BLKÖ:Veith, Johann Emanuel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 50 (1884), ab Seite: 81. (Quelle) | |||
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mir Loewe’s Arbeit nicht fremd, halte ich mich doch an die Angaben J. v. Hoffinger’s. Mit diesem mir unvergeßlichen, zu früh hingestorbenen Freunde sprach ich oft über Veith, der mir und ihm eine Quelle psychologischer Studien in ihrer Art einzig darbot.] Nach dem Willen seines Vaters, eines jüdischen Tabakverlegers in Kuttenplan, sollte Veith durchaus Rabbiner werden. Er mußte daher, kaum daß er lesen konnte, sich an das Memoriren des Talmud machen. Stockte er im Recitiren seiner Aufgabe, so wurde er erbarmungslos tagelang ohne Nahrung in eine Kammer gesperrt. Von daher datirt die nicht zu befriedigende Lese- und Lernlust Veith’s. Der kleine Sträfling kletterte nämlich in seiner Langweite über den Verschlag, der die Kammer, welche als Gefängniß diente, abtheilte, und fand jenseits einen Haufen von Büchern aller Art, darunter Voltaire, die Encyklopädisten und auch manche echte Perle, wie die Schriften Goethe’s, und das Alles wurde ohne Wahl und mit Gier gelesen. Als der Knabe nach beendeter Volksschule bat, das Gymnasium besuchen zu dürfen, lehnte der Vater entschieden ab, theils weil ihm die Mittel fehlten, theils aus orthodoxer Einseitigkeit, und so ließ er den Jungen, der sich seine Absicht zu studiren nicht ausreden lassen wollte, ohne alle Unterstützung von dannen ziehen. Veith hatte schon als Knabe ungewöhnliche Fähigkeiten an den Tag gelegt und in Klattau bereits mit acht Jahren ein Theaterstück geschrieben, welches auch in einem kleinen Kreise aufgeführt wurde. Als er nun, auf sich selbst gestellt, das Vaterhaus verließ, begab er sich, nachdem er gehört, daß Goethe, damals sein Ideal, eben in Karlsbad sei, ohne des bedeutenden Umweges zu achten, erst über diesen Curort nach seinem eigentlichen Reiseziele Pilsen, um daselbst das Gymnasium zu besuchen. Unter mancherlei Entbehrungen, von Stundengeben in kargster Weise sein Leben fristend, legte er einen Theil der Gymnasialstudien zurück. Um das Gymnasium zu beenden, begab er sich 1801 nach Prag, woselbst er auch 1807 zur Befriedigung seines Dranges nach den Naturwissenschaften den medicinischen Studien sich widmete, aber von den dortigen Lehrkräften in dieser Wissenschaft nicht befriedigt, wendete er sich 1809 nach Wien. Daselbst nahmen zwei seltene Männer sich des mittellosen, aber talentvollen Jünglings an, der berühmte Componist Johann Nep. Hummel [Bd. IX, S. 419] und der damalige Professor der praktischen Chirurgie Vincenz Kern [Bd. XI, S. 187]. Letzterer leitete in jener kriegerischen Zeit das Militärspital in Wien, und der Studiosus Veith stand ihm hilfreich zur Seite. Damals, so erzählte Veith selbst, sah und hörte er bei der großen Parade im Schönbrunner [82] Schloßhofe, bei welcher es ihm, da er klein und schmächtig war, bis in die vordersten Reihen der Zuschauer sich hindurchzudrücken gelang, den im Zenith seines Glanzes stehenden Kaiser Napoleon in nächster Nähe, und noch in seinen späten Lebensjahren bemerkte Veith, wenn er dieses Ereignisses gedachte, daß ihn der herzlose Blick des Imperators durchschauert habe und ihm nie aus der Erinnerung gewichen sei. Am 27. November 1812 erlangte Veith die medicinische Doctorwürde; seinen Rigorosen wohnte der bekannte Staatsrath und kaiserliche Leibarzt Freiherr von Stifft [Bd. XXXIX, S. 9] bei. Zu jener Zeit fand auf dessen Veranlassung die Reorganisation des Thierarzenei-Institutes statt, welches bis dahin dem Hofkriegsrathe unterstand und unter der Soldatenwirthschaft ganz herabgekommen war. Ob nun Stifft, welcher diese Anstalt der Leitung der Studienhofcommission unterstellte, die ungewöhnliche Begabung des Rigorosanten mit gewohntem Scharfblicke erkennend, bei der Prüfung den Ausruf gethan: „Da haben wir hier unseren neuen Institutsdirector“, das wollen wir dahin gestellt sein lassen. Thatsache ist es, daß er den jungen Arzt nicht mehr aus den Augen verlor und am 21. November 1816 dem damals Dreißigjährigen die provisorische Leitung des reorganisirten Institutes übertrug, an welchem derselbe seit 1813 als Correpetitor fungirte. Am 31. Juli 1819 wurde Veith wirklicher Director. Er war eine Zeit lang nicht blos die Seele der Anstalt, sondern es concentrirte sich in ihm Alles: Leitung und Ausführung; er war Director, Verwalter, Professor und hatte nach allen Seiten die furchtbarsten Schwierigkeiten mit dem alten Schlendrian, da ja bei den Reformen sich nicht zugleich die alten Kräfte beseitigen ließen, zu überwinden. Nach Hoffinger wäre Stifft mit dem neuen Director so zufrieden gewesen, daß er weiter kein Gewicht darauf gelegt habe, als er Veith dem von ihm verpönten homöopathischen System mit aller Entschiedenheit sich zuneigen sah. (Ich glaube, dieser Ansicht Hoffinger’s entgegentreten zu müssen, da Veith erst 1823, im Jahre seines Austrittes aus dem Institute der Homöopathie sich zuwandte.) Bei der erfolgreichen Wirksamkeit unseres Gelehrten sowohl auf wissenschaftlichem Gebiete, denn damals erschienen seine in Fachkreisen geschätzten Werke über Pathologie (1814), Medicinialpflanzen (1815), Thierarzeneikunde (1817) [die bibliographischen Titel seiner sämmtlichen Werke folgen auf Seite 87], sowie als praktischer Arzt, der sich bald einer starken Clientel erfreute, und endlich als Leiter einer Anstalt, die unter seiner starken Hand sich allmälig trefflich entfaltete, wuchs sein Ruf in kürzester Zeit und wurde sein Name in Fachkreisen in anerkennendster Weise genannt. Nicht geringes Erstaunen rief daher die Nachricht hervor, daß Veith, der im Jahre 1816 zum Christenthume übergetreten – der Professor der Zoologie Franz Ritter von Scherer und der Professor der Pathologie, der berühmte Karl Philipp Hartmann [Bd. VIII, S. 11] waren seine Taufpathen – allen Aemtern und Würden entsagen und in den von Clemens Hoffbauer [Bd. IX, S. 154] gestifteten Redemptoristenorden eintreten wolle. Und das geschah auch im Jahre 1821. Indeß gelangte Veith nicht gerade plötzlich zu seinem Entschlusse. Es waren vielmehr die Vorboten einer so ernstlichen Wandlung mit der Zeit immer bestimmter vorangegangen. Die innere Geschichte [83] seiner Conversion ist nicht bekannt; er selbst bemerkte wiederholt: „Ich habe mich einundzwanzig Jahre lang mühsam durchs alte Testament ins neue arbeiten müssen“. In seinem Berichte über Clemens Maria Hoffbauer – man vergleiche dessen Lebensbild (S. 268) von Sebastian Brunner – befindet sich noch die Notiz: „Ueber die Art und Weise, wie ich zur Bekanntschaft des seltenen Mannes gelangte, bin ich nimmer im Klaren. Ich weiß nur, daß früher schon, ohne mein Hinzuthun, eine entschiedene Wendung zum positiven Glauben in mir vorgegangen war; es ist jedoch meine Sache nicht, von subjectiven Erlebnissen zu reden“. Jedenfalls übte Hoffbauer, als sich Beide einmal kannten, viel Einfluß auf ihn, und war er nicht blos der eigentliche Veranlasser, daß Veith in den Orden trat, sondern vielleicht noch mehr, der Wegweiser auf die Bahn, auf welcher dieser später so großartige Erfolge erreichte. „Hoffbauer empfand sehr tief, daß die Neuzeit neuer Form der Heilspredigt bedürfe; oft, sehr oft, ja fast alltäglich vernahm ich – so schreibt Veith – von ihm die feierlich und nachdrücklich ausgesprochenen Worte: „„Das Evangelium muß ganz neu gepredigt werden““. Daß Hoffbauer, dieser merkwürdige Menschenkenner, der Allen, die mit ihm verkehrten, bis in die Seele blickte, gerade Veith dazu berufen fand, davon erzählt dieser in seiner Bescheidenheit selbst nichts, aber er hatte seinen Meister begriffen und war entschlossen, ihm zu folgen. 