Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/3. Die Entwickelung der Stadt zur Herrschaft/2. Gerhard von Wippingen. Johann von Chalon

Peter Reich. Peter von Aspelt. Otto von Grandson Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/3. Die Entwickelung der Stadt zur Herrschaft
von Rudolf Wackernagel
Johann Senn von Münsingen
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Zweites Kapitel.
Gerhard von Wippingen. Johann von Chalon.




Sofort nach dem Tode Ottos von Grandson sorgte der Papst für Besetzung des Basler Bistums. Er übergab es am 30. Juli 1309 dem Gerhard, aus dem freiburgischen Geschlechte von Wippingen, der seit 1302 Bischof von Lausanne war. Aber das Domkapitel von Basel nahm diese Ernennung nicht an, sondern schritt selbst zur Wahl. Diese fiel auf den Ersten und Aeltesten der Körperschaft, Lütold von Röteln. Er war Dompropst; er saß seit einem halben Jahrhundert im Kapitel und war schon 1296 von einer Partei des Domkapitels als Bischof proklamiert worden; in jedem Betrachte erschien er jetzt als der des Amtes Würdigste. Er übernahm das Amt und begann zu herrschen.

Basel hatte nun zwei Bischöfe; der Kampf entbrannte. Doch begegnet uns dabei der vom Papst gesetzte Gerhard nie als tätig; statt seiner trat Papst Clemens selbst gegen den „Eindringling“ Lütold und dessen Anhänger auf. Diese Anhänger waren, nach des Papstes Aussage, der Klerus in Stadt und Diözese, die städtische Einwohnerschaft und der Rat selbst.

In der Tat schaltete Lütold ohne Vorbehalt und Einschränkung, unter allgemeiner Anerkennung als Bischof. Er hatte nach seiner Wahl die Schlösser und Städte des Bistums in Besitz genommen, die Herrschaft begonnen; bei Pontificalgeschäften vertrat ihn sein Suffragan der Bischof Martin. Die Handfeste, die er am 13. Oktober 1309 den Kleinbaslern erteilte, ist noch erhalten; auf die Handfeste für die große Stadt und auf den von Rat und Bürgerschaft ihm geleisteten Eid weisen die zornigen Klagen des Papstes über die „Versprechungen, Verpflichtungen und Eide“, mit denen Lütold das betörte Volk an sich gefesselt habe. Doch war auch der Papst nicht ohne Anhänger in Basel selbst. Er rief hier vor allem die Mendikantenorden zu seiner Hilfe auf; dem Predigerprior Günther und dem Barfüßerguardian Peter gab er, neben dem Bischof von Straßburg, [229] am 22. Januar 1310 die nötigen Befehle, um Volk und Klerus dem Lütold abspenstig zu machen und diesen vom Bistum wegzubringen. Dennoch dauerte der Widerstand weiter, und der Papst schritt jetzt zur Verhängung des Interdikts über die Stadt. Aber auch dieses blieb ohne ganze Wirkung. Die Barfüßer freilich schlossen die Türen ihrer Kirche; aber die Augustiner hielten öffentlichen Gottesdienst; der Suffragan Lütolds fuhr fort zu funktionieren; der Prior der Prediger erwies sich böswillig und lässig in Ausführung der päpstlichen Befehle. Da übertrug Clemens am 24. Juni 1310 seine Sache neuen Mandataren, dem Abt von Erlach und dem Propst von Solothurn; der Letztere, Graf Hartmann von Nidau, war auch Domherr von Basel. Zugleich exkommunicierte der Papst feierlich den Gegenbischof Lütold und Alle, die zu diesem hielten, unter ihnen auch den Rat, die Vorsteher und Beamten der Stadt. Der Barfüßerchronist jener Tage sagt, daß „Viele vom Volk“ mit dem Banne getroffen worden seien, und weist damit auf den schon beginnenden Abfall von Lütold hin. Und in den nun folgenden Monaten, während deren das Interdikt dauerte, kein Sakrament gespendet, kein Gottesdienst öffentlich abgehalten wurde, kein kirchliches Begräbnis stattfand, Viele als Gebannte sich aus aller Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen fühlen mußten, vollzog sich der Umschwung. Im Sommer 1311 konnte der Papst als Sieger gelten; der Klerus bekannte sich zu ihm und Bischof Gerhard; auch der Rat der Stadt erscheint jetzt als ein anderer und nimmt Aufträge des Papstes an; Lütold von Röteln weilte nicht mehr in Basel. Noch leistete er freilich Widerstand, und noch hielten einige seiner Domherren zu ihm, wie der Dekan Johann Kämmerer, Hartung Münch, Heinrich Kuchimeister, Werner von Gundolsheim u. A.; auch der Offizial Johann von Vinstingen, der schon unter Otto von Grandson Generalvikar gewesen war, zugleich Domherr von Metz, bewahrte ihm die Treue; aber wo in der Diözese Basel oder in den benachbarten Diözesen sich diese mit dem Bannfluch belegten und ihrer Pfründen entsetzten Männer aufhielten, mußte auf Befehl des Papstes der Gottesdienst eingestellt werden. Mit solchen Mitteln wurde der Streit bis zu Ende durchgeführt. Während seiner Dauer war Bischof Gerhard abwesend gewesen, meist in Italien bei Kaiser Heinrich VII.; im Dezember 1311 verfügte er auf seinem väterlichen Schlosse Wippingen über das Kleinbasler Schultheißenamt, im Frühjahr 1312 finden wir ihn im Bistum anwesend.

Lütold von Röteln nahm wieder die Dompropstei ein; am 19. Mai 1316 starb er, als der Letzte seines Geschlechtes.

[230] Diesem Streite folgte bald ein zweiter, größerer. Nach Heinrichs VII. Tode (24. August 1313 in Buonconvento) teilten sich die Kurfürsten. Lange zogen sich die Verhandlungen und Streitigkeiten hin; endlich im Herbst 1314 kam es zur Wahl; die habsburgische Partei erhob am 19. Oktober den Herzog Friedrich von Oesterreich zum König, am Tage darauf die luxemburgische Partei, geführt durch Peter von Aspelt, den Herzog Ludwig von Bayern.

Wie die andern Städte Süddeutschlands stellte sich auch Basel auf die Seite Friedrichs. Die österreichische Partei scheint in diesen Jahren hier das Regiment in Händen gehabt zu haben; und wenn unter ihrer Führung die Stadt den König aus dem Hause Habsburg anerkannte, so erhielt diese Politik auch von Seiten des Bischofs Gerhard keine andere Richtung. Während der Königswahl war der päpstliche Stuhl unbesetzt gewesen; der am 7. August 1316 gewählte Papst Johann XXII. erklärte sich für keinen der beiden Gegenkönige, sondern nahm eine abwartende Stellung ein.

Schon im Februar 1314 hatte sich Friedrich in Basel aufgehalten. Jetzt, einige Monate nach der Krönung, im Mai 1315, zu Pfingsten, hielt er hier königlichen Hoftag. Da wurden dem Volke durch einen Cisterziensermönch die Reichsheiligtümer gezeigt, die heilige Lanze, die Krone Karls des Großen u. a. m.; und im Glück einer prunkvollen Doppelhochzeit verband sich hier König Friedrich mit Elisabeth von Aragon, sein Bruder Leopold mit Katharina von Savoyen. „Wer könnte erzählen, was da alles in Basel geschah, an Turnieren und Waffenspielen!“ ruft der Chronist aus. Ein Graf von Katzenellenbogen wurde im Turnier durch einen Ritter Angreth von Gebweiler auf den Tod verwundet; aber den ersten Preis der Tapferkeit unter Allen und für lange Zeit erwarb sich Johann von Klingenberg. Es war ein glänzendes Getümmel; das von neuem an die Spitze des Reiches erhobene Haus Habsburg hielt Heerschau über seine Edeln. Und wie Manche von diesen gingen wenige Monate später am Morgarten unter!

