwarb, so leuchtete aus all diesem Tun ein einziger großer Plan. Seine Geleitszusicherung an die italienischen Kaufleute für die Straße von Ottmarsheim nach Brugg und Luzern war ein Zeugnis wie für seine Tendenz, der Straße über den Untern Hauenstein den Verkehr zu entziehen, so für das nahe Zusammentreffen seiner argauischen und seiner sundgauischen Territorien. Als er am 27. Juli 1365 starb, wenige Wochen nach Bischof Johann, war der für Basel unmittelbar gefährliche Gedanke dieser Politik noch nicht offen hervorgetreten; es sollte dies geschehen durch Rudolfs Bruder Leopold.


Neben den Gewalten Bischof, Kaiser, Oesterreich kommt nun auch der Adel in Betracht. Diese Periode ist denkwürdig, weil sie den Gegensatz Adel-Bürgertum als einen entschiedenen politischen Faktor in die Stadtgeschichte einführt.

In der rudolfinischen Zeit war die Stellung des Patriziates mehr negativ als positiv zu charakterisieren, als ein Stand zwischen Volk und [261] Adel, der äußerlich mit diesem verbunden, innerlich aber jenem verwandt war. Nunmehr scheint sich eine Klärung dieser Verhältnisse vorzubereiten in der Weise, daß Achtburger und Zünfte sich einander nähern und der Adel ihnen gegenübersteht. Wesen und Wert des Handwerkerstandes wachsen, und die häufige Beiziehung der Zunftmeister zu Ratsgeschäften zeigt, daß die Burger im Rat ihre Stärkung auf dieser Seite bei den Zünften zu finden wissen, dem Adel gegenüber, der durch die sich ausbildende Fürstenmacht, vor allem Oesterreichs, angezogen den Weg allmählicher Entfremdung von der Stadt beschreitet.

Die Tendenz zu engem Zusammenschließen der rein städtischen Elemente wurde jedenfalls gefördert durch die gewaltig bewegten Zeitumstände. Der Streit des Kaisers mit dem Papste, die Kämpfe der Gegenkönige und der Gegenbischöfe machte allenthalben das städtische Wesen mündig. Auch in Basel. Doch ist der Verlauf nicht erkennbar. Nur Vereinzeltes, wie die Erwähnung eines sonst nicht begegnenden, in seiner Art nicht zu deutenden städtischen Amtes, des rector oder praefectus consulum, neben Bürgermeister und Oberstzunftmeister, weist auf Umgestaltungen und Krisen vielleicht heftiger Art hin. Die Worte, mit denen das Domkapitel, stolz auf seine noch nie durch Mitgliedschaft eines Plebejers befleckte Reinheit, 1337 von dem Schaden redet, den die städtische Verfassung durch Hinzutritt von Leuten aus dem Volke erlitten habe, gelten Aenderungen, die Aufsehen erregten. Es sind die Jahre, die z. B. auch in Straßburg und Zürich Verfassungsänderungen brachten; daß Aehnliches hier geschah, wurde begünstigt durch das andauernde Fehlen eines Bischofs, die Führung des Regiments durch einen oft abwesenden Administrator, dann wieder nach der Wahl des neuen Bischofs durch dessen monatelanges Fernebleiben.

Deutlich erkennbar sind uns nur zwei Fakten; sie haben als Ergebnis einer solchen Umwälzung zu gelten.

Das eine ist das Statut des Domkapitels vom 22. März 1337 über seine exklusive Besetzung aus dem Adel. Wir sind diesem Kapitel schon öfters begegnet; beim Ungeldstreit, wiederholt bei der Bischofswahl trat es energisch für seine Rechte ein. Der Papst selbst gab ihm gelegentlich ein gutes Zeugnis: es habe nicht nur adlige und mächtige, sondern auch gelehrte Mitglieder. Von seiner Stellung im öffentlichen, nicht nur kirchlichen Leben der Stadt war schon die Rede; es bildete eine wichtige Unterstützung für alle Bestrebungen der Basler Ritterschaft. Denn es rekrutierte sich vorzugsweise aus dem Herren- und Ritterstande. Schon 1307 hatte es statuiert, daß seine Mitglieder ritterbürtig sein müßten und höchstens [262] fünf Canonicate auch an nicht Ritterbürtige gegeben werden könnten, sofern sie Graduierte (Magister in Theologie und Medicin oder Doctoren in einem der Rechte) seien. Jetzt 1337 — seine Führer waren der Dompropst Thüring von Ramstein und der Dekan Jakob von Wattweiler, Domherren aber Graf Ludwig von Tierstein, Konrad Schaler, Henman Münch, Peter von Bebelnheim, Marquard von Wart, Johann Kämmerer u. A. — erneuerte es dieses Statut, in bestimmter Festsetzung, daß das Kapitel Allen verschlossen sein solle, die nicht väterlicherseits aus dem Ritterstande wären, und mit der vorhin erwähnten Motivierung, ihre Körperschaft vor dem Schaden bewahren zu wollen, den anderwärts die Teilnahme der Plebs angerichtet.

Das zweite Aktenstück ist die Handfeste des Bischofs Johann Senn vom 21. Juni 1337. In dieser wird bestimmt, daß die Kieser einen Rat von Rittern, Burgern und Handwerkern kiesen, somit von nun an eigentliche, von den Zunftmeistern verschiedene Zunftratsherren als beständige Mitglieder im Rate sitzen sollen. Und da die am 8. Juli 1336 von Bischof Johann, vor seiner Anerkennung durch den Papst, den Kleinbaslern erteilte Urkunde als Mitglieder des Rates noch keine Handwerker nennt, so darf angenommen werden, daß in der Zwischenzeit, also gerade während der Bischof und mit ihm der Bürgermeister Konrad von Bärenfels bei Papst Benedikt in Avignon sich aufhielten, die Basler Zünfte den letzten Schritt getan und die Oeffnung des Rates für ihre Vertreter erlangt haben.

