BLKÖ:Schlögl, Friedrich

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schlögl, Johann
Band: 30 (1875), ab Seite: 128. (Quelle)
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Schlögl, Friedrich (Schriftsteller, geb. zu Wien 7. December 1821). Von dem äußeren Leben S.’s, der sich mit einem Buche einen Namen gemacht, den Andere mit einem Dutzend nicht erlangen, ist wenig zu erzählen. Als Sohn armer Eltern war er nach kaum beendetem Gymnasium genöthigt, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen, und er that dieß, indem er im Jahre 1840 (theils auch, um der Recrutirung zu entgehen) in eine Militär-Rechnungskanzlei trat, wo er gleich dem unglücklichen Dichter Emanuel Hilscher [Bd. IX, S. 20; Bd. XI, S. 432; Bd. XIV, S. 476] nun verurtheilt war, im „rauschenden Lenz der Jugend“ bei der trockenen Arbeit einer „Achtel- und Hundertelkreuzer“-Verrechnung und der Erlernung der Geheimnisse des nichts weniger als classischen „halbbrüchigen“ Bureaustyls geistig fortzuvegetiren. Wir können nicht die lange Kette von Geduldprüfungen und Entbehrungen, welche S. mit noch vielen Anderen zu erdulden hatte, Glied um Glied prüfen und abfühlen, genug im Jahre 1849, nach neunjähriger Dienstesfrohne, betrug sein Monatsgehalt 14 fl.! Nun wurde er endlich zur Hofkriegsbuchhaltung übersetzt, wo es ihm aber nicht besser erging: denn die endlose Leiter des Anciennitäts-Avancements und dann die jeden braven Staatsdiener entmuthigenden und deren Hoffnungen völlig vernichtenden Reform-Experimente erschöpften endlich auch seine Geduld und Ende 1870 mußte der noch immer „verdienstliche“ Subalternbeamte in Folge zerrütteter Gesundheit seine Versetzung in den bleibenden Ruhestand erbitten, welche ihm denn auch gewährt wurde. Wie S. unter solchen, den Geist erdrückenden und jeden Flügelschlag der Seele lahmenden Verhältnissen sich doch zu geistigem Schaffen und einem Schaffen, das seinem Namen bald in den Schriftstellerkreisen Geltung und Gewicht verschaffte, emporraffen konnte, das verdankt er den ersten Eindrücken seiner Jugend, so kümmerlich die Zustände waren, in denen er sie verlebte. Sein Vater, obwohl nur ein schlichter, blutarmer Handwerker, fand nach des Tages Müh und Drangsal doch Nachts so viel Zeit und Muße, die – populärsten Schiller’schen und Bürger’schen Balladen aus entliehenen Bücher abzuschreiben, um sie am nächsten Abende nach den „dürftigsten Einbrennsuppen und Kartoffel-Souper“ den Seinen – vorzulesen. Der Vater besaß die Gabe eines geschickten Vortrages, er las gut und mit ergreifender Wärme, hatte er doch gute Vorbilder, da die Declamationskoryphäen der damaligen Glanzepoche des Theaters an der Wien seine unverwelklichen Ideale waren und er vordem auch häufig Zutritt in’s Theater fand, da seine Schwester, die einstmals vielgenannte Tragödin Josephine Gottdank, jenem Künstlerkreise angehörte. Solchen häuslichen Vorträgen des Vaters, die seine ersten „Kunstgenüsse“ waren, lauschte nun der Knabe inmitten seiner nicht minder aufmerksamen Geschwister und bewahrte in Kopf und Herz, was er gehört. Diese „Bildungsschule“ war nun freilich eine primitive und urwüchsige, aber doch von nicht zu unterschätzendem Einflusse auf ein empfängliches Gemüth, das die schmal zugemessenen Rationen geistiger Nahrung bald selbst zu erhöhen wußte, als der zum Jüngling heranreifende Knabe die ihm dargebotene Gelegenheit enthusiastisch begrüßte, den ästhetischen [129] und dramatischen Unterrichtsübungen, welche seine Tante, nachdem sie von der Bühne sich zurückgezogen hatte, mit ihren zahlreichen Schülern und Schülerinen tagüber