König Friedrich tritt dann für Basel in den Hintergrund; alles scheint erfüllt von dem Leben, das von Herzog Leopold ausging. Unermüdlich stritt dieser für die Rechte seines Bruders und seines Hauses, bald hier bald dort, am Rheine bei Speier, am Lech, bei Solothurn. Schon nach dem Tode König Albrechts hatte er die Verwaltung der obern Lande übernommen. Und wie sehr auch Basler Edle an all seinen Feldzügen beteiligt waren, lehren die Verschreibungen, durch die er ihre Dienste belohnte, ihre Aufwendungen ihnen vergütete. Dem Burchard Werner von [231] Ramstein, dem Hans zu Rhein, dem Künzlin Münch, dem Heinrich Münch, dem Gottfried Münch, dem Lütold Münch verschrieb er solcher Art seine Steuern zu Brugg, zu Mellingen, zu Bremgarten, zu Wolhausen, zu Wehr usw. Aber auch der Burger Hug zur Sonnen wurde so von Leopold belohnt und entschädigt, und auch die Stadt Basel als solche diente ihm. Da er im August 1320 vor Speier zog, standen im weiten Kreise der Belagerer neben all den Städten der österreichischen Lande — die Speirer zählten ihrer neunzig Feldzeichen — auch die Bürger von Basel.

Es gehört zum Bilde der Zeit, daß in eben diesen Jahren einer der Mörder König Albrechts, Ulrich von Balm, zu Basel lebte, in der Verborgenheit eines Beginenhauses; daß der wegen desselben Mordes geächtete Konrad von Tegerfelden sich wahrscheinlich gleichfalls in Basel aufhielt; daß auch Gertrud, die Witwe des gerichteten Mörders Rudolf von Wart, hier verweilte.

Die Schlacht bei Mühldorf am 28. September 1322, die über die Krone des Reiches entschied, brachte auch in diese Basler Verhältnisse Wandel. Ludwig war Sieger, Friedrich sein Gefangener. Die Meisten, die bisher zu diesem gehalten hatten, erkannten nun Ludwig als König an, so auch Basel. Noch einmal kam Herzog Leopold in diese Stadt; düster saß er hier im Kreise der mit Scherz und Tanz sich um ihn bewegenden Herren und Damen des Basler Adels; dann brach er auf, mit seinen Scharen das abtrünnige Elsaß zu verwüsten.


Mit Gerhard von Wippingen gewann das Verhältnis des Bischofs zur Stadt einen neuen Ton.

Er war und blieb ein Fremder in Basel. Er kam unvermittelt von außen herein; er kam aus großen Verhältnissen. Gleich seinem Vorgänger Otto hatte auch er Beziehungen zu König Eduard I. von England gehabt, er war Archidiakonus von Richmond gewesen. Dann war er Bischof von Lausanne geworden. Daß ihm nun der Papst den Stuhl zu Basel gab, geschah im Zusammenhang mit einer allgemeinen Politik. In merkwürdiger Weise steht diese Zeit unter der Einwirkung wälschen Wesens; Kaiser Heinrich VII. selbst war nach Sprache und Denkungsart Franzose; dieselben Tendenzen, die Peter von Aspelt 1306 nach Mainz, den Franzosen Gerhard 1307 nach Konstanz brachten, walteten bei der Wahl Ottos nach Basel und jetzt wieder bei der Wahl Gerhards.

Dieser übernahm das Bistum, dem Willen des Domkapitels, der Geistlichkeit und der Bürger entgegen, im Kampfe und unter Anwendung [232] der schärfsten Mittel. Die Wirkung hievon verlor sich nie mehr, und die Entfremdung zwischen Bischof und Stadt, die das Regiment Gerhards kennzeichnet, blieb von da an, als das normale Verhältnis, bestehen. Es konnte dies umso eher geschehen, da die Szenen, die Gerhards Eintritt in das Bistum begleitet hatten, sich bei seinem Nachfolger wiederholten; und da in dieses lockere Verhältnis die Gegensätze von zwiespältiger Königswahl und von Schisma wiederholt hineinspielten, so verschwanden die alten Zusammenhänge immer mehr, die Verschiedenheit der Interessen und Absichten trat immer deutlicher hervor.

Dieses Verhältnis beginnt, wie erwähnt, unter Gerhard deutlich sichtbar zu werden. Es war ein Zustand, bei dem das eigene Wesen der Stadt in überraschender Weise gedieh.

Ob auch Gerhard so sehr ein Fremder war, wie Otto von Grandson, daß er die Sprache seines Bistums nicht zu reden verstand, läßt sich nicht erweisen. Aber bezeichnend ist, daß unter ihm das auswärtige Residieren der Bischöfe begann. Nicht nur um kurzer Erholung willen, wie etwa die alten Bischöfe getan hatten, suchten jetzt diese Herren ihre ruhigeren Schlösser in den Juratälern auf, St. Ursanne, Pruntrut, und vor allem Delsberg; das Meiden der Bischofsstadt wurde von jetzt an immer häufiger und bald Regel.

Aber Gerhards Regierung war durchaus nicht ohne Bedeutung, und die Kämpfe, die sie einleiteten und dann wieder beschlossen, geben ihr einen eigenen Reiz. Für die Stadt freilich hatte sie wenig unmittelbare Wirkung. Die Verpfändung des Bannweins durch Bischof Otto, die an sich keine große Sache war, deren Bedeutung aber darin liegt, daß mit ihr die Verpfändung bischöflicher Rechte an die Stadt begann, erneuerte Gerhard; auch seine Stellung im Ungeldstreit 1317 verdient erwähnt zu werden.

Dieser Streit entstand infolge eines Beschlusses von Bürgermeister, Rat und Zunftmeistern über Erhebung eines Ungeldes von allem Marktverkehr; die Geistlichkeit wurde dabei mit herangezogen, und hiegegen als gegen eine Verletzung der kirchlichen Freiheiten erhob das Domkapitel Protest. Es machte auch geltend, daß die Bürgerschaft gemäß ihrem Jahreid zu Erlaß eines derartigen Statutes ohne ausdrückliche Zustimmung des Domkapitels gar nicht befugt gewesen sei. Für den Fall, daß der Rat die Verfügung nicht zurücknehme, beschloß das Domkapitel die Verhängung der cessatio a divinis, d. h. die Einstellung des Gottesdienstes in den Basler Kirchen. Der Rat trat dem Allem entgegen; das Statut sei innerhalb seiner Befugnis, die kirchliche Freiheit nicht verletzt; sollte bei Ausführung des [233] Statuts etwas Ungebührliches geschehen sein, so erkläre er sich zur Vergütung bereit. Hierauf erfolgte die Cessatio; der Rat erhob Einsprache und appellierte an den Papst. Zugleich aber brachte er die Sache an Bischof Gerhard und bat diesen, die Streitsache zu schlichten, worauf Gerhard den Beschluß des Domkapitels über Verhängung der Cessatio suspendierte. Die Folge war, daß in einigen Kirchen, namentlich in denjenigen der Prediger und der Augustiner, der Gottesdienst in der Tat nicht eingestellt wurde, worüber neuer Streit zwischen diesen Konventen und dem Domkapitel ausbrach, der wie die Hauptangelegenheit nach Avignon zur Entscheidung vor höchste Instanz gebracht wurde. Wir erfahren nicht, wie schließlich die beiden Streitigkeiten ausgingen. Das Beachtenswerte ist, daß nicht der Bischof, sondern das Domkapitel gegen den Steuerbeschluß des Rates auftrat; es zeigt dies eine Uebereinstimmung mit der auch später geltenden Regel, wonach nicht der Klerus überhaupt, sondern nur derjenige des Domstifts als von städtischer Steuer befreit galt. Von Interesse ist auch die Haltung des Bischofs; daß er die Verfügung des Domkapitels aufhob, geschah kaum dem Rate zulieb, sondern in erster Linie wohl dem Domkapitel zuleid.

