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Autor: Wally Lebka
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Titel: Der tönende Sumpf
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Entstehungsdatum: EA 1921 (GND)
Erscheinungsdatum: 1924 (violette Auflage)
Verlag: Verlag moderner Lektüre G.m.b.H.
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ein Sittenroman.
Band 49 der Romanheftreihe Intimes. Skizzen aus dem Leben.)
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[1]

Wally Lebka
Der tönende Sumpf

[2]

[3]
Der tönende Sumpf
Sittenroman von
Wally Lebka


Verlag moderner Lektüre
G.m.b.H.
Berlin SO16, Michaelkirchstraße 23a


[4]
Nachdruck verboten. Alle Rechte einschließlich Verfilmungsrecht vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1924.


Druck: Buchdruckerei P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.


[5]
Erstes Kapitel.
Unter Gescheiterten –

Auf der Miniaturbühne sang ein Kolossalweib das rührende Lied:

Ich laß mich nicht va–führen,
Dazu bin ich zu schla–au,
Ich kenne die Ma–nüren
Der Männer zu ge–nau –

Unten im Saale des Kabaretts „Blöder August“, Schlegelstraße 313, Berlin Norden, saß eine Elite von [6] Kavalieren und jungen Damen und lauschte grinsend der Sängerin, deren Alter es ausgeschlossen erscheinen ließ, daß sich ihr ein männliches Wesen noch mit unziemlichen Wünschen nähern könnte.

An einem Tische dicht vor der Bühne hatten zwei Pärchen und ein einzelner Herr Platz genommen.

Die Pärchen gehörten zusammen und duzten sich. Der Unbeweibte, der zuerst allein den Tisch innegehabt hatte, war blaß, schmal und mit einer gewissen schäbigen Eleganz angezogen.

Die Pärchen tranken Sekt, der Unbeweibte helles Bier.

Mit einem Male flüsterte einer der beiden Kavaliere seiner „Braut“ zu:

„Elly, wenn Du noch een eenzijes Ooje uff den blonden Fatzke wirfst, dann kriegst De nich mehr an ’n Schampus zu lecken.“

Worauf Elly erwiderte:

„Du bist varickt, Albert –“

Was bei Albert die gewünschte Wirkung insofern hervorbrachte, als er mit einem geringschätzigen Blick auf des Blassen Bierseidel Elly die Sektschale von neuem füllte –

Sekttrinkende Gäste waren im Blöden August eine Seltenheit. Die beiden Schlemmerpaare erregten daher einiges Aufsehen.

Der Wirt nahm jetzt den Kellner am Büfett bei Seite und sagte:

[7] „Franz, laß Dir man die beeden Buddeln jleich bezahlen, vastehst De?! Die beeden Brieder da seh’n nich so aus, als ob sie ville Plente hätten.“

Der Kellner Franz kniff das linke Auge zu. Das rechte war durch ein Pflaster verklebt.

„Ich kenn’ sie,“ meinte er sehr leise. „Der Lange mit die Schmarre uff die Gesichtsbacke is Stammjast bei Makuschke in die Papageienallee. Und der Kleene mit ’n Poposcheitel ooch.“

„Det heeßt also: Schieber!“ nickte der dicke Wirt, der bei jedem Worte keuchend Luft holte.

„Schieber – stimmt!“ bestätigte Franz.

Inzwischen war die Kolossal-Soubrette unter ohrbetäubendem Gejohle des kunstverständigen Publikums verschwunden. Es folgte als nächste Nummer ein Verwandlungskünstler.

Aber – die Sache klappte nicht. Master Edward Livingstone, wie er auf dem Programm hieß, hatte fraglos zu viel Begeisterungswasser zu sich genommen.

„Mensch, Du bist ja besoffen,“ brüllte jetzt einer der Kavaliere zur Bühne nach oben.

Und am Sekt-Tisch sagte der lange Albert mit der Schmarre nicht minder laut:

„Edward, vadufte! Du hast Dir schon verwandelt. Du bist betütet wie ’n Schwein –“

Das Publikum johlte. Edward griente tatsächlich wie ein blöder August. Unter dem gellenden Pfeifen einiger Haus- und anderer Schlüssel zog er sich zurück.

[8] Der Kellner Franz schwänzelte um den Schampus-Tisch herum. Der Blasse hatte erst ein Bier getrunken. Franz sah, daß der Kerl offenbar bei dem einen Seidel Lokal schinden wollte.

„Darf ich ein frisches bringen?“ fragte er aufmunternd.

Der Blonde, der Alberts Eifersucht erregt hatte, zuckte zusammen und wurde feuerrot.

„Ich – danke,“ stotterte er. „Ich gehe sofort.“

Dann faßte er in die Tasche und holte einen Fünfmarkschein hervor.

„Da – bitte –“

Er hatte mit Trinkgeld vier Mark zu zahlen.

Elly beobachtete den Blassen heimlich. Sie hatte Blick für Männer und für die gewissen Anzeichen der Zugehörigkeit zu den besseren Kreisen.

Auch der kleine, schwarze Mensch mit dem durchgezogenen Scheitel interessierte sich für den Blassen. Er mußte ihn kennen. Woher nur – woher?!

Ob ’s etwa ein „Kriminaler“ war?! So dachte der Schwarze zuerst. Aber jetzt die Szene mit dem Kellner beruhigte ihn.

Es war ja klar: der Blonde hatte kein Geld! Und – wer so rot wird wie der, dem ist die Polizei als Beruf fremd. –

Der Schwarze beugte sich mit einem Male vor und sprach den Schäbig-Eleganten an.

„Verzeihen Sie, mein Herr. Ich muß Sie irgendwo [9] mal kennen gelernt haben. Auch Ihre Stimme ist mir nicht fremd –“

Der Blasse blickte ihn scheu an.

„Ich wüßte nicht –“ stammelte er.

Dann stand er auf, verbeugte sich und schritt nach links auf einen Vorhang zu, an dem eine Papptafel „Für Herren“ hing.

„Ich kenne ihn doch!“ sagte der Schwarze hartnäckig.

Seine Freundin lachte ironisch.

„Wohl von ’n Knast her, Fred, wie?!“ (Knast ist Gefängnis).

Fred war plötzlich aufgesprungen und verschwand nun ebenfalls hinter dem Vorhang –

Der Blasse war allein in diesem diskreten Raum. Einen Toilettenwärter gab es hier nicht. Über dem Waschbecken hing ein Spiegel.

Er stellte sich vor den Spiegel und nahm schnell aus der hinteren Beinkleidtasche einen kleinen Revolver heraus –

Der schwarze Fred öffnete leise die Tür. Es war das so eine Angewohnheit von ihm. Er trat nie geräuschvoll auf.

Er stutzte –

Dann ein langer Satz, und er drückte dem Blonden die Hand mit dem Revolver herunter.

„Stopp, Herr von Maikold, – stopp!“ sagte er [10] freundlich. „Mir ist gerade noch zur rechten Zeit eingefallen, wer Sie sind. Besinnen Sie sich auf das Batterieübel, den Friedrich Specht, Herr Oberleutnant?“

Der Blonde stand wie gelähmt da.

Dann lächelte er bitter –

„Sehr gut besinne ich mich auf Sie. Leider haben Sie mir soeben einen schlechten Dienst erwiesen, Friedrich Specht. Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen, und –“

Der schwarze Fred steckte den Revolver in die Tasche und unterbrach Maikold:

„Sie wollten soeben das Dümmste tun, was ein Mann nur tun kann, Herr von Maikold. Kommen Sie, – Sie sind heute mein Gast, – heute und so lange, bis Sie wieder schwimmen gelernt haben. Ich habe Sie als anständigen Kerl in guter Erinnerung. Im allgemeinen sind meine Gefühle für meine einstigen Vorgesetzten alles andere als wohlmeinend. Aber Sie bilden da eine Ausnahme … Sie sind zu schade. Es geht mir gut, und ich werde Ihnen schon eine Existenz schaffen.“

Hektor Armin Adalbert Maikold schüttelte den Kopf.

„Sie stellen sich das doch wohl zu leicht vor, Herr Specht. Ich bin vorgestern aus dem Gefängnis entlassen worden, und –“

„Blech!“ sagte Fred kurz und zog Maikold mit sich. „Wir werden Sie schon auf andere Gedanken bringen –“

[11] Es war eine so wohltuende, wenn auch etwas rohe Herzlichkeit in Friedrich Spechts ganzem Benehmen, daß Maikold unwillkürlich wieder Hoffnung schöpfte.

Sie gingen in den Saal zurück …

Arm in Arm traten sie an den Sekt-Tisch heran. Fred stellte vor:

„Ihr gestattet: mein Kriegskamerad, Herr von Maikold, – Fräulein Irma, meine derzeitige Liebe, Herr Doktor Albert Balzer, Fräulein Elly –“

Fred drückte Maikold auf einen Stuhl neben sich und bestellte eine neue Flasche und ein Sektglas.

Auf der Bühne produzierte sich ein Schattenkünstler. Der Saal wurde verdunkelt. Das war Hektor Maikold nur lieb. Er konnte sich so leichter in die veränderte Sachlage hineinfinden.

Als diese Programmnummer vorüber war, hatte sich am Schampus-Tisch schon eine allgemeine Unterhaltung entwickelt.

Fred, der Maikold wohl ansah, daß dieser heute noch nicht viel gegessen hatte, bezahlte dann die Zeche aus einer dick gefüllten Brieftasche und schlug Lokalwechsel vor.

Man nahm ein Auto und fuhr nach der Leipziger Straße zu Kempinski.

Maikold war einfach sprachlos, wie so ganz anders die beiden Pärchen in diesem Weinrestaurant sich zeigten. [12] Sie waren geradezu wie ausgewechselt. Ihr Benehmen hatte nichts mehr von Berlin N. an sich; sie aßen Austern mit der Geschicklichkeit von Millionären; sie fielen in keiner Weise auf.

Fred hatte für Maikold allerlei gute Dinge bestellt. Maikold fühlte sich wieder Mensch, als er das verdammte Hungergefühl los war.