1851 – er stand damals im 63. Jahre – berichtet eine im Ganzen nicht unglaubwürdige Quelle den Hergang dieses gewagten Schrittes in folgender Weise: „Veith war Director des Thierarzenei-Institutes. Er wollte sich eben verehelichen. Eines Tages überraschte ihn die Braut, als seine beiden Brüder aus Böhmen, zwei schlichte Handelsjuden, bei ihm zu Besuche waren. Als sie nach deren Weggange ihre Verwunderung über solche Gaste ausdrückte und nun erfuhr, daß sie künftig deren Schwägerin sein werde, wollte sie ihm das Versprechen abfordern, daß er nach der Heirat jede Verbindung mit seinen Verwandten abbreche. Dazu mochte sich ein Charakter, wie Veith ihn besaß, denn doch nicht verstehen, und nach reiflichem Ueberlegen gelangte er zum Entschlusse, ehelos zu bleiben, denn bei solcher Gesinnung seiner Braut gegen die Juden befürchtete er auch für sich manche kränkenden Anspielungen; anderseits wieder liebte er zu sehr, um die leer gewordene Stelle in seinem Herzen durch eine neue Wahl auszufüllen. Um nun seinem Vorsatze desto sicherer treu zu bleiben, beschloß er, in den geistlichen Stand zu treten, und da er als geborener Jude nur Mönch werden konnte, überdies auch nur in den niedersten Orden Aufnahme finden durfte, so pilgerte er als Capuciner nach Rom. Dort wurde Papst Pius VII. auf Veith’s Predigertalent aufmerksam, begünstigte ihn mehrfach und gestattete ihm auch den Eintritt in den Redemptoristenorden, in welchem unser Gelehrter alsbald durch seine geistliche Thätigkeit so hervorragte, daß seine Mitbrüder ihn einstimmig zum Prior wählten“. So lautet die oben erwähnte Tradition, die nur Eines gegen sich hat, nämlich: daß Veith nie in Rom gewesen, alles Uebrige kann geschehen sein. Er selbst, der davon Kenntniß haben mußte, da sie gedruckt zu lesen war, widersprach derselben nicht. Freilich lag es in seiner Art, sich selbst nie zum Gegenstande einer Discussion, welcher Art diese auch sein mochte, zu machen. [84] Abweichend von dem eben erzählten, lauten bezüglich seines Uebertrittes andere Berichte. Nach diesen hätte man seinem Vorhaben, vom Amte zurückzutreten, allerlei Schwierigkeiten entgegengesetzt, da man eine Kraft, die man in ihrer ganzen Tüchtigkeit kennen und schätzen gelernt, nicht leicht missen wollte und auch nicht so leicht ersetzen konnte. Veith hatte dies vorausgesehen, und um nicht Zeit zu verlieren, bereits als Director seines Institutes vom October 1817 an die theologischen Vorlesungen an der Wiener Universität besucht. Endlich aber gab man seinem Drängen nach, er erhielt am 8. September 1820 die erbetene Entlassung, und nun zog er zu den Franciscanern. Im Kloster beendete er die Theologie, erlangte am 26. August 1821 die Priesterweihe und trat am 17. September in den Redemptoristenorden. Daselbst erkannte man, welche Kraft man gewonnen, und beschloß; da Hoffbauer bereits 1820 gestorben war, dieselbe zu verwerthen. Man strengte den neuen, besonders als Beichtvater und Prediger ebenso rasch wie früher als Arzt berühmt gewordenen Mitbruder auf das äußerste an. Dies und die bald zu Tage getretene Verschiedenheit der Ansichten, die Abneigung, welche ihn gegen den Syllogismus der wieder aufgewärmten und gerade von den Redemptoristen wie von dem verwandten Orden der Jesuiten als mustergiltig erklärten Scholastik durchdrang, veranlaßte ihn, aus dem Orden auszutreten. Dieses Vorhaben führte er unter Mithilfe des Hauses Kinsky zu Ostern 1830 aus, er trat in den Weltpriesterstand, wurde am 30. April 1830 Cooperator bei der Pfarrkirche am Hof und wendete sich nun vorherrschend dem Predigtamte zu. In diese Zeit fällt seine Wiederannäherung an den schon aus früheren Jahren ihm bekannten Dr. Anton Günther [Bd. VI, S. 10], welcher 1827 mit seiner Creationstheorie den Versuch gemacht hatte, die Wahrheiten des Christenthums auch in den modernen philosophischen Formen darzuthun. Die Eigenheiten dieser speculativen Theologie – Einiges darüber haben wir im Artikel Günther gesagt – hier darzustellen, ist nicht unsere Aufgabe. Daß Veith, der Naturforscher, sich von einer Lehre angezogen fühlte, welche die Zweiheit von Natur und Geist, sowie deren Wechselverhältniß und im Menschen zu Einem Wesen vollzogene Vereinigung anerkannte, braucht nicht gerade betont zu werden. Anderseits fühlte sich auch Günther, der katholische Philosoph, von dem seltenen Manne um so mehr angeregt, als dieser auch in seinem neuen Berufe durch unablässiges Studium auf der Höhe der Naturwissenschaften sich zu erhalten bestrebte. Innige Freundschaft verband bald die beiden in ihrem Denken zusammenstimmenden Männer und vereinte sie zu ergänzendem Wirken. So betheiligte sich Veith damals an Günther’s philosophischem Jahrbuche „Lydia“. Aber auch Andere fanden sich bald zusammen. Bei Frau von Heß vereinigten sich allwöchentlich ihr Bruder, dann der berühmte Staatsökonom und nachmalige Freiherr Karl Ferdinand Hock [Bd. IX, S. 78], Dr. J. H. Pabst [Bd. XXI, S. 156], der auch den Anfang machte mit der Systematisirung der Günther’schen Philosophie, der Arzt Dr. Glücker und der junge Dr. Löwe, zu einem wissenschaftlich geselligen Kreise, wie ihn das damalige Wien noch nie gesehen und welcher die romantischen Flunkereien der vorhergegangenen Schlegel-Gesellschaften an Ernst und Gehalt weit überflügelte. Am 14. September 1831 [85] erhielt Veith die Stelle des zweiten Dompredigers bei St. Stephan, die er bis zum 16. März 1845 versah und dann, da er sich erschöpft fühlte und dem Amte physisch sich nicht mehr gewachsen glaubte, niederlegte. Er wurde mit 800 fl. pensionirt, welchen Betrag die Hofstelle ihm zuwies, nachdem das Consistorium nur 400 fl. angetragen hatte! Daß in körperlicher Schwäche nicht die eigentliche Ursache seines Rücktrittes liegen konnte, erhellt einfach aus