Bischof Gerhards Regierung zeigt uns das Bild eines tätigen und entschlossenen Fürsten; es ist zu erinnern an seinen Krieg mit Graf Rudolf von Neuenburg, die Gründung von Neuenstadt, den Erwerb von Straßberg und Büren. Aber diesen Errungenschaften steht der Verlust der Herrschaft Pfirt gegenüber.

Diese Angelegenheit scheint in merkwürdiger Weise verflochten zu sein mit einer zweiten Sache, derjenigen der Barfüßer und der Beginen, die während einiger Jahre die ganze Stadt in Mitleidenschaft zog und erregte.

Im Jahre 1318 stand die Herrschaft Pfirt, die seit Heinrich von Neuenburg Lehen des Hochstifts Basel war, vor der Gewißheit baldigen Erlöschens ihres Grafenhauses. Graf Ulrich hatte keine Söhne, nur Töchter. Diesen erteilte nun Bischof Gerhard am 30. Mai 1318 die Fähigkeit, ihrem Vater im Lehen zu succedieren. Diese Zusage erscheint als auffallend, um so mehr, da wenige Jahre später Gerhard selbst sich über ihre Konsequenzen beschwerte, die doch zu erwarten gewesen waren. Es müssen Einwirkungen bestimmter Art vermutet werden, und höchst wahrscheinlich gingen sie von den Basler Barfüßern aus. Die Beziehungen dieses Konvents zum Hause Pfirt sind mehrfach nachzuweisen; sein Lector Burchard von Eßlingen war Beichtvater des Grafen Ulrich; auch die Parteinahme des Konventes für Oesterreich ist zu ersehen. Im fernern ist daran zu erinnern, daß Gerhard [234] sein Bistum zum Teil der Agitation der Barfüßer verdankte. Dürfen wir hienach ein Eingreifen dieser Barfüßer zu Gunsten Pfirts annehmen und weiterhin vermuten, daß der Bischof die ihm abgewonnene Vergünstigung schon bald bereut habe, so erklärt sich seine Haltung in dem eben jetzt losbrechenden Beginenstreit.

Eine Konstitution des Concils von Vienne hatte 1311 die Beginen aufgehoben, mit Rücksicht darauf, daß in Beginenhäusern häretische Lehren verbreitet würden und daß sie Gelegenheit zur Unzucht böten. Doch ergaben sich bei Ausführung dieses Beschlusses Schwierigkeiten, indem einzelne Beginen ihre Orthodoxie, andere wiederum ihre Zugehörigkeit zum Dritten Orden erweisen konnten. Die Folge war Ungleichmäßigkeit im Verfahren der kirchlichen Obern, und die Haltung mußte um so schwankender sein, je weniger klar der Unterschied zwischen Beginen und Tertiariern vorhanden war oder erkannt wurde. Einer unberechtigten Ausdehnung des Spruches von Vienne auf die Tertiarierinnen des Minoritenordens war Papst Johann allerdings 1317 durch eine ausdrückliche Interpretation entgegengetreten. Dennoch dauerte die Verfolgung dieser Schwestern, namentlich von Seiten des den Minoriten feindlichen Weltklerus, vielerorts weiter. Auch in Basel geschah dies, so daß der Papst Anlaß nahm, den Schutz der Schwestern und der mit ihnen verbundenen Minoriten zu Basel dem Erzbischof von Besançon zu übertragen, aber ohne Erfolg. Denn wer hier den Barfüßern am entschiedensten entgegentrat, war der Bischof selbst. Mit einer Leidenschaft, die nur in ganz bestimmten Verumständungen ihre Ursache haben konnte, verfuhr er gegen die Brüder des Hl. Franciscus. Das Aufhebungsurteil von Vienne bezog er auf die Tertiarierinnen und erklärte die Barfüßer, als Begünstiger jener von der Kirche verdammten Personen, für exkommuniziert. Den wiederholten Mandaten des Papstes gegenüber hielt er mit merkwürdiger Hartnäckigkeit an diesem Verfahren fest und verpflichtete dazu, von seinem Offizial Richlin unterstützt, auch die gesamte Geistlichkeit der Stadt und Diöcese. In erregten Worten schildert der Chronist des Barfüßerklosters diese schwere Zeit. Ueber Basel war das Interdikt verhängt. Wenn einer der Barfüßer ein Dorf in der Umgegend besuchte, wurde dort der Gottesdienst eingestellt. Den Anhängern des Konventes wurden die Sakramente verweigert, ihre Toten mußten sie im freien Felde bestatten. Das Wichtige ist, daß es sich nicht nur um eine Zwistigkeit innerhalb der Kirche, um einen Hausstreit handelte, sondern um eine das Leben weiter Kreise unmittelbar ergreifende Sache. Denn viele Bürger, und diesen voran der Rat, standen zu den Barfüßern, auch der Graf von [235] Pfirt trat für sie ein. Nur ein einzelner Vorfall aus diesen Streitigkeiten ist uns überliefert, aber er besagt genug; es ist die Tötung des bischöflichen Offizials Richlin, der als Hauptpeiniger der Barfüßer galt, durch Die zur Sonnen.

Was einen Hader von solcher Ausdehnung und jahrelanger Dauer möglich machte, war freilich nicht die vereinzelte Antipathie des Bischofs, sondern der alte, allgemeine Widerwille der Weltgeistlichen gegen die Mendikanten. Es ist bezeichnend, daß gerade jetzt noch ein besonderer Zwist dieser Art zu dem großen Streite hinzutrat. Im Frühjahr 1321 starb eine Tochter des zu St. Leonhard eingepfarrten Bürgers Konrad Helmer, und die Barfüßer bemächtigten sich des Begräbnisses, trugen die Leiche aus Haus und Gemeinde fort auf ihren Kirchhof, verletzten dadurch die Rechte des Leonhardsstifts. Dieser klagte beim Bischof, und da die Barfüßer sich weigerten, die ihnen auferlegte Rückerstattung der Leiche und Vergütung des Schadens an das Stift zu vollziehen, so erfolgte wiederum Verhängung des Interdicts über alle Orte, an denen sich Barfüßer aufhielten; und diesem neuen Interdicte trat sofort ein weiteres zur Seite als Folge davon, daß in eben demselben Begräbnisstreit der Bruder der Verstorbenen, Johann Helmer, einen Chorherrn von St. Leonhard verwundet hatte.

„Ueber drei Jahre dauerte diese Verfolgung“, seufzt der Barfüßerchronist. Endlich, auf Pfingsten 1321, nahm sie ein Ende, durch eine Bulle des Papstes, in der dieser das Interdict aufhob und die Gebannten absolvierte. Am 2. Juni traf sie in Basel ein und wurde bei den Brüdern begrüßt als „eine von Gott gesandte Botschaft.“ Friede und Versöhnung war die Folge, durch die ganze Stadt herrschte Freude, lobpreisend öffneten die Barfüßer wieder die Tore ihrer Kirche zum Gottesdienst.

