BLKÖ:Stifft, Andreas Joseph Freiherr

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 39 (1879), ab Seite: 9. (Quelle)
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Stifft, Andreas Joseph Freiherr (k. k. Leibarzt, Staats- und Conferenzrath, geb. zu Röschitz in Niederösterreich, nach seiner eigenen handschriftlichen Notiz am 30., nach den Einen am 29. November 1760, nach den Anderen erst 1766, gest. zu Schönbrunn nächst Wien 16. Juni 1836). Sohn bürgerlicher Eltern, welche denselben, da er Talent und Neigung für die Studien zeigte, studiren ließen. Nach beendeten Vorbereitungsstudien bezog er die Wiener Hochschule, auf welcher er sich der Medicin als Berufsstudium zuwendete und im Jahre 1784 die Doctorwürde erlangte. Die Art und Weise seines Auftretens, sein Scharfblick im Erkennen der Krankheiten, die Sorgfalt in der Behandlung der Kranken gewannen ihm bald das Vertrauen des Publicums, und in die Häuser des hohen Adels und der reichen Familien wurde der junge, rasch beliebt gewordene Arzt gern berufen. Im Anbeginn seiner Praxis war es ihm noch gegönnt, die Muße seines Berufes wissenschaftlicher Arbeit zuzuwenden, und damals erschien seine „Praktische Heilmittellehre“ 2 Bde. (Wien 1790 und 1792, gr. 8°.). Später, von seinem praktischen Berufe zu sehr in Anspruch genommen, konnte er sich dieser Richtung desselben nicht mehr widmen. Im Jahre 1794 hatte Kaiser Franz I. für die Darstellung einer zweckmäßigeren Organisirung der k. k. Josephinischen medicinisch-chirurgischen Akademie einen Preis ausschreiben lassen. Unter den Preisbewerbern befand sich auch Andreas Stifft, und in der That wurde seiner Schrift [10] der Preis von 40 Ducaten zuerkannt. Seine gediegene Arbeit lenkte aber die Aufmerksamkeit der damaligen ärztlichen Koryphäen der Residenz, u. A. des kaiserlichen Leibarztes von Störck, auf den jungen Arzt, und derselbe wurde durch ah. Entschließung im Jahre 1795 zum zweiten Wiener Stadtphysikus und Sanitäts-Magister ernannt. In dieser Stellung bewährte sich Stifft bald in so tüchtiger Weise, daß ihn am 19. December 1796 Seine Majestät zum k. k. Hofarzt in Allerhöchstseinem unmittelbaren Dienste ernannte; zwei Jahre später aber wurde er wirklicher k. k. Leibarzt, als welcher ihm mit ah. Entschließung vom 23. Mai, 1802 der Hofraths-Charakter verliehen ward, und im folgenden Jahre, 1803, nach Störck’s Tode wirklicher erster Leibarzt. Sein ganzes übriges Leben ist eine ununterbrochene Kette von Beförderungen zu Stellen und Aemtern, in welchen der gelehrte und gediegene Arzt seinen ganzen Einfluß zur Förderung des Dienstes in die Wagschale zu legen berufen war, so wurde er am 14. Janner 1803 Vice-Director des medicinischen Studiums, aber noch am 13. April d. J. zum Protomedicus, Präses und Director der medicinischen Facultät und des medicinischen Studiums ernannt; 1808 in die neu errichtete Studien-Hofcommission als Beisitzer und Referent des medicinischen Studiums berufen; mit kaiserlichem Cabinetsschreiben vom 17. September 1810 als Hofrath in den Staats- und Conferenzrath übersetzt und zwei Jahre später mit ah. Handschreiben vom 1. Jänner 1813 zum Staats- und Conferenzrathe ernannt, die höchste Stelle, die er in seinem Fache erreichen konnte. Im Jahre 1811 übernahm Stifft vom XVII. Bande an, in Gemeinschaft mit seinem Collegen dem k. k. Leibarzte von Raimann [Bd. XXIV, S. 252] die Fortsetzung der „Medicinischen Jahrbücher der k. k. österreichischen Staaten“. In allen seinen Stellungen bewährte er eine Umsicht und Tüchtigkeit in Ergreifung zweckmäßiger Anordnungen, die seinem Namen in der Geschichte der Entwicklung und Fortbildung der sanitären Verhältnisse im Kaiserstaate überhaupt, wie in der Residenzstadt Wien insbesondere, eine bleibende Stelle sichern. Als k. k. Leibarzt hatte er wesentlichen Einfluß auf eine zweckmäßige Aenderung in der physischen Erziehung der Mitglieder des Kaiserhauses. Aus diesem Grunde verzichtete er zwei Jahre hindurch auf alle Privatpraxis, um Tag und Nacht den kaiserlichen Kindern seine ungetheilte Aufmerksamkeit zuwenden zu können. Den Kaiser und die Kaiserin begleitete er in den Feldzug des Jahres 1805, und als die Kaiserin, sowie die Erzherzogin Leopoldine während dieser Zeit gefährlich erkrankten und nach dem unglücklichen Ausgange dieses Feldzuges sich in einem dem