der Thatsache, daß er noch in den späteren Jahren, so 1852 und 1853 in der Minoritenkirche zu Prag, 1857 und 1858 in der Pfarrkirche zu den neun Engelchören in Wien, daselbst 1862 und 1863 in der Capucinerkirche und dann noch später in der Stadtpfarrkirche zu St. Peter als Kanzelredner, und zwar in höchst anstrengender Weise auftrat. Vielmehr erscheint die Nachricht, daß die Mitglieder des Ordens ihm seinen Austritt nie verzeihen konnten und nur auf eine Gelegenheit warteten, ihn zu stürzen, sehr glaubwürdig. Und eine solche fanden sie auch, als sie die von ihm im Jahre 1844 herausgegebenen „Gesammelten Erzählungen und Humoresken“ nicht mit der Brille des Kritikers, sondern mit der Verfolgungssucht des Inquisitors untersuchten und darin eine Stelle fanden, die ihrer Auslegung zufolge Veit’s Unwürdigkeit zu einem so wichtigen Predigtamte beweisen sollte. Und was diese Partei wollte, gelang ihr auch: er legte das Amt nieder. Aber noch 31 Jahre waren ihm beschieden, und er blieb während derselben nicht müßig, sein sporadisches Auftreten als Fastenprediger und die unten folgende Uebersicht seiner Werke, seine zahlreichen Missionen an verschiedenen Orten und seine Predigten geben einen Beweis dafür. Außer einem zweifachen Kranze von Homilien schrieb er eine stattliche Reihe von Werken, deren jedes ein bestimmtes Thema nach allen Seiten durchführte. Auch den Ereignissen des Bewegungsjahres 1848 stand der damals 61jährige Priester nicht thatlos gegenüber. Er verband sich mit Dr. M. A. Becker zur Herausgabe eines Blattes, betitelt: „Aufwärts“. Ein Volksblatt für Glauben, Freiheit und Gesittung. Herausgegeben vom Katholikenverein. Dasselbe begann bei der immer mehr steigenden Bewegung am 5. Juli g. J. zu erscheinen und endete am 14. October mit der dreißigsten Nummer. Nur trat am 4. October mit Nr. 27 als Redacteur an Stelle Becker’s Dr. J. P. Kaltenbäck ein. Minder glücklich war Veith mit einem zweiten journalistischen Unternehmen, welches er einen Tag nach dem grauenhaften 6. October wieder gemeinschaftlich mit J. P. Kaltenbäck vom Stapel laufen ließ. Es war der „Oesterreichische Volksfreund“, welcher als Wochenblatt erscheinen sollte, es aber nicht über die erste Nummer brachte. Auch einen schweren Gang zu thun, war Veith vorbehalten. Am 15. November ging er zu Messenhauser, welcher ihn zu sich gebeten hatte. Zur Vollendung seines Charakterbildes haben wir nur noch Weniges hinzufügen. Bereits oben bemerkten wir, daß er sich als Arzt zur Homöopathie hinneigte und diesem System auch treu blieb. Durch die Curen, die er mit dieser Heilmethode insbesondere zur Cholerazeit ausgeführt hatte, mag er nicht wenig zur Ausbreitung dieses von den Aerzten mit scheelen Blicken betrachteten Systems beigetragen haben. Er würde ein reicher Mann geworden sein, wenn er seine ärztlichen Dienste gegen Entgelt ausgeübt hätte. So aber behandelte er die Kranken nicht als Arzt, sondern als – Menschenfreund. Für seine [86] Mitmenschen, für sein Vaterland, für den Ort, in dem er lebte und wirkte, war er stets bis zum Aeußersten opferwillig, für sich keine Bedürfnisse kennend, theilte er noch entsagend seine wirkliche „Armut“. Indeß die Jahre verlangten ihren Tribut; schon lange quälte ihn eine Verknöcherung der Aorta auf das entsetzlichste, aber er ertrug es mit stoischem Gleichmuthe; dann versagte ihm das eine Auge die Dienste, nun gar das zweite; ohne Klage fand er sich darein und construirte sich eine Schreibmaschine, begnügte sich mit Vorlesung des wichtigen Neuen, mit Beschreibung und mit Betastung der Pflanzen, deren Eigenthümlichkeiten er selbst bei neu hergebrachten Arten mit Hilfe seiner gründlichen botanischen Kenntnisse und seines riesigen Gedächtnisses bald zu erkennen wußte; dann nahm auch das Gehör ab, immer wenigere seiner vertrauten Freunde konnten sich ihm verständlich machen; doch er ertrug es mit bewunderungswürdiger Ergebung. Nahezu zwölf Jahre war er inner die vier Mauern seiner Behausung gebannt, keine Himmelsbläue erfreute mehr sein erstorbenes Auge, kein Lerchensang, kein Glockenklang, erreichte mehr sein Ohr; kein Sonnenstrahl erquickte mehr seine erstarrenden, von Gicht gekrümmten Glieder, aber seine Seele, erfüllt von Glaubensmuth, blieb freudig, sein Herz offen der Welt, sein Geist thätig bis zum Ende. Eine ganze Reihe von Werken, ernst und heiter, hatte er noch Jahr um Jahr der Welt geschenkt, die flüchtigen Stunden, welche ihm seine Leiden ließen, zu tieferen Untersuchungen der höchsten Glaubenswahrheiten, die schlimmeren zur Umdichtung der ihm im Urtexte geläufigen heiligen Gesänge – seine „100 Psalmen“ – oder zu humoristischer Behandlung von Zeitkrankheiten – „Stechpalmen“ – verwendend. In seiner letzten Lebenszeit lag es ihm am Herzen, das „mißdeutete und mißhandelte“ hohe Lied Salomonis wieder zu Ehren zu bringen; er schritt zu einer neuen Uebersetzung mit eingehendem Commentar, und als er in der Nacht vom 29. zum 30. October nach Einstellung der todverkündenden Athembeschwerden die Tröstungen der Kirche empfangen hatte, klagte er nur, daß er das hohe Lied nicht vollenden könne. Am Allerheiligentage fühlte er sich etwas erleichtert und raffte sich wieder zum Arbeiten auf, indem er sagte: „ich habe nicht recht gethan, von dem Uebelsein Notiz zu nehmen, ich hätte fortarbeiten sollen“. Und wirklich schrieb er noch, aber die letzten Worte, welche er niederschrieb, hießen: „am Ziele“. Die nun folgenden Nächte waren qualvoll; Sonntags ließ er sich noch – der 89jährige im Sterben liegende Greis – von der Debatte im Abgeordnetenhaus berichten, erkundigte sich theilnehmend um treue Freunde, Montag Früh, bald nach beendeter Morgenandacht, sagte er plötzlich: „Das ist das Sterben“ (nach Loewe: Das ist zum Sterben), sank hin und athmete aus. Veith’s Wirken war allerhöchsten Ortes und in den Kreisen seiner Mitbürger nicht ungewürdigt geblieben. Seine Majestät der Kaiser verlieh ihm zum fünfzigjährigen Priesterjubiläum das Comthurkreuz des Franz Joseph-Ordens und ließ ihm noch manche andere hochsinnige Aufmerksamkeit zutheil werden; der Gemeinderath der Residenzstadt Wien aber verlieh ihm das Ehrenbürgerrecht und die große goldene Salvatormedaille; Cardinal Schwarzenberg ernannte ihn 1846 zum Ehrendomherrn des Domcapitels von Salzburg und die Prager Universität ertheilte ihm 1848, die Wiener theologische Facultät [87] 1851 das Diplom eines Ehrendoctors der Theologie. So bekleidete Veith vereint die Würde eines Doctors der Theologie, der Medicin und der Philosophie. „An Veith“, heißt es in einem der zahlreichen ihm gewidmeten Nekrologe, „hat die Kirche einen ihrer größten Diener, Oesterreich eine seiner hervorragendsten Zierden, die Menschheit einen ihrer Besten verloren“.