Er wurde vergnügter. Er taute auf. Er erzählte Schnurren, machte Kunststücke mit Streichhölzern, die nicht gerade für Töchterpensionate geeignet waren.

Um elf Uhr brach man auf. Wieder führte ein Auto die fünf durch die kühle Märznacht nach einem anderen Stadtteil, nach Berlin W., – in eine Nebenstraße des Nollendorfplatzes.

Doktor Balzer schloß das Haus auf und geleitete seine Gäste in seine Dreizimmerwohnung im Hochparterre.

In einem elegant eingerichteten Herrenzimmer saßen die fünf nun in Klubsesseln und auf einem Klubsofa um den großen Tisch herum, rauchten und deckten nacheinander die Karten ihres Lebens auf.

Das geschah ohne jede Scheu, ohne jede Sentimentalität, ohne jede Übertreibung.

Doktor Balzer machte den Anfang, indem er sagte:

„Herr von Maikold, das Schicksal hat uns heute zusammengeführt und wird uns wohl auch zwingen, [13] eine Strecke noch Schulter an Schulter weiter zu gehen. Wir sind seit einem halben Jahr Verbündete. Sie kommen neu in unseren Kreis. Sie sollen wissen, mit wem Sie es zu tun haben.“




[14]
Zweites Kapitel.
Elly.

Er rauchte ein paar Züge und fuhr fort:

„Ich, Albert Balzer, habe mal Jura studiert und nenne mich mit Recht Doktor juris. – 1913 wurde ich wegen Schulden aus dem Staatsdienst entfernt. 1914 bekam ich drei Monate Gefängnis wegen Darlehnsschwindeleien. Den Krieg machte ich bei einer Schipperkolonne mit. Jetzt bin ich Chef der Firma „Balzer und Kompagnie, Musikinstrumente“. Mein Kompagnon sitzt dort.“

Er zeigte auf Fred Specht.

[15] „Und die beiden Damen, Herr von Maikold, sind Angestellte der Firma,“ fuhr er fort. „Fräulein Grün,“ er wies auf Elly – „ist Buchhalterin, Fräulein Weiß Tippdame. – So, das wäre ich. Nun kannst Du loslegen, Fredi.“

Und der schwarze, kleine Fred mit dem mageren Jockeigesicht sagte:

„Ich war von Hause aus Mechaniker. Dann lernte ich im Knast –“ – er lächelte – „Knast ist nämlich gleichbedeutend mit Gefängnis, Herr von Maikold – einen Mann kennen, der seine Fähigkeiten als Graveur zur Herstellung von Papiergeld benutzen wollte. 1913 wurde ich bei der Ausgabe nicht ganz echter Hundertmarkscheine abgefaßt und saß bis 1915 wieder im Loch. Dann meldete ich mich freiwillig mit Hilfe falscher Papiere zum Heeresdienst und – na, ich heiße eben heute noch Friedrich Specht. Der echte Specht ist längst tot, und mein wahrer Name tut nichts zur Sache.“

Hektor Maikold wurde jetzt etwas unbehaglich zu Mute. Er mußte nun auch seinerseits mit einigen Angaben über seine Person hervortreten. Das wurde ihm nicht ganz leicht.

Er sah vier Augenpaare erwartungsvoll auf sich gerichtet. Dann sagte Doktor Balzer leise:

„Genieren Sie sich nicht. Wir sind verschwiegen wie das Grab. Aber – wir müssen Sie ganz kennen lernen, bevor wir Sie als Mitglied aufnehmen.“

[16] Maikold sprach sehr hastig, als er über sein Leben kurze Angaben machte –

„Ich war schon immer sehr leichtsinnig. Ich hatte 1914 so viel Schulden, daß ich ,geschwenkt’ worden wäre, wenn nicht der Krieg meinen Gläubigern den Mund verschlossen hätte. 1918 wurde ich verwundet und wegen Lungenknaxes dann in die Schweiz geschickt. Meine Familie ist arm. Durch die Revolution und die Teuerung war es den Meinen unmöglich, meine Schulden zu bezahlen. Ich begann zu spielen. Und ich wurde vom Pech verfolgt. Schließlich spielte ich so, wie es der berühmte Franzose in Minna von Barnhelm tat: ich suchte das Glück zu korrigieren! Und – dabei faßte man mich im Kasino in einem Ostseebad 1919 ab. Ich floh, und aus Not wurde ich Zechpreller und auch – Dieb. So kam ich Oktober 1919 ins Gefängnis. Vorgestern wurde ich entlassen. Den Revolver, mit dem ich mich erschießen wollte, fand ich in einer Handtasche, die ich auf dem Stettiner Bahnhof einem Reisenden stahl. Die Tasche habe ich dort als Handgepäck abgegeben.“

„Was war darin?“ fragte Fred interessiert.

„Alles Mögliche: Wäsche, Papiere, Toilettensachen – nicht von Wert.“

„So, so,“ meinte Fred. „Schade –! – Was für Papiere waren’s denn?“

„Das habe ich nicht so genau geprüft.“

„Haben Sie noch den Schein?“

„Ja. Hier ist er.“

[17] „Sie gestatten –“ – Fred nahm ihn an sich und fügte hinzu: „Man kann nie wissen, Kinder! Ich will die Papiere doch mal durchsehen. – So, Elly, nun kommst Du heran.“

Die dunkelhaarige Elly, ein mittelgroßes, frisches Mädel, zuckte die Achseln.

„Mit Knast kann ich nicht aufwarten, das weißt Du, Fredi. Ich war bis vor einem Jahr Verkäuferin in einer Konditorei. Dann lernte ich Albert kennen. Und er hat mir das Arbeiten abgewöhnt.“

„Gestatte,“ sagte Doktor Balzer kühl. „Du hattest Anlagen zum Faulenzen. Außerdem arbeitest Du ja bei der Firma.“

Elly Grün lachte. Man wußte nicht recht, ob dieses Lachen ironisch oder bitter klingen sollte.

Dann warf Irma Weiß ihren Zigarettenrest in die Aschenschale und meinte:

„Ich rede nicht gern über mich. Jedenfalls habe ich Fredi vor acht Monaten in der Friedrichstraße zum ersten Mal gesehen. Seitdem bin ich – anständig geworden.“

„Na ja –!“ sagte Fredi. „Anständig – na ja! So lange ich Dich über Wasser halte, Irmchen. Du hast Dich schwer genug an das Tippen gewöhnt. Der Beruf im Umherziehen lag Dir mehr, Kind.“

Irma machte ihm ein bitterböses Gesicht.

„Du bist ein Ekel, Fredi!“ – Sie ärgerte sich, daß er sie vor Maikold so bloßgestellt hatte.

[18] Der lange Balzer mit dem Renommierschmiß mahnte zum Frieden.

„Zankt Euch nicht, Kinder, verdammt noch eins! Das fehlte noch gerade, daß wir uns in die Haare kriegen –!“

Ellys dunkle, große Augen eilten immer wieder zu Maikold hin. Als Balzer jetzt in die Küche ging und heißes Wasser zu Grog machen wollte, beugte sie sich zu Maikold hinüber, legte die Arme auf die Lehne seines Sessels und flüsterte:

„Bleiben Sie bei uns –“

Irma und Fred feierten gerade durch einen Kuß Versöhnung.

Maikold blickte Elly in die Augen. Eine heiße Zärtlichkeit strahlte ihm daraus entgegen.

„Sagen Sie, daß Sie in einem Hotels wohnen möchten,“ raunte sie ihm weiter zu. „Ich werde Sie vor meiner Haustür erwarten: Lützowstraße 112 –“

Der Grog war kräftig. Zu kräftig für Fred, der nachher hier bei Balzer schlafen wollte.

Maikold, der von dem Herrn Chef als Reisender engagiert worden war, erhielt 500 Mark Vorschuß und versprach, die beiden Damen, die in der Nähe wohnten, nach Hause zu bringen.

Irma Weiß bekam dann noch einen Nachtomnibus, so daß Elly und Maikold sehr bald allein waren.

Maikold hatte nur einen Herbstulster an und fror, zumeist vor nervöser Abspannung so heftig, daß ihm die Zähne klapperten.

[19] „Gehen wir schneller,“ sagte Elly. „Fassen Sie mich unter.“

Er tat es. Und sie drängte sich leicht an ihn. Sie trug einen sehr eleganten, modernen Pelzmantel und dazu eine helmartige Kappe mit zwei Vogelflügeln.

Maikold war befangen und unsicher. Er sprach wenig. Er überlegte, wie er am besten aus dieser heiklen Lage entrinnen könnte. Auf keinen Fall wollte er Elly bis in ihre Wohnung begleiten. Er war froh, daß er einen Unterschlupf gefunden hatte und daß die Nahrungssorgen von ihm genommen waren. Wenn er heute sofort in vertrautere Beziehungen zu Elly trat, dann war das einmal sehr gefährlich, anderseits auch sehr undankbar Doktor Balzer gegenüber.

Sie bogen in die Lützowstraße ein.

„Nicht wahr,“ meinte Elly, „im Blöden August haben Sie uns vier recht niedrig dem Bildungsgrade nach eintaxiert, Herr von Maikold?“

„Hm – Sie berlinerten so stark, und auch sonst – Jedenfalls merkte ich dann bei Kempinski, daß Sie es verstehen, sich dem Lokal anzupassen.“

Sie lachte leise.

„Mir macht es Vergnügen, auch mal kaschemmenartige Kneipen zu besuchen, obwohl ich von Hause aus –“ Sie brach plötzlich ab und fuhr dann fort:

„Hier ist schon mein Domizil, Herr von Maikold. Da – schließen Sie auf.“ Sie reichte ihm den Schlüssel.

Er öffnete. Ihm klopfte das Herz. Jetzt mußte [20] er ihr sagen, daß er sie nicht in ihre Wohnung begleiten würde.

Sie betrat den Hausflur und schaltete die Nachtbeleuchtung ein.

„Schließen Sie ab,“ meinte sie.

Maikold zog den Hut und streckte ihr die Hand hin.

„Gute Nacht, Fräulein Elly –“ das klang sehr unsicher.

Sie schaute ihn offen an.