Am 11. März 1324, dem Sonntag Reminiscere, starb zu Basel der letzte Graf von Pfirt, Ulrich. Er ward in der Gruft zu Thann bei den Barfüßern eingesenkt, und alles Volk der Grafschaft wartete auf die Boten des Bischofs von Basel, die nun, nach dem Ausgang des Herrscherhauses, das Land in Besitz nehmen sollten. Da ward bekannt, daß des Grafen Tochter Johanna den Herzog Albrecht von Oesterreich heirate und die Herrschaft diesem zufalle.

Noch am 8. Februar desselben Jahres hatten Bischof und Domkapitel, ohne Zweifel in Kenntnis dieser österreichisch-pfirtischen Abmachungen, ausdrücklich beschlossen, daß kein Lehen ihrer Kirche veräußert werden könne. Die Heirat und der Uebergang der Herrschaft an Oesterreich geschah dennoch; [236] und daß die Klage, die Bischof Gerhard hierüber beim Papste erhob, von diesem abgelehnt wurde, ist natürlich. Johann XXII. bezeichnete als verwunderlich, daß der Bischof jetzt nicht anerkennen wolle, was er vor wenigen Jahren bewilligt habe. Aber hiebei kam vielleicht noch ein Weiteres in Betracht.

Nach der Mühldorfer Schlacht war im Herbst 1323 der Streit zwischen König Ludwig und dem Papste ausgebrochen. Der Letztere verlangte vom König den Verzicht auf die Reichsgewalt über Italien, und als Ludwig sich weigerte, trat Johann mit der Aufforderung hervor, daß Ludwig die Regierung niederlege und nicht eher wieder aufnehme, als bis er die päpstliche Bestätigung erlangt habe. Am 8. Oktober verkündigte er seinen ersten Prozeß in dieser Sache gegen König Ludwig. Dieser Erlaß war von Avignon auch nach Basel gekommen und hier am Epiphaniastag 1324 im Münster durch Bischof Gerhard verkündigt worden. Eine zweite Bulle des Papstes, mit der gleichen Aufforderung, aber mit der Androhung der Exkommunikation für den Fall des Ungehorsams, wurde sodann am 6. März im Münster proklamiert. Der alte Kanzler König Albrechts, Johann, jetzt Bischof von Straßburg, die österreichischen Herzoge Leopold und Albrecht, zahlreiche Laien und Geistliche wohnten diesem feierlichen Akte bei.

Wenige Tage später starb der Graf von Pfirt, wurde die Vermählung seiner Tochter mit Herzog Albrecht proklamiert, nahm Letzterer die Grafschaft in Besitz. Dies scheint den Bischof auf andere Gedanken gebracht und zur Parteinahme für Ludwig veranlaßt zu haben. Denn im gleichen Briefe, in dem Papst Johann die Klagen wegen Pfirts ablehnte, machte er dem Bischof Vorwürfe, daß er sich mit Ludwig von Bayern in Verbindung gesetzt und von diesem Hilfe gegen die Oesterreicher in Pfirt begehrt habe. Er warnte ihn drohend, weiterhin Einverständnis zu haben mit dem aus der Gemeinschaft der Kirche ausgestoßenen Ludwig. Und schon Tags darauf, am 9. Juni, gab er über den Kopf Gerhards hinweg dem Klerus in Stadt und Diöcese Basel seine Befehle für Publikation der Processe gegen Ludwig, da diese Publikation bis dahin in sträflicher Weise vernachlässigt worden sei.

Aber am 5. Februar 1325 schrieb Papst Johann dem Bischof, er sei verleumdet worden, und lobte ihn „als einen eifrigen Vollzieher der göttlichen Gerechtigkeit gegen Ludwig den Bayern“. Wir kennen die Verhandlungen nicht, die in der Zwischenzeit stattfanden, und der wirkliche Sachverhalt wird kaum mehr festzustellen sein. Daß nach der Einnahme [237] Pfirts durch die Herzoge Streitigkeiten dieser Herren mit dem Bischof ausbrachen, ist unleugbar; die Gefälle des Bischofs wurden arrestiert, seine Leute mißhandelt, seine Münzen verboten, und der Papst mußte noch im Januar 1325 dem Herzog Leopold anempfehlen, diese Feindseligkeiten einzustellen.

Unter der Wirkung solcher Ereignisse ging das Regiment Bischof Gerhards zu Ende. Er starb am 17. März 1325 und erhielt sein Grab in der Kapelle Heinrichs von Neuenburg beim Münster.


Nach dem Tode Gerhards regten sich wiederum die konkurrierenden Gewalten; aber auch diesmal sollte die päpstliche Macht, durch den Willen Johanns XXII. getragen, den Sieg haben.

Mit Eile bemächtigten sich sowohl Domkapitel als Curie der Ordnung der Nachfolge. Der Tod Gerhards muß dem Papste schon am 25. März bekannt gewesen sein; er gab an diesem Tage Bestimmungen für Sicherung des Nachlasses und reservierte sich, in einem Schreiben an das Basler Kapitel, ausdrücklich die Besetzung des Bistums. Aber als er dies schreiben ließ, war die Wahl zu Basel schon geschehen. Sie hatte am 22. März stattgefunden und war auf den Archidiakon Hartung Münch gefallen. Am 3. April empfing dieser die Konfirmation durch den Erzbischof von Besançon; am 4. April, dem Gründonnerstag, hielt er seinen feierlichen Einzug in Basel und nahm die Festen und Städte des Bistums in Posseß. Unterdessen hatte aber auch der Papst seine Wahl getroffen; am 30. März gab er das Basler Bistum dem Johann von Chalon, Domdekan von Langres.

Welch glänzende Erscheinung war dieser dem kleinen Hartung Münch gegenüber! Er stammte aus dem mächtigen burgundischen Grafenhause; sein Vater war Johann von Chalon, Herr von Arlay, seine Mutter Margaretha eine Tochter des Herzogs Hugo IV. von Burgund; durch sie war er der Neffe des Königs Rudolf, väterlicherseits Vetter des Pfalzgrafen Otto von Burgund und verwandt mit den Häusern Savoyen und Kiburg sowie mit Johanna, der Gemahlin Philipps V. von Frankreich. Der Papst rühmte seine Bildung, seine feinen Sitten. Aber er war wieder ein Ausländer, ein Franzose, den Basler Verhältnissen völlig fremd. Dazu erst fünfundzwanzig Jahre alt, sodaß er zu seiner Wahl eines Dispenses bedurfte.

Der Gegensatz, den diese beiden Wahlen schufen, war dem an andern Bistümern des Reiches damals bestehenden nicht von vorneherein gleich. [238] Das Verhältnis war hier ein anderes. Es handelte sich vorerst nur um einen Konflikt zwischen Domkapitel und Papst. Hartung Münch war seit jeher Parteigänger Oesterreichs gewesen, und seine Wahl konnte unmöglich als Bezeugung einer Parteinahme für Ludwig gelten.

Aber nun trat eine Aenderung ein. Hartung fand keineswegs eine Unterstützung an den Herzogen von Oesterreich; sie ließen ihn fallen und erklärten sich für Johann von Chalon. Ihre Stellung zum Papste nötigte sie hiezu, und im besondern noch bestimmte sie die Weigerung Hartungs, dem Herzog Albrecht die Investitur des Pfirter Lehens zu geben.