abhielt, allerdings nur als stummer, aber darum nicht minder aufmerksamer und eifriger Zuhörer beizuwohnen. Nun ging’s mit aller Lebhaftigkeit seines Temperaments an’s Lesen und – bei beschränktesten Mitteln – an’s Büchersammeln. Was ihm mit den kleinen Mitteln – es waren oft nur etliche Kreuzer, die ihm zu Gebote standen – möglich war, an Lesefutter zu erhaschen, wurde beigeschafft und dann dieser Heißhunger nach Lectüre, so gut es gehen wollte, gestillt. Wenn er ausging, stak ein Buch in der Tasche, wenn er sich schlafen legte, befand es sich unter seinem Kopfkissen. „Stilling’s Jugend“[WS 1], das er bei einem Trödler um etliche Kreuzer erstanden, wurde sein Lieblingsbuch, und wurde, wie von anderen Knaben der „Robinson“, so von ihm immer wieder von Neuem gelesen. Daran reihten sich Klinger’s „Zwillinge“, Schiller’s „Fiesko“, „Die Räuber“, Kotzebue’s „Menschenhaß und Reue“, Goethe’s „Wilhelm Meister“, Babo’s „Strelitzen“, ein Bruchstück aus Ramler’s „Mythologie“ und ein „Leipziger Meßkatalog“. Man staune nicht über diese eigenthümliche Zusammenstellung, sie war nicht das Ergebniß überdachter Wahl, sondern das Conglomerat des jocosen Zufalls, aber von eindringlichsten Folgen. S. verlebte dabei seine seligsten Stunden, insbesondere, wenn er diese Bücher Abends bei Nachbarleuten, die in einem geheizten Stübchen ihr Oellämpchen brannten, lesen konnte. Denn bei seinen dürftigen Eltern wurde mit Licht und Heizung sehr gespart. Als des Lebens Ernst und die Pflicht der Selbsterhaltung immer drängender an ihn herantraten und er, wie oben erwähnt, einen – in des Wortes vollster Bedeutung – „Brotdienst“ – denn er gab ihm thatsächlich nur trockenes Brot – suchen mußte, vergaß er doch nicht auf Weiterbildung und erstrebte mit allem Eifer, das Stückwerk seines Wissens nach Möglichkeit zu ergänzen, und wo ihm eine Gratisquelle zum Studium der Schätze der deutschen Literatur sich eröffnete, diese geistige Labung und Stärkung sich zu verschaffen. Als „Vollblutwiener“ und aus dem Volke hervorgegangen, mit des Volkes genügsamer Lust und seinem vielen Leid aus eigener Erfahrung bekannt und vertraut, mit einem offenen Auge und der „Kunst des Schauens“ begabt, widmete er sich nun bei seinen Spaziergängen und Wanderungen in den Originalbezirken seiner autochthonen „engeren“ Landsleute mit Vorliebe der anfänglich absichtslosen Aufgabe, das „Leben und Treiben“ der „misera plebs“ nach ihren bunten Richtungen zu beobachten. So drängte sich ihm fast unwillkürlich ein reiches Materiale von Erfahrungen und Wahrnehmungen aus den scheinbar kleinen, aber nicht unlehrreichen Verhältnissen jener meist noch unvermischten Schichten und Classen der Wiener Bevölkerung auf, das er später als legalstes Spiegelbild des „Volkslebens“ mit Glück verwerthen konnte. – Seine ersten literarischen Sporen verdiente er sich bereits im Vormärz, wo die Wiener Blätter belletristische Beiträge, auch der zweifelhaftesten Qualität, aufnahmen, wenn der überglückliche Autor in der Freude, sich gedruckt zu sehen, an den Abdruck seiner „Schöpfungen“ keine – Geldbedingungen knüpfte. So kam es, daß er trotz jahrelanger schriftstellerischer Thätigkeit bei verschiedenen „Versuchsstationen“ das erste Honorar doch erst [130] im Jahre 1857 erblickte, als er – bei seiner amtlichen Zwangslage incognito – für das Wiener Witzblatt „Figaro“ zu schreiben begann, dessen Mitarbeiter er heute noch ist. Nebenbei als gern gelesener Feuilletonist des nunmehr vom Schauplatze der Journalistik abgetretenen „Wanderer“ durch mehrere Jahre thätig, folgte er endlich anfangs 1867 einer