„Was denken Sie von mir?“ meinte sie mit einem trüben Lächeln. „Ich bin keine Dirne, Herr von Maikold. Ich habe im Gartenhause eine Zweizimmerwohnung. In ein Hotel können Sie doch ohne jedes Gepäck nicht gehen. Man nimmt Sie gar nicht auf. Kommen Sie –“

Er zögerte nicht mehr. Es hätte wie eine Beleidigung gewirkt, wenn er nach diesen Worten ihre Einladung ausgeschlagen hätte –

Elly Grüns kleine Behausung war einfach, aber geschmackvoll eingerichtet und peinlich sauber. Maikold bekam nur das Wohnzimmer zu sehen. Aber er hatte Blick für all die Kleinigkeiten, die Ordnungsliebe und Sinn für ein behagliches Heim verrieten.

Elly nötigte ihn in die Sofaecke.

„Wenn es Ihnen recht ist, trinken wir noch eine Tasse Tee,“ meinte sie. „Es ist zwar gleich zwei Uhr morgens, aber schlafen würden wir doch noch nicht können.“

[21] Sie stellte Hektor Zigaretten, Streichhölzer und einen Aschbecher hin. Dann verschwand sie.

Auf dem Sofatisch stand eine elektrische Lampe mit Batik-Schirm. Das weiche, mollige Licht versetzte Maikold in eine träumerische Stimmung. Außerdem war’s hier im Zimmer sehr warm.

Er wurde müde, lehnte sich bequem zurück und dachte an das, was ihm dieser Abend gebracht hatte.

In seiner augenblicklichen Stimmung begriff er nicht recht, wie er überhaupt an Selbstmord hatte denken können.

Und doch: nur deshalb war er nach Berlin gekommen. In Rostock hatte er seine Strafe verbüßt. Es war die Eingebung eines Augenblickes, die ihn dann nach Berlin reisen ließ. Das Geld hatte er sich zusammengebettelt gehabt.

Die Überzeugung, er könnte nie wieder hochkommen, er müsse verhungern, weiter noch die tiefe moralische Niedergedrücktheit des von seiner Familie Verstoßenen, schließlich noch der Hunger machten ihn stumpf und gleichgültig. Wieder war’s eine Handlung, die ein Augenblicksgedanke herbeiführte, als er auf dem Stettiner Bahnhof die Handtasche stahl. Er hatte gehofft, sie würde etwas Eßbares enthalten. Und er fand – den Revolver!

Dann der Blöde August und seine Tischgenossen –! Welch eine Schicksalsfügung, daß gerade Specht sich an seinen Tisch setzte!

Ob dieser Abend vielleicht den Wendepunkt in [22] seinem Leben vorstellte? Ob es nun vielleicht wieder bergan ging? –

Da trat Elly mit einem Tablett ein, deckte zierlich den Tisch, füllte ihm die Tasse und schob ihm den Teller mit Keks und Süßigkeiten hin.

Sie setzte sich dann neben ihn in einen Korbsessel. Er nickte ihr dankbar zu, griff nach ihrer Hand und lächelte verträumt.

„Ich habe soeben über diese letzten Stunden nachgedacht,“ sagte er leise. „Und – da habe ich wieder Hoffnung geschöpft, Fräulein Elly. Ich möchte vergessen, was gewesen ist, und – arbeiten –“

Sie entzog ihm ihre Hand und trank einen Schluck Tee.

„Sie wollen – ehrlich werden,“ sagte sie dann. „Wissen Sie auch, wie schwer das ist? Wissen Sie, daß Hunderttausende jetzt in Deutschland ohne Arbeit sind?!“

„Aber – ich habe doch bereits eine Anstellung,“ meinte er unsicher.

Sie schwieg und griff nach einer Zigarette.

„Was man so Anstellung nennt, Herr von Maikold,“ sagte sie müden Tones. „Die Firma Balzer und Kompagnie macht sich das Leben leicht.“

„Wie soll ich das verstehen?“ fragte er mißtrauisch.

„Oh – Sie werden alles ja selbst kennen lernen. Mir ist diese Art von Geschäften insofern gleichgültig, [23] als ich nur Angestellte bin – wie Sie auch nur Angestellter sind.“

Er verstand sie nicht ganz. Aus seinen Blick hin, der um näheren Aufschluß bat, fuhr sie fort:

„Ich betone: ich bin nur Angestellte. Zwischen Doktor Balzer und mir gibt es keine anderen Beziehungen mehr. Seit drei Monaten nicht mehr. Er denkt, ich bin blind. Er spielt mir gegenüber nach wie vor den Eifersüchtigen, um mich glauben zu machen, daß ich ihm als Weib noch begehrenswert erscheine. Er hat eine andere Freundin, die er aushält. Ich weiß das bestimmt. Und seitdem ich das weiß, bin ich innerlich wieder frei geworden.“

Maikold dachte: Weshalb erzählt sie Dir das?

Er blieb stumm. Aber das unbehagliche Gefühl wollte nicht mehr weichen. Was waren das für Geschäfte, die Balzer und Specht machten? – Musikalienhandlung?! Das war doch so harmlos – scheinbar!

Er kannte das Leben wenig. Weiber kannte er zur Genüge. Doch er hatte stets in kleinen Garnisonen gelebt. Die komplizierten Großstadtweiber, dieses ganze Milieu der Millionenstadt war ihm fremd. Und das heutige Geschäftsleben, die heutige Art, Geld zu verdienen, erst recht …

Diese angenehme, träumerische Müdigkeit war dahin. Er setzte sich aufrecht, trank die Tasse leer und fragte dann in ganz anderem Tone:

„Fräulein Elly, welcher Art sind die Geschäfte der Firma? – Sie müssen mir reinen Wein einschenken. [24] Ich will nicht wieder entgleisen. Ich will hinaus aus dem Sumpf.“

Er sprang auf und ging hin und her.

„Dann wollen wir beide dasselbe, Herr von Maikold,“ meinte sie und hielt ihn am Ärmel fest. Er stand neben ihr.

„Aus einem Sumpf kommt man niemals mit einem einzigen Satz heraus,“ fuhr sie fort und schaute ihn dabei fest an. „Man kann es nur allmählich tun. Jede Übereilung schadet. – Sehen Sie, ich stehe ganz allein auf der Welt da. Nur eine Schwester habe ich – nein, ich habe sie nicht. Sie kennt mich nicht mehr. Ich kann ihr das nicht verargen. Sie ist verheiratet und sehr reich. – Auch Sie sind allein auf sich angewiesen, Herr von Maikold. Wollen wir gemeinsam festes Land zu erreichen suchen?“

Er blickte zur Seite. – Legte er sich dann nicht Verpflichtungen auf? Hatte es nicht ganz den Anschein, daß er Elly als Mann nicht gleichgültig war? Und – sollte er diesen Weg zur Ehrlichkeit sofort mit neuen Fesseln an den Füßen antreten?

Elly schien seine Gedanken zu erraten …

„Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß unser Bündnis nur ein rein kameradschaftliches sein darf,“ sagte sie schnell. „Ich bin keine – Dirne, die sich wegwirft. Ich habe Balzer zu lieben geglaubt. Es war eine grausame Selbsttäuschung. Die Liebe ist für mich abgetan –“

„Oh – ich verstehe Sie,“ rief er leise. „Fräulein [25] Elly, – Hand her! Gut – auf ehrliche Kameradschaft!“

Ein fester Händedruck. Sie wurde plötzlich sehr rot. Er sah es nicht –

Gleich darauf bereitete sie ihm auf dem Diwan ein Lager.

„Schlafen Sie gut unter meinem Dach!“ sagte sie schlicht.

Dann hörte er den Riegel der Schlafstubentür einschnappen, begann sich langsam zu entkleiden und schlief auch sofort ein.




[26]
Drittes Kapitel.
Die Firma.

Und er träumte. Der ungewohnte Alkohol wirkte noch. Sein Hirn gebar die krausesten Erlebnisse –

Ein Weib kniete an seinem Diwan. Er spürte einen feinen Duft von Parfüm und Frauenhaar; weiche Lippen preßten sich auf die seinen –

Da erwachte er, richtete sich schlafbefangen auf.

Ein Traum?! War es nur ein Traum gewesen –? – War dieser feine Duft nicht noch immer um ihn?

Er war jetzt ganz munter. Kein Zweifel! Diese Wolke von Wohlgeruch war vorhanden! Und von [27] seinen Lippen strömte ihm ein ähnlicher Duft entgegen –

Elly? War Elly hier im Zimmer gewesen? Halte sie ihn geküßt?

Er lauschte angestrengt. Tiefe Stille. Nicht ein einziger Laut – nichts.

Da wurde er wieder unsicher. Und glitt langsam wieder in das Reich der Träume hinüber –

Als er aufwachte, war es heller Tag. Er kleidete sich an. Auf dem Sofatisch lag ein Zettel:

Das Badewasser ist warm. Frühstück steht in der Küche.

Neben dem Zettel lag eine Zeitung. Die Sonntagsausgabe, Datum vom 11. März 1920.

Richtig – heute war ja Sonntag! Erst jetzt fiel es ihm ein.

Die altmodische Wanduhr begann zu schlagen.

Elf Uhr –! – Elly war offenbar bereits ausgegangen.

Das Bad erfrischte ihn. Dann frühstückte er. Nur eins störte ihn: er war unrasiert, und die Friseurläden waren geschlossen!

Als er gerade das letzte belegte Brötchen verzehrt hatte, klappte draußen die Flurtür.

Es war Elly. Sie begrüßte ihn ganz harmlos, schien bester Laune zu sein …

„Ich komme von unserem Chef,“ meinte sie. „Da – ich habe Balzers Rasierapparat mitgebracht.“

[28] Hektor drückte ihr dankbar die Hand. „Sie sind ein Engel,“ scherzte er.

„Oh – bei Balzer war ich es nicht,“ sagte sie, ernst werdend. „Er wollte wieder Komödie spielen, als ich ihm erzählte, daß Sie jetzt bei mir als möblierter Herr wohnen. Sie verstehen: ich habe mich frei gemacht. Jetzt bin ich erst wieder ich selbst. – Balzer ist ja alles in allem kein schlechter Mensch. Wer das Leben kennt, urteilt milde über Gestrauchelte.“

Maikold wurde rot.