Veith, Johann Emanuel (Arzt, Theolog und Fachschriftsteller, geb. zu Kuttenplan in Böhmen am 10. Juli 1787, gest. zu Wien am 6. November 1876 um 8 Uhr Morgens). [Obwohl- I. Uebersicht der von Johann Emanuel Veith im Druck erschienenen Werke. A. Medicinische Schriften. „Dissertatio inauguralis medico-botanica sistens plantarum officinalium in Austria sponte crescentium aut in hortis cultarum enumerationem systematicam“ (Viennae 18.2, J. Geistinger). – „Grundriß der allgemeinen Pathologie und Therapie sammt den nothwendigsten Erläuterungen für angehende Thierärzte, im Geiste der Vorlesungen des Herrn Dr. F. B. Vietz entworfen“, 1. Band (Wien 1814, Geistinger, gr. 8°.; neue Ausgabe 1816, gr. 8°.). – „Systematische Beschreibung der vorzüglichsten in Oesterreich wild wachsenden oder in Gärten gewöhnlichen Arzeneigewächse mit besonderer Rücksicht auf die neue österreichische Provincial-Pharmakopöe“ (Wien 1815, Geistinger, gr. 8°.) [ist eine deutsche Bearbeitung seiner drei Jahre zuvor erschienenen lateinischen Inaugural-Dissertation, siehe oben die erste Schrift]. – „Handbuch der Veterinärkunde in besonderer Beziehung auf die Seuchen der nutzbarsten Haus-Säugethiere für Physiker, Kreischirurgen, Thierärzte und Oekonomen“, zwei Bände mit 2 KK. (Wien 1817; 2. Aufl. 1822; 3. Aufl. mit Zusätzen 1831 von Joh. Elias Veith; 4. Aufl. 1840, Gerold, gr. 8°.). – „Abriß der Kräuterkunde für Thierärzte und Oekonomen nebst einer Uebersetzung der gewöhnlichen einheimischen Gewächse und ihrer Standörter, mit 1 illum. Kupf. (Wien 1831, Geistinger, 8°.). – „Heilung und Prophylaxis der asiatischen Cholera“ (Hamm 1832, Schulz, 8°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 126.] Ob die von Johann Emanuel Veith im Jahre 1841 bei J. A. Gießer in München gedruckte Inauguralabhandlung: „Ueber die sogenannten Lymphgeschwülste“ unseren Veith zum Verfasser hat, steht dahin. Derselbe war damals 54 Jahre alt und längst Priester. – B. Homiletische und Erbauungs-Schriften. a) Sammelwerke. Da Johann Heinrich Loewe’s Werk: „Johann Emanuel Veith“ ungemein interessante Einzelheiten über Veith’s Schriften mittheilt, so wird in Klammern auf dasselbe öfter hingewiesen. – „Homiletische Vorträge für Sonn- und Festtage“, Band I–VII (Wien 1830 bis 1854, zuerst bei Sollinger, dann Mayer und Comp., zuletzt bei Wilhelm Braumüller, 8°.), Band I: „Advent bis zum Feste der Erscheinung des Herrn“ (3. Aufl. 1846). – Band II: „Epiphania bis Quadragesima“ (3. Aufl. 1848). – Band III: „Advent bis Ostern“ (3. Aufl. 1845). – Band IV: „Ostern bis Pfingsten“ (8. Aufl. 1852). – Band V: „Pfingstsonntag bis zum neunten Sonntage nach Pfingsten“ (1848). – Band VI: „Vom neunten bis sechzehnten Sonntag nach Pfingsten“ (1854). – Band VII (letzter): „Vom siebenzehnten bis letzten Sonntag nach Pfingsten“. – „Homilienkranz für das katholische Kirchenjahr“. Band I–V (Wien 1837–1839, Mayer und Comp., gr. 12°.), Band I: „Predigten vom ersten Sonntage nach Quadragesima bis Ostermontag. Nebst den sieben Worten Christi“ (2. Aufl. 1842, Braumüller). – Band II: „Predigten vom ersten Sonntage nach Ostern bis zum neunten Sonntage nach Pfingsten“ (2. Aufl. 1844). – Band III: „Predigten vom zehnten bis letzten Sonntag nach Pfingsten“ (1837). – Band IV: „Fest- und Feiertagspredigten“ (1838). – Band V (letzter): „Predigten vom ersten Adventsonntage bis zum Vorabende des Neujahrstages“ (2. durchaus vermehrte Auflage ebd. 1842–1844, 8°.). – „Homiletische Werke“, Band I–XVI (Wien 1855 u. f., 8°.), Band I: „Lebensbilder aus der Passionsgeschichte“. – Band II: „Der Weg, die Wahrheit und das Leben“. – Band III: „Die Samaritin“. – Band IV: „Dodecatheon. Zwölf Vorträge, gehalten während der Fastenzeit der Jahre 1857 und 1858 in der Pfarrkirche zu den neun Chören der Engel in Wien. – Band V: „Dodecatheon. Zweiter Theil. (Die Mächte des Unheils.) Sechs Fastenvorträge vom Jahre 1859. nebst einer gleichzähligen Reihe von Vorträgen an Festen U. L. F.“. – Band VI: „Die Heilung der Blindgeborenen. In zwölf Vorträgen“. Zweite durchaus umgearbeitete und vermehrte Auflage. – Band VII: „Homiletische Aehrenlese. Auswahl von Predigten und Gelegenheitsreden, [88] meist aus den Jahren 1850 bis 1861“. – Band VIII: „Zwölf Stufenpsalmen. In ebenso vielen Vorträgen gehalten in der Capucinerkirche in Wien in der Quadragesima des Jahres 1862“ [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 265.] – Band IX: „Die Anfänge der Menschenwelt. Apologetische Vorträge über Genesis 1–11, gehalten in der Capucinerkirche in Wien im Frühjahre 1863 und sachgemäß erweitert“. [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 267.] – Band X: „Von Advent bis Pfingsten. Vorträge über die sonntäglichen Perikopen“. – Band XI: „Prophetie und Glaube. Nach Vortragen über die zwölf Prophetien in der Charwoche, gehalten in der Stadtpfarrkirche zu St. Peter in Wien“. – Band XII: „Meditationen über den 118. Psalm. Nebst einer Reihe von Fest- und Gelegenheitsreden“. – Band XIII: „Hundert Psalmen. Uebersetzt und mit Erklärungen begleitet“. [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 280.] – Band XIV: „Der Leidensweg des Herrn. 46 Meditationen für alle Tage der Fastenzeit“ [ebd. S. 280]. – Band XV: „Dikaiosyne. Die Epistelreihe des Kirchenjahres in ihrem Verhältnisse zu den Evangelien“ [ebd. S. 296]. – Band XVI: „Die Parabel vom verlorenen Sohne“. Zweite durchaus verbesserte Auflage. – b) Einzelne Ausgaben. „Denkbüchlein vom Leiden Christi für die Tage der sieben Fastenwochen“ (Wien 1824, Volke; 2. Aufl. ebd. 1826, Wallishausser, 8°.). – „Beherzigung des Wissenswürdigsten vom Ablaß und Jubiläum“ (Wien 1826, Wallishausser, 12°.). – „Das Friedensopfer in einer Folgereihe katholischer Darstellungen“ (Wien 1826, Armbruster, gr. 12°.; 2. Aufl. 1852, Braumüller, 8°.). – „Die Leidenswerkzeuge Christi“ (Wien 1827; 2. Aufl. 1828, Armbruster; 3. Aufl. mit Titelv. 1833; 4. Aufl. 1851, Braumüller, 8°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 92.] Dieses Werk wurde von dem katholischen Pfarrer in Albany in Nordamerika Theodor Noethen ins Englische übersetzt. Vergleiche darüber und welche Aufnahme dieses Werk in Amerika und in England gefunden [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 284 u. f.] – „Johannes der geliebte Jünger. Ein Vorbild des Priesters. Predigt zur Primizfeier des hochw. Frz. X. Krammer“ (Wien 1828, Wimmer, 8°.). – b) „Der Bote von Jericho“, 1. Bändchen (Wien 1828, Armbruster, gr. 12°.), gemeinschaftlich mit J. O. Silbert. (Die Buchstaben a, b, c u. s. w. vor den Titeln bezeichnen die Aufeinanderfolge der Werke in dem Sammelwerke: „Sämmtliche Fastenpredigten“.] – „Jesus meine Liebe“, 2. Aufl. (Wien 1829 [Liebeskind in Leipzig], gr. 12°., mit 5 KK.; 4. Aufl. Wien, Riedl’s Witwe, 8°., mit 6 KK.; 5. Aufl. ebd. 1849). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 113.] – p) „Die Worte der Feinde Christi“ (Wien, 1829, Armbruster, gr. 12°.; 2. Aufl. 1836; 3. Aufl. 1851, Braumüller, 8°.; neueste Aufl. ebd. 1861). – I. „Lebensbilder aus der Passionsgeschichte“ (Wien 1830, Armbruster, gr. 12°; 2. Aufl. Wien 1836, Mayer; 3. Aufl. 1855, Braumüller, 8°.). [Die römischen Zahlen vor den einzelnen Werken bezeichnen die Aufeinanderfolge derselben in dem Sammelwerke: „Homiletische Werke“; jedoch ist der größere Theil dieses Sammelwerkes neu.] – „Leid und Mitleid. Ein Kanzelvortrag“ (Wien 1831, Mechit.-Congr.-Buchhandlung, gr. 8°.). – n) „Das Vater Unser. Fastenpredigten“ (Wien 1831; 2. Aufl. 1833, Sollinger, gr. 12°.; 3. Aufl. 1835; 4. Aufl. 1852, Braumüller, 8°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 114.] – „Etwas über die Mystik der Kirchenmusik, dargestellt in einer Homilie“ (Wien 1831, Wimmer gr. 8°.). – „Die Cholera im Lichte der Vorsehung. Ein Kanzelvortrag, gehalten am Schlusse der öffentlichen Bittgänge“ (Wien 1831, Mechit.-Congr.-Buchhandlung, gr. 8°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 125.] – „Erkenntniß und Liebe. Ein Gebetbuch für Katholiken“ (Wien 1832; 2. Aufl. 1834, Riedl’s Witwe, 8°., mit 6 KK.; neue Aufl. 1851, Lienhart; neueste gänzlich umgearbeitete und verbesserte Aufl. ebd. 1861). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 113 und 173] – a) „Die heiligen Berge“, 1. Theil (Wien 1833, Sollinger; 2. unveränderter Abdruck ebd. 1840; 2. Theil ebd. 1855, gr. 12°.). – „Das Fest des heil. Leopold Markgrafen von Oesterreich im Stifte der regular. later. Chorherren zu Klosterneuburg am 15. November 1833“ (Wien 1834, Wimmer, gr. 8°.); früher in der „Neuen theologischen Zeitschrift“ von Pletz gedruckt. – „Austria’s Trauer. Drei Reden, gehalten bei den feierlichen Exequien für Kaiser Franz I. in der Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien“ (Wien 1835, Mayer und Comp., gr. 8°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 185.] – „Fest- und Feiertagspredigten“ (Wien 1838, Mayer und Comp., gr. 12°.) [möchte wohl der IV. Band des [89] „Homilienkranzes für das katholische Kirchenjahr“ sein]. – „Der verlorene Sohn“ (Wien 1838, Mayer und Comp., gr. 12°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 185.) – III. „Die Samaritin. Fastenreden“ (Wien 1840, Mayer und Comp., gr. 12°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 190.) – d) „Die Erweckung des Lazarus“ (Wien 1842, Braumüller, gr. 12°.). – i) „Mater dolorosa. Zwölf Fastenvorträge“ (Wien 1843, Mayer und Comp., 8°.). – f) „Festpredigten zumeist in einer Doppelreihe“, I. Theil: „Von Advent bis Ostern“, II. Theil: „Von Ostern bis Advent“ (Wien 1844 und 1845, Braumüller; neue Ausgabe 1849, 12°.). – „Die geistige Rose. Enthaltend die fünfzehn Mysterien des Rosenkranzes in ebenso vielen Federzeichnungen von Jos. Führich, lith. von Jos. Binder, begleitet mit einem erklärenden Texte von J. E. Veith“ (Wien 1844, Mayer und Comp., gr. Qu.-4°. 15 lith. Tafeln und Text). – „Der Liebe Gesetz und Maß, dargestellt an den Statuten des Krankeninstitutes für Handlungscommis und vorgetragen am 27. Mai 1844 als dem jährlichen Patronats- und Dankfeste dieses Institutes“ (Wien 1845, Mayer und Comp., gr. 8°.). – VI. „Die Heilung des Blindgeborenen in zwölf Vorträgen“ (Wien 1846, Braumüller, gr. 12°.). – e) „Eucharistia. Zwölf Vorträge über das heilige Meßopfer“ (Wien 1847, Braumüller, 8°.; 2. vermehrte und verbesserte Aufl. 1852, gr. 12°.). – „Das Werk der Sühnung. Rede vor dem Seelenamte für weil. Se. Excellenz des k. k. Kriegsministers und Feldzeugmeisters Th. Grafen Baillet de Latour. Gehalten am 28. März 1849“ (Wien 1849, Dirnböck, hoch 4°.); war früher im „Oesterreichischen Volksfreund“ gedruckt. [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 221.) – m) „Die Säulen der Kirche. Zwölf Vorträge über die Apostelgeschichte“ (Wien 1849, Braumüller, gr. 12°.). – l) „Politische Passionspredigten nebst der Rede zum Seelenamte weil, des k. k. Feldzeugmeisters Grafen Baillet de Latour“ (Wien 1849, Braumüller, gr. 12°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 220.) Gegen diese Predigten traten einige Journale auf und schlugen in ihren Artikeln den alten Satz breit: die Politik gehöre nicht auf die Kanzel. Gegen diese Elucubrationen der publicistischen Schwärmer gab nun Dr. Seb. Brunner die Schrift heraus: „Kanzel und Politik für Dr. Veith’s Freunde und Feinde“ (Wien 1850). – „Lydia. philosophisches Taschenbuch als Seitenstück zu A. Ruge’s „„Akademie““ 1849 – 1852, gemeinschaftlich mit Anton Günther“ [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 127–174.) – o) „Weltleben und Christenthum. Sechs Vorträge, gehalten in den Fasten des Jahres 1850. Nebst einigen Zugaben (Wien 1851, Braumüller, gr. 12°.). [Loewe. Biogr. Veith’s. S. 223.) – c) „Charitas. Neun Kanzelvorträge, gehalten während der Fasten des Jahres 1851 mehrentheils in Prag“ (Wien 1851, Braumüller, gr. 12°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 228.) – „Vorwärts oder rückwärts? Vortrag am Sylvesterabende des Jahres 1850 gehalten in Prag“ (Prag 1851, Heß, 8°.). – „Das ewige Versöhnungsopfer. Gebetbuch für katholische Christen. Aus den vorzüglichsten Schriften gesammelt“ (2. verbesserte und vermehrte Aufl. Würzburg 1851, Etlinger, mit 3 Stahlstichen, 32°.). – k) „Misericordia. Zwölf Vorträge über den 50. Psalm, gehalten in der Minoritenkirche in Prag während der Fasten 1852, 1853“ (Wien 1853, Braumüller, 8°.). – „Der Dom der Heiligen“ (Würzburg 1855, Etlinger, 8°.). – II. „Der Weg, die Wahrheit und das Leben. Zwölf Vorträge, gehalten während der Fasten des Jahres 1854 zu Wien“ (Wien 1854, Braumüller, 8°.). – „Sämmtliche Fastenpredigten“. 18 Bände (Wien 1856, Braumüller, 8°.). In diesem Sammelwerke des berühmten Kirchenredners sind die oben mit den Buchstaben a bis p bezeichneten homiletischen Werke Veith’s enthalten. – „Wintergrün. Gedichte, Geschichten und Reime“ (Wien 1874, Braumüller, 8°.). – „Christus gestern, heute, ewig. Gebet- und Erbauungsbuch für Gebildete“ (Wien 1876, Braumüller, gr. 16°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 298.] – „Koheleth und Hoheslied. Uebersetzt von Johann Emanuel Veith. Aus dessen hinterlassenen Handschriften herausgegeben“ (Wien 1878, Braumüller, 8°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 299.] Die Herausgeber dieser Schrift sind Domherr Doctor Gruscha und Professor Dr. Zschokke. – Der Inhalt der berühmten heute längst vergessenen „Oelzweige“, welche Georg Passy [Bd. XX, S. 332, Nr. 1] redigirte – von Nr. 81 des Jahrganges 1819 erscheint er ausdrücklich als Redacteur genannt – ist zum großen Theile von Veith geschrieben. – C. Belletristische Schriften. „Balsaminen. [90] Ein Taschenbuch für das Jahr 1823 von E. J. Veith, mit Beiträgen von F. L. Z. Werner“ (Wien 1823, Volke, 12°.; 2. Aufl. Regensburg 1837, Manz, 8°.). – „Erzählungen und kleine Schriften“, 2 Bändchen (Wien 1830, Sollinger, gr. 12°.) – „Erzählungen und Humoresken“, 2. vermehrte, durchaus umgearbeitete Auflage, 3 Theile (Wien 1842, Braumüller; neue Ausgabe 1848, gr. 12°.). – „Stechpalmen. Erzählungen und Novellen und vermischte Aufsätze“, 1. und 2. Band (Wien 1870 u. f., Braumüller, 8°.). [Loewe. Biogr. Veith’s, S. 282.] – In seinen jüngeren Jahren beschäftigte sich Veith viel mit Poesie und belletristischen Arbeiten, und die Zeitschrift „Der Sammler“, dann die Almanache und Taschenbücher jener Tage: „Aglaja“, Castelli’s „Selam“, brachten nicht selten Beiträge in Versen und Prosa von seiner Feder, und zwar Epigramme, Satyren, wie er dieses Gebiet mit besonderem Erfolge cultivirte, letzteres auch drei Novellen: „Felix Entenschnabel“, „Der Tabakraucher“ und „Der Mann mit dem Regenschirm“. Auch schrieb er damals den Text zu einer heute vergessenen Oper von Gyrowetz: „Der Augenarzt“, aus welcher sich die Cavatine: „Mir leuchtet die Hoffnung, sie täuschet mich nicht“ lange noch erhielt, nachdem die Oper vom Repertoire verschwunden. Dieser Operntext scheint jedoch nicht Original, sondern eine Uebersetzung aus dem Französischen zu sein, denn der Titel des čechischen Libretto lautet: „Oční lékař. Zpěvohra 2 jednáních. Z francouzského přeložil J. K. Chmelenský“ (Prag 1833, V. Spinka, 12°.). Im zweiten Bande der von Professor Meinert herausgegebenen „Libussa“ (1804) befinden sich von dem damals siebzehnjährigen Veith drei Gedichte in Gellert’scher Manier: „Die beiden Affen“, „Der Löwe und das Faulthier“ und „Die Perrücken“; aber schon ein Jahr früher, 1803, feierte er in einem gedruckten Gedichte den Berliner Hofschauspieler Matrausch, als dieser am 25. Mai g. J. in Iffland’s „Der Spieler“ auf der Prager Bühne auftrat. Von anderen poetischen und schöngeistigen Arbeiten Veith’s sind noch bekannt: ein Festspiel anläßlich der Rückkehr des Kaisers Franz nach Wien, im Theater an der Wien aufgeführt; – eine Cantate, zur Hildebrand-Feier 1809 gedichtet; – ein Festgedicht zu Ehren des Freiherrn Bernhard von Eskeles, als dieser 1810 nach einer glücklich ausgeführten finanziellen Negociation aus Holland und Frankreich zurückgekehrt war; – ein paar Gedichte an die in jenen Tagen ihres Geistes und ihrer Anmuth wegen vielgefeierte Freiin Fanny von Arnstein; – ein Hymnus für die Synagoge zur Rückkehr des Kaisers; – eine Cantate auf Metternich und eine auf Schwarzenberg aus gleichem Anlasse; – eine Cantate zu Ehren der beiden Naturforscher Freiherren von Jacquin Vater und Sohn. Auch sei hier bemerkt, daß das in die meisten deutschen Liedersammlungen aufgenommene „Lied von der Feldflasche“, welches Karl Keller in Musik gesetzt und das eines der beliebtesten Volkslieder geworden, von Veith verfaßt, aber der Verfasser selten genannt und daher als solcher wenig oder gar nicht bekannt ist. Noch sei erwähnt, daß im zweiten Bändchen der von Bruno Schön herausgegebenen (bei Prandl in Wien 1857 verlegten) „Humoristischen Pillen“ von Emanuel Veith folgende Aufsätze enthalten sind: „Reisen in und um Wien“; – „Bauernweisheit“; – „Leben und Liebe“ und „Es ist nicht mehr auszuhalten“.