Bemerkenswert ist die Geräuschlosigkeit dieser Bewegung. Kein Chronist erwähnt sie. Sie ergibt sich nur aus der Urkunde von 1337 und aus einer Vergleichung des frühern Zustandes mit dem spätern. Sie scheint sich ohne große Erschütterung vollzogen zu haben. Hierzu paßt, daß sie auch die alte Wahlform unangetastet ließ, indem den Kiesern von nun an auch die Wahl der Ratsmitglieder von Handwerkern oblag.

Dennoch war die Aenderung eine hochwichtige. Der Rat bestand nunmehr aus vier Rittern, acht Burgern, fünfzehn Zünftigen. Die Stellung des bürgerlichen, städtischen Elementes im Rate war mächtig gehoben, der Einfluß des Adels geschwächt.

Aber dieser Adel spielt auch außerhalb des Rates, gesellschaftlich, wirtschaftlich, nicht mehr dieselbe Rolle im städtischen Wesen wie früher. Für ihn begann jetzt die Möglichkeit des Lebens an weltlichen Fürstenhöfen und eröffneten sich in solchem Dienste Tätigkeiten, bei denen es sich um große Beziehungen handeln konnte, sowie um Ehren und Geschäfte, weit überlegen denjenigen, die im Dienste des Bischofs und bei dessen [263] Stadtregiment sich boten. Auch auf diese Verhältnisse wirkte der Uebergang der Grafschaft Pfirt an Oesterreich; das Pfirterschloß war stets in Rivalität mit der Hofhaltung des Bischofs ein Centrum adeligen Lebens am Oberrhein gewesen; jetzt im Besitze Oesterreichs gewann es erhöhte Bedeutung. Die Dienstverhältnisse, die der Freiherr von Hasenburg, der Graf von Habsburg bei Oesterreich eingingen, sind deutliche Zeugnisse hiefür.

Außerordentliche Förderung aber fand diese ganze Bewegung durch das Erdbeben, indem es dem Adel des Bistums seine alten Bergschlösser vernichtete und ihn damit zum Aufsuchen neuer Lebensformen und neuer Tätigkeit auch da zwang, wo nicht schon die allgemeine Aenderung in den Verhältnissen der Herrschaft und Gesellschaft dazu antrieb.

Neben Oesterreich bot auch das aufsteigende Haus Luxemberg Aussichten. Vor allem das Geschlecht der Münch ist hier zu nennen. Diese Münch beginnen jetzt die erste Familie des Basler Adels zu werden; ihre alten Beziehungen zu Oesterreich dauerten weiter, und hinzu traten nun die neuen. Sie begannen vielleicht bei dem Besuche der oberrheinischen Lande durch König Johann von Böhmen im Sommer 1330. Damals zog dieser Fürst in Begleitung Kaiser Ludwigs von Hagenau das Land herauf; schon vor Kolmar begegnen wir in seiner Nähe dem Heinrich Münch von Basel, demselben, der dann 1346 an der gewaltigen Schlacht bei Crécy teilnahm, vielleicht im Gefolge des Herzogs Raoul von Lothringen, und dort neben König Johann den Tod erlitt.

Bei Karl IV. sodann, diesem dienend und von ihm wiederholt belohnt, finden wir zunächst den Götzman Münch; Konrad Münch bringt der Stadt Bern 1348 an des Königs Statt die Bestätigung ihrer Privilegien und nimmt zu des Reiches Handen ihre Huldigung entgegen; namentlich aber Burchard Münch erscheint im Besitze der vollen Neigung Karls, ist wiederholt in seiner Nähe zu treffen, heißt sein Vertrauter, sein Rat und Hausgenosse, wird durch ihn begabt und ausgezeichnet mit dem Schultheißenamt zu Solothurn, dem Schultheißenamt zu Kolmar, der Hauptmannschaft im Wallis, der Reichsvogtei zu Basel.


Hier sollte nun das städtische Wesen selbst gezeichnet werden. Aber fast alles hiezu Notwendige mangelt.

Vor allem die Möglichkeit, einzelne Personen als Solche wahrzunehmen, die der Entwickelung der Stadt den Weg gewiesen haben. Auch der viel genannte Konrad von Bärenfels ist hiefür nur unter Vorbehalt geltend zu machen. Während dieser Jahrzehnte begegnet er freilich unaufhörlich [264] als ein Mediator ohne gleichen, als Schiedsrichter, Bürge, Vertreter bei allen möglichen Geschäften und Streitigkeiten der Städte, der Adligen und der Fürsten; an Stelle des abwesenden Bischofs regiert er das Bistum; in Basel ist er Bürgermeister; er wird hier auch Schultheiß an Stelle der Schaler, wie er drüben in Kleinbasel Schultheiß ist von seinem Vater Johann her; er selbst ist der Vater von Söhnen, die später Bürgermeister Vögte Schultheißen zu Basel werden. So faßt er sichtlich in seiner Person die ganze Bedeutung des Standes zusammen, dem er angehört; er zeigt die Weltgewandtheit und politische Schulung, die in diesen Kreisen zu erlangen war. Aber individuelle Züge offenbaren sich kaum, und eine bestimmte Einwirkung auf den Gang der städtischen Dinge ist höchstens in der Interdictssache zu ersehen, von der die Rede gewesen ist.

Dieser Mangel wird auch nicht wett gemacht durch eine reiche Ueberlieferung von Tatsachen. Erst in der folgenden Periode fließen die Quellen; die ganze städtische Bezeugung der frühern Zeit ist im Erdbeben untergegangen.