„Sie brauchen nicht verlegen zu werden,“ fuhr Elly herzlich fort. „Ich bin ja selbst eine Gestrauchelte. – Balzer liebt ein gutes Leben und nutzt die Konjunktur aus. Genau wie Specht, obwohl der fraglos der gemütvollere ist.“

Sie trug Pelz und Kappe in den Flur und kam sofort zurück.

„Ich werde jetzt mit dem Mittagkochen beginnen,“ meinte sie. „Wollen Sie warmes Wasser zum Rasieren haben? – Es ist im Augenblick fertig.“ –

Hektor Maikold kam gar nicht recht zur Besinnung. Als er im Badezimmer die Bartstoppeln entfernte, fragte er sich wiederholt: „Wie wird das enden?! Möblierter Herr bei Elly?! Und die Zukunft?!“

Er verscheuchte die Gedanken. Er wollte abwarten. Aber – er wurde ein gelindes Mißtrauen gegen Elly nicht los. – Liebte sie ihn etwa? Wollte sie sich ihm unentbehrlich machen? –

Nachher ging er zu ihr in die Küche. Und als [29] er so ganz harmlos mit ihr plauderte, als er sah, wie geschickt sie am Herde wirtschaftete, als er ihre schlanke, volle Gestalt so und so oft in ungewollt graziösen Stellungen bewundern konnte und auch feststellte, daß sie ein wenn nicht hübsches, so doch pikantes Gesichtchen und dunkle, tiefe Kinderaugen hatte, – wanderten seine Gedanken andere Pfade –

Sie war Weib und ein reizvolles Weib. Und er ein Geächteter, dem sie seit Jahren als erste mit rührender Sorge begegnete.

In seinem Herzen quoll die Wärme hoch, etwas wie brüderliche Zärtlichkeit.

Freiwillig erbot er sich dann, die Kartoffeln zu schälen. Und dachte bei dieser Arbeit: „Es ist, als wären wir jung verheiratet.“ –

Er mußte lächeln. – Verheiratet! Das erschien ihm genau so unmöglich wie die Erreichung eines Millionenvermögens. Genau so –

Dann aßen sie gemeinsam Mittag. Wieder wie ein Ehepaar.

Inzwischen hatte Elly ihm auch die Einladung Fredi Spechts zum einfachen Abendessen für heute übermittelt.

„Fredi war bei Balzer,“ hatte sie hinzugefügt. „Sie werden also abends das Heim eines Menschen kennen lernen, der mit Geschmack und Kunstverständnis seine Räume zu einem Museum ausgestaltet hat.“ –

Elly hatte in der Tat nicht zu viel behauptet. Albert Balzer wohnte schon elegant. Aber gegen Fredi [30] Spechts Behausung fiel die des Herrn Chefs doch sehr ab.

Hektor Maikold hatte Verständnis für Gemälde, Bronzen, alte Zinne und dergleichen.

„Wo haben Sie das alles nur her?“ fragte er den glücklichen Besitzer dieser Vierzimmerwohnung.

Der kleine Fred verzog seine Jockei-Schnauze zu einem diabolischen Grinsen.

„Ehrlich gekauft,“ meinte er. „Mein Ehrenwort!“

Irma konnte sich einige Anzüglichkeiten über Ellys neueste Rolle als Zimmervermieterin doch nicht verkneifen. Sie wurde aber von Fredi sofort scharf zurechtgewiesen.

„Wenn Du die Gemütlichkeit stören willst,“ sagte er scharf, „dann verdufte – verstanden! Ich lasse meine Gäste nicht beleidigen.“

Irma schwieg dazu. Man merkte, daß sie vor ihrem Fredi eine Heidenangst hatte. Aber ihre Munterkeit nachher war erkünstelt. Maikold hatte das Empfinden, Irma hätte auch ihrerseits gern an ihn – ein Zimmer vermietet – hm ja! –

Im übrigen war der Abend für Hektor Maikold ein ungetrübter Genuß. Die vier Intimen, denen er doch noch ein Fremder war, hüteten sich, irgendwie in einen Ton zu verfallen, der als gewöhnlich bezeichnet werden konnte. Sie nahmen sich vor Maikold eben zusammen, ohne daß die Unterhaltung dadurch gezwungen oder schleppend geworden wäre.

Diese Gescheiterten hatten sämtlich in hohem Maße [31] die Fähigkeit, Zugehörige der besten Gesellschaftskreise recht getreu zu kopieren. Gestern war dies Maikold doch nicht so genau aufgefallen wie heute –

Fredi Specht hielt sich eine Wirtschafterin, die ganz vorzüglich kochte und auch ebenso geschickt bei Tisch bediente.

Es gab fünf Gänge und drei Sorten Wein.

Beim Kalbsbraten hielt Fredi sogar eine längere Rede, in der er Maikold als neues Mitglied der – „Gesellschaft zur Ausschlachtung der schönen Zeiten“ herzlich begrüßte –

Den Mokka trank man in Fredis Salon. – Gegen elf Uhr setzten sich die fünf an den Spieltisch.

Es wurde „gemauschelt“, wie das bekannte Hazardspiel heißt. Man fing sehr bescheiden mit zehn Mark Einsatz an.

Maikold war der einzige, der ohne Leidenschaft spielte. Selbst Ellys Wangen brannten in hektischer Röte.

Sehr bald wurde der Einsatz auf hundert Mark erhöht. Maikold war vorsichtig, machte nur sichere Spiele und – gewann. Er hatte ein geradezu unheimliches Glück.

Auch Elly blieb trotz aller Spielleidenschaft kühl-abwägend. – Doktor Balzer hatte jetzt schon den zweiten Tausendmarkschein gewechselt. Irma und Fredi waren ebenfalls im Verlust.

Maikold beobachtete seine Mitspieler heimlich.

Wenn irgendwo, dann verrät sich der wahre [32] Charakter beim Jeu. Er sah, daß Balzer mogelte. Ach – und wie ungeschickt tat der Herr Chef das!

Es wurde später und später. Maikold gewann weiter. Und doch langweilte ihn die Sache. Er mußte immer wieder an seine eigene Spielerkarriere denken.

Erst gegen drei Uhr morgens brach man auf. Maikold hatte das vor ihm liegende Geld ungezählt in die Tasche gesteckt. Als er dann mit Elly daheim angelangt war, sagte sie zu ihm:

„Nun wollen wir Kasse machen –“

Sie setzten sich an den Sofatisch. Maikold war überrascht: er hatte über 2000 Mark gewonnen. – Ellys Gewinn betrug 1200 Mark.

Maikold schaute Elly unsicher an.

„Balzer hat gehörig verloren,“ meinte er. „Vertragen das seine Einnahmen denn?“

Elly lachte.

„Sie unterschätzen unsern Herrn Chef, Herr von Maikold. – Nun, Sie reisen ja morgen mit Fredi in die Provinz zu Einkäufen. Dann werden Sie bald einen Einblick gewinnen.“ –

In dieser Nacht schlief Hektor Maikold schlecht. Er fühlte es jetzt schon mit aller Deutlichkeit, daß Elly ihm nicht gleichgültig war.

Der Gedanke, sie ruhe da nebenan, nur durch eine Tür getrennt, trieb ihm das Blut schneller zum Herzen.

Der Mann regte sich in ihm. Er sagte sich: „Sie [33] wird Dein sein, wenn Du willst! Steh’ auf, klopfe –!“

Aber irgend etwas warnte ihn dennoch. Er mußt immer wieder an ihre Worte denken: „Ich bin keine Dirne!“

So schlief er denn doch schließlich ein –

Vormittags um neun begab er sich zusammen mit Elly nach dem Geschäft in der Bülowstraße.

Es war nur ein kleiner Laden mit einem sehr bescheidenen Schaufenster, in dem ein paar Grammophone, ein Harmonium und ein Piano standen.

Über dem Schaufenster war ein ebenso bescheidenes Holzschild mit der Aufschrift:

Musikalien-Handlung,

Noten, Instrumente.

Dr. Balzer u. Co.

befestigt.

Auch der Ladenraum wirkte nicht gerade pompös. Er war lang und schmal. In einem Glasverschlag arbeiteten die Herren Chefs und die Angestellten. Hinter dem Laden lagen noch zwei größere, dunkle Zimmer, die im Gegensatz zu dem Verkaufsraum geradezu mit Klavieren, Harmoniums, Stutzflügeln und Grammophonen vollgestopft waren.

[34] Fredi Specht führte Maikold durch dieses Lager und meinte:

„Jeht alles ins Ausland, Verehrtester! Wird alles erst frisch aufgewichst. Diese Arbeit erledigt ’ne andere Firma.“

Maikold interessierte der Geschäftsbetrieb sehr wenig. Trotzdem fragte er:

„Und das schmeißt Geld, lieber Specht?“

„Selbstmurmelnd. Der Hauptwitz dabei ist die Luxussteuer.“

„So, so –“ meinte Hektor. Er hatte keine Ahnung, weshalb eine Steuer ein Witz war.

„Nämlich die Umgehung der Steuer,“ fügte Fredi hinzu. „Doch das lernen Sie schon noch.“

Nachher saß Maikold neben Elly an einem Tisch im Glaskasten und mußte an ein Dutzend Kleinstadtzeitungen Geld für Anzeigen absenden, auch den Blättern den Wortlaut der Anzeige mitteilen.

Diese Annoncen lauteten stets gleich:

„Reicher Privatmann sucht Klavier oder Flügel, auch älteres Instrument, ebenso Kunstgegenstände aller Art, ebenso Briefmarkensammlungen, Gemälde, Musikapparate und dergleichen zu kaufen. Offerten sind bis zum 15. April unter ‚Klavier 100‘ an die Expedition der Zeitung zu senden, worauf dann Besichtigung der angebotenen Sachen erfolgt.“

Maikold fand auch diese Anzeige sehr harmlos. [35] Er konnte sich noch immer kein rechtes Bild von dem Geschäftsbetrieb machen –

Nachmittags ein Uhr fuhr er dann mit Fredi Specht zweiter Klasse nach Pommern. Ihr Reiseziel war eine Kleinstadt, die zwei Meilen von der nächsten Eisenbahnstation entfernt war.




