BLKÖ:Swieten, Gerhard Freiherr van

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 41 (1880), ab Seite: 37. (Quelle)
Gerard van Swieten bei Wikisource
Gerard van Swieten in der Wikipedia
Gerard van Swieten in Wikidata
GND-Eintrag: 118758055, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Swieten, Gerhard Freiherr van|41|37|}}

Swieten, Gerhard Freiherr van (Staatsmann und Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia, geb. zu Leyden am 7. Mai 1700, gest. zu Schönbrunn nächst Wien am 18. Juni 1772). Swieten entstammte einem alten berühmten Geschlechte, über welches die Quellen Seite 50 Näheres berichten. Frühzeitig verlor er seine Eltern. Sechzehn Jahre alt, kam er nach Löwen auf das Collegium, wo er sich den philosophischen und staatswissenschaftlichen Studien widmete. Von seinen Vormündern im Ganzen sich selbst überlassen, erzielte der lernbegierige Jüngling, von guten Gesinnungen getragen, durch eigenen Eifer ausgezeichnete Fortschritte. Der Zwang eines trockenen und pedantisch [38] geregelten Unterrichts drückte seinen Geist nicht nieder, im Gegentheil spornte ihn dieser Uebelstand zum eifrigsten Selbststudium an. wobei er die naturwissenschaftliche Richtung jeder anderen vorzog. Von Löwen kehrte er in seine Vaterstadt Leyden zurück, wo er die Vorlesungen des berühmten Boerhave besuchte, der, auf den Eifer seines Schülers bald aufmerksam geworden, demselben ein Vertrauen entgegenbrachte, welchem Swieten sieben Jahre hindurch als seines Meisters vorzüglichster Jünger in stets erhöhtem Maße gerecht wurde. Zu jener Zeit las er die Werke der griechischen Aerzte in der Ursprache, am meisten fühlte er sich zu Hippokrates, Galen und Alexander von Tralles hingezogen, indem er in diesen die Vorbilder tiefer Naturanschauung gewahrte. Dabei legte er seine Studien nach dem großartigsten Maßstabe an und verfolgte den labyrinthartigen Gang der Wissenschaften durch alle Jahrhunderte. Sein Eifer darin ging so weit, daß er sich keine Ruhe, keine Erholung gönnte, und als sein Körper diese Anstrengungen zu empfinden begann, da versank sein Geist in eine Melancholie, aus welcher ihn nur die liebevollen Ermahnungen seines väterlichen Freundes Boerhave wieder herausrissen, ohne die er vielleicht ein Opfer seiner Schwermuth geworden wäre. Heitere geistige Genüsse, Leibesübungen, vor Allem aber die Musik gaben ihm die alte Spannkraft wieder. Unter solchen Verhältnissen promovirte er im Jahre 1728 mit der heute zur bibliographischen Seltenheit gewordenen Dissertationsschrift „De arteriae fabrica et efficacia in corpore humano“ zum Doctor der Medicin, blieb aber noch immer bei seinem sich ihm väterlich hingebenden Lehrer, welcher in ihm wohl auch seinen Nachfolger heranreifen sah, der er in der That auch wurde, allerdings in einem anderen Lande, das seiner damals dringender bedurfte. Er begleitete nun Boerhave in dessen Hörsaal, in den botanischen Garten und an das Krankenbett, stand ihm bei den häuslichen Consultationen, wie bei den chemischen Arbeiten zur Seite, und erst der Tod trennte diese innige Verbindung zweier großer Menschen, die so viel zum Segen der Menschheit gethan. Boerhave starb im Jahre 1738. Durch fast zwanzig Jahre war Swieten dessen Schüler geblieben, wie er selbst in seinen „Commentariis“ schreibt (rara certe felicitate mihi contigit, forte unico viginti fere annorum spatio magni Boerhavii institutionibus frui). Wie