- II. Porträte. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges „Joh. Emanuel Veith“. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen. – 2) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges „J. Veith“. E. Doby sc. Druck von Kargl in Wien (8°.). – 3) Unterschrift: „Dr. J. E. Veith“. Ausführung und Stich durch G. Z. Manz’ Kunstverlag (8°. und 4°.). – 4) Unterschrift: „Canonicus Veith“. Holzschnitt; W.(eiß) f. Paar sc. In der „Neuen Illustrirten Zeitung“ (Wien, Zamarski) 1876, Nr. 47. – 5) Unterschrift: „J. E. Veith (der berühmte Fastenprediger)“. Im „Kikeriki“, 1865, Nr. 14. – 6) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges „Dr. J. E. Veith“. Kriehuber 1860 (lith.) Gedruckt bei Jos. Stoufs (Wien, Fol., L. J. Neumann). – 7) Nach dem Leben photographirt von Ludw. Angerer 1862 (Kniestück, kl. Fol.).
- III. Johann Emanuel Veith’s Grabdenkmal. Als im März 1863 der berühmte Religionsphilosoph Dr. Anton Günther starb, kaufte Cardinal Friedrich Fürst Schwarzenberg auf dem Matzleinsdorfer Friedhofe einen geräumigen Platz zur Erbauung einer Gruft, in welcher zunächst Günther und seinerzeit dessen treueste Freunde und Mitarbeiter, die Salzburger Ehrendomherren Laurenz Greif [91] des Cardinals gewesener Erzieher, und Dr. J. E. Veith beigesetzt werden sollten. Dies geschah in der That, und zwar zunächst mit Günther, dem im August 1866 Greif und im November 1876 Veith folgten. Bis dahin war das Grab nur mit den auf die Gruftplatte schwarzgeschriebenen Worten „Dr. Anton Günther“ bezeichnet. Nach Veith’s Bestattung aber wurde von mehreren Freunden des Verewigten ein Denkmal aus weißem Marmor stylgerecht hergestellt, welches nun die Ruhestätte des berühmten Homileten ziert.
- IV. Ehrenpocal für Veith. In den revolutionären Wirren des Jahres 1848 sah sich der berühmte Homilet durch einen schönen Beweis liebevoller Anerkennung geehrt. Am 21. October 1848 wurde ihm ein silberner Pocal durch Dr. Sebastian Brunner, der an der Spitze einer Deputation des Wiener Clerus vor ihm erschien, mit einer Ansprache überreicht, welche mit beredten inhaltvollen Worten der Leistungen Veith’s in Wort und Schrift gedachte, sowie dessen, was der jüngere Clerus ihm verdanke, und insbesondere seines muthigen, segensvollen Wirkens in den Drangsalen der Gegenwart. Eine größere Anzahl von Priestern der Wiener Diöcese hatte den silbernen Pocal anfertigen lassen, der auf seinen vier Flächen die Inschrift trug: „Praeconi Verbi Divini, Joanni Emanueli Veith, Med. et Theol. Doctori, Can. Salisb. Clerus Viennensis dedicat 1848“. Darunter waren vier Embleme angebracht: ein Blumenkranz mit einem Kreuze in der Mitte; ein Kelch mit einer Hostie, umgeben von Kornähren und Weintrauben; sieben mit einem Dornenkranze umschlungene Schwerter; und die Leidenswerkzeuge, welche auf vier Werke Veith’s: den Homilienkranz, die Eucharistia, die Mater dolorosa und die Leidenswerkzeuge Christi hinweisen sollen.
- V. Zur Charakteristik Veith’s des Menschen, Schriftstellers und Priesters. Ritter von Hoffinger schreibt über den berühmten Homileten: „Veith, den der auch wegen seiner Schreibweise selbst berühmte Cardinal Rauscher unverhohlen den ersten Stylisten seiner Zeit nannte, gehört durch seine Schriften nicht blos zu den ersten Kanzelrednern aller Zeiten, läßt selbst Fénélon, Bossuet und Lacordaire weit hinter sich zurück, sondern er reiht sich geradezu in die deutschen Classiker; dies erkennen auch die Gegner seiner Grundsätze und religiösen Anschauungen an. Aber es ist nicht blos die classische Form, welche die allgemeine Bewunderung erregt, sondern insbesondere auch die ungeheuere Fülle mannigfachen Wissens, die sich hier ohne allen Zwang in natürlichster Weise kundgibt und zur Einheit strebt. Veith war fast auf allen Gebieten der Wissenschaften zu Hause und verlor nie den Zusammenhang derselben aus dem Auge; mit einem riesigen Gedächtnisse ausgerüstet, konnte er die Thatsachen des Natur- und Geisteslebens zusammenstellen, mit der ganzen seinem Stamme eigenen Schärfe vergleichen und in Uebereinstimmung mit der Offenbarung bringen, er erkannte es als seine Lebensaufgabe, für die Schöpfungsidee und Wesensverschiedenheit von Geist und Natur einzustehen; darum kleidete er diese Wahrheit in ernster und heiterer Rede und Schrift in alle erdenklichen Formen, um sie Jedem mundgerecht zu machen. Kein Satz war ohne tiefen Gedanken und kein Gedanke ohne die Wärme des nach Wahrheit strebenden, Idealen zugewendeten Herzens. Durch diese und durch den einem Jeden, auch dem Einfachsten des Volkes etwas gebenden Reichthum des Inhaltes zog er die Menge an sich, wie er die Denker und Forscher durch jene fesselte. Sein Vortrag war klar und ruhig, ergriff aber das Innerste, seine Schreibweise hielt den Leser fest und zwang ihn, zu denken. Er blieb niemals stehen, sondern, wie er jede neue Erscheinung in seinen Gesichtskreis zog, schritt er selbst vor zu immer klarerer Erkenntniß, zu immer deutlicherem Ausdrucke der gewonnenen Ueberzeugung. Seine „heiligen Berge“, seine „Heilung der Blindgeborenen“, seine „Erweckung des Lazarus“, sein „verlorener Sohn“, seine „Säulen der Kirche“, seine „Charitas“ und „Misericordia“, sein „Weg. Wahrheit und Leben“, seine „Prophetie und Glaube“, sowie sein letzter, gerade der Schöpfungsgeschichte gewidmeter Redecyclus „Anfänge der Menschenwelt“ führen von Stufe zu Stufe, von den einfachsten Wahrheiten des Christenthums bis zu den verwickeltsten Problemen des Lebens, deren Keimen er unsicher gegenübersteht. Diese Werke, indem sie alle neuen Errungenschaften der Forscher hereinziehen, und indirect unentbehrliche Beiträge zur Culturgeschichte. und indem alle auf jener Grundwahrheit beruhen, dienen sie zu deren Erweisung; liegt in ihr die Lösung des Lebensräthsels, so muß sie ja auch überall durchbrechen, von welcher [92] Seite man das Leben betrachten möge. So war der Schriftsteller, der Gelehrte, der Lehrer! Wissenseifer, Glaubenstreue und Menschenliebe, der vor dem Elende graut, in das ein der Ideale beraubtes, materialistisch gedrilltes Geschlecht unfehlbar geräth, erfüllen ihn ganz und charakterisiren damit auch den seltenen Menschen und Priester“. – Der Wiener Culturhistoriker Friedrich Schlögl schreibt wiederholt über den Homileten Veith. Zwischen beiden Urtheilen liegt ein Zeitraum von nahezu zehn Jahren, lange genug, um über eine vorgefaßte Meinung selbst den Stab zu brechen und sich selbst zu corrigiren. Bei einem Schriftsteller von Schlögl’s Bedeutung erscheint uns aber eine Wandlung im Urtheile über einen Menschen wie Veith von großer Wichtigkeit und ebenso für die Charakteristik dieses Letzteren ausschlaggebend als für den Charakter des Ersteren ehrenvoll. Sein Unrecht einsehen ist eben ein himmlisches Prärogativ des edlen Menschen. Im „Neuen Wiener Tagblatt“ schreibt Schlögl unter der Chiffre F. S. im Jahre 1869, als et das Thema der Wiener Fastenpredigten und ihr Publicum behandelt, unter Anderem wörtlich: „Zacharias Werner fand bald