So erscheint das Bild der Stadt als ein lockeres, zufälliges, innerlich unbelebtes. Es ist dies doppelt bedauerlich, da es sich um die Zeit des Uebergangs, der wichtigsten Entwickelung handelt. Ein so bedeutsames Ereignis wie die Oeffnung des Rates für die Zünfte kann lediglich konstatiert werden; aber die Motive, die Mittel, die Führer, der Verlauf der Sache selbst bleiben verborgen.

Die Schilderung von Verfassung und Verwaltung der Stadt muß daher einer andern Stelle vorbehalten werden, wo sie im Zusammenhang mit der Weiterentwickelung gegeben werden kann.

Hier kann es sich nur um Erwähnung dessen handeln, was über Politik und äußere Beziehungen Basels bekannt ist.

Vorerst ist an das hierüber schon Mitgeteilte zu erinnern, wobei hervorgehoben werden mag, daß auch das Verhältnis zum Bischof anfängt, in das Gebiet der auswärtigen Stadtpolitik überzugehen; am deutlichsten zeigt sich dies bei den Bündnissen, welche die Stadt mit dem Bischof schließt.

Sodann die alten Beziehungen zu den Städten Straßburg und Freiburg. Wie ein Lebensbedürfnis, wie ein notwendiger Bestandteil der öffentlichen Existenz erscheint diese Liga. Die Städte halten fest und treu zusammen; aber bei der Unsicherheit der Lage jeder einzelnen, bei der Eigenart ihres Verhältnisses zum Stadtherrn, das von einem Jahr zum andern schroff wechseln kann, dann auch bei dem offenbar noch wenig konsolidierten, den Einflüssen momentaner Parteiungen stets ausgesetzten [265] Zustande der städtischen Bevölkerung selbst, vermeiden sie jede Verbindung auf lange Zeit, weil sie als hinderliche Fessel wirken könnte. So hat sich Basel in den Jahren 1338, 1339, 1342, 1344, 1346, 1348, 1356, 1360 mit Straßburg und Freiburg verbündet. Wir haben nur diese Bundesurkunden in ihrer Monotonie vor uns; aber wir müssen an all das Dazwischenliegende denken, um der hohen Bedeutung eines solchen Verbandes, sowie der Intensität und Unentbehrlichkeit des Verkehrs bewußt zu werden, der zwischen den Städten stattfand. Seit 1342 sehen wir auch Breisach an dem Bunde teilnehmen.

Verbindungen anderer Art waren die Burgrechte, die Basel mit auswärtigen Herren einging. So mit dem Grafen Rudolf von Habsburg; im Anschlusse daran wurde dann Basel Gläubigerin des Grafen und seiner Stadt Laufenburg für eine große Geldsumme. Aber solche Burgrechte hatten nicht nur wie hier finanzielle Folgen, sondern konnten, hierin den Bündnissen gleich, die Stadt auch geradezu in Krieg verwickeln. Dies zeigt sich bei dem Burgrecht mit dem Grafen Heinrich von Mömpelgard.

In der Basler Geschichte werden die Grafen von Mömpelgard zuerst bemerkbar durch ihre Kämpfe mit den Bischöfen Heinrich und Peter. Doch lag der Ort noch außerhalb der Sphäre Basels. Als sein Wichtigstes mochte gelten, daß er die Straße nach der Metropole Besançon beherrschte. Sein Gebiet war wälsches Gebiet, den diesseitigen Zuständen und Bewegungen noch fern; bezeichnend hiefür ist, daß in diesen Jahrzehnten bei Mömpelgard jeweilen die westliche Grenze lief für Landfriede und Bundeshilfe der oberrheinischen Herren und Städte.

Aber 1345 nimmt die Gräfin Johanna von Mömpelgard selbst am Landfrieden teil. Und um diese Zeit beginnen überhaupt die nähern Beziehungen der Grafschaft zu den rheinischen Gebieten. Die Tendenz wälschen Vordringens gegen Osten, die später so bestimmt auftritt, regt sich vielleicht schon hierin. Jedenfalls ist bedeutsam, daß Graf Heinrich von Mömpelgard-Montfaucon zu Beginn der 1350er Jahre als Bürger von Basel erscheint.

Es ist derselbe Graf, von dessen unaufhörlichen Kämpfen mit Graf Ludwig von Neuenburg am See die Chroniken seines Landes zu berichten wissen. Mit Graf Ludwig waren verbündet die Herren von Vienne, von Grandson, von Faucogney u. A., als Mächtigster Diebold VI. von Neuenburg in Burgund; zum Mömpelgarder Grafen hielten Graf Diebold von Blankenberg (Blamont) in Lothringen, die Herren von Villersexel und Belvoir. In wilden Kämpfen verheerte diese Zwietracht die Lande am [266] Doubs, und an ihnen nahm nun auch Basel teil, kraft Burgrechtes durch den Mömpelgarder aufgeboten. In denselben Jahren, da die Stadt mit Zürich in Fehde lag, war sie so auch hier im Westen beschäftigt. Ihre Truppen belagerten 1351 das neuenburgische Schloß Blamont, 1355 die feste Stadt „zer Ile“ (L'Isle sur le Doubs), die gleichfalls dem Diebold von Neuenburg zustand. Doch kam es nicht zur Eroberung; König Johann von Frankreich legte sich ins Mittel und bewirkte am 25. Februar 1355 einen Frieden zwischen den Grafen Ludwig und Heinrich.