sein Freund und Vorbild, so liebte auch er die Zurückgezogenheit und entsagte ihr selbst dann nicht, als er wenige Jahre nach beendeten Studien sich vermälte. Mit dem täglich sich weiter ausdehnenden Wirkungskreise seiner ärztlichen Praxis verbreitere sich auch sein Ruf als Arzt. Da er aber gleichzeitig als Lehrer in seinem Fache auftrat, so glänzte er bald nicht minder als medicinische Autorität. Was nun diese letztere Thätigkeit Swieten’s anbelangt, so ist der Zeitpunkt derselben ebenso wenig festzustellen, als es gewiß ist, daß er eine akademische Befugniß dazu gar nicht besaß, sondern nur auf den Wunsch und aller Wahrscheinlichkeit nach anfänglich unter dem Schutze Boerhave’s lehrte. Siegenbeck führt ihn in seiner „Geschichte der Universität Leyden“ auch weder unter den Professoren, noch unter den Lectoren auf, und ist demnach in dieser Hinsicht Wurz[WS 1] zu berichtigen, wenn er von dem in Rede Stehenden angibt, daß er ein Lehramt bekleidet habe. Swieten’s Vorträge waren sehr besucht, besonders [39] von Engländern, er erhielt auch bald einen ehrenvollen Ruf nach London mit dem ansehnlichen Gehalte von tausend Pfund jährlich; er lehnte aber ab, da er es vorzog, ohne Amt in Leyden zu bleiben, unbekümmert um den Neid seiner Widersacher, die so weit gingen, zu verhindern, daß in Betreff seiner Person eine Ausnahme von dem Landesgesetze gemacht wurde, welches katholische Lehrer von jener protestantischen Hochschule ausschloß, wie es den Protestanten Lehrämter an katholischen Universitäten versagte. Auf diese Art sowohl aller Aussicht auf Beförderung als auch der Gelegenheit beraubt, seinem inneren Berufe als Lehrer zu folgen, fügte er sich mit Geduld diesen Unbilden und vertiefte sich nur um so mehr in seine Studien, denen seine Feinde ihn ebenso wenig zu entreißen vermochten, als sie seinen sich täglich steigernden Ruhm zu schmälern im Stande waren. Um diese Zeit (1742) erschien der erste Band seiner so berühmt gewordenen Commentare zu Boerhave’s Arzneilehre. In Folge dieses Werkes durch den Reichs-Vice-Kanzler Grafen von Königsegg und den Staatskanzler Grafen von Kaunitz auf Swieten aufmerksam gemacht, betraute Kaiserin Maria Theresia ihn mit der ärztlichen Behandlung ihrer an einem gefährlichen Wochenbette erkrankten Schwester Maria Anna, welche mit Karl Alexander von Lothringen, dem Bruder des Kaisers Franz, vermält war. Als er die Cur übernahm, billigte er die bisher getroffenen Anordnungen der Aerzte und gab auch Hoffnung auf Wiedergenesung der Schwerkranken; dennoch vermochte weder seine, noch der anderen Aerzte Kunst, die Erzherzogin zu heilen, welche ihrer Krankheit im Alter von 26 Jahren erlag. Die Kaiserin gab in einem eigenhändigen Briefe an Swieten dem Schmerze Ausdruck, den sie über den Verlust dieser geliebten Schwester empfand. Aber trotz des unglücklichen Ausganges erkannte sie, daß, wenn auch Menschenhilfe außer Stande war, Rettung zu bringen, Swieten doch in unvergleichlicher Weise Alles aufgeboten hatte, um die Erzherzogin mit dem Leben davonzubringen, und ernannte ihn zu ihrem ersten Leibarzte. Die Lage, welche er, als er am 7. Juni 1745 den Wiener Boden betrat, daselbst vorfand, war eine wenig ermuthigende. Die Wissenschaften befanden sich seit der Zeit, als dem Gelingen der Reformation im nördlichen Deutschland die Reaction in den südlichen deutschen Gebieten folgte, in Oesterreich im Zustande der