Einladung, sich bei dem als unabhängig eben neu gegründeten demokratischen „Wiener Tagblatt“ als Mitarbeiter stabil zu betheiligen. Daselbst fanden seine Skizzen aus dem Wiener Volksleben, namentlich einige Serien „kleiner Culturbilder“ und die originellen drastischen Schilderungen des wüsten, den sittlichen Zustand der mittleren und unteren Schichten der Bevölkerung tief untergrabenden Treibens der „Wiener Volkssänger und Volkssängerinen“ bald einen großen Leserkreis und erregten verdientes Aufsehen. Mit Politik befaßt sich Schlögl nicht. Aber einmal machte er einen kühnen Sprung auch in dieses, ihm wenig sympathische Gebiet und dieser Sprung wird Jedem unvergeßlich bleiben, der ihn gesehen. Es war, als das Amtsblatt mit der Berufung des Ministeriums Hohenwart-Jireček die Oesterreicher überraschte. Da erschien im „Neuen Wiener Tagblatt“ der erste politische Leitartikel Friedrich Schlögl’s, überschrieben: „Im Mistgrüberl“. Dieser „Leitartikel“ schildert in seiner Art die zwischen Entrüstung und Heiterkeit schwankende Stimmung der Wiener anläßlich dieses politischen Actes in einer Weise, die wirksamer war als alle Premier Paris und Leaders. Man hörte eine volle Woche fragen: Haben Sie „Im Mistgrüberl“ gelesen? Und „im Mistgrüberl“ ist seither ein geflügeltes Wort in der Wiener Politik. Von Schlögl’s Skizzen und Studien erschien die erste Serie gesammelt unter dem bereits zum geflügelten Worte gewordenen Titel: „Wiener Blut“ (Wien 1873, L. Rosner, 8°.), die sich eines außerordentlichen Erfolges und des einstimmig anerkennenden Urtheils, nicht in Anzeigen Ungenannter, sondern in Aussprüchen solcher Männer in der Kritik erfreuten, welche als Wortführer im Gebiete des Schönen und Geistigen gelten, wir nennen hier Anzengruber, Kürnberger, Lorm, Rosegger, Nordmann, von denen in den Quellen S. 131 ein paar der bezeichnendsten Urtheile angeführt werden. Das Buch erlebte noch im nämlichen Jahre eine zweite und im December 1874 die dritte Auflage. Eine neue Folge dieser Schilderungen ist in dem Vorworte zur dritten Auflage des „Wiener Blut“ unter dem Titel: „Wiener Luft. Porträts und Scenen aus dem Wiener Volksleben“ bereits angekündigt. Zum Drucke vorbereitet hat S., wie die Journale melden: „Kreuz- und Querzüge eines Wiener Zeitungsschreibers“, sowie „Von Wiener Weinkellern und Weinstuben, kleine Beiträge zur Sittengeschichte der alten Kaiserstadt“, wovon Einzelnes bereits im Feuilleton des „Neuen Wiener Tagblatt“ 1871, Nr. 112 u. f., abgedruckt war. S., seit Jahren mit einer achtbaren und noch jetzt als Mutter erwachsener Kinder höchst liebenswürdigen Frau, Anna Wild verheirathet, aus welcher Ehe zwei Söhne stammen, lebt in den letzteren Jahren, manchmal leidend, zurückgezogen ganz seiner Familie, seinen geistigen Arbeiten und dem Genusse der Natur, den ihm die herrliche Umgebung Wiens in Hülle und Fülle bietet und wo er dann seine naturwüchsigen Studien macht. – Friedrich Schlögl’s Schwester Josephine (geb. zu Wien am 14. October 1824) trat [131] anfangs der Vierziger-Jahre in mehreren Concerten als Declamatrice in die Oeffentlichkeit und erweckte durch ihre anmuthige Persönlichkeit, durch ein unleugbares Talent und das wohlklingendste Organ zu schönen Hoffnungen, die sich auch bethätigten, als sie auf mehreren norddeutschen Bühnen in Engagement kam. Leider zog sie sich durch Ueberanstrengung schon nach ein paar Jahren ein Halsleiden zu, das sie nöthigte, die theatralische Laufbahn für immer zu verlassen. Vermält mit dem geschätzten Landschaftsmaler Rudolph Swoboda, verlor sie nach kurzer Ehe ihren Gatten durch den Tod.