Für Basel bedeutete dieser Krieg jedenfalls ein bedeutendes Unternehmen; zum ersten Male trug jetzt die Stadt ihre Waffen hinüber in das wälsche Gebiet, das später wiederholt Ziel ihrer Züge werden sollte. Nur fehlen über einige knappe Urkunden- und Chronikenstellen hinaus alle Mittel zur nähern Kenntnis der Sache. Dies gilt auch von andern Zügen Basels in dieser Zeit, über die einzig gemeldet wird, daß die Basler am 1. Juni 1354 Schloß Dürmenach im Sundgau verbrannten; man wird hiebei nicht an die Mömpelgarder Händel zu denken haben, sondern an einen Grenzkrieg der Herrschaft Oesterreich, bei dem Basel als verbündete Stadt sich beteiligte, wie dies damals z. B. auch Freiburg tat.


Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß diese Periode durch Dürftigkeit der Ueberlieferung ausgezeichnet sei. Aus wenigen unzusammenhängenden Nachrichten müssen wir eine Vorstellung von dem Geschehenen zu gewinnen suchen.

In dieses Schweigen der Quellen hinein bricht nun die laute Gewalt einiger Katastrophen. Sie hat auch die Chronisten zum Reden gebracht, und die Fülle der Nachrichten über sie bewirkt, daß ihre Erscheinung in gar keinem Verhältnisse steht zu dem übrigen uns bezeugten Bilde der Zeit. Es kommt hinzu, daß die von diesen Ereignissen ausgehenden Erschütterungen zwar ungeheure waren, aber merkwürdig rasch vorübergingen.

Die in allen damaligen Geschichtswerken des Abendlandes ihre Spuren hinterließ, die Pestilenz des schwarzen Todes, traf auch Basel. Sie hat aber hier so wenig wie anderwärts individuelle, lokaleigene Züge.

Die Seuche kam aus dem Orient. Genueser Schiffe brachten sie an die Küsten des Mittelmeers. Zu Beginn des Jahres 1348 erreichte sie Avignon; und in verheerendem Zuge ging sie über das Abendland hin. „Die Leute starben an Beulen und Drüsen, die sich unter den Armen und oben an den Beinen erhoben, und wen diese Beulen ankamen, wer da sterben sollte, der starb am vierten Tage oder am dritten oder schon am zweiten. Auch [267] erbte Eins vom Andern die Seuche, und in welches Haus das Sterben kam, da hörte es nicht auf mit Einem.“

Dem entsprach auch die Verwüstung, die allenthalben angerichtet wurde. Zu Mainz, zu Köln starben täglich hundert, u. s. f., und das währte viele Monate. Der Straßburger Chronist schreibt von sechzehntausend Toten seiner Stadt, „und starben doch im Verhältnis weniger als anderswo.“

Da ward auch zu Basel gestorben, daß an der Straße vom innern Eschentor bis zum Rheintor nur drei Ehepaare bei einander erhalten blieben. Die Zahl aller zu Basel Gestorbenen wird auf vierzehntausend angegeben.

Durch die uns überlieferten Beschreibungen und Zählungen hindurch wünschen wir die schreckliche Tatsächlichkeit dieses „Weltsterbens“ selbst zu greifen. Aber die Qual des Einzelnen, die Trauer um Verlust und Trennung treten in den Berichten völlig zurück. Was das Bild bestimmt, ist die Plötzlichkeit, mit der die Pest trifft, ist ihre scheußliche Erscheinung, ist die unheimliche und unzähmbare Wut ihres Weitergreifens. Von der Verzweiflung hören wir, welche die Menschheit unter dieser Züchtigung befällt, von dem Erschüttertwerden aller Sitte, aller Ordnung und Arbeit. Das aufregend lebendige Bild der Seuche und ihrer Folgen, das Boccaccio völlig ruhig, jedes Mittels seiner Kunst bewußt, geschaffen hat, läßt erkennen, was auch bei uns geschah.

Hier sehen wir aber noch Andres, das über die Schilderung des Florentiners hinausgeht. Wir sehen das Volk seiner Angst Genüge tun durch eine Judenverfolgung. Diese hing mit der Epidemie zusammen, war aber nicht zeitlich ihre Folge, sondern ging ihr stellenweise sogar voran.

Sie war freilich nichts Neues. Der Haß auf das fremde, dem Christentum feindliche Volk mußte aufs höchste gesteigert werden durch die schwere Verschuldung, in welche die mit Zinswucher Geschäfte treibenden Juden Viele brachten. Ausschreitungen hatten wiederholt stattgefunden. Und wie erregt allerorts die Leidenschaft war und auf jede Anklage hörte, zeigen die zahlreichen Geschichten, die sich in den Chroniken jener Zeit finden, von Hostienschändungen, von Mordtaten der Juden; die Folge war jeweilen Niedermetzelung oder Verbrennung der Angeschuldigten. In den Jahren 1337 und 1338 hatte im Elsaß der Bauernkönig Armleder einen Feldzug gegen die Juden, die Mörder des Heilandes, unternommen und sie massenweise niedergemacht, bis Herren und Städte dem Treiben entgegentraten und eine Vereinigung schlossen, um solche Anmaßungen des Volkes künftig niederzuwerfen. Ein ähnliches Bündnis wurde 1345 geschlossen, [268] zur Verhütung wiederum von Judenverfolgungen; und auch Basel nahm daran teil.

Aus Basel selbst verlautet während aller dieser Jahre Nichts von Unruhen dieser Art. Aber 1349 kam es auch hier zum Ausbruche.

Den Anstoß gaben Gewalttaten einiger Ritter gegen Basler Juden. Wir haben auch hier an Schuldner zu denken, die sich an ihren Gläubigern vergriffen, und daß es sich um Ausschreitungen ernster Art handelte, zeigt die Strafe, mit welcher der Rat die Missetäter und Friedebrecher belegte; er verbannte sie auf lange Zeit aus der Stadt.

