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erbte Eins vom Andern die Seuche, und in welches Haus das Sterben kam, da hörte es nicht auf mit Einem.“

Dem entsprach auch die Verwüstung, die allenthalben angerichtet wurde. Zu Mainz, zu Köln starben täglich hundert, u. s. f., und das währte viele Monate. Der Straßburger Chronist schreibt von sechzehntausend Toten seiner Stadt, „und starben doch im Verhältnis weniger als anderswo.“

Da ward auch zu Basel gestorben, daß an der Straße vom innern Eschentor bis zum Rheintor nur drei Ehepaare bei einander erhalten blieben. Die Zahl aller zu Basel Gestorbenen wird auf vierzehntausend angegeben.

Durch die uns überlieferten Beschreibungen und Zählungen hindurch wünschen wir die schreckliche Tatsächlichkeit dieses „Weltsterbens“ selbst zu greifen. Aber die Qual des Einzelnen, die Trauer um Verlust und Trennung treten in den Berichten völlig zurück. Was das Bild bestimmt, ist die Plötzlichkeit, mit der die Pest trifft, ist ihre scheußliche Erscheinung, ist die unheimliche und unzähmbare Wut ihres Weitergreifens. Von der Verzweiflung hören wir, welche die Menschheit unter dieser Züchtigung befällt, von dem Erschüttertwerden aller Sitte, aller Ordnung und Arbeit. Das aufregend lebendige Bild der Seuche und ihrer Folgen, das Boccaccio völlig ruhig, jedes Mittels seiner Kunst bewußt, geschaffen hat, läßt erkennen, was auch bei uns geschah.

Hier sehen wir aber noch Andres, das über die Schilderung des Florentiners hinausgeht. Wir sehen das Volk seiner Angst Genüge tun durch eine Judenverfolgung. Diese hing mit der Epidemie zusammen, war aber nicht zeitlich ihre Folge, sondern ging ihr stellenweise sogar voran.

Sie war freilich nichts Neues. Der Haß auf das fremde, dem Christentum feindliche Volk mußte aufs höchste gesteigert werden durch die schwere Verschuldung, in welche die mit Zinswucher Geschäfte treibenden Juden Viele brachten. Ausschreitungen hatten wiederholt stattgefunden. Und wie erregt allerorts die Leidenschaft war und auf jede Anklage hörte, zeigen die zahlreichen Geschichten, die sich in den Chroniken jener Zeit finden, von Hostienschändungen, von Mordtaten der Juden; die Folge war jeweilen Niedermetzelung oder Verbrennung der Angeschuldigten. In den Jahren 1337 und 1338 hatte im Elsaß der Bauernkönig Armleder einen Feldzug gegen die Juden, die Mörder des Heilandes, unternommen und sie massenweise niedergemacht, bis Herren und Städte dem Treiben entgegentraten und eine Vereinigung schlossen, um solche Anmaßungen des Volkes künftig niederzuwerfen. Ein ähnliches Bündnis wurde 1345 geschlossen,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/286&oldid=- (Version vom 1.8.2018)