Feinde preisgegebenen, von aller Bedeckung entblößten Orte befanden, traf er alle Vorkehrungen zu dem Schutze der beiden hohen Frauen und blieb ununterbrochen an ihrer Seite. – Ebenso begleitete er den Kaiser in die Feldzüge der Jahre 1809, 1813 und 1814 und erhielt für die bei diesen Dienstreisen bewiesene Umsicht im Jahre 1814 den St. Stephanorden mit dem Freiherrenstand; im Jahre 1815 das nur Wenigen verliehene silberne Civilehrenkreuz. Werfen wir nun einen Blick auf die zunächst durch ihn veranlaßten medicinischen Reformen im Kaiserstaate, so haben wir anzuführen, daß nach dem von [11] ihm ausgearbeiteten Entwurfe das medicinisch-chirurgische Studium auf allen Lehranstalten der Monarchie, im Ganzen wie in den einzelnen Zweigen, völlig neu organisirt; daß auf seinen Antrag mehrere ganz neue medicinische Lehrkanzeln creirt und ältere bereits bestehende in einer den Forderungen der damaligen Wissenschaft entsprechenden Weise umgestaltet; daß zur Bildung künftiger Professoren der Heilkunde Pflanzschulen ins Leben gerufen wurden, welche den später in allen übrigen Lehrzweigen eingeführten zur Norm dienten. Die Errichtung und Organisirung der Studien-Hofcommission geschah auf seinen Vorschlag und nach dem von ihm entworfenen Plane, und seit er im Staatsrathe nicht blos dem medicinischen Studienfache, sondern dem Studien-Departement im Allgemeinen vorstand, schuf er in allen Zweigen des Lehrfaches wesentliche und nützliche Einrichtungen. So z. B. sei nur daran erinnert, daß auf seinen Antrag neue Lehrkanzeln des ungarischen Rechtes an der Wiener Universität und des österreichischen Rechtes an ungarischen und siebenbürgischen Lehranstalten creirt wurden, sowie daß er an den 1811 wieder aufgenommenen Verhandlungen über die Errichtung des Polytechnischen Institutes in Wien hervorragenden Antheil hatte. Von Grund aus reformirt, schwang sich das öffentliche Sanitätswesen auf eine bis dahin nicht gekannte Stufe der Vollkommenheit, und zwar in einer Zeit, in welcher für derartige, auf ganze Länder sich erstreckende Reorganisirungsarbeiten in den Zeitverhältnissen selbst das größte Hinderniß lag. Als in jenen Tagen die Kuhpockenimpfung in ärztlichen Kreisen wie im Publicum eine nicht geringe Aufregung hervorbrachte, trat Stifft, welcher die Wichtigkeit der Jenner’schen Entdeckung alsbald in ihrer ganzen Tragweite erkannt hatte, mit Entschiedenheit an dieselbe heran, und um das Vertrauen des zweifelnden Publicums mit einem Male zu erobern, vaccinirte er selbst zunächst mehrere Mitglieder der kaiserlichen Familie, und nun wurden auf seine Veranlassung, auf kaiserlichen Befehl, die von ihm verfaßten Anordnungen zur Ausübung, Verbreitung und Allgemeinmachung der Vaccination in allen Provinzen des Kaiserstaates erlassen. Auf seinen dem Kaiser unterbreiteten Vortrag wurde das Thierarznei-Institut dem Hofkriegsrathe, unter dessen Oberaufsicht es bis dahin gestanden, entzogen und der Leitung der Studien-Hofcommission unterstellt, zunächst aber auch seine Erweiterung und Vervollkommnung angeordnet. Auch die Verbesserung des Feldsanitätswesens hatte Stifft ins Auge gefaßt und darüber den Vortrag an den Kaiser erstattet, worauf die Errichtung eines eigenen von ihm vorgeschlagenen Sanitätscorps ins Leben trat. Wie aus Vorstehendem ersichtlich, hat er nach jeder Seite des Staatsarzneiwesens reformatorisch und in zweckdienlichster Weise gewirkt. Als dann im Jahre 1826 Kaiser Franz von einer lebensgefährlichen Krankheit befallen wurde, war es Stifft, der mit dem Aufgebot aller Kräfte den Kaiser auf dem Krankenbette behandelte und dessen Genesung erzielte. Der Monarch dankte seinem Lebensretter durch Verleihung des Commandeur-Kreuzes des St. Stephanordens und der Geheimen-Raths-Würde. Noch einmal sollte der Arzt durch seine Energie in bedrängter Zeit in das öffentliche Sanitätswesen entscheidend eingreifen. Im Jahre 1831 brach die Cholera zum ersten Male in [12] der Residenz aus. Die Bestürzung der Bevölkerung vor der unheimlichen Seuche war beispiellos. Nun trat Stifft, damals bereits ein siebenzigjähriger Greis, gebieterisch in das um ihn herum sich ausbreitende Chaos. Die meisten Aerzte hatten den Kopf verloren. Unter denjenigen, welche die Arena behaupteten und der Seuche mit der Energie männlichen Muthes und den Waffen des Geistes