BLKÖ:Jacquin, Joseph Franz Freiherr von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 10 (1863), ab Seite: 23. (Quelle)
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Jacquin, Joseph Franz Freiherr von (Arzt und Naturforscher, geb. zu Schemnitz in Ungarn 7. Februar 1766, gest. in Wien 9. December 1839). Sohn des berühmten Naturforschers Nikolaus Joseph Freiherr von J. [s. d. Folg.] aus dessen Ehe mit der Tochter seines Freundes, des k. k. Regierungssecretärs Johann Heinrich Schreibers zu Wien. Er ist zwar in Ungarn geboren, wo sein Vater zu Schemnitz das Lehramt der Chemie versah, kam aber schon als Kind von zwei Jahren nach Wien, als [24] sein Vater daselbst das Lehramt der Botanik und Chemie an der Universität erhielt. Unter der unmittelbaren Leitung seines Vaters erhielt der Sohn von Nikolaus Molitor den ersten Unterricht im elterlichen Hause und war der stetige Begleiter seines Vaters auf dessen naturwissenschaftlichen Ausflügen in den Umgebungen der Hauptstadt, in den Ebenen und Gebirgen Ungarns. Als Knabe von 11 Jahren machte er die für die Naturgeschichte wichtige Entdeckung, daß die Fortpflanzung nicht bei allen Eidechsen mittelst Eiern vor sich gehe und veröffentlichte dieselbe im ersten Bande der „Nova acta Helvetica“ (1778), in der Abhandlung: „De Lacerta vivipara“. In dem er sich in der Naturwissenschaft, vornehmlich in der Botanik und in den classischen und modernen Sprachen gebildet, betrat er die medicinische Laufbahn seines Vaters, und beendete im Alter von 22 Jahren das ärztliche Studium, worauf er auf Kosten des Kaisers Joseph im Jahre 1788 eine wissenschaftliche Reise nach Deutschland, Holland, England antrat, in London mit Männern, wie Joseph Banks, in dessen Hause er wohnte, Johann Everard Smith, Herschel, Dryander, auf seiner Rückkehr aber über Paris daselbst mit Jussieu, Desfontaine, Labilardiere, Lavoisin und Vauquelin sich befreundete. Seine Absicht, Westindien zu besuchen, wurde durch die mittlerweile in Paris ausgebrochenen Unruhen vereitelt und er trat seine Rückreise über Italien an, wo er gleichfalls vielfache Verbindungen mit Gelehrten anknüpfte. Nach dreijähriger Abwesenheit traf er 1791 wieder in Wien ein, wo er noch im nämlichen Jahre von Kaiser Leopold II. zum suppl. Professor der Chemie und Botanik ernannt wurde. Kaiser Franz II. bestimmte ihn 1793 zum Adjuncten seines Vaters, der bereits über 30 Jahre die Professur bekleidet hatte. Um diese Zeit veröffentlichte Joseph sein Lehrbuch der allgemeinen und medicinischen Chemie in deutscher und lateinischer Ausgabe und arbeitete mit seinem Vater zugleich an der österreichischen Provinzial-Pharmakopöe, welche im October 1793 zuerst erschien. Als sein Vater im Jahre 1797 vom Lehramte zurücktrat, wurde Joseph sein Nachfolger in demselben. Im Jahre 1802 wurde J. zum Doctor der Arzneikunde promovirt, 1807 zum Mitgliede des Ausschusses der k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft in Wien gewählt; 1820 zum n. ö. wirklichen Regierungsrathe ernannt. Nach Host’s Tode [Bd. IX, S. 340] übertrug ihm Kaiser Franz 1834 die Aufsicht über den für die österreichische Flora gegründeten Kaisergarten im Belvedere. Im Jahre 1837 wählte ihn die neu in’s Leben getretene k. k. Gartenbau-Gesellschaft zu ihrem Vice-Präsidenten; im folgenden Jahre erbat er sich die Enthebung von seinem Lehramte, das er durch 47 Jahre versehen hatte. Aber nur ein Jahr mehr genoß er die Ruhe, dann erlag er im 74. Jahre einem Leiden, das sich seit längerer Zeit bereits entwickelt hatte. Aus seiner Ehe mit einer