eine Menge Nachahmer, die ihm jedoch nicht bis an das Kniegelenk reichten. Selbst der bedeutendste, der 1832 verstorbene Ruttenstock, der bei St. Stephan predigte und viel Zulauf fand, konnte ebenso wenig wie Zocek (bei den Schotten) Werner aus der Erinnerung verdrängen. Nur Veith, gleichfalls ein Convertit, ein Mann von universaler Bildung, von durchdringendem Verstande und umfassendem Wissen, ragte, obwohl ihm nicht die mindesten äußerlichen Mittel zu Gebote standen, um auf seine Zuhörer zu wirken, doch als geistiger Riese unter den Kanzelpygmäen hervor und ergriff sein Auditorium durch die Schärfe seiner Gedanken und die sieghafte Gewalt einer unerbittlichen Logik. Aber auch Veith kam mit den Jahren auf Abwege. Die Reaction gewann den sinnigen Kopf und feinen Denker, er wurde ihr getreuestes Sprachrohr. Die politischen Fastenpredigten, welche er vor anderthalb Decennien in der Stephanskirche, bei den Franciscanern und Capucinern hielt und die von Ausfällen auf die Bewegungsepoche und die Partei des Fortschrittes strotzten, sind ein trauriges Vermächtniß der einstigen Geistesgröße des populären Mannes und zartfühlenden Gelehrten“. So schrieb Schlögl im Jahre 1869. Nun, Veith war nicht der Mann: sich von der Reaction noch sonst von irgend Jemand, außer von der Wahrheit beeinflussen oder gar gewinnen zu lassen. Dies mag denn auch der wackere Schlögl eingesehen haben, denn sieben und vierzehn Jahre später, 1876 und 1883 in seinem prächtigen Buche „Wienerisches“, widmet er Veith einen besonderen Abschnitt, und das ist ein voller Hymnus, der das letzte Dritttheil des obigen Urtheils nicht abschwächt, sondern geradezu vernichtet und der Wahrheit die volle Ehre gibt. Daß uns doch der Raum gestattet wäre diesen schönen Essay Schlögl’s hier wiederzugeben, aber wir können uns nur auf die Hauptmomente beschränken, nur das auf das frühere Urtheil sich Beziehende hier mittheilen, im Uebrigen aber auf das schöne Buch Schlögl’s und diesen Veith betreffenden Essay insbesondere verweisen. „Er war von mildem Geiste“, schreibt Schlögl. „Gewiß! Und wenn er sprach, so lauschte Alt und Jung seinen sanften versöhnenden Worten, und namentlich die Jugend fühlte sich mächtig hingezogen zu dem edlen Greise, der es wie Wenige verstand, sie zu erheben, zu begeistern, zu fesseln. Die Studenten drängten sich förmlich um die Kanzel, wenn es hieß, Veith werde predigen, und die von lebenslustigstem Uebermuth Durchtobten blickten in Demuth und Ehrfurcht empor, wenn seine Lippen sich bewegten. … Freilich hatte Veith mit seiner „milden Gesinnung“ und seinen „rein menschlichen“ Ansichten öfter auch – Malheur. So ließ er sich einst von seinem überströmenden Gefühle hinreißen, in einer Predigt öffentlich die „kühne“ Hypothese aufzustellen, daß der Segen des Vaters mehr werth sei als – u. s. w. Seine geistliche Oberbehörde soll ihm damals derlei „unkirchliche“ Äußerungen strenge verwiesen und ihm sogar mit dem Predigtverbot gedroht haben. Veith, der „aufgeklärte Humanist“, wie man ihn allseits nannte (seine zelotischen Gegner natürlich nur spottweise), ließ sich durch derlei Ordonnanzen nicht einschüchtern und blieb bei seinen Grundsätzen und Anschauungen, die ihm sein Leben selbst verschönten und ihm die Liebe und [93] Verehrung aller rechtlichen Menschen eintrugen. Als die finsterste Epoche über Oesterreich und speciell über Wien hereinbrach und Veith den Cyclus seiner berühmten „Fastenpredigten“ eröffnete, da athmete jedes seiner Worte doch den Geist der Versöhnung, und Tausende schritten getröstet von der Stätte der Erbauung. Auch als Schriftsteller wirkte Veith in hochverdienstlicher Weise. Nebst seinen zahlreichen medicinischen Werken von bleibendem Werthe haben sich auch seine theologischen „von ungeheuchelter Frömmigkeit“ durchwehten, wie seine schönwissenschaftlichen Schriften einen Ruf und einen Rang errungen, welchen die servilen Pamphlete oder die von aberwitziger Bigotterie durchtränkten Publicationen mehrerer seiner lärmendsten Standesgenossen – dem Himmel sei Dank – wohl nie erreicht haben. Als ihn Schreiber dieses (Schlögl) vor ein paar Jahren das letzte Mal sprach, war es bei einem hiesigen Antiquar, wo er eben eine Serie römischer und griechischer Classiker auswählte, die er als Weihnachtsgeschenk für einen talentvollen Knaben bestimmte. „Nur das Studium der Alten führt zur wahren Bildung und Gesittung“, meinte Veith, der ehemalige Redemptorist und nachmalige Weltpriester“.“ So schrieb Schlögl im November 1876 und änderte nichts daran, als er es 1883 im Buche erscheinen ließ. – Und noch eine Stimme läßt sich über Veith vernehmen, nicht aus der zünftigen Kritiker Schaar, sondern von einem Weltkinde, dem Feuilletonisten Bruno Walden der „Neuen Freien Presse“. „Eng befreundet mit Günther“, schreibt Walden, „hatte Veith sich dasselbe Ziel gesteckt wie dieser: die Verbindung, Erläuterung, Ergänzung der Theologie durch die Philosophie. Unter seinen Beiträgen in der „Lydia“ sind Juwelen von hohem Werthe, die es wohl verdienten, von heutzutage nahezu unverständlichen Zeitbestimmungen losgelöst und in neuer Fassung zugänglich gemacht zu werden. [Warum denn losgelöst und nicht lieber commentirt?] Dieses selbe Streben, das sich wie ein rother Faden durch alle seine Schriften zieht, machte sich auch in seinen Predigten geltend, die trotz ihres ernsten Charakters, ihres hohen Schwunges die populärsten waren in Wien. Die überfüllte Kirche wies stets ein seltsam gemischtes Publicum auf: Männer der Wissenschaft, die hervorragendsten Capacitäten und auch wieder ein großes Contingent schlichter Gestalten, die sich von den ersteren seltsam abhoben. Allein so eigenartig waren die Vorträge Veith’s, daß sie, welche dem Bedeutendsten zu denken gaben, auch den Ungebildeten Genuß und Nutzen boten. Darum ist auch sein Name bekannt und geehrt in den unteren Schichten des Volkes wie in der Gelehrtenwelt. Nur beschränkte philisterhafte Naturen fühlten sich manchmal befremdet durch die eigenthümliche Art seines Vortrages, die ihnen wie eine Mosaik von Geschichten und Anekdoten erschien. Sie wollten nicht begreifen, daß diese Illustrationen, die durch ihre treffenden Gleichnisse, ihre seine Ironie die Gebildeten entzückten, für die minder Denkkräftigen die Merksteine waren, an welche sich die Idee heftete, die ihnen allmälig erst zu Bewußtsein kam. Heute noch hört man solch schlichte Leute „Geschichtchen“ aus Veith’s Predigten wieder erzählen, und stets haben sie ihre Nutzanwendung gefunden. Diese sprudelnde Geistesfülle, unterstützt von einem umfassenden, nahezu universellen Willen und glänzendem Gedächtnisse machte sich schon in seiner Jugend geltend. Ein Beispiel davon: Es hatte sich damals ein Verein junger Leute gebildet, die es sich bei ihren geselligen Zusammenkünften zum Gesetz gemacht, daß jeder irgend etwas – es brauchte nicht eigenes Product zu sein – vorlesen müsse. Eines Abends kam die Reihe an Veith; er zog ein Büchlein aus der Tasche und las einen ganz