So waren nun die Parteien gestellt, und der Streit brach aus. Denn Hartung wich dem Papste durchaus nicht, er regierte als Bischof von Basel mit großem Anhange; aber da auch sein Gegner nicht nachgab und die österreichischen Herzoge zur Seite hatte, so kam es zum Kriege. Wir kennen dessen Verlauf im einzelnen nicht; wir hören von den mit Hartung verbündeten Herren und Städten, von der Erstürmung mehrerer Schlösser durch Johann von Chalon, von der Tötung und Verstümmelung von Menschen, dem Niederbrennen von Häusern, von der Verwüstung des Landes, die so groß war, daß allein das Kloster Lützel einen Schaden von zweitausend Pfunden erlitt. Hartung hatte sich von Anbeginn in den Besitz der bischöflichen Schlösser gesetzt; Johann weilte außerhalb des Bistums, in Neuenburg am See, mit Domherren, die ihm der Papst beigab. Vom Kapitel Gerhards war der Dompropst Otto von Avenches zu ihm übergegangen; aber dieser wurde durch Gerhard von Arberg eingefangen und in Haft gehalten. Seit Herzog Leopold gestorben (28. Februar 1326), hatte Johann als Helfer noch den Herzog Albrecht; er mußte diesem dafür zweitausendfünfhundert Mark Silbers verschreiben und ihm versprechen, ohne sein Einverständnis keinen Frieden mit Hartung zu machen. Einen Bund dagegen schloß er nicht mit ihm; einen solchen wollte er erst eingehen, wenn er seiner Herrschaft über die Bürger von Basel sicher war.

Wir machen uns die Vorstellung dieses Streites erst dann zu einer vollständigen, wenn wir auch nach dem lauten Kampfe hinhören, den der Papst Johann auf seine Weise von Avignon aus führt: in umfangreichen, zornig redigierten Schriftstücken verkündet er die Ungültigkeit der Wahl Hartungs, ladet diesen vor den päpstlichen Stuhl, fordert von dem Bisuntiner Erzbischof Rechenschaft darüber, daß er den „Eindringling“ bestätigt habe, verhängt Bann und Interdict, ruft die österreichischen Herzoge zur Unterstützung Johanns auf; der Letztere erhält, da ihm sein Bistum vorenthalten wird, allerhand Vergünstigungen; er darf seine Weihe verschieben, [239] einen Tragaltar gebrauchen, auch an den mit Interdict belegten Orten Gottesdienst feiern.

Namentlich aber sehen wir uns nach der Basler Bürgerschaft um. Hier war wie in andern Städten nach der Entscheidungsschlacht von Mühldorf ein Umschlag zu Gunsten König Ludwigs eingetreten. Bei der Bischofswahl 1325 hatte die Stadt den Hartung anerkannt, dem vom Papste gesetzten Johann den Gehorsam versagt. Die Folgen sowohl der Parteinahme für Ludwig als nun dieser Haltung im Streit der Bischöfe waren die üblichen: Belegung der Stadt mit dem Interdict, Bannung der Widersacher. Auch in den Krieg, der im Lande ringsum geführt wurde, sahen sich die Bürger hineingezogen; Herzog Albrecht redet von seinen Kämpfen mit der Stadt. Im Innern aber herrschte die größte Unruhe. Vor allem Streit mit den Religiosen, die das Interdict hielten und sich weigerten, Messe zuhalten. Bei den Dominikanern scheint es hiebei soweit gekommen zu sein, daß sie aus der Stadt gewiesen wurden; da verließen sie insgesamt ihr Kloster „und zogen mit Vortragung eines Kreuzes davon.“ Sie wichen vor der Partei, in deren Händen momentan die Gewalt war. Denn an eine die ganze Bürgerschaft umfassende Opposition ist nicht zu denken. Vielmehr bestanden, wie die zahlreichen Zeugnisse schon der nächstfolgenden Zeit lehren, große Parteien; Kaiserliche und Päpstliche lagen miteinander im Streit, und diese Kämpfe mußten die durch die Strafen der Kirche und den Krieg erregte Stadt noch um ihren letzten Rest von Ruhe bringen. Keine Schilderung dieses Zustandes ist auf uns gekommen; er war um so furchtbarer, da einzelne Katastrophen, wie die Verheerung Kleinbasels durch Brand am 3. Juli 1327, dazu traten und zur selben Zeit auch eine schwere Seuche die Bevölkerung heimsuchte; der im Basler Barfüßerkloster weilende Johann von Winterthur konnte sich später daran erinnern, daß damals an einem einzigen Tage fünfzig Leichen auf die Bestattung gewartet hätten. Es muß uns genügen, die Wildheit und Unerbittlichkeit jener Menschen dem einen Vorgange zu entnehmen, da ein Kleriker, der als Bote des Papstes dessen Erlasse gegen Bischof Hartung nach Basel brachte und hier zu verkünden d. h. an die Türen des Münsters oder des bischöflichen Palastes anzuheften wagte, ergriffen und aus diesem Palaste in den Rhein hinabgestürzt wurde; er hielt den Sturz aus und suchte sich durch Schwimmen zu retten, aber man setzte ihm zu Schiffe nach, fing und tötete ihn.

Doch solche Gewalttaten hemmten den Sieg der Curie nicht. Noch im Sommer 1327 sehen wir Hartung sich als Bischof benehmen; am 28. Juli erteilte er seiner Stadt Biel einen Jahrmarkt. Aber es ging mit [240] ihm zu Ende. Der Widerstand erlahmte. Im Februar 1328 ließ Hartung den Papst wissen, daß er nachzugeben bereit sei, und der Friede konnte geschlossen werden; schon im August 1328 ist von diesem Frieden als einer fertigen Tatsache die Rede, und die 1329 geschehende Aufnahme des Lütold und des Burchard Münch unter die Vasallen des Hochstifts hing wohl mit der Sühne zusammen. Noch einige Jahre lebte Hartung; am 25. Oktober 1332 starb er als Archidiakon der Basler Kirche und ward in der von ihm gebauten Kapelle neben dem alten Münsterturme begraben.

Bei diesem Friedensschluß erhielt nun aber auch Bischof Johann seine Belohnung. Am 6. April 1328 verlieh ihm Papst Johann das Bistum Langres, dessen Dekan er früher gewesen war. Die Curie vergalt ihm damit die großen Mühen und Opfer, die der Basler Episkopat verursacht hatte; zugleich übergab sie ihm dieses Bistum, dessen Fürst er bis dahin gewesen, zur Administration. Von der Wahl eines neuen Basler Bischofs mochte sie gerne absehen, um die Zwistigkeiten zu verhüten, die bei der noch lange nicht beruhigten Lage sich aus dem Anlaß einer Bischofswahl jedenfalls erhoben hätten.

Auch der Kampf Ludwigs mit dem Hause Oesterreich erlosch in diesen Jahren. König Friedrich starb am 13. Januar 1330, und am 6. August schloß Ludwig zu Hagenau endgültigen Frieden mit Friedrichs Brüdern, den Herzogen Albrecht und Otto. Die für Basel hochwichtige Bestimmung dieses Friedens war, daß die Oesterreicher die Städte Rheinfelden, Neuenburg und Breisach zum Pfand erhielten.

Das deutsche Königtum war nun Ludwig gesichert. Aber sein großer Streit mit dem Papst keineswegs zu Ende.