gebornen Freiin Natorp, einer zu ihrer Zeit berühmten Clavier-Dilettantin, hinterließ er nur eine Tochter, die an den Hofrath und Director des kais. Naturalien-Cabinetes, Karl Ritter von Schreibers, vermält war. Joseph Franz war der Letzte seiner Familie. Die schriftstellerische Thätigkeit J.’s umfaßt folgende Werke: „Sätze aus der Mathematik nebst einer Abhandlung über Parallellinien“ (Wien 1778, 8°.); – „Beiträge zur Geschichte der Vögel“ (Wien 1784, Beck, mit 19 ill. K. K., gr. 4°.); [25] – „Lehrbuch der allgemeinen und medicinischen Chemie“. 2 Thle. (Wien 1793, 4. Aufl. 1810–1822, gr. 8°.), den 2. Band der 4. Auflage beendete aber erst nach einer 12jährigen Unterbrechung J.’s Freund und Schüler, Benjamin Scholz; unter neuer Redaction von Ign. Gruber erschien es 1836; die lateinische Ausgabe kam unter d. Tit.: „Elementa Chemiae univers. & medic. ex lingua germanversa“ Tom. 2 (ebd. 1793, gr. 8°.) heraus; – „Operis graminum fascicul. I. et II.“ (Wien 1813, Fol. maj.) – „Ueber den Ginkgo“ (Wien 1819, mit 1 ill. K., gr. 8°.), aus den „Jahrb. der med. Facultät des österr. Kaiserstaates“ besonders abgedruckt; – „Eclogae plantarum rariorum et minus cognitarum quas ad vivum descripsit et iconibus colloratis illustravit“. Fasc. 1–10 (Wien 1812 et s., Fol. maj.), erst nach seinem Tode beendet; – „Die artesischen Brunnen in und um Wien. Nebst geognostischen Bemerkungen über dieselben von P. Partsch“ (Wien 1831, Gerold, mit 1 Steindr., gr. 8°.). Auch hatte er Pet. Camper’s Schrift: „Ueber die beste Form der Schuhe. Aus dem Holländischen“ (Wien 1783, gr. 8°.). übersetzt und zu A. Parmentier’s, von K. Scholz nach der dritten französischen Ausgabe besorgten Uebersetzung der „Abhandlung über die Bereitungsart der Syrupe und Salze aus Weintrauben als Ersatz des Rohrzuckers“ (Wien 1812, gr. 8°.) Vorwort und Anmerkungen hinzugefügt. Nach dem Tode seines Vaters übernahm er die Fortsetzung von dessen schon 1806 begonnenem Werke: „Stapeliarum in hortis Vindobonensibus cultarum descriptiones“ welches 1818 beendet wurde. Das Prachtwerk: „Eclogae Graminum“, welches die ausländischen Gewächse behandelt, scheint überhaupt nicht in den Handel gekommen zu sein. Wissenschaftliche Abhandlungen J.’s finden sich in den „Actis phys. med. Basil.“, in den „Vaterländischen Blättern“, in Baumgartner’s „Zeitschrift für Physik“, in den „Verhandlungen der Wiener Landwirthschafts-Gesellschaft“, und in den „medicinischen Jahrbüchern des österr. Staates“. Nicht gering sind J.’s Verdienste um den botanischen Garten der Wiener Universität, dessen Aufsicht mit seinem Lehramte verbunden war. Schon unter seinem Vater steigerte sich die wissenschaftliche Bedeutung des Gartens zu hohem Grade; unter ihm aber wurde er um das Doppelte vergrößert und welche Veränderungen und Verbesserungen mit demselben erst noch vorgenommen wurden, das Alles ist in seiner in den medicinischen Jahrbüchern gedruckten, aber auch besonders ausgegebenen geschichtlichen Darstellung: „Der Universitätsgarten in Wien“, ausführlich dargestellt; aber auch diese Schrift blieb unvollendet. Ferner widmete J. sein Augenmerk der Verbesserung optischer Instrumente, vornehmlich des Mikroscopes und fand in dieser Richtung an Simon Plößl den genialen Praktiker, welcher des Gelehrten Ansicht zu würdigen und zu benützen verstand. Sein Verhältniß zur Gesellschaft darf übrigens auch nicht unterschätzt werden; sein Haus war der Vereinigungspunct aller Freunde der Wissenschaften und Künste, dem Einheimischen, wie dem Fremden ohne Unterschied des Alters und Standes