[36]
Viertes Kapitel.
Auf der Tour.

Fredi hatte schon morgens um acht die Offerten abgeholt, die auf eine vor acht Tagen in die hiesige Zeitung eingerückte Annonce eingelaufen waren.

Es waren im ganzen 25 Briefe, darunter 15 aus der Stadt und zehn vom Lande aus der nächsten Umgegend.

Beim gemeinsamen Frühstück auf Spechts Hotelzimmer sichtete dieser das „Material“ und entwarf dann den Schlachtplan.

„Wir fangen in der Stadt an,“ meinte er. „Der [37] Witz ist nun der, daß ich, lieber Maikold, zu den einzelnen Leuten immer zuerst allein hingehe und daß Sie nach etwa zehn Minuten nachkommen. Natürlich kennen wir uns nicht.“

Hektor Maikold machte ein sehr verständnisloses Gesicht.

Fredi lächelte. „Nee – wir kennen uns nicht. Wenn Sie bei den Leuten vorsprechen, sagen Sie, Sie hätten zufällig gehört, hier sei dies und das zu verkaufen. – Ich schreibe Ihnen nachher alles genau auf – eine richtige Liste. – Dann werde ich ungemütlich und erkläre, ich hätte schon auf die Gegenstände geboten. Wieviel mehr Sie bieten sollen, das merken Sie an der Zeichensprache.“

Maikold war schon ganz konfus.

„Zeichensprache?“ fragte er unsicher.

„Natürlich – so!“ Und Fredi rieb sich mit Zeigefinger das Kinn. – „Also, mein Lieber, – ein Finger bedeutet 100 Mark mehr, zwei .Finger 200 – und so weiter. Höchst einfach. Die ganze Hand sind 500 Mark, die Faust aber 1000 Mark. Die Faust kommt nur bei großen Objekten in Frage.“

„Ja – aber wozu das alles ?!“ stammelte Maikold.

„Mann Gottes: um die Verkäufer einzuwickeln! Wenn Sie so tun, als ob eine Sache ein paar hundert Mark mehr wert ist, denken die Leutchen, sie machen nun ein feines Geschäft. – Kurz – der eigentliche [38] Käufer sind Sie. Ich gebe Ihnen gleich nachher die nötigen Zechinen.“

„Aber – das ist doch Betrug!“ stotterte Maikold.

„Nee – das ist – smart!“ lachte Fredi. „Bisher reisten Balzer und ich immer in die Provinz. Er hat nun aber in Berlin genug zu tun –“

Fredi setzte seinen Vortrag fort.

Mit einem Male sprang Maikold auf.

„Specht, da mache ich nicht mit. Das geht mir gegen den Strich … Das – das ist Schwindel, und – und ich will ehrlich werden.“

Specht zog die Augenbrauen hoch.

„Mann, seien Sie kein Frosch! Strafrechtlich ist diese Art Kauf weder Betrug noch sonst was. – Wie wollen Sie sich wohl anders ernähren, he?! Arbeiten?! Ja – wie und wo?!“

Maikold war vor Fredi stehen geblieben.

„Ein – ein tönender Sumpf,“ sprach er leise vor sich hin …

„Wat reden Sie da? Tönender Sumpf?“ murmelte Fredi. „Ach so – weil’s Musikinstrumente in der Hauptsache sind! Na – ’ne janz hibsche Bezeichnung!“ Er lachte wieder.

Maikolds Stirn lag in Falten. Ihm waren Ellys Worte eingefallen: daß man aus einem Sumpf nicht mit einem Satz herauskäme!

Er seufzte. „Gut – ich will versuchen, meine Rolle leidlich zu spielen.“ –

[39] Um zehn Uhr vormittags machten sie sich auf den Weg. Das erste Opfer war ein pensionierter Rechnungsrat. Das alte Ehepaar war viel zu harmlos, um etwas zu merken. Sie wollten ein Pianino verkaufen, dazu ein paar alte, echt Nürnberger Gläser mit wundervoller Malerei.

Maikold sah, daß Fredi mit zwei Fingern das Kinn streichelte. Das Pianino hätte dann 1800 Mark gekostet. Maikold wollte sein Gewissen beruhigen und bot 300 mehr.

Fredi warf ihm einen wütenden Blick zu. Auch bei den sechs Gläsern schlug Maikold 100 Mark dazu. Mochte Specht nachher auch noch so toben –

In der Nebenstraße trafen sie sich.

„Mann – reitet Sie der Deubel?!“ fauchte Fredi. „Haben Sie denn nicht die Fingerzahl bemerkt?!“

„Bitte – der Rechnungsrat war mißtrauisch,“ sagte Maikold gelassen. „Er beobachtete uns scharf –“

„Blech!“ knurrte Fredi. „Na – schadet nichts. Die sechs Gläser sind ihre 3000 Mark wert. Wir haben daran unsere 2000 verdient. Das Geschäft geht also an –“ –

Maikold legte noch aus eigener Machtvollkommenheit verschiedentlich einige hundert Mark zu. – In anderthalb Tagen hatten die beiden Stadt und Umgegend abgegrast. Dann reiste Specht heim. Maikold mußte nun für den Abtransport der Sachen sorgen. Es handelte sich um zwei Pianinos und einige dreißig andere Gegenstände …

[40] Die Pianinos gingen als Frachtgut an einen Berliner Spediteur, mit dem die Firma zusammenarbeitete. Alles andere wurde in Kisten verpackt und an Irina Weiß geschickt. In den Quittungen über die Pianinos war nichts von der Steuer gesagt. Mithin mußten die Verkäufer sie tragen. Sobald ein Verkäufer die Frage nach der Steuer anschnitt, verzichtete Specht auf das Geschäft.

Am Mittwoch abend traf Maikold wieder in Berlin ein. Er hatte der Firma telephonisch mitgeteilt, daß er um neun Uhr auf dem Stettiner Bahnhof anlange.

Und – wer stand auf dem Bahnsteig?

Elly!

Maikold streckte ihr freudig die Hand hin.

„Das ist nett von Ihnen, Fräulein Elly!“

Auch ihre Augen leuchteten, aber sie sagte nur:

„Sie haben ja keinen Hausschlüssel. Sie wären also gar nicht hineingekommen.“

Das ernüchterte Maikold etwas. Trotzdem: wieder fühlte er jetzt, wie nahe ihm Elly bereits stand. Und in seinem Herzen quoll auch wieder jene weiche Zärtlichkeit auf, die sich aus Dankbarkeit und dem Bewußtsein zusammensetzte, hier einen Menschen gefunden zu haben, der es gut mit ihm meinte –

Dann saßen sie am Sofatisch und aßen Abendbrot. Bisher war über den Verlauf der Geschäftsreise kein Wort gefallen.

Dann sagte Elly ganz unvermittelt:

„Nun kennen Sie den tönenden Sumpf, Herr von [41] Maikold. – Specht hat uns erzählt, daß Sie diesen Ausdruck erfunden haben. Balzer fand ihn sehr bezeichnend.“

Hektor legte Messer und Gabel hin.

„Fräulein Elly, lange mache ich da nicht mehr mit,“ meinte er ernst. „Es ist und bleibt Betrug.“

Sie zuckte die Achseln.

„Diese Art von Betrug ist noch harmlos, glauben Sie mir – für heutige Verhältnisse!“

„Aber –man schädigt doch die Verkäufer. Wenn ich nur an die sechs antiken Gläser denke! Tausend Mark haben wir bezahlt, und 2000 verdienen wir daran, meinte Specht.“

„2000?! – Da sind Sie im Irrtum. Wenn Fredi 2000 sagt, sind es mindestens 5000. Sie ahnen nicht, was das Geschäft abwirft! Wie hätte ich mir sonst wohl schon einige dreißigtausend Mark sparen können.“

Maikold setzte die Teetasse wieder hin.

„Dreißigtausend –“ stotterte er.

„Essen Sie doch,“ sagte sie ernst. „Sie müssen sich das Wundern abgewöhnen. An jedem Pianino verdient die Firma mindestens 3000 Mark. Und an Kunstgegenständen oft geradezu enorm. Eine Briefmarkensammlung brachte im vorigen Monat 25 000 Mark Überschuß.“

„Und – alles geht ins Ausland?“ fragte Maikold kopfschüttelnd.

[42] „Alles … Es wird verschoben – unverzollt. Das ist das Gefährliche dabei.“

„Also Schiebergeschäfte –“

„Ganz recht. Nichts anderes –!“

„Sumpf – Sumpf!“ murmelte Maikold und seufzte.

„Aus dem wir herausmüssen – Und bald! Einmal kommt ja doch der große Krach. Das kann nicht ausbleiben. Und dann wären wir die Leidtragenden. Balzer und Specht haben längst ein Vermögen ins Ausland geschafft.“

Maikold schob den Teller zurück.

„Mir bleibt der Bissen in der Kehle stecken,“ meinte er. „Womöglich wieder – wieder verurteilt werden – wegen Beihilfe, wieder die süßliche Gefängnisluft atmen! Nein – nein, nur das nicht!“

Elly hatte seine Hand ergriffen.

„Herr von Maikold, ich sagte schon einmal: Nichts übereilen! – Ich habe mir bereits ein festes Programm gemacht. Sobald ich vierzigtausend Mark beisammen habe, verschwinde ich von hier und kaufe mir in einem kleineren Ostseebade ein bescheidenes Fremdenheim. Kochen kann ich, und ich scheue mich vor keiner Arbeit.“

Hektor Maikold streichelte ihre Hand.

„Sie sind gut, Elly, und Sie wissen, was Sie wollen –“

Sie war flammend rot geworden, entzog ihm hastig ihre Hand und sagte leicht verwirrt:

„Übrigens habe ich Fredi den Gepäckaufbewahrungsschein [43] heimlich wieder weggenommen, Herr von Maikold. Er hat die Sache längst vergessen –“

Maikold biß sich auf die Lippen. – Richtig – die Handtasche, die er – gestohlen hatte!