Verkümmerung. Während sich in Deutschland, Holland, England und Frankreich der Geist der Forschung regte, nahmen in Oesterreich dunkle Männer die ersten Ehrenstellen ein und wirkte die Alles niederhaltende Macht der Jesuiten nachtheilig auf jedes geistige Ringen. Während noch im achtzehnten Jahrhundert arme und kleine norddeutsche Universitäten die Fackel des Fortschrittes hoch hielten und die Heilkunde durch große Gelehrte einen neuen Aufschwung nahm, verkümmerte Wien ungeachtet seiner alten Stiftungen, seines Reichthums und seiner sonstigen für eine geistige Entwickelung so günstigen Bedingungen und blieb für die Naturwissenschaften ohne jede Bedeutung. Wohl hatten die Kaiser Leopold I. und Karl VI. durch die Gründung der Akademie der Naturforscher sich selbst ein ehrenvolles Denkmal gesetzt, aber die Arbeiten dieses Institutes kamen Wien und Oesterreich am allerwenigsten zugute. Garelli, [40] Swieten’s Vorgänger als kaiserlicher Leibarzt, war wohl ein grundgelehrter Mann, Bücherkenner und gewaltiger Büchersammler; daß er aber über seine ärztliche Praxis und seine sonst so ehrenwerthe Passion hinaus irgend werkthätig gewesen und fördernd eingegriffen hätte, ist nicht bekannt. Als nun Swieten von der großen Monarchin mit den Functionen eines ersten Leibarztes und zugleich eines Directors des gesammten Medicinalwesens betraut wurde, übernahm er eine Mission, welche beweist, wie groß das in seine Kenntnisse und den ihm vorangegangenen Ruf gesetzte Vertrauen war. Mit großer Mäßigung und Weisheit ging er an die Lösung seiner Aufgabe. Zunächst wollte er durch eigenes Beispiel wirken und trat denn sogleich als akademischer Lehrer auf, in seinen Vorlesungen darlegend, welcher Unterschied zwischen trockener markloser Lehrart und eindringendem lebens- und geistvollen Vortrage walte. Im Vorsaal der kaiserlichen Bibliothek lehrte er zuerst Methodologie und hielt dann über Boerhave’s Institutionen Vorträge, welche von einer großen Anzahl gelehrter Männer aus allen Gegenden besucht wurden. Neun Jahre hielt er diese Vorträge, die ihm Gelegenheit boten, die veralteten Mißbräuche kennen zu lernen, an denen das geistige Leben der Metropole krankte, und ihm auch jene Männer näher brachten, auf deren Beistand er bei den vorzunehmenden Reformen rechnen durfte. Dabei aber vergaß er nie sich selbst und war – ein Fünfziger – immer noch auf seine geistige Fortbildung bedacht. So erlernte er noch in späten Jahren die arabische und ungarische Sprache, trieb, während er seiner ärztlichen Praxis oblag, ernstliche Studien in der Mathematik und den Naturwissenschaften und stand immer, auf gleicher Höhe mit dem Aufschwung, den dieselben jenseits der Grenzen des Kaiserstaates genommen hatten. Am 25. Juni 1752 erfolgte die Erhebung der Wiener Universität zu einer Staatsanstalt. An die Spitze derselben wurden als Präsides von den Facultäten ganz unabhängige Männer gestellt. Als Studiendirectoren bestimmten diese zugleich die Richtung und den Inhalt der öffentlichen Vorlesungen. Sie standen unter dem obersten Kanzler der Kaiserin, von 1757–1765 unter dem einflußreichen Reichsgrafen Friedrich Wilhelm von Haugwitz, über den anläßlich seines Todes die Kaiserin Maria Theresia an dessen trauernde Witwe aus Innsbruck die gewichtigen Worte schrieb: „Er allein hat den Staat 1747 aus der Confusion in die Ordnung gebracht“. Die Seele aller dieser Reformen aber war der kaiserliche