entgegentraten, hatte sich der Streit über Ansteckbarkeit oder Nichtansteckbarkeit der Seuche entsponnen, und so trat auch Stifft in die Reihe der Kämpfer, erklärte sich auf das entschiedenste für die Nichtansteckbarkeit der Krankheit und traf danach alle Vorkehrungen, indem er die Sperren aufheben, den Cordon auflösen und den freien geselligen Verkehr wieder herstellen ließ. Es möge dahin gestellt bleiben, ob mit seinem Machtworte die Ansteckungsfrage gelöst worden, gewiß ist es, daß damit die Panik der Bevölkerung gebrochen und ein Zustand geschaffen wurde, welcher eine entsprechende Behandlung der von der Seuche Befallenen und Einführung angemessener Präservative ermöglichte. Im Jahre 1834 beging der damals 74jährige Greis sein 50jähriges ärztliches Jubiläum, aus dessen Anlaß eine Medaille, deren Ertrag einem wohlthätigen Zwecke gewidmet war, geprägt wurde. Nur zwei Jahre überlebte der Greis diese Feier. Im Frühling 1836 bezog er noch im vollkommenen Wohlbefinden seine Wohnung im kaiserlichen Lustschlosse Schönbrunn. Da wurde er von einem anfangs unscheinbaren Leiden befallen, das aber alsbald einen acuten Charakter annahm und mit tödtlichem Ausgange endete. Daß S., wie es hie und da mitgetheilt steht, an der Cholera gestorben, ist ein Märchen. Freiherr von Stifft stand als Arzt und Mensch in gleich hoher Achtung; viele Fürsten zeichneten ihn durch Verleihung ihrer Orden, viele gelehrte Gesellschaften durch Aufnahme in ihren Schooß aus. Was er aber als Mensch und Wohlthäter den Armen war, wissen nur Wenige. Vor mir liegen handschriftliche Mittheilungen von einem armen Gelehrten, der in seiner Noth wiederholt größere Geldsendungen anonym erhalten und seinen Helfer lange Zeit nicht geahnt hatte. Erst nach Jahren, als der Dürftige durch Stifft’s Vermittlung wieder eine Anstellung erhielt, die ihn vor weiterer Noth schützte, erkannte er aus den Schriftzügen der Unterschrift des Decretes und aus jenen der aufbewahrten [13] Adressen der anonymen Spenden den edlen Geber. Ueber Stifft’s Familienstand und Nachkommen siehe die umstehende Stammtafel.

Freiherrenstands-Diplom ddo. 27. August (ausgefertigt 4. October) 1814. – Der Telegraph (Wiener Unterhaltungsblatt) 1836, Nr. 76. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.). Zweite Abtheilung, Band X, S. 409 [nach diesem 1768 geboren]. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, B. F. Voigt, kl. 8°.) XIV. Jahrg. (1836), S. 406, Nr. 135. – Oesterreichs Ehrentempel. Herausgegeben von Bohr und Höfel (Wien, 4°.). – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.), Bd. V, S. 203. – Alle Quellen, ausgenommen das Meyer’sche „Conversations-Lexikon“, das 1768 als S.’s Geburtsjahr angibt, und das in Gratz erscheinende Unterhaltungsblatt „Der Aufmerksame“ 1839, Nr. 144, nach welchem Stifft im Jahre 1766 geboren ist, geben den 29. November 1760 als sein Geburtsdatum an.
Porträte. 1) Unterschrift: „Andreas Joseph || Freiherr von Stifft, | Ritter des k. ung. St. Stephan-Ordens, des silbernen || Civil-Ehrenkreuzes, Großband des königl. franz. | St. Michael-Ordens, | Seiner kais. königl. apostol. || Majestät wirklicher Staats- und Conferenz-Rath, | erster Leib- und Protomedicus, Director der medicin. || Studien, und Präses der medicin. Facultät etc. etc.“. [Die mit den doppelten Linien (||) unterbrochenen Stellen sind mit dem Wappen ausgefüllt.] Letronne del. 1817, V. Kininger sculp., 1818 (Fol.). – 2) Unterschrift: „Andreas Joseph Freyherr | von | Stifft | kais. königl. wirkl. geheimer-, dann Staats- und | Conferenz-Rath und erster Leibarzt“. Staub[WS 1] fec. Lith. Anstalt in Wien (Fol.). – 3) Unterschrift: „Jos. Andr. Stifft “. B. Ch. de Guerard pinx., Dav. Weiß sculp. (4°.). – 4) Unterschrift: „Andreas Joseph | Freiherr von Stifft“ (in Bohr-Höfel’s „Oesterreichs Ehrentempel“) (4°.). – 5) Lithographie von Eybl (Wien, Leykam, Fol.).
Medaillen. 1) Anläßlich der Genesung des Kaisers Franz I. durch die Bemühungen des ihn behandelnden Leibarztes Freiherrn Stifft wurde im Jahre 1826 eine Medaille geprägt, welche von J. Lang ausgeführt ward. – 2) Als Stifft im Jahre 1834 sein fünfzigjähriges ärztliches Jubiläum beging, wurde gleichfalls eine Medaille geprägt, welche der berühmte Medailleur Böhm geschnitten hat.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Stautz.