Wiener Schriftsteller und Journalisten. Typen und Silhouetten von Don Spavento(Wien 1874, Spitzer u. Holzwarth jun. , 8°.) S. 47. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1873, Nr. 3031 vom 31. Jänner, im „Literaturblatt“ (4. Seite des Abendblattes). – Der Correspondent (Wiener polit. Wochenblatt) 1872, Nr. 6.
Einige kritische Stimmen über Schlögl’s „Wiener Blut“. Ferdinand Kürnberger (in Paul Lindau’s „Gegenwart“) schreibt: „Hier hat der rechte Mann das rechte Buch geschrieben. ... Unser Schauplatz im „Wiener Blut“ ist die Zone süddeutscher Laxheit, multiplicirt mit slavischer Liederlichkeit und zum Quadrat erhoben durch geistliche und weltliche Mißregierung hundertjähriger Dalai Lama-Absolutie. Da muß es denn nothwendig im „Wiener Blut“ auch viel verdorbenes Blut geben, und wer diese Thatsache nicht beschönigt, ist Friedrich Schlögl. Er zeigt uns die Indolenz, die Frivolität, die Gemeinheit, die sittliche Verkommenheit, die mannlose Bubenhaftigkeit, den Lustfrevel, die Zotengier, den Schmutzfanatismus, den Bildungshaß, die verstockte, verluderte, sich selbst bejahende absolute Lumpenhaftigkeit, mit jener festen Germanenhand eines echten Niederländers, welcher nichts verwälscht und verbübelt, welcher derb die Wahrheit sagt und herzhaft ausspucken kann, wo kein Spucknapf steht. Der kundige Landsmann und Mitwisser dieses intimen Stoffes aber sagt sich erstaunt: also das alles kennst du auch, hast es gesehen und durchconjugirt wie Unsereiner, ja noch autoptischer, und doch konnte deine Liebe zu Volk und Land an so vielen und verzweifelten Klippen nicht Schiffbruch leiden? Oder umgekehrt: so viel Liebe hat dich nicht blind gemacht, daß dein Auge klar und offen, hat dich nicht schwach gemacht, daß dein Zorn straff und dein Ekel gesund blieb, wo eine mannhafte Abstoßungskraft an ihrem richtigen Platze war? Und jetzt ahnen wir etwas von dem echten Begriff der Gemüthlichkeit. Wir sehen die Goldprobe ihres feinstkörnigen Goldes. Diese Ausgeglichenheit von Liebe und Satire, dieses schöne sittliche Ebenmaß, welches die Liebe nicht zur Sentimentalität, den satirischen Strafgeist nicht zur Erbitterung werden läßt, ist wohl die geheimste und innerste Quelle von der wohlthuenden Wirkung unseres Buches, ist ein Zaubergürtel, woraus Anmuth und Adel auf die derbsten und niedrigsten Stoffe ausstrahlt. Wir glauben von dem Talente des Autors, von der glücklichen Wahl seiner Gegenstände unterhalten zu sein und fühlen zuletzt mit feineren Organen, daß das Beste dabei seine schön gestimmte Menschlichkeit thut. Schlögl’s „Wiener Blut“ ist am 10. Januar 1873 im Buchhandel ausgegeben worden und schon bereitet der Verleger die dritte Auflage vor. Die österreichische Presse hat es augenblicklich und einstimmig ihrem ungeheueren Leserkreise mit wärmstem Beifall empfohlen. Wäre dabei Kirchthurms-Aesthetik, Gau-Patriotismus und Kameraden-Verknotigung im Spiele, so würde ich mit angeborenem und auf Methusalem’s Alter ausreichendem Ekel vor literarischem Schwindel mein Weniges beigetragen haben, sothanen Luftballon an allen erreichbaren Puncten zu durchlöchern. Aber es ist glücklicherweise umgekehrt. Diese Wiener Skizzen verdienen noch weit über Wien und Oesterreich hinaus die liebevolle Aufmerksamkeit der