Gegen diesen Spruch erhob sich nun das Volk. Schwerlich der Adligen wegen. Aber der Judenhaß regte sich. Schon war die Pest, von Süden herankommend, nahe; vielleicht war sie in der Stadt selbst schon aufgetreten. Die Angst machte Jeder zum gläubigen Hörer des Gerüchtes, daß die Juden an dem Sterben schuld seien. Es hieß, sie hätten die Brunnen und Sode vergiftet. Von Bern, von Zofingen waren Berichte dieser Art gekommen; auch in Solothurn, in Lindau, in einigen schwäbischen Städten habe man solche Verbrechen entdeckt und die Juden verbrannt. Da sammelten sich die Zünfte, mit ihren Bannern zogen sie vor das Rathaus und verlangten stürmisch den Tod der Juden, die Heimrufung der Verbannten. Der Rat, von der Schuld der Juden nicht überzeugt, trat dem Begehren entgegen. Er verstand sich nur dazu, die Verbannungsurteile aufheben zu wollen; die Juden aber sollten in sichere Haft gesetzt, ihr Schicksal durch ordentlichen Rechtsspruch entschieden werden. Das Volk ließ sich beschwichtigen und nahm diese Zusagen an.

Der Rat aber sandte seine Boten nach Benfeld, wohin unter dem Drucke der durchs ganze Land, nicht nur in Basel, leidenschaftlich laut gewordenen Erregung die Stände des Landfriedens von 1345 waren aufgeboten worden. Hier an der Versammlung trafen die Meinungen aufeinander. Die Städte Straßburg, Basel, Freiburg fanden keine Schuld an den Juden. Aber die Fürsten und Herren, Bischof Berthold von Straßburg voran, traten ihnen entgegen; sie überschlugen, wie hoch ihre Schulden bei den Juden stünden, und dachten, diese Last mit einem Rucke los zu werden. Das allgemeine Verlangen des Volkes nach Rache, die Mähr von den Brunnenvergiftungen wirkten mit; es kam zum Beschlusse, die Juden preiszugeben, und damit war allenthalben ihr Schicksal besiegelt.

Vom Wege Rechtens und Urteil konnte auch in Basel jetzt nicht mehr die Rede sein. Der Rat mußte dem Volke nachgeben. Am 16. Januar 1349, einem Freitag, wurden die Juden auf einer der Sandbänke der [269] Birsigmündung in ein hiefür dort errichtetes Holzhaus eingeschlossen und verbrannt.

Doch waren mit dieser Exekution die Gräuel noch nicht zu Ende. Sie scheint nicht alle Juden Basels umfaßt zu haben. Während ringsum im Lande die Judenbrände loderten, geschah dies auch hier noch wiederholt. Nicht mehr tumultuarisch, sondern jetzt mit ordentlichem Verfahren, mit Folter und Richter. Die Untersuchungen wegen des Legens von Gift in Brunnen, wegen Vergiftens von Butter, von Wein u. s. f. gingen weiter, immerfort unter dem furchtbaren Geleite des Sterbens selbst. Noch im Juli 1349 hatte der Basler Rat dem in Straßburg zu berichten, daß er mehrere Juden in Basel, die solcher Verbrechen überführt worden seien, teils gerädert, teils verbrannt habe. Der Judenfriedhof wurde zerstört. Alle Schulden aber waren wett gemacht, die Briefe und Pfänder zurückgegeben worden. Auch in Basel waren die Schuldbriefe der Juden das Gift, das sie tötete.

Dieser ganze Vorgang des Judenmordes erhält seine richtige Färbung, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß er mitten in den Schrecken der beginnenden Seuche stattfand. Wenn Einige geglaubt hatten, mit Beseitigung der Juden die Urheber des Sterbens zu beseitigen, so wurden sie rasch ihren Irrtum inne. Die Epidemie griff erst jetzt mit aller Macht um sich. Und nun kam die Zeit, da in allem Volke die Erkenntnis eines göttlichen Strafgerichts sich regte mit dem Gefühl, Buße tun zu müssen für die Sünden, auch für die an den Juden begangene Sünde, da ein verzweifelter Ruf zum Himmel um Barmherzigkeit und Schonung aufstieg. Diese zugleich düstere und erregte Stimmung fand ihren Ausdruck in den Geißelfahrten.

Auch diese waren nichts Neues. Nach dem Muster italienischer Flagellantenzüge hatten sich schon während der schweren Zeiten des Interregnums Geißler in unsern Gegenden gezeigt. Viel mächtiger als damals erhob sich jetzt in Deutschland dieser Bußgeist, mit der Erwartung des nahen Weltendes gepaart, und trieb die Massen unter Kreuzfahne und Geißel. Sie zogen durch Städte und Dörfer, in Zügen von Hunderten, ja Tausenden. Hinter einem mächtigen Kreuze schritten sie, sie trugen Mäntel und Kapuzen mit roten Kreuzen bezeichnet; die blutige Geißel schwingend sangen sie ihre Lieder vom Leiden Christi. Wo sie hinkamen, da empfing sie das Geläute der Glocken, die Teilnahme der von ihrem Anblick ergriffenen Bevölkerung, und immerfort gesellten sich Büßende zu ihnen. Zweimal des Tages taten sie Buße; an bestimmter Statt legten sie sich nieder. Jeder bekannte seine Sünden und empfing auf seinen nackten Leib vom Meister die Geißelung, „der reinen martel ere“.