„Ich habe die Tasche geholt,“ fuhr Elly fort. „Es ist gut, daß ich Specht den Zettel aus der Brieftasche nahm. Vielleicht wird Ihnen diese Handtasche zu einem neuen Leben verhelfen.“

„Wie das?“ meinte Hektor ungläubig.

„Essen Sie erst tüchtig. Vorher sage ich nichts. Bitte – Sie werden doch meinen Fischsalat nicht zurückweisen!“

Maikold nickte ihr herzlich zu.

„Sie liebes Hausmütterchen –!“ flüsterte er.

Elly füllte ihm die Teetasse. Sie war wieder verlegen geworden –

Nachher räumte sie den Tisch ab, stellte Zigaretten hin und holte aus ihrem Schlafzimmer eine elegante lederne Handtasche.

„Hier ist sie, Herr von Maikold. Diese Papiere sind äußerst wichtig. Es sind – chemische Rezepte einer großen Fabrik, deren Inhaber der Kommerzienrat Fackelstein ist. Wären sie Specht in die Hände geraten, hätte er fraglos Kapital daraus geschlagen und sie an eine Konkurrenzfirma verkauft.“

Maikold blätterte in den Papieren.

„Ich weiß nur nicht recht, inwiefern mir –“

Elly unterbrach ihn schon. „Wenn Sie meinen [44] Rat befolgen, werden Sie Vorteil davon haben. Freilich – es gehört Selbstüberwindung dazu.“

„Bitte, sprechen Sie –“ meinte Hektor eifrig. „Ich tue alles, was Sie wollen.“

„Wollen?! – Ich gebe Ihnen nur einen Rat.“ – Sie schaute in den Schoß. Ihre Hände spielten nervös an dem Schloß der Tasche.

„Einen Rat, der mit dieser Annonce zusammenhängt,“ fuhr sie fort und faltete ein Blättchen auseinander, das sie in der Handfläche verborgen gehabt hatte.

Maikold nahm den Zeitungsausschnitt und las:

10 000 Mark Belohnung.

Der Herr, der versehentlich am 20. März d. J. auf dem Stettiner Bahnhof eine dunkelbraune Handtasche an sich nahm, wird gebeten, sie Kurfürstendamm 508, 1 Treppe, abzugeben. Verschwiegenheit ehrenwörtlich, ebenso wie 10 000 Mark zugesichert, falls die Handtasche mit den Papieren unversehrt abgeliefert wird.

„Diese Anzeige,“ erklärte Elly, „ist gleichlautend in den letzten Tagen in allen Berliner Zeitungen erschienen. Ein Glück, daß Fredi Specht nicht darauf aufmerksam wurde.“

[45] „Und Ihr Rat?“ fragte Maikold schnell.

Elly zögerte etwas. Wieder spielte sie mit dem Schloß der Tasche und seufzte.

Maikold begriff sie nicht. – Was hatte sie nur?! Weshalb wurde es ihr so schwer, ihm mitzuteilen, was sie zu seinem Nutzen für am besten hielt?!

Da begann sie schon, erst leise und unsicher, dann bestimmter –

Plötzlich stand sie auf und ging zum Fenster, sagte nun zum Schluß:

„Dann – dann wäre es vielleicht doch möglich, daß Sie mit einem Satz dem tönenden Sumpf entrinnen –! – Überlegen Sie es sich. Ich glaube bestimmt, daß der Kommerzienrat aus Dankbarkeit Ihre Bitte erfüllt.“

Hektor Maikold war mit einem Male so frei, so leicht zu Mute. – Ja – er würde Ellys Rat befolgen – selbst auf die Gefahr hin, daß die Anzeige eine Falle wäre.

Er eilte Elly nach zum Fenster.

Hier war es halbdunkel. Elly blickte in den quadratischen Hof hinab.

„Fräulein Elly,“ sagte er impulsiv, „Sie sind mein guter Engel.“ – Er nahm ihre Hände und zwang sie, daß sie sich umdrehen mußte.

„Ich werde gleich morgen früh zu Fackelstein gehen, Fräulein Elly. Ach – nur heraus aus dem Sumpf [46] – bald, recht bald, – weg von hier und das neue Leben beginnen – meinetwegen als Landarbeiter –!“

Ihre Hände waren eisig kalt. Er spürte es ganz plötzlich. Und wie ein Beben lief es nun über ihre Gestalt hin.

„Elly, – was fehlt Ihnen Ihnen?“ fragte er besorgt und zog sie näher zum Tische hin. „Sind Sie krank, Elly?“

Das matte Licht der Lampe ließ ihn ihr Gesicht nur undeutlich erkennen.

„Etwas abgespannt bin ich, nichts weiter,“ sagte sie matt und machte sich von ihm los. „Ich werde schlafen gehen. Auch Sie sind sicherlich müde –“

Sie ging und verschwand in ihrem Zimmer.

Maikold starrte ihr nach.

„Was hat sie nur?“ dachte er. „Sie ist so verändert –“

Er setzte sich und rauchte eine Zigarette.

Dann kam sie zurück und machte ihm das Nachtlager auf dem Diwan zurecht.

„Fräulein Elly,“ meinte er liebevoll, „habe ich Sie irgendwie gekränkt?“

Sie strich gerade das Laken glatt. Er lehnte am Tische hinter ihr.

„Sie haben mich nicht gekränkt,“ erwiderte sie, richtete sich auf und legte die Steppdecke zurecht. „Sie [47] müssen nicht vergessen, daß ich Weib bin, Herr von Maikold. Wir Frauen haben das Vorrecht, unter Stimmungen leiden zu dürfen.“

„Gibt es grundlose Stimmungswechsel, Elly!“ Das klang wie ein Vorwurf. „Sie weichen mir aus. Ich denke, wir sind Kameraden. Und zwischen Kameraden muß Offenheit herrschen.“

Er war näher getreten. Sie hatte sich langsam umgewandt.

Wie sie so mit schlaff herabhängenden Armen vor ihm stand, hatte sie etwas Rührend-Hilfloses an sich.

Hektor Maikold nahm ihre Hände und drückte sie fast überstark. Mit einem Male war ein heißes Begehren in ihm lebendig geworden.

Er dachte an die erste Nacht, an den Kuß, den er geträumt zu haben glaubte, und an den Duft, der ihn umschwebt hatte –

„Elly,“ flüsterte er heiß, „Elly – sollen wir nur Kameraden sein?! Sind wir beide nicht wie steuerlos auf der Sturmsee des Lebens treibende Schiffe uns begegnet?! Das Schicksal führte uns zusammen, und –“

Er hatte sie langsam an sich gezogen. Sie sträubte sich nicht. Sie lag an seiner Brust, – willenlos, ganz Hingabe, den Kopf gesenkt.

Sein rechter Arm umschlang sie. Die Stimme versagte ihm vor dem nervenaufpeitschenden Wünschen.

„Nicht – nicht doch,“ rief sie angstvoll. „Schonen [48] Sie mich – Nein, nein, – ich will nicht –!“ Ihre Stimme hatte immer mehr Kraft bekommen. Sie drängte ihn plötzlich von sich –

„Nein!“ rief sie lauter. „Nein – auch das ist ein Sumpf! Und – auch ich will auf festes Land –!“

Sie riß sich los, entfloh.

Die Tür des Schlafzimmers flog zu; der Riegel schnappte –

Hektar Maikold fühlte sich tief beschämt.

War das sein Dank für ihre schwesterliche Sorge, für ihre liebevolle Güte?! Hatte er sie nicht soeben wie eine Dirne behandelt?! Hatte er ihr nicht recht unverblümt angedeutet, wie er das Verhältnis zwischen ihnen beiden umgestalten wollte?!

Er war unzufrieden mit sich. Mehr noch: er belegte sich selbst mit Bezeichnungen, die er doch nicht ganz verdiente. Er nannte sich roh, unfein, brutal. Und er war doch nur ein Sklave seiner Sinne für Minuten geworden. Wer konnte ihm das verargen, wo er mit einem jungen, reizvollen Weibe jetzt unter einem Dache, Zimmer an Zimmer lebte?! –

Nach einer Weile pochte er an die Tür und rief:

„Fräulein Elly, – bitte, bitte, kommen Sie nur für Sekunden her. Ich möchte nur um Verzeihung bitten –“

Er erhielt keine Antwort.

Nochmals bat er. Und als Elly sich auch jetzt nicht meldete, rief er:

[49] „Dann zwingen Sie mich dazu, mir morgen ein anderes Zimmer zu suchen. – Gute Nacht, Elly. Sie sind jetzt sehr hart zu mir.“

Nach einer Weile hörte er drüben im Schlafzimmer ein paar verschwommene Geräusche. Doch er mochte nicht nochmals umsonst bitten und legte sich nieder.

Der Schlaf floh ihn. – Er sah immer deutlicher ein, daß er Elly heute verletzt hatte, als er ohne irgendein Wort von Liebe sie an sich gezogen hatte.

Liebe –?! – Liebte er sie denn? War’s nicht lediglich ein Augenblicksbegehren gewesen? – Er prüfte seine Gefühle; er rief sich alles das ins Gedächtnis zurück, was Elly und ihn durch gemeinsame, noch so frische Erinnerungen verband.

Er wurde sich nicht klar über seine Empfindungen. – Sie galt ihm mehr als Kameradin, denn als Weib, glaubte er. Und weil er diese Überzeugung sich selbst einredete, war er froh, daß Elly diesem Abend das Gefährliche genommen hatte, indem sie sich ihm entzog.

Morgen, sagte er sich, morgen wirst Du sie schon versöhnen –

Und so schlief er denn mit der frohen Gewißheit ein, daß er seine treusorgende Kameradin nicht verlieren würde.




[50]
Fünftes Kapitel.
Fackelstein.

Kurz nach halb acht Uhr morgens wurde er munter.

Er fand in der Küche das Frühstück bereitgestellt. Elly war nicht mehr da.

Dies beunruhigte ihn zunächst. Dann erinnerte er sich, daß sie ihn im Geschäft für den Vormittag hatte entschuldigen wollen. Was er Balzer und Specht an geschäftlichen Dingen mitzuteilen hatte, wollte Elly ja ebenfalls erledigen, zumal nichts Wichtiges vorlag –

Gegen neun Uhr läutete er dann an der Flurtür [51] des Kommerzienrats Fackelstein. Die Handtasche hatte er, in Packpapier eingeschlagen, bei sich.