Literaturfreunde. Denn das wird doch wahr bleiben müssen und das Eine trotzt allen Widersprüchen und Einreden, auf die sich jede auch die berechtigste individuelle Meinung gefaßt machen muß: mindestens auf die nächsten zwanzig Jahre hinaus ist unserem Buche zu prognosticiren, daß es die Anerkennung der besten Studie, welche die belletristische Ethnographie über Wien und die Wiener zu Tage gefördert hat, behalten, und gleichsam die originaltreue und kritische Textausgabe [132] dieses Thema’s repräsentiren wird. – Anzengruber, der Verfasser des Stückes „Der Pfarrer von Kirchfeld“, schreibt: „… Mit heiterer Stirne und sicherer Hand, schreibt der Verfasser: „Gezählt – Gewogen –„ an die barocken Male unserer Sitten und Unsitten, aber das „und zu leicht befunden“, das bleibt ihm im Stifte stecken, dazu hat er seine Vaterstadt zu lieb; meine, tekel schreibt er – upharsin, das schreibt er nicht. Nur einmal erzittert ihm die Hand und er scheint gewillt, den ganzen Spruch mit umwölkter Stirne an unsere Mauern zu schreiben, das ist, als er mit uns die „Volkssänger und Volkssängerinnen“ besucht; diese Parthie des Buches möchte ich dem ernsten Nachdenken jedes Wieners empfohlen haben ... Und wie ist dieser Abschnitt geschrieben! Da spielen alle Lichter des Humors, da wirft die Satire bizarre Schlagschatten an die Wände, da ist spottender Unmuth und heiliger Ernst! ... Jeder Wiener sollte wohl dieses Buch in seinem Schranke haben, damit er es zur Hand nehmen kann, wenn ihn Fremde besuchen, und damit er ihnen zeigen kann, wie wir nicht überstolz auf die Vorzüge unserer Vaterstadt, nicht blind gegen ihre Schattenseiten sind, damit sie wissen, wie ein echtblütiger Wiener über „Wiener Blut“ denkt u. s. w.“ – Hieronymus Lorm (im „Correspondent“) schreibt: „Wenn eine Stadt das Glück hat, von ihren Bewohnern, wenn auch mit Unrecht, verhätschelt zu werden, so daß ihr Generationen hindurch aus liebgewordener Tradition die reizendsten Eigenschaften angedichtet werden, ohne daß es möglich wäre, das Gute, das man von ihr faselt, thatsächlich zu erleben, so bringt diese Stadt endlich aus Dankbarkeit einen Sohn hervor, in dessen Gemüth und Geist, in dessen Geschmack und Talent sich die so lange nur erdichteten Vorzüge endlich verwirklicht darstellen. Ein solcher Sohn Wiens ist Friedrich Schlögl, wie er als Verfasser von „Wiener Blut“ dem Leser lebendig wird. ... Er ist eine von den seltenen Novitäten der Schöpfung, welche zugleich ihre einzigen sind: ein neuer Mensch, ein neues Auge. Er lobt und tadelt kaum – er schaut nur. Millionen glotzen mit gesunden Augen in die Welt, aber sie sehen nur Farben und Formen, nicht die Wahrheit. Diese läßt sich nur schauen und zum Schauen gehört, was Millionen abgeht, die Objectivität des Gemüthes. Sie ist nur dem Philosophen und dem Poeten, oder demjenigen gegeben, der, wie Friedrich Schlögl, ein Gemisch von beiden ist: dem Humoristen. So sieht Wien aus, wenn es von einem Wiener geschaut wird, der all die liebenswürdigen Eigenschaften besitzt, die man der Stadt selbst andichtet: Anmuth, Heiterkeit, Gemüth und Menschenliebe. Das ist die Wahrheit über Wien, denn es ist Wahrheit, daß sich Wien in dieser Gestalt im Gemüth, eines Wieners gespiegelt hat, u. s. w.“

Anmerkungen (Wikisource)