[270] Den Sommer 1349 durch währte diese Bewegung, und auch Basel ward von ihr ergriffen. Viele schlossen sich hier den Geißlerzügen an. Eine Schar, aus hundert der angesehensten Basler Bürger bestehend, zog nach Avignon zum Papste, um vor seinen Augen ihre Buße zu zeigen. Aber Papst Clemens, der aus Angst vor der Pest in einer Kammer bei beständig brennenden Feuern saß und sein Schloß nie verließ, wollte die Basler nicht sehen. Er gebot vielmehr, sie ins Gefängnis zu werfen. Auf Fürsprache einiger Kardinäle wurde zwar die Strafe wieder erlassen. Aber wie die Kirche über diese ganze, ihre eigene Autorität in Frage stellende Laienbewegung dachte, zeigen die Bekämpfung der Geißler durch die Priester und das päpstliche Ausschreiben, worin dies Wesen als eine ketzerische Sache verboten wurde.

Zur gleichen Zeit jedoch, in der die Kirche solche Regungen unterdrückte, erschloß sie der gepeinigten Menschheit ihre eigene Hilfe in erhöhtem Maße, indem sie auf 1350 ein allgemeines Jubeljahr verkündigte und den die heiligen Stätten in Rom Besuchenden Ablaß in Aussicht stellte. Aus allen Ländern begann nun die Romfahrt; zu Pfingsten feierte der Orden der Augustiner sein Generalkapitel zu Basel, und den hiebei Anwesenden wurden die gleichen Gnaden verheißen, die mit dem Besuche der ewigen Stadt zu erlangen waren.


So furchtbar alle diese Schrecken und Nöte auch gewesen waren, so rasch ging ihre Wirkung vorüber. „Die Welt hub wieder an zu leben und fröhlich zu sein“ sagt die Limburger Chronik, und ein Franzose schildert mit Erstaunen die Jahre nach dem großen Sterben als eine Zeit unerhörter Fruchtbarkeit der Menschen wie der Erde.

In der Tat ist eine Hemmung des wirtschaftlichen und politischen Fortschrittes durchaus nicht zu erkennen. Die Lebenskraft der Städte hat diese Ereignisse ungeschwächt überstanden.

Auch die Geschichte Basels läßt nichts von Erlahmung spüren. Gerade diese Jahre zeigen sie kriegerisch tätig, gegen Zürich und gegen den Herrn von Burgundisch-Neuenburg, und selbst das Gewaltige, das dann eintritt, die Katastrophe des Erdbebens, bringt ihrem Leben keinen Stillstand.

Am Lukastag 18. Oktober 1356, einem Dienstag, kündigte sich das Unglück zur Vesperzeit durch einen mächtigen Erdstoß an, der viele Häuser zum Einstürzen brachte und das Münster beschädigte. Ein Teil der Einwohner floh erschreckt aus der Stadt; sie lagerten sich draußen im Felde und warteten ängstlich, was weiter aus der Sache werden wolle. Da, zu [271] Beginn der Nacht, sahen sie Feuer aufgehen; es war in der Vorstadt zu St. Alban aus den Herdstätten eingestürzter Häuser ausgebrochen und zog sich von da gegen die übrigen Stadtteile. Bei diesem Anblick eilten die Geflohenen wieder in die Stadt hinein, um hier Denen, die zurückgeblieben waren, beizustehen und nach Möglichkeit die Habe vor dem Feuer zu retten. In Hast und Angst war Alles hiemit beschäftigt, als ein neuer Erdstoß geschah, stärker als der frühere. Er warf Vieles nieder, was jenem noch Stand gehalten hatte; zahlreiche Menschen fanden unter den Trümmern den Tod. Dieser zweiten Erschütterung folgte jetzt rasch Stoß um Stoß; die Erde schien nicht zur Ruhe kommen zu wollen. Dabei wütete das Feuer, das nun allenthalben ausbrach, immer weiter und legte Haus nach Haus in Asche. Es war eine schauervolle Nacht, da man das Ende der Welt gekommen glaubte; aber mit ihr ging die Verwüstung keineswegs zu Ende. Das Feuer war nicht zu löschen; es brannte noch manche Tage lang fort, und auch die Erschütterungen der Erde hielten nicht inne. Bis gegen das Ende des Jahres bebte sie zu Zeiten, und noch immer stürzten Häuser und Mauern ein, die sich bis dahin hatten halten können.

In solcher Weise ging Basel unter. Den größten Schaden hatte das Feuer angerichtet. Die innere Stadt war völlig ausgebrannt, sie lag um die stehen gebliebenen Steinbauten her in Asche wie „Sodom und Gomorrha“. Neben dem Feuer war auch das Wasser verderblich gewesen; die Trümmer von Gebäuden hatten den Birsig gestaut, sein Wasser trat über und verderbte die in Keller geflüchtete Habe. Steinwerk wurde durch die Erdstöße nur zum Teil vernichtet. Die alte Burgmauer freilich fiel da und dort ein; auch Häuser stürzten zusammen; aber von den Kirchen standen noch manche aufrecht. Allen voran das Münster, wenn auch sein Chorgewölbe eingestürzt, das Mauerwerk verschoben und zerspalten, der Turm mit der großen Glocke verbrannt war. Auch die Kirche St. Martin scheint nur beschädigt, nicht zerstört worden zu sein; die Kirche der Johanniter blieb stehen; ebenso hatten Stand gehalten die Chorbauten der Prediger, der Barfüßer, der Frauen an den Steinen und im Klingental.

Die Zahl der Getöteten ist auch annähernd nicht zu bestimmen. Aber bei der Art des Unglücks, namentlich da die beim Retten Beschäftigten durch Erdstöße überrascht wurden, ist der Ueberlieferung vom Untergang vieler Menschen Glauben zu schenken. Mit Namen genannt werden nur der Domherr Johann Christiani, der Pfarrer zu St. Martin Herr Peter Münch und Einer von Bärenfels, den eine stürzende Zinne der Stadtmauer bei St. Peter erschlug.