Ein Diener öffnete und musterte ihn sehr kritisch.

„Melden Sie mich dem Herrn Kommerzienrat in einer ebenso dringenden wie wichtigen Angelegenheit,“ sagte er kurz. „Mein Name ist Hektor von Maikold.“

Der Diener führte ihn in ein geschmackvoll eingerichtetes Herrenzimmer.

Gleich darauf bewegte sich die Portiere nach dem Nebenraum und ein kleiner, magerer Herr mit einer Hornbrille auf der starken Nase trat ein.

Die kühlen Augen des bekannten Großindustriellen flogen taxierend über Maikold hin.

„Fackelstein,“ sagte er, sich vorstellend. „Behalten Sie Platz.“

Seine Blicke hafteten nun auf der eingehüllten Handtasche.

„Herr Kommerzienrat,“ begann Maikold, „Sie müssen mir gestatten, Ihnen kurz einiges über meinen bisherigen Lebensgang zu erzählen.“

Er beschönigte nichts. Er sprach von seinen Schulden, seinem Leichtsinn, von der Zeit als Falschspieler und seiner Gefängnisstrafe. Dann schilderte er seine Seelenstimmung an jenem Tage, als er einem Herrn am Schalter des Stettiner Bahnhofs aus Hunger die Handtasche stahl.

Herr Fackelstein hatte bisher keine Zwischenbemerkung gemacht. Als Maikold ihm jetzt die Handtasche [52] reichte und dazu sagte: „Es fehlt nur der Revolver, Herr Kommerzienrat[1],“ da griff Fackelstein sichtlich erfreut nach den wertvollen Papieren, blätterte sie durch und meinte:

„Wenn Sie mir Ihre Lebensschicksale vorher nicht mit so großer Offenheit erzählt hätten, dann würde ich sehr wahrscheinlich den Argwohn gehegt haben, Sie könnten diese chemischen Rezepte abgeschrieben und den Versuch gemacht haben, doppelten Gewinn aus dieser Handtasche zu ziehen, indem Sie sich von mir die Belohnung holten und die Rezepte nebenbei noch weiterverkauften. So aber glaube ich Ihnen, daß Sie den ehrlichen Willen haben, ein ehrlicher Mensch zu werden. – Ich werde Ihnen die 10 000 Mark sofort geben.“

„Verzeihung – ich nehme sie nicht,“ sagte Maikold rasch. „Herr Kommerzienrat, mit dem Gelde ist mir nicht geholfen. Wenn Sie etwas für mich tun wollen, dann verschaffen Sie mir irgendeine Stellung. Ich bin mit der bescheidensten zufrieden. Am liebsten würde ich auf dem Lande arbeiten. Ich möchte weg von Berlin.“

Fackelstein schaute Maikold lange an. Dann nickte er –

„Gut, gut, Herr von Maikold. Sie sollen nicht umsonst gebeten haben. Ich besitze in Heringsdorf eine Villa mit einem großen Park. Dahinter liegen noch anderthalb Morgen Ackerland. Mein bisheriger Verwalter dort ist seit Wochen krank und bat mich letztens [53] um seine Entlassung. Er will den Rest seiner Tage mit seiner Frau bei seiner verheirateten Tochter zubringen. Sie können die Stelle sofort antreten. Ich werde Ihnen ein Schreiben für den alten Wiechert mitgeben. Dessen Frau ist noch recht rüstig und wird Ihnen alles Nötige mitteilen. Hinten im Park steht noch ein kleineres Haus. Dort wohnen die Wiecherts, und dort sollen Sie, wenn Sie wollen, ein behagliches Heim finden.“

„Ob ich will?!“ rief Maikold. „Herr Kommerzienrat, Sie sollen es nie bereuen, daß Sie mir geholfen haben, aus dem tönenden Sumpf herauszukommen.“

Fackelstein horchte auf.

„Tönender Sumpf –?“ meinte er. „Was bedeutet das?“

Maikold wurde verlegen. „Ich habe jetzt eine Stellung inne,“ sagte er jedoch ohne Zögern, „die mir nicht paßt. Näher möchte ich mich hierüber nicht auslassen. Ich war es, der diesem geschäftlichen Unternehmen die Bezeichnung tönender Sumpf gegeben hat.“

Fackelstein nickte wieder –

„Kann mir denken: Schiebergeschäfte!“

Dann ging er an seinen Schreibtisch. Er setzte einen Vertrag auf, den Maikold unterzeichnete, schrieb auch einen Brief an den alten Wiechert. Ebenso händigte er Maikold 500 Mark aus als Gehaltszahlung.

Hektor Maikold war überglücklich.

„Nicht viele Worte –!“ sagte Fackelstein nachher. „Das liebe ich nicht. – Ich hätte ja lieber [54] einen verheirateten Verwalter gehabt. Na – vielleicht finden Sie eine passende Lebensgefährtin –“

Maikold durchzuckte es wie ein Schlag.

Lebensgefährtin! – Elly – nur Elly! Ja – dann war sie wie er heraus aus dem Sumpf.

„Ich weiß schon jemand,“ meinte er froh. „Jemand, der’s verdient, festen Boden unter den Füßen zu haben, Herr Kommerzienrat.“

Jetzt erst erwähnte er Elly Grün, sprach von ihr, ohne die Firma Balzer u. Co. bloßzustellen, sprach mit ehrlicher Begeisterung –

Herr Fackelstein lächelte ganz wenig.

„Gut, gut, – aber – Vorsicht, Herr von Maikold! Vorsicht! Weiber – hm ja – sehen Sie, da ist noch schwerer Spreu vom Weizen zu scheiden als bei Männern – Na – reisen Sie glücklich!“ –

Maikold betrat gegen halb elf Uhr den Laden der Firma, um das Verhältnis zu seinen Chefs sofort zu lösen. Er wußte, daß Specht ihm keine Schwierigkeiten machen würde. Nein, Fredi Specht würde sich fraglos freuen, daß er anderswo untergekommen war. Von der Handtasche wollte er natürlich schweigen und Fackelstein als Bekanntschaft von früher hinstellen –

Im Laden kam ihm ein fremder Herr entgegen. Er bemerkte im Glaskasten noch drei weitere Männer, die dort die Bücher durchsahen.

„Das Geschäft ist polizeilich geschlossen,“ sagte der Herr zu ihm. „Sie sind wohl ein Bekannter der Inhaber?“

[55] Maikold wunderte sich selbst, wie ruhig er blieb.

Er schüttelte den Kopf.

„Nein, ich wollte nur ein paar Grammophonplatten kaufen. Außerdem habe ich auch noch zwei Platten zur Reparatur hier.“

Er log so kaltblütig wie noch nie. Es sollte die letzte derartige Lüge sein. Er sagte sich: Du bleibst im Sumpf stecken, wenn Du jetzt nicht jede Verbindung mit Balzer und Specht ableugnest! –

Der Kriminalbeamte ließ sich täuschen und bat Maikold, der beiden Platten wegen später auf dem Polizeipräsidium vorzusprechen –

Maikold begab sich sofort nach der Lützowstraße. An der Flurtür der Wohnung Ellys war ein Zettel festgeklemmt: „Schlüssel beim Portier.“ –

Der Portier fragte, ob er Herr von Maikold sei. Dann reichte er ihm einen versiegelten Brief.

Im Flur riß Maikold den Umschlag auf. – Elly schrieb:

„In aller Eile! Balzer, Specht und Irma sind verhaftet, heute früh. Ich entging durch einen Zufall dem gleichen Geschick. Ich verlasse Berlin sofort und gebe alles preis, was ich mir erspart hatte – alles! Es heißt also: wieder von vorn anfangen! Aber: ehrlich! – Unsere Wege trennen sich wieder. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Meiden Sie dieses [56] Haus. Die Polizei wird auch nach mir suchen. Von Ihnen dürfte sie nichts erfahren. Sie sind ja auch erst so kurze Zeit bei der Firma. – Gruß – E.“

Maikold steckte den Brief in die Tasche und verließ das Haus.

Verhaftet –! Armer Fredi Specht! Gewiß – ein Schieber, ein allzu smarter Geldverdiener, aber doch ein Mensch, der zuweilen das Herz auf dem rechten Fleck hatte –

Und Elly – Elly?! – Maikold kam sich jetzt vor wie ein Ausgestoßener, wie einer, dem plötzlich alle Freunde dahingestorben sind.

Elly! – Wenn ich sie nur fände, dachte er.

Und er erkannte leider im selben Moment das Aussichtslose des Suchens.

Nein – es hatte keinen Zweck, nach ihr zu forschen.

„Keinen Zweck!“ murmelte er vor sich hin. „Und das Leben überhaupt?! Hat das Leben einen Zweck, wenn man so allein dasteht, wie Du?!“

Er schlenderte nun die Potsdamer Straße hinunter. Alle Freude über diesen Sprung aus dem Sumpf war dahin. Ihn überkam dieselbe lebensmüde, verzweifelte Stimmung, die ihn damals in den Blöden August getrieben hatte. Das Gefühl innerer Leere wurde stärker und stärker. Gleichzeitig wuchs die Sehnsucht nach Elly ins Unermeßliche.

[57] Plötzlich machte er Kehrt. Ihm war ein Gedanke gekommen: Vielleicht wußte der Portier des Hauses in der Lützowstraße, wohin sich Elly begeben hatte.

Gewiß – es war dies nur eine ganz, ganz schwache Hoffnung. Aber – es blieb doch ein Hoffnungsschimmer. – Berliner Portiers sind verschwiegen, sind oft die Vertrauten alleinstehender Mieter der Gartenhäuser. Vielleicht hatte Elly ihren Hauswart ebenfalls in so manches eingeweiht. Schon daß dieser den Brief für Ellys Mieter angenommen hatte, bewies doch eine gewisse Vertraulichkeit zwischen beiden.

Der Portier reinigte gerade den Hof. Als Maikold an ihn herantrat, stützte er sich auf den Besen und kniff das eine Auge zu. Es war ein schon älterer Mann.