Auf den, Hintergrund einer zerrissenen und wilderregten Zeit steht das Bild des damaligen Basel vor uns. In zahlreichen Bistümern wiederholte sich die Zwietracht, welche die Häupter der Christenheit trennte; auch Abteien wie Säckingen und St. Gallen hatten Doppelwahlen. Aber bedeutender als diese Spaltungen, die oft mehr aus persönlichen und lokalen Umständen erwuchsen, war der neben ihnen hergehende Kampf des Minoritenordens gegen die offizielle Hierarchie, sich erhebend aus der Diskussion über eine der idealsten Forderungen des Ordensstifters. Es war dies die Forderung der vollkommenen Armut, des Verzichts auf alles Eigen, nicht nur für den Einzelnen persönlich, sondern für den ganzen Orden als solchen. In den ersten Zeiten hatte diese Forderung ihre Erfüllung finden können. Aber sobald die Entwickelung nur einen Schritt weiter ging, entstanden [241] Verhältnisse, die sie unausführbar machten. Man behalf sich mit der Deutung, daß der Orden an den Dingen, die er zum täglichen Leben gebrauche, nur den Nießbrauch habe, während das Eigentum dem päpstlichen Stuhle zustehe. Aber das konnte nicht genügen; es gab immer ernste Gewissen, die sich durch einen solchen Zustand beunruhigt fanden. Auf diesen Grundlagen bewegte sich der Kampf um die Observanz, der schon das dreizehnte Jahrhundert erfüllt hatte, und an ihn schloß sich jetzt unter Johann XXII. der theoretische Streit über die Armut Christi und der Apostel. Die Kirche verwarf 1323 den Satz über diese Armut, sie erklärte ihn für Ketzerei. Aber der Minoritenorden fügte sich ihrem Entscheide nicht; er nahm den Kampf gegen die Kirche auf, und dieser Kampf wurde mit der höchsten Erbitterung geführt. Beachtenswert ist, daß er viele Minoriten zu Parteigängern König Ludwigs machte. Auch dieser stritt gegen den Papst, und er stand nicht an, die Forderungen dieser Mönche mit den Seinigen zu verbinden.

Welche Gestalt nahmen diese Kämpfe in Basel an?

Seit der Sieg Ludwigs im Reiche einen Teil der Basler Bürgerschaft auf seine Seite gebracht hatte, waren Bann und Interdict auch hier ausgesprochen worden. Die Maßregel setzte fort, was nach der Doppelwahl an das Bistum 1314 und beim Beginenstreit 1318—1321 geschehen war; neben sie trat 1325 das gleiche Verfahren im Kampf der beiden Bischöfe Hartung und Johann. Von da an bestand das Interdict noch jahrelang, wurde nicht mehr dauernd, sondern nur zwischen hinein jeweilen für kurze Zeit suspendiert.

Es fällt schwer, sich eine Vorstellung zu machen von dem Zustande, dem die Stadt durch solche Behandlung verfiel. Die Kirche schloß ihre Türen, untersagte ihren Dienern, dem Volke beizustehen. Der furchtbare Ernst und die Härte dieser Maßregel sind nicht zu bezweifeln, auch wenn wir uns sagen, daß wir bei ihr weder an etwas gleichmäßig Dauerndes, noch an etwas umfassend Allgemeines denken dürfen.

In Betracht kommen vorerst die scharfen Erlasse des Kaisers selbst, mit denen er der Kirche entgegentrat. Er rief alle weltliche Gewalt und Obrigkeit zum Widerstand auf; er ermächtigte die Städte, die Güter der Interdict haltenden, nicht celebrierenden Priester einzuziehen, die Geistlichen selbst gefangen zu setzen.

Aber auch abgesehen hievon ist an ein allgemeines Halten des Interdicts durch die ganze Stadt nicht zu glauben. Die Kirche selbst trat als eine geteilte auf. Seit Mai 1328 hatte König Ludwig seinen eigenen [242] Papst, den Minoriten Peter von Corbara, der sich Nikolaus V. nannte und dem Avignoneser entgegen in Rom residierte. Daß nun auch in Basel der Klerus auseinanderzufallen begann, erhellt aus den bittern Klagen, die Papst Johann hierüber laut werden ließ. Es ist dabei von einzelnen Bettelmönchen die Rede, die in interdicierten Kirchen Messe lesen. Auch der Abt von Beinwil benahm sich als Anhänger von Nikolaus V.; er erhält von diesem den Auftrag, die geistlichen Strafen aufzuheben, die Jakob von Caturco (damit ist Johann XXII. gemeint) über die Stadt verhängt habe. Was der Chronist als allgemeinen Zustand schildert, fand sich wohl auch hier: „Die eine Kirche, vom Gebot des Interdicts sich freihaltend, öffnete in der Feier der Lobpreisungen Gottes unerschrocken und sicher ihren Mund; die andere, sich dem Interdicte unterwerfend, schloß die dem Herrn singenden Orgeln. Gegenseitig schmähten sie sich, und ein merkwürdiges Mißtrauen trennte sogar singende von singenden, schweigende von schweigenden Kirchen.“

Hiebei ist der Basler Konvent der Barfüßer einer gesonderten Erwähnung wert. Wir begegnen seinen Brüdern im Lauf dieser erregten Jahrzehnte wiederholt als den willfährigsten Söhnen der Kirche, bei den Bischofswahlen 1314 und 1325 wie beim Ungeldstreit 1317; im deutlichen Gegensatze zu der Selbständigkeit, die das Domkapitel, die Prediger, die Augustiner, der Bischof selbst zeitweise behaupten, zeigen die Barfüßer ein ausdauerndes Ergebensein, und dies macht ihre Stellung in allen diesen Bewegungen der Episkopate Gerhards und Johanns zu einer bemerkenswerten. Als das Wichtigste hiebei hat aber zu gelten, daß sie, gleich den Konventen im nahen Neuenburg und in Schaffhausen, das Interdict beobachteten; während die deutschen Minoriten im Großen und Ganzen, durch den Armutstreit mit dem Papste entzweit, der Sache Ludwigs dienten, blieben die Basler Barfüßer dem Papste treu und enthielten sich des öffentlichen Celebrierens. Als 1332 das Provinzialkapitel in ihrem Kloster gehalten werden sollte, bewilligte ihnen der Papst, eine Ausnahme zu machen und trotz dem Interdict Gottesdienst zu halten. So finden wir die Basler Barfüßer immer in derselben Stellung, dem Papste gehorsam, dem von ihm gesetzten Bischof anhangend, das hohe Gefühl kirchlicher Macht ohne Wanken vertretend. Gerade in diesen Jahrzehnten ist der gewaltige Bau ihres Chors aufgeführt worden. Man wird, unter Hinweis auf die allgemeinen Zustände der Zeit, diesen Bau als das Denkmal der soeben geschilderten entschlossenen Haltung der Basler Minoriten ansehen dürfen, als stolzen Ausdruck ihrer Gesinnung und zugleich als Zeugnis des Ansehens [243] sowie der Unterstützung, die der Konvent trotz allen Parteiungen genoß.

Wie im Allgemeinen, so ergibt sich auch bei den Einzelzuständen Basels das Bild eines wenig geschlossenen Wesens der ganzen Bewegung. Wir sehen ein Hin- und Herfluten vor uns und werden der schroffsten Gegensätze gewahr. Die zahlreichen Schreiben, die zu Beginn der 1330er Jahre aus der Kanzlei zu Avignon an die Stadt Basel erlassen wurden, wechseln merkwürdig zwischen Ermahnung, Lob und Drohung. Auch nach Abzug des Rhetorischen bleibt noch genug, um aus diesen Schriftstücken zu erkennen, wie schwankend der Zustand war. Es bestanden Parteien in der Stadt, starke Parteien, die sich unausgesetzt regten, durch Einflüsse aus der Nachbarschaft, Botschaften des Papstes, Erweisungen des Kaisers angetrieben wurden. Als Anhänger des Letztern werden die Schaler und die Kuchimeister genannt; Werner Schaler funktioniert hier als sein Reichsvogt. Ihnen gegenüber tritt das Geschlecht zur Sonnen für die päpstliche Sache ein. Der Administrator des Bistums, vielfach in Langres festgehalten, begegnet zwar noch wiederholt am Oberrhein, nie in Basel selbst, sondern in Delsberg, Biel, Pruntrut; in seiner Abwesenheit vertritt ihn als Generalvikar der Prior von St. Alban, Johann. Aber auch dieser ist nicht immer an seinem Posten; als in einem dieser Jahre die Visitatoren aus Cluny sich einstellen, finden sie den Prior nicht vor und vernehmen, daß er die Stadt verlassen hat, um sich vor den Nachstellungen eines Gegners zu sichern. In solcher Weise offenbaren sich uns Parteien und Führer, und wir dürfen annehmen, daß die alljährliche Erneuerung des städtischen Regimentes unter dem Feldgeschrei Kaiser oder Papst sich vollzogen habe. Die Partei, die ans Ruder kam, gab der Stadt die Haltung. So machen im Frühjahr 1330 die Bürger Miene, vom Kaiser zu lassen; es ist Aussicht vorhanden, daß sie samt dem Bischof einem Bunde mit Oesterreich zur Bekriegung Ludwigs beitreten. Aber diese Wendung geht vorüber, trotzdem der Papst die Bürger zu Frömmigkeit und Treue ermahnt, den Konrad Schuster zur Sonnen standhaft bleiben heißt, den Administrator Johann eiligst von Langres nach Basel beordert. Im August 1330 erscheint hier Kaiser Ludwig selbst, geleitet durch König Johann von Böhmen und Herzog Otto von Oesterreich. Aufs neue wird das Interdikt verhängt, dann wieder suspendiert. Im Mai 1332 hat der Papst Anlaß, die Treue und Anhänglichkeit der Basler Bürger zu preisen; aber im Herbst gleichen Jahres besteht das Interdikt schon wieder. Vor Weihnachten wird es neuerdings suspendiert, im Herbst 1333 diese Suspension erneuert. Wie im Mai 1332 [244] von einem Bunde der Stadt mit Straßburg, Freiburg und Mainz die Rede ist, der sich gegen Kaiser Ludwig richten soll, so jetzt sogar von einem Kriegszuge, den die Bürger von Basel ausrüsten; sie ziehen unter Führung des Priors Johann von St. Alban, der ihren Bischof vertritt, ins Feld, um dem Bischof Berthold von Straßburg gegen Ludwig beizustehen.

Alle diese Einzelheiten finden hier absichtlich Erwähnung. Sie zeigen deutlich, wie beschaffen die Lage war, wie die Stadt nie zur Ruhe kam.

Das geschichtlich Wichtige dieser Vorgänge ist aber ein doppeltes.

Zunächst die Wirkung, die ein solches Leben auf die ernster Denkenden ausüben mußte. Welche Wertung der Kirche, ihrer Organe und ihrer Handlungen ergab sich, wenn, wie hier geschah, politische Weltfragen zu Gewissens- und Heilsfragen umgewandelt und als solche dem Einzelnen gewaltsam zur Entscheidung vorgelegt wurden, wenn ein Kampf um Macht und Herrschaft geführt wurde mit Mitteln, die für ganz andern Gebrauch und zu ganz andern Zwecken geschaffen waren! Nicht Wenige mußten hiebei, wenn sie nicht den Glauben überhaupt verloren, stumpf und verbittert wurden, das Ganze als eine Nötigung empfinden zum Suchen des Heils außerhalb der Kirche.

Das Zweite ist, daß diese Vorgänge auch im Politischen emanzipierend wirkten. Wie ungenügend vertraten doch diese wälschen Herren, die jetzt Bischöfe von Basel wurden, den Begriff des Stadtherrn. In ihrem Fremdsein die Verhältnisse der Stadt entweder nicht verstehend oder gleichgültig übersehend waren sie die stärksten Förderer des städtischen Wesens. Hiezu trat nun dieser andauernde kirchenpolitische Zwist großer Art, in dessen Verlaufe Basel für Papst, Kaiser und Bischof als eine Stadt galt, der sowohl feindlich als werbend wie einer Macht eigener Art und freier Selbstbestimmung zu begegnen war. Unter den Bischöfen Peter und Otto hatte die Stadt im Anschluß an sie gehandelt und sich empor gebracht; jetzt wuchs sie im Kampf mit den Stadtherren. Den Letztern zum Schaden noch über den Verlust ihres Ansehens und Rechts in der Stadt selbst hinaus. Denn damit begann für sie auch das Verlieren der politischen Stellung am wichtigsten Punkte des Oberrheins; so lange sie hier Herren waren, besaß ihre Politik eine Größe und Kraft, die später, als sie in der Hauptsache nur noch ihr jurassisches Gebiet unter sich hatten, nicht mehr wiederkehrte.

Natürlich handelte es sich bei diesem Allem nur um allmähliche Wirkungen; momentan spürbar waren die Ereignisse hauptsächlich für den [245] Einzelnen. Das öffentliche Leben der Stadt wurde durch sie nicht ausgefüllt; ein ganzer Komplex von Verwaltung, Politik, Betätigung bestand unbeeinflußt daneben.

Zu erinnern ist hiebei an einige Zerwürfnisse und Fehden, die aus dieser Zeit gemeldet werden, ohne daß wir ihren Anlaß bestimmt erkennen. Solcher Art war der Krieg der Stadt mit Werner Truchseß von Rheinfelden und seinen Anhängern, in dessen Verlauf die den Vitztumen zustehende Burg Waldeck von den Baslern eingenommen wurde. Ein andrer Zug geschah im Herbst 1332; die Basler legten sich vor Schloß Röteln; doch hinderte Vermittlung Dritter den Sturm; Anlaß des Streites war die Tötung des Basler Bürgermeisters, wahrscheinlich des Burchard Werner von Ramstein, durch den Markgrafen Rudolf von Hochberg gewesen.

Sodann beginnt in dieser Zeit ein neues Element in der Geschichte der Stadt sich geltend zu machen: Landfriede und Bündnis.

Unter Landfrieden sind Maßregeln gegen Mißbrauch des Fehdewesens, zur Sicherung des Verkehrs und des Handels zu verstehen. Nicht um Landfriedensgesetze des Königs handelt es sich dabei, sondern um provinzielle Landfriedenseinungen der Fürsten und Städte; in solchen Provinziallandfrieden bestand seit König Rudolf die Haupttätigkeit auf diesem Gebiete. Ihr Wesen war, daß für eine bestimmte Zeitdauer und einen bestimmten Bezirk die Wahrung des Landfriedens vereinbart wurde, unter Aufstellung amtlicher Landfriedensausschüsse, denen die Ausführung im Einzelnen übertragen war.

Aber diese Landfriedenseinungen gingen bald über ihren ersten und eigentlichen Begriff hinaus. Sie wurden zu Schutzbündnissen; neben der Handhabung des öffentlichen Friedens dienten sie der Politik der einzelnen Bundesglieder.