[272] Die ihrer Stadt beraubten Basler wohnten nun eine Zeitlang draußen auf den Feldern, wo sie sich in Baracken und Zelten einrichteten. Man liest von allerhand Hilfe, die ihnen zu Teil ward, namentlich aus den befreundeten Städten im Elsaß. Der Beachtung wert ist aber vor allem ihre eigene Tätigkeit für Wiederaufrichtung der Stadt. Neben den Anordnungen für den Bau, den Vorschriften über Holzhandel, fremde Handwerker, Gesellenzahl, Löhne u. dgl., neben dem Kauf eines ganzen Waldes bei Olsberg ist zu nennen die Erlangung neuer Privilegien vom Kaiser. Die nach dem Erdbeben eingerichteten provisorischen Verkaufshallen und Märkte in den Vorstädten wurden schon im Frühsommer 1357 aberkannt, Kauf und Verkauf wieder in die Stadt an die alten Plätze gewiesen. Und wie wenig die Finanzkraft der Stadt und ihrer Bürger gebrochen, wie klug und fest die Verwaltung war, zeigt die Tatsache, daß sie schon im Dezember 1356 dem Grafen von Nidau ein großes Kapital und 1360 dem Ulrich von Rappoltstein alle schuldigen Zinse zurückzahlte, 1362 die gesamte städtische Schuld tilgte, 1363 der Stadt Laufenburg ein beträchtliches Darleihen machte. Neben diesen geschäftlichen Leistungen steht als hübsche Einzelheit jenes mächtige eherne Weinmaß, das die Bürger sofort nach dem Unglück anfertigten als eines der unentbehrlichsten Geräte im Stadthaushalte.

Aus solchen Zeugnissen spricht der Geist dieser ganzen Tätigkeit, bei der es darauf ankam, daß die Stadt ihre äußere Erscheinung wieder herstellte und zugleich sich mit frischem Mute daran machte, das alte Leben neu und womöglich besser weiter zu leben.

Als feierlicher Abschluß der Erneuerungsarbeit kann uns die Münsteraltarweihe von 1363 gelten, die zugleich der letzte große kirchliche Akt des Bischofs Johann war. Sie fand statt am Sonntag 25. Juni; nicht als Weihe des Münsters — denn die Weihe von 1019 durch Bischof Adelbero blieb in Kraft — sondern als Reconciliation des beim Erdbeben zerstörten, nun wieder hergestellten Hochaltars im Chor. Dem Bischof assistierten hiebei sein Verwandter Peter Senn, Bischof von Zeitun und Generalvikar des Bischofs Heinrich von Konstanz, sowie die Aebte von St. Blasien und Beinwil. Auch wohnte der Feier König Peter von Cypern bei, der auf seiner zur Werbung für einen Kreuzzug unternommenen Europareise bei Papst Urban V. in Avignon gewesen und von dort nach Basel gekommen war.

Das Erdbeben hatte sich nicht auf Basel beschränkt, sondern auch anderwärts, in Straßburg, in Konstanz, in Bern usw. Schrecken und [273] Schaden gebracht. Aber sein Größtes war doch die Vernichtung Basels, der „schönen“, „herrlichen“, „kaiserlichen“ Stadt. Ihr Name ging mit der Kunde von dieser Heimsuchung durch alle Welt; das Erdbeben ist das bekannteste Ereignis ihrer Geschichte. Und doch darf wie gesagt seine Bedeutung für diese Geschichte nicht überschätzt werden. Es hat allerdings einen Stand der Ueberlieferung geschaffen - durch Vernichtung des Stadtarchivs -, der verleiten könnte, von diesem Tag einen neuen Abschnitt der Stadtgeschichte zu datieren. Aber das ist nur zulässig für gewisse Gebiete der Baugeschichte; für alles Andre bildet das Erdbeben ein begleitendes, nicht ein entscheidendes Faktum.


Als das Unglück über Basel hereinbrach, stand die Stadt im traditionellen Bunde mit Straßburg und Freiburg. 1360 wurde dies Bündnis erneuert; das vorhergehende Jahr hatte wieder einen Bund mit Oesterreich gebracht. Als Ergänzung hiezu mag berührt werden, daß Basel in dieser Zeit auch allerhand Streitigkeiten durch Friedensschlüsse zur Ruhe brachte: 1356 mit Diebold von Neuenburg, 1356 mit Graf Eberhard von Werdenberg und mit Luzern, 1357 mit Leobaldus de Rupibus, 1359 mit Hanneman von Neuenstein.

Die Stadt bedurfte in der Tat solcher Beruhigung und Befestigung ihrer Verhältnisse nach möglichst vielen Seiten, da jetzt neue große Gefahren im Anzuge waren.

Zunächst ist Freiburg zu nennen; hier bereiteten sich deutlich wahrnehmbar gewaltsame Dinge vor. Streitigkeiten der Stadt mit dem Grafen und die hinter diesem Zwist stehenden Absichten Oesterreichs ließen die Lage als sehr ernst erscheinen, und Basel mußte auf der Hut sein, um im Falle der Not seine Bundespflicht zu erfüllen.

