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Birsigmündung in ein hiefür dort errichtetes Holzhaus eingeschlossen und verbrannt.

Doch waren mit dieser Exekution die Gräuel noch nicht zu Ende. Sie scheint nicht alle Juden Basels umfaßt zu haben. Während ringsum im Lande die Judenbrände loderten, geschah dies auch hier noch wiederholt. Nicht mehr tumultuarisch, sondern jetzt mit ordentlichem Verfahren, mit Folter und Richter. Die Untersuchungen wegen des Legens von Gift in Brunnen, wegen Vergiftens von Butter, von Wein u. s. f. gingen weiter, immerfort unter dem furchtbaren Geleite des Sterbens selbst. Noch im Juli 1349 hatte der Basler Rat dem in Straßburg zu berichten, daß er mehrere Juden in Basel, die solcher Verbrechen überführt worden seien, teils gerädert, teils verbrannt habe. Der Judenfriedhof wurde zerstört. Alle Schulden aber waren wett gemacht, die Briefe und Pfänder zurückgegeben worden. Auch in Basel waren die Schuldbriefe der Juden das Gift, das sie tötete.

Dieser ganze Vorgang des Judenmordes erhält seine richtige Färbung, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß er mitten in den Schrecken der beginnenden Seuche stattfand. Wenn Einige geglaubt hatten, mit Beseitigung der Juden die Urheber des Sterbens zu beseitigen, so wurden sie rasch ihren Irrtum inne. Die Epidemie griff erst jetzt mit aller Macht um sich. Und nun kam die Zeit, da in allem Volke die Erkenntnis eines göttlichen Strafgerichts sich regte mit dem Gefühl, Buße tun zu müssen für die Sünden, auch für die an den Juden begangene Sünde, da ein verzweifelter Ruf zum Himmel um Barmherzigkeit und Schonung aufstieg. Diese zugleich düstere und erregte Stimmung fand ihren Ausdruck in den Geißelfahrten.

Auch diese waren nichts Neues. Nach dem Muster italienischer Flagellantenzüge hatten sich schon während der schweren Zeiten des Interregnums Geißler in unsern Gegenden gezeigt. Viel mächtiger als damals erhob sich jetzt in Deutschland dieser Bußgeist, mit der Erwartung des nahen Weltendes gepaart, und trieb die Massen unter Kreuzfahne und Geißel. Sie zogen durch Städte und Dörfer, in Zügen von Hunderten, ja Tausenden. Hinter einem mächtigen Kreuze schritten sie, sie trugen Mäntel und Kapuzen mit roten Kreuzen bezeichnet; die blutige Geißel schwingend sangen sie ihre Lieder vom Leiden Christi. Wo sie hinkamen, da empfing sie das Geläute der Glocken, die Teilnahme der von ihrem Anblick ergriffenen Bevölkerung, und immerfort gesellten sich Büßende zu ihnen. Zweimal des Tages taten sie Buße; an bestimmter Statt legten sie sich nieder. Jeder bekannte seine Sünden und empfing auf seinen nackten Leib vom Meister die Geißelung, „der reinen martel ere“.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/288&oldid=- (Version vom 1.8.2018)