reizenden kleinen Aufsatz, der Alle entzückte. Nun ging es an ein Rathen, wer der Autor sei. Die Einen meinten, diese Gefühlswärme verrathe Jean Paul; ein Anderer glaubte Hoffmann zu erkennen u. f. f. Doch Veith schüttelte stets das Haupt. Endlich entriß ihm einer der Anwesenden ungeduldig das Büchlein und las: „– – Berthold Waldinger über die Schafzucht“. Veith hatte improvisirt. Derselbe köstliche Humor spricht sich auch in seinen Humoresken aus, die leider gänzlich vergriffen sind. In gleicher Weise ist sein den Doctoren Knoodt, Rinkens und Linsenmann (eifrigen Bekämpfern der Infallibilitat) gewidmetes Werk „Stechpalmen“ gehalten. Unter diesen Erzählungen ragt besonders eine, welche die Schopenhauer’sche und Hartmann’sche Philosophie ventilirt, durch sprudelnden Humor hervor. Bis in sein hohes Alter blieb Veith thätig, [94] niemals gönnte er sich Ruhe, sein Geist arbeitete immer. Einmal war ein Geistlicher bei ihm und pries die ewige Ruhe als die Seligkeit des Himmels. „Die ewige Ruhe“. rief Veith erregt, „nein, die höhere Thätigkeit“. Wie warmen Antheil nahm er an den Weltbegebenheiten, an dem Geschicke des Vaterlandes. Einmal klagte er, daß ihm die Sorge um Oesterreich den Schlaf vom Bette scheuche. Es erschien kein hervorragendes Fachwerk aus dem Gebiete der Theologie, der Philosophie und Naturwissenschaft. das er nicht durch Vermittelung zweier edler Frauen, die ihm als Aug’ und Ohr dienten, kennen lernte. Mit gleichem Interesse verfolgte er die bedeutendsten Erscheinungen auf dem Gebiete der Poesie und Belletristik, und wie empfänglich der Greis war, beweist wohl am besten, daß er, der Blinde, nach der Lectüre des „Ahasver“ eigenhändig an [BLKÖ:Hamerling, Robert|Hamerling]] geschrieben, ihm seine Bewunderung darüber auszudrücken.“ – Es liegt ein ganzer Stoß von Kritiken, Urtheilen, Anzeigen über Veith und seine Werke vor mir, die unendlich viel des Interessanten enthalten, aber das Vorstehende von drei Menschen, deren jeder auf einem ganz besonderen Standpunkte sich befand, ja einer dem andern diametral gegenüber, möge genügen, um das Bild dieses merkwürdigen Mannes zu vervollständigen; denn es zu erschöpfen, ist bei der Universalität Veith’s kaum möglich. Von der herrlichen Charakteristik Loewe’s in dessen Biographie Veith’s müssen wir ihres Umfanges wegen, S. 313–360, leider absehen.
- VI. Ein Stammbuchblatt von Johann Emanuel Veith. Ein solches – es mag in den Fünfziger-Jahren geschrieben sein – fanden wir im Album eines Organisten, und der Originalität wegen theilen wir die musikalisch-praktischen[WS 1] Lebensregeln, welche es enthält, hier mit. Sie lauten: „Den heiligen Glauben in Acht nur nimm, | Das sei dir, o Mensch, die echte Prim. | Die Hoffnung auch erhalte gesund, | Sie ist auf der Scala die wahre Secund. | Zum göttlichen Willen kling, o Herz, | In gehorsamer Liebe die reine Terz. | Trifft Mühe dich und Arbeit hart, | So denke: dies ist die rechte Quart. | Sei deinem Nächsten liebreich gesinnt |Und stimme zu ihm die reine Quint. | So oft du Vertrauen auf Gott erweckst, | Stärk’ dich alsbald die harmonische Sext. | Auch als ein gut und heilsam Recept | Verehre des Unglücks schneidende Sept. | Sei mäßig in Worten, Speis’ und Schlaf, | So ruft dich der Herr zur hohen Octav.
- VII. Quellen zur Biographie. Francke (E. V.). Der große Homilet (Augsburg 1851). – Hoffinger (Joh. Ritter von). Dr. Johann Emanuel Veith (Druckerei der kaiserl. „Wiener Zeitung“, 1876, 8°., 10 S.) [vorher in der „Wiener Zeitung“, 1876, Nr. 50]. – Loewe (Johann Heinrich). Johann Emanuel Veith. Eine Biographie (Wien 1879, Braumüller, 8°., mit Bildniß, XXI und 360 S.) [ein herrliches Buch]. – Anzeiger aus dem südlichen Böhmen (Budweis, 4°.) 1854, Beilage Nr. 36: „Dr. Joh. Emanuel Veith“. – Brümmer (Franz). Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten (Eichstätt und Stuttgart 1877, Krüll [Hugendubel], schm. 4°.) Bd. II, S. 450 [nach diesem geboren 10. Juli 1788]. – Castelli (I. F. Dr.). Memoiren meines Lebens. Gefundenes und Empfundenes (Wien und Prag 1861, Kober und Markgraf, 8°.) Bd. I, S. 287 und 289. – Deutscher Hausschatz (Regensburg, 4°.) Jahrg. 1877, S. 298: „J. Veith, ein Lebens- und Charakterbild“. Von S. Brunner. – Goedeke (Karl). Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen (Dresden 1881, Ehlermann, 8°.) Bd. III, S. 816, Nr. 413. – Heindl (Joh. Bapt. Dr.). Galerie berühmter Pädagogen, verdienter Schulmänner, Jugend- und Volksschriftsteller und Componisten aus der Gegenwart in Biographien und biographischen Skizzen (München 1859, J. A. Finsterlin, 8°.) Bd. II, S. 563. – Jüdisches Athenäum. Galerie berühmter Männer jüdischer Abstammung und jüdischen Glaubens von der letzten Hälfte des achtzehnten bis zum Schlusse der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (Grimma und Leipzig 1851, Verlagscomptoir, br. 12°.) Seite 237 [gibt auch 1788 als Veith’s Geburtsjahr an]. – Kleines biographisches Lexikon, enthaltend Lebensskizzen hervorragender um die Kirche verdienter Männer (Znaim 1862, M. F. Lenck, 8°.) S. 144. – Kehrein (Joseph). Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im 19. Jahrhundert (Zürich, Stuttgart und Würzburg 1871, Leo Woerl, gr. 8°.) Bd. II, S. 217 [mit reicher Literatur]. – Neues Wiener [95] Tagblatt, 1869, Nr. 67, im Feuilleton: „Kleine Culturbilder“. Neue Folge. VII. Fastenpredigten und ihr Publicum“. Von F.(riedrich) S.(chlögl). – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 4. September 1871, Nr. 2524, im Feuilleton: „Dr. Johann Emanuel Veith“. Von Bruno Walden. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 516. – Oesterreichischer Parnass, bestiegen von einem heruntergekommenen Antiquar (Frey-Sing, bei Athanasius und Comp. [Hamburg, Hoffmann und Campe] 8°.) S. 41 [mit folgender Charakteristik, die als Curiosum hier eine Stelle finde: „Affreuses Aeußere, zerrüttetes Innere, starker Tabakschnupfer, gedrungene Figur, früher talentvoller Dichter, Thierarzneiinstitutsdirector, Doctor der Medicin, dann vom Judenthume zum Erzkatholicismus übergehend, Pietist, Liguorianer, Verfinsterer, Homöopath, dann Doctor der Theologie, jetzt Domprediger bei St. Stephan. Werke. Gebetbücher – Geistliche Schriften; – Gedichte (in früherer Zeit sehr gute)“. Diese Schilderung erscheint affreuse, nicht aber Veith’s Aeußeres. Auch Sokrates soll nichts weniger denn schön gewesen sein.] – Schlögl (Friedrich). Wienerisches (Wien und Teschen 1883, Prochaska, gr. 8°.) S. 395 u. f. – Schrader-Hering. Biographisch-literarisches Lexikon der Thierärzte aller Zeiten und Länder, sowie der Naturforscher, Aerzte, Landwirthe, Stallmeister u. s. w., welche sich um die Thierheilkunde verdient gemacht haben (Stuttgart 1863, Ebner und Seubert, gr. 8°.) S. 441. – Verhandlungen des zoologisch-botanischen Vereines in Wien (Wien, 8°.) Bd. V (1855), Abhandlungen, S. 36, in August Neilreich’s „Geschichte der Botanik in Niederösterreich“.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: mukalisch-praktischen.