Ganz andrer Art war die von Westen her sich nahende Bedrohung. Unter den „bösen Gesellschaften“, den Soldkompagnien, die zu jener Zeit Italien und Frankreich mit Mord, Verheerung, Plünderung erfüllten, machte die Bande des Erzpriesters von Cervola von sich reden. Es war dies Arnold von Cervola; er hieß Erzpriester, weil er ein Beneficium zu Vergnes besaß, und seine Gesellschaft trug den Namen der „Engländer“; sie scheint großen Teils aus Bretonen bestanden zu haben. Diese Banden, die ein großer Krieg beschäftigte und festhielt, hatte der am 8. Mai 1360 zu Bretigny zwischen Frankreich und England geschlossene Friede freigemacht; es hieß von dem Erzpriester, daß er jetzt Lust habe, das schöne Elsaß heimzusuchen, seine Rosse im Rhein zu tränken.

[274] Sofort erhoben sich Herren und Städte dieses Landes zur Abwehr. Bei ihrer ersten Besprechung zu Molsheim, am 26. Juni 1361, war Basel noch nicht anwesend, wohl aber zu Colmar am 25. Mai 1362, wo ein großes Schutzbündnis aller Derjenigen zu Stande kam, die sich bedroht fühlten. Man gab sich das Wort, dem fremden bösen Volke in keiner Weise Vorschub zu leisten, sich gegenseitig gegen dessen Angriffe beizustehen. Der Bund galt für das ganze Gebiet beidseits des Rheins von Gebirg zu Gebirg und von Rheinfelden und St. Hippolyt bis eine Meile Weges vor Weißenburg. Er sollte gelten bis Weihnacht 1362; als dann die Gefahr immer noch drohte, wurde er am 28. Februar 1363 bis Weihnacht 1364 verlängert.

So war die Zeit voll Unruhe und Ahnung, und das Gefühl der Schwüle überkommt auch uns noch deutlich aus den damaligen Aufzeichnungen. Die Stadt sah sich zur äußersten Anstrengung genötigt. Die Wohnungen waren aus dem Schutt des Erdbebens und der Brunst wieder erstanden; jetzt galt alle Kraft den Gräben, Mauern, Türmen. Große Anleihen und ein neues Ungeld brachten die nötigen Gelder; so umfassend war die Arbeit, daß über die allgemeinen Mittel hinaus noch der ganze Ertrag des Mühleungelds jährlich der Fortifikation zugewendet wurde. Durch Anschaffung von Panzern, Armbrüsten, Pfeilen u. dgl., von Zelten, einer mächtigen Wurfmaschine rüstete sich die Stadt wie zur Verteidigung so zu Kriegszug und Angriff. Neben allem her ging die unausgesetzte Tätigkeit des Rates und seiner Boten, die Korrespondenz nach allen Seiten. Die Stadt sorgte auch für Mannschaft. Die Zünfte waren bereit; aber für die ersten Schläge, für Auskundschaftung, für Bewachung der Straßen warb Basel Soldtruppen. Söhne eingeborner Geschlechter und von Familien des bischöflichen Adels, aber auch fremde Söldner, die sich Jedem verkauften, traten jetzt in den Dienst der Stadt; neben diesen Berittenen wurden auch Schützen in größerer Zahl eingestellt. Schon 1364 lag eine Besatzung von Basler Schützen in Granweil; im Januar 1365 beschlossen die Bundesstädte, in die festen Plätze Belfort, Dattenried, Blumenberg, Rotenberg, Pruntrut, Mülhausen Schützenkorps zu legen. Basel sollte hiezu fünzig Mann stellen; sein Kontingent für den Zug ins Feld betrug zwölfhundert Gewaffnete und zweihundert Schützen. Man erwartete den Einfall der Scharen Cervolas hier durch die Lücke des Gebirgs bei Belfort; aber sie zogen nach Norden, brachen in Lothringen ein; am 5. Juli zeigten sie sich vor Straßburg. Man schätzte ihre Zahl auf vierzigtausend Reiter und Fußgänger. Straßburg sandte seine Boten, mahnte um Zuzug, [275] und Basel rüstete sich. Aber schon machten die Engländer Miene, das Land herauf zu ziehen, gegen Basel selbst sich zu wenden.

Der große Colmarer Bund von 1362 hatte Fürsten und Städte zu einmütigem Handeln geeinigt; nun der Feind im Lande war, versagte die Einmütigkeit. Zu einer gemeinsamen Aktion kam es nicht, und mit Mißtrauen schauten Städter und Bauern auf die Fürsten, sogar auf den Kaiser. Im April 1365 hatte dieser, wieder auf der Reise nach Avignon, Basel besucht. Die Stadt erwies ihm alle Ehre, bewirtete ihn und sein Gefolge und erlangte von ihm das Recht zu Schirmung und Nutzung der in ihr wohnenden Juden. Auch Kleinbasel kam bei dieser Gelegenheit zu einer kaiserlichen Bestätigung seiner Freiheiten. Auf der Rückkehr vom Papste, im Juni, zog Karl wieder durch Basel, dann das Elsaß hinab, und legte sich in Selz fest, zur selben Zeit da die Fremden ins Land brachen. Da ging das Gerücht durch das Volk, der Kaiser selbst habe Jene gerufen.

Daß man nur auf eigene Kraft und seines Gleichen sich verlassen könne, wurde den Städten immer klarer. Was halfen diese Bünde mit Fürsten? An den Städten war es, sich zusammenzutun, sich gemeinsam der Gefahr zu erwehren, die ihnen drohte. Daher im Mai 1365 die Verhandlungen über Abschluß eines reinen Städtebundes, der in imposanter Ausdehnung die drei Gruppen Mainz Worms Speier, Straßburg Basel Freiburg Breisach Neuenburg, Zürich Bern Solothurn Luzern vereinigen sollte. Aber dieser Bund kam nicht zu Stande; es blieb beim Entwurfe.

Mitten in diesen Bewegungen, in einer unheimlichen, Alles drohenden Zeit starb Bischof Johann am 30. Juni 1365, plötzlich, eine Stunde vor Mittag.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bischo