erschlossen. Keine Entdeckung, keine Erfindung von nur einiger Wichtigkeit wurde irgendwo gemacht, die nicht in Jacquin’s Hause wissenschaftlich und populär erörtert worden wäre. Dieses gesellige Entgegenkommen, diese heitere Uebung der Gastfreundschaft im Interesse der Wissenschaft, den [26] Gewinn für dieselbe ungerechnet, war aber für J. selbst in sofern bedeutsam, als er, obgleich er nie etwas über die Vegetationsverhältnisse von Niederösterreich geschrieben, als der Repräsentant aller Naturforscher Oesterreichs betrachtet wurde. So wurde ihm auch vom Auslande her 1830 die ehrenvolle Auszeichnung zu Theil, vom Vereine deutscher Naturforscher und Aerzte in dessen Versammlung zu Hamburg für die zehnte Versammlung zu Wien im Jahre 1831 zum Präsidenten gewählt zu werden. Diese zahlreichen Verdienste des Gelehrten würdigte sein Monarch 1838 durch Verleihung des Ritterkreuzes des St. Stephan-Ordens, während ihn schon früher Dänemark 1815 durch den Danebrog-, Rußland 1836 durch den Wladimir-Orden ausgezeichnet hatten. Ueberdieß nahmen ihn die Akademien zu Paris, München und Turin und viele Gelehrtenvereine in Deutschland, Frankreich, England, Holland, Rußland und Italien unter ihre Mitglieder auf. Mit seinem Tode verlor die Wiener Universität den letzten Sprößling der großen van Swieten’schen, für Oesterreichs wissenschaftliche Entwicklung so bedeutsamen und ruhmvollen Schule.

Wiener Zeitung 1840, Nr. 53: „Nekrolog von Leopold Fitzinger. – Verhandlungen der k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft in Wien 1840. Neue Folge, Bd. IX, Heft 1, S. 133. – Zuschauer, redigirt von J. S. Ebersberg, 1839, in der Beilage: Blätter für geistige Thätigkeit Nr. 51, S. 1558: „Nekrolog“ von V. A. Eberle. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 4; Bd. VI, Suppl, S. 496. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, J. Ambr. Barth, gr. 8°.) Sp. 1185 [nach diesem gest. 4. Dec. 1839]. – Verhandlungen des zoologisch-botanischen Vereins in Wien, Bd. V (1855), Abhandlungen S. 31 u. 47. – Frankl (L. A. Dr.), Sonntagsblätter (Wien, gr. 8°.) Jahrg. 1843, S. 1077, im Aufsatze: „Wiener Ansichten von N. Fürst. – Es findet sich auch der 1. Februar 1766 als Geburtsdatum angegeben. – Porträt. Lithographie (Wien, bei Jos. Beck, 4°.). – Adelstands-Diplom vom 30. Juli 1774. – Freiherrn-Diplom vom 14. Juli 1806. – In einem amtlichen Berichte des Protomedicus Störk an die Kaiserin Maria Theresia vom 26. Juli 1774 wurde Niklas Joseph Jacquemin, des Obigen Vater, als der Verleihung des Adels würdig bezeichnet und ihm derselbe sofort mit dem Ehrenworte „Edler von“ verliehen. Die 32 Jahre später erfolgte Erhebung in den Freiherrnstand fand auch schon bei Joseph’s Vater in Folge der Verleihung des Ritterkreuzes des St. Stephans-Ordens statutenmäßig Statt. – Wappen. In Blau ein silbernes Haupt, worin zwei grüne Kleeblätter sich zeigen, im Schilde erscheint ein aufgerichteter silberner Sparren, unter welchem ein rechtsgekehrter Wolfskopf mit einem durch seinen Hals schräglinks abwärts stehenden silbernen Pfeile zu sehen ist. Den Schild bedeckt die Freiherrnkrone, auf derselben ein in’s Visir gestellter Turnierhelm, auf dessen goldener Krone das obbeschriebene Kleeblatt zwischen zwei mit der Mündung auswärts, vorn oben silbern, unten blau, hinten oben blau, unten silbern abgetheilten Büffelhörnern sich befindet. Die Helmdecken sind beiderseits blau, mit Silber unterlegt. Das ursprüngliche Wappen glich mit Unterschied der Krone, die eine einfache Adelskrone war, diesem freiherrlichen.