„Na – doch wieder hier?!“ meinte er.

Maikold flüsterte hastig: „Ich gebe Ihnen fünfzig Mark, wenn Sie mir sagen, wohin sich Fräulein Elly Grün gewandt hat.“

Der Portier schüttelte den Kopf. „Darf ich nicht Herr, – darf ich nicht. Ich hab’s ihr versprochen.“

Aber zu gleicher Zeit machte er eine Bewegung mit dem Kopf nach dem Gartenhause hin.

Hektor Maikold verstand.

„Nachher meinen Dank –“ rief er leise und schritt[2] der Eingangstür zu.

Oben vor Ellys Flurtür hielt er die Hand über das Guckloch. Dann läutete er.

Drinnen ein ganz leises Geräusch. – Er drückte [58] nochmals auf den Klingelknopf, sagte dazu recht laut mit verstellter Stimme:

„Im Namen des Gesetzes – öffnen Sie!“

Er hörte, wie die Sicherheitskette losgehakt wurde. Dann ging die Tür auf.

Maikold drängte sich durch. Elly hatte wie abwehrend die Hände erhoben. Er schloß die Tür hinter sich ab. – Dann zog er sie in das Wohnzimmer.

„Elly,“ sprudelte er hervor, und er wußte kaum, was er sprach. „Elly – ich liebe Dich! Die Sehnsucht hat mich wieder hierher getrieben. Ich will nicht allein sein, Elly. Ich brauche Dich zum Leben – Ohne Dich gibt es kein Aufwärts –“

Sein strahlendes Gesicht, sein glückliches Lächeln besagten noch mehr als alle Worte.

Sie ruhte nun an seiner Brust, stammelte halb schluchzend:

„Ich wollte mich verhaften lassen. Ich liebte Dich – Ich glaubte nicht, daß Du mich ebenfalls liebst. Du solltest gerettet werden. Daher der Brief –“

„Glaubst Du jetzt, Elly?“ fragte er selig.

„Ja – ja! – Ach, Du weißt ja nicht, welchen Kampf es mich gestern kostete, bevor ich Dir den Vorschlag machte, zu Fackelstein zu gehen. Ich wußte, daß er Dir eine Stelle verschaffen würde – Dann warst Du für mich verloren, dachte ich. Deshalb war ich gestern so verändert, so traurig –“

Er küßte sie. „Elly – der tönende Sumpf liegt hinter uns,“ flüsterte er. „Schnell, packe das Nötigste [59] zusammen. Du begleitest mich nach Heringsdorf. Dort heiraten wir – Elly – und dann die ehrliche Arbeit! Dann kein einziger Blick mehr nach rückwärts!“

Sie hing an seinem Halse. Sie küßte ihn wie eine Verschmachtete –

„Es gibt doch Liebe auf den ersten Blick,“ hauchte sie. „Und diese Liebe war’s bei mir –“

Ihre Küsse waren wie züngelnde Flammen. Hektor Maikold vergaß alles ringsum –

Erst eine Stunde später verließen sie das Haus. Der Portier erhielt seinen Fünfzigmarkschein und schmunzelte vergnügt und verständnisvoll. Wie erhitzt die beiden aussahen –! Ja – ja, die Jugend, – und die Liebe! –

Der Mittagszug entführte zwei Glückliche an den Ostseestrand. In derselben Stunde sagte Fredi Specht beim Verhör zu dem Kommissar:

„Nee, die Elly Grün war nur Angestellte bei uns. Die lassen Sie man in Ruhe. Seien Sie doch zufrieden, daß Sie drei Schieber geklappt haben. – Na – und ville werd’n Sie uns ooch nich anhaben können. Geldstrafe und ’n paar Monate Knast – na wenn schon!“

Elly und Hektor wurden von der Polizei nicht weiter belästigt. Auch Doktor Balzer und Irma schwiegen. Es gibt eben Korpsgeist in der Schiebergilde –

Fackelstein schenkte dem jungen Paare zur Hochzeit ein wunderhübsches, modernes Schlafzimmer und schrieb [60] dazu den bekannten Vers aus „Hermann und Dorothea“:

„Auf daß die Nacht Euch werde die schönere Hälfte des Tages –“

Im Verwalterhause der Villa in Heringsdorf wohnt das Glück, wohnt die Liebe und die Zufriedenheit. Zwei Gescheiterte haben sich zurückgefunden auf den schmalen, oft beschwerlichen und doch einzig und allein glückverheißenden Weg der ehrlichen Arbeit.




[I]

Wie benehme ich mich?


Ein allgemein verständliches, übersichtliches

Nachschlagewerk über alle Fragen des guten

Tones, ein den modernen Verhältnissen

angepaßtes Lehrbuch für jedermann,

der sich in jeder Gesellschaft

sicher bewegen möchte

Von W. v. Neuhof


Inhaltsangabe. Vorwort. Über die Notwendigkeit eines sicheren gesellschaftlichen Benehmens. 1. Wie soll ich persönlich auftreten? a) Kleidung. Schmuck. Körperpflege. b) Unser Heim. c) Mein Wesen. – Zu Hause. In der Öffentlichkeit. Im Berufsleben. 2. Geselligkeit. a) Allgemeine Anstandsregeln. b) Besuche. Gesellschaften. Bälle. c) Hochzeiten. Geschenke. Tischreden. d) Familienverkehr. e) Trauerfälle. f) Speisenfolge. Weine. g) Unsere Kinder und unser Verkehr. 3. Die Kunst ein angenehmer Gast zu sein, eine Unterhaltung zu führen und zur Unterhaltung beizutragen. 4. Wie schreibe ich Briefe? 5. Einige Winke über richtiges und gutes Deutsch. 6. Mädchen, die man heiratet, und Männer, die man heiratet. Schluß. Über Leute, die jedem auf die Nerven fallen.

Verlag moderner Lektüre G.m.b.H.


[II]
Gelbsternbücher

Die ganz ausgezeichneten, erstklassigen Romane der Gelbstern-Serie haben in kurzer Zeit eine enorme Verbreitung gefunden, wozu auch die wirklich vornehme Ausstattung viel beigetragen hat. Jeder Band ist etwa 200 Seiten stark. In jedem Monat erscheint ein neuer Band. Bisher sind erschienen:

1. Die Lahore Vase. (Kriminalroman von W. Kabel). – 2. Der hüpfende Teufel. (Kriminalroman von W. Kabel). – 3. Der Tempel der Liebe. (Kriminalroman von W. Kabel). – 4. Das Haus am Mühlengraben. (Kriminalroman von W. Kabel). – 5. Der Mutter Name. (Familienroman von O. Elster). – 6. Komm an mein Herz. (Liebesroman von G. von Hohenfels). – 7. Eine Geldheirat. (Liebesroman von Hans Reis). – 8. Die Brettldiva. (Liebesroman von R. Ortmann). – 9. Rittergut Tressin. (Liebesroman von R. Misch). – 10. Ich liebe Dich. (Liebesroman von Guido Kreutzer). – 11. Das Gift des Vergessens. (Kriminalroman von W. Kabel). – 12. Im Schatten der Schuld. (Kriminalroman v. W. Kabel). – 13. Um Leben und Tod. (Kriminalroman von J. E. Harrison). – 14. Der Universal-Erbe. (Kriminalroman von W. Kabel). – 15. Die Stimme des Blutes. (Kriminalroman von W. Kabel). – 16. Das Haus des Hasses. (Kriminalroman von W. Kabel). – 17. Der grüne Schlüssel. (Kriminalroman von Heinrich Lee). – 18. Der Mann im Sessel. (Kriminalroman von W. Kabel). – 19. Der Fall Ahrweiler. (Kriminalroman von F. Arnefeld). – 20. Die blaue Königin. (Kriminalroman von W. Kabel).


[III]

Männe und Max

Lustige Bubenstreiche

01. Streich: Onkel Adolars Geburtstag.
02. Streich: Schornsteinfeger Krause.
03. Streich: Das Gespenst.
04. Streich: Der Gang zum Photographen.
05. Streich: Der Schweinestall.
06. Streich: Köchin Lene[3].
07. Streich: Räuber Trald.
08. Streich: Die Kindtauffeier.
09. Streich: Die Reise nach Berlin.
10. Streich: Knödelmeyers neue Köchin.
11. Streich: Eine Kremserfahrt.
12. Streich: Der Ritt nach Afrika.
13. Streich: Kohn, der Papagei.
14. Streich: Der Flohzirkus.
15. Streich: Daniel in der Löwengrube.
16. Streich: Der tote Puterhahn.


[IV]

Moderne

Kriminal-Bücher

Eine Sammlung wirklich guter und spannender Kriminalromane. Jeder Band ist 96 Seiten stark und hat ein dreifarbiges Titelbild.

Bisher sind folgende Bände erschienen bezw. sind in Vorbereitung:

1. Die rote Locke. – 2. Das graue Gespenst. – 3. Der Ring. – 4. Das Katzen-Palais. – 5. Der Fall Winternitz. – 6. Die bunte Krawatte. – 7. Das wandernde Licht. – 8. Das Bild mit den Glasaugen. – 9. Polize 24. – 10. Der Millionen-Erbe. – 11. Der Diamant-Schmetterling. – 12. Um hohen Preis. – 13. Haus Willfried. – 14. Das Geheimnis eines Lebens. – 15. Die Spionin (Doppelband). – 16. Der dritte Schuß (Doppelband). – 17. Kurfürsten-Damm 304. – 18. Der Halbmond. – 19 Strafsache Kraßnik. – 20. Die einsame Kiefer. – 21. Götterstimmen. – 22. Ein seltsamer Fall. – 23. Der Ring der Borgia. – 24. Auf falscher Fährte. – 25. Der Brandstifter. – 26. Der Tod der Schlange. – 27. Zu fein gesponnen. – 28. Im Berlin-Palermo-Expreß. – 29. Der blaue Diamant. – 30. Der Mord im maurischen Pavillon. – 31. Ophir. – 32. Falsches Geld.



Errata (Wikisource)

  1. Vorlage: Kommerzierat
  2. Vorlage: schrittt
  3. Vorlage: Line