Für die Geschichte Basels im vierzehnten Jahrhundert sind diese Vereinigungen charakteristisch. Unaufhörlich hat sich die Stadt an ihnen beteiligt; ihre politische Selbständigkeit kommt am deutlichsten in ihnen zum Ausdruck.

Die frühesten sind Provinziallandfrieden, bei denen noch der König selbst mitwirkte, 1301 Albrecht, 1310 Heinrich. Außer ihnen schließen beide Male den Vertrag dieselben Mächtigen des Landes: die Landgrafen, die Bischöfe von Basel und von Straßburg, die Städte Basel und Straßburg; der Landfriede gilt für das Gebiet zwischen Birs und Selz, Rhein und Vogesen. Diesen beiden Bünden folgten zahlreiche andere, an denen Basel jeweilen teilnahm, deren Zusammensetzung im übrigen aber eine wechselnde [246] war. Die verschiedenen Gruppen der „rheinischen“, der „niedern“ und der „obern“ Städte kommen in Betracht; neben ihnen die Herrschaft Oesterreich, die Grafen von Kiburg, von Nidau usw. Solcher Art war 1303 der Landfriede Basels mit Straßburg, Bern, Solothurn, mit den Grafen von Kiburg und von Habsburg und mit der Herrschaft Oesterreich, 1317 mit den Bischöfen von Basel und Straßburg sowie zahlreichen Fürsten und Städten des Sundgaus und Breisgaus. 1327 kam ein großer Landfriede zu Stande, der drei Landfriedenskreise vereinigte und in diesen mit den Oberrheinstädten Basel Freiburg Straßburg einerseits Speier Mainz Worms, andrerseits Bern Zürich St. Gallen Konstanz Lindau, sowie den Grafen Eberhard von Kiburg umfaßte, und dem dann auch die Länder Uri Schwyz Unterwalden beitraten. Ueber den alten Begriff von Wahrung des Landfriedens ist hier deutlich hinausgegangen; der Bund wird geschlossen mit dem Gelöbnis gegenseitiger Beratung und Hilfe in dem Falle, daß einer der Verbündeten in Krieg verwickelt werde. Auf die großen Fragen und Gegensätze, die alles Land erregen, wird mit keinem Worte hingewiesen, aber der Gedanke an sie beherrscht jedenfalls die Einung. Nach zwei Jahren wurde dieser Bund erneuert, jedoch ohne Beteiligung der drei Mittelrheinstädte sowie der Waldstätte. Ihn löste ab der große Bund von 1333, der im Zusammenhang stand mit der Beilegung des Gümminenkrieges und geschlossen wurde durch die Herrschaft Oesterreich, die Grafen von Nidau, Fürstenberg, Kiburg, die Städte Basel, Konstanz, Zürich, St. Gallen, Bern, Solothurn; er umspannte in gewaltiger Ausdehnung das Schwarzwaldgebiet, das ganze Gebiet zwischen Rhein, Alpen und Jura, und zwischen der First der Vogesen und dem Rhein bis an den Eckenbach und die Ill. Dauern sollte er bis 1338; nur die Basler banden sich nicht länger als bis 1334, wohl mit Rücksicht auf ihre innern Streitigkeiten und die gerade damals mit Bischof Berthold von Straßburg zusammen geplante Unternehmung gegen König Ludwig.

Aber dieser Bund war für geraume Zeit der letzte seiner Art. Der Gedanke solcher Vereinigungen mochte ein großer sein; die Ausführung blieb doch hinter ihm zurück. Die Kräfte, die politische Lage, die Bedürfnisse der Teilnehmer waren zu verschieden; bei der großen Ausdehnung des Bundesgebietes konnte der Einzelne in Unternehmungen hineingezogen werden, die seinen eigenen Interessen gar nicht entsprachen. So lagen die Kriegszüge der von Bern kraft Landfriedensbund aufgebotenen Basler vor Wimmis im Simmental 1303, vor die freiburgische Feste Gümminen 1331, wobei sie mit einer Schar von sechzig Helmen aufrückten, noch außerhalb [247] ihrer Interessen und Beziehungen. In der Geschichte der Stadt tragen diese Unternehmungen einen singulären Charakter. Sie sind Episoden, erscheinen wie verfrüht. Noch ging hier die allgemeine Tendenz des Lebens rheinabwärts. Das Feld der Politik Basels war die Rheinebene. Der Gebirgskamm des Hauensteins galt als Marche; er schied Oberland und Niederland, und zu dem letztern gehörte Basel.

Aus solchem Zusammenhange heraus erklären sich nun die Bündnisse Basels mit Straßburg und Freiburg, die Jahrzehnte hindurch einen Faktor in seiner Geschichte bilden. Aber es ist dabei auch noch an Anderes zu denken. Den weitumfassenden Landfriedensbünden gegenüber versprach eine Liga mit enger Begrenzung bestimmte Vorteile. Namentlich aber war die Entwicklung Oesterreichs maßgebend, das seit der Pfirter Heirat der große Fürst am Oberrhein wurde; sie nötigte zu rein städtischen Verbindungen.

Der erste Bund von Basel Straßburg Freiburg wurde 1326 geschlossen zu Nutz, Notdurft, Frieden und Frommen dieser Städte und ihrer Bürger; sie wollen einander getreulich beraten und beholfen sein in allen Kriegen, die sie selbst führen oder die gegen sie geführt werden; wird eine der Städte geschädigt, so sollen ihr die andern zu Hilfe kommen und den Schädiger angreifen; ohne gemeinsamen Willen der Städte soll kein Fürst oder Herr in den Bund aufgenommen werden; die Grenzen, innerhalb deren die Bestimmungen des Bundes gelten, sind Pruntrut und der Hauenstein, Vogesen und Schwarzwald, und im Norden die Selz. Von den heftigen Streitigkeiten mit Bischof und Papst, die in Basel den Abschluß dieses Bundes begleiteten, läßt das Bundesdokument nichts verlauten; aber es ist bezeichnend, daß Basel diesen Bund gerade jetzt schloß; es ging ihn ein mit Bürgerschaften, die gleich ihm auf der Seite des Königs standen.

Diesem ersten Zusammentreten der drei Städte folgten von da an, jeweilen in knappen Zwischenräumen weniger Jahre, die Erneuerungen und Bestätigungen. An die dreißig solcher Verbriefungen liegen aus dem vierzehnten Jahrhundert vor uns; die Zahl zeigt, wie bedächtig die Städte vorgingen, indem sie stets nur auf kurze Zeit sich verpflichteten, und wie unentbehrlich ihnen doch das Verhältnis war. Der Lage Basels entsprach dieses durchaus; es bestimmte während langer Zeit seine Beziehungen zu den elsässischen und breisgauischen Landen.

In diesen Beziehungen wurzelte auch die Teilnahme Basels am Schwanauerkrieg. Die Burg Schwanau, oberhalb Straßburgs am Rheine gelegen und den Herren von Geroldseck als Pfand des Reiches zuständig, [248] war als Raubhaus, aus welchem Verkehr, Handel und Wandel geschädigt wurde, eine Schmach und Plage für den ganzen Oberrhein. Im April 1333 taten sich alle Beteiligten, die Herrschaft Oesterreich, die Städte Basel, Straßburg, Breisach, Neuenburg usw. zusammen, um die Burg zu brechen. Nach fünfwöchentlicher Belagerung wurde die starke Feste bezwungen, die Besatzung hingerichtet, der Bau zerstört, auch das gleichfalls geroldseckische Schuttern bei Lahr eingenommen; erst 1334 kam es durch Vermittlung des Kaisers zum Frieden.