Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 1.pdf/260

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Verhältnisse, die sie unausführbar machten. Man behalf sich mit der Deutung, daß der Orden an den Dingen, die er zum täglichen Leben gebrauche, nur den Nießbrauch habe, während das Eigentum dem päpstlichen Stuhle zustehe. Aber das konnte nicht genügen; es gab immer ernste Gewissen, die sich durch einen solchen Zustand beunruhigt fanden. Auf diesen Grundlagen bewegte sich der Kampf um die Observanz, der schon das dreizehnte Jahrhundert erfüllt hatte, und an ihn schloß sich jetzt unter Johann XXII. der theoretische Streit über die Armut Christi und der Apostel. Die Kirche verwarf 1323 den Satz über diese Armut, sie erklärte ihn für Ketzerei. Aber der Minoritenorden fügte sich ihrem Entscheide nicht; er nahm den Kampf gegen die Kirche auf, und dieser Kampf wurde mit der höchsten Erbitterung geführt. Beachtenswert ist, daß er viele Minoriten zu Parteigängern König Ludwigs machte. Auch dieser stritt gegen den Papst, und er stand nicht an, die Forderungen dieser Mönche mit den Seinigen zu verbinden.

Welche Gestalt nahmen diese Kämpfe in Basel an?

Seit der Sieg Ludwigs im Reiche einen Teil der Basler Bürgerschaft auf seine Seite gebracht hatte, waren Bann und Interdict auch hier ausgesprochen worden. Die Maßregel setzte fort, was nach der Doppelwahl an das Bistum 1314 und beim Beginenstreit 1318—1321 geschehen war; neben sie trat 1325 das gleiche Verfahren im Kampf der beiden Bischöfe Hartung und Johann. Von da an bestand das Interdict noch jahrelang, wurde nicht mehr dauernd, sondern nur zwischen hinein jeweilen für kurze Zeit suspendiert.

Es fällt schwer, sich eine Vorstellung zu machen von dem Zustande, dem die Stadt durch solche Behandlung verfiel. Die Kirche schloß ihre Türen, untersagte ihren Dienern, dem Volke beizustehen. Der furchtbare Ernst und die Härte dieser Maßregel sind nicht zu bezweifeln, auch wenn wir uns sagen, daß wir bei ihr weder an etwas gleichmäßig Dauerndes, noch an etwas umfassend Allgemeines denken dürfen.

In Betracht kommen vorerst die scharfen Erlasse des Kaisers selbst, mit denen er der Kirche entgegentrat. Er rief alle weltliche Gewalt und Obrigkeit zum Widerstand auf; er ermächtigte die Städte, die Güter der Interdict haltenden, nicht celebrierenden Priester einzuziehen, die Geistlichen selbst gefangen zu setzen.

Aber auch abgesehen hievon ist an ein allgemeines Halten des Interdicts durch die ganze Stadt nicht zu glauben. Die Kirche selbst trat als eine geteilte auf. Seit Mai 1328 hatte König Ludwig seinen eigenen

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/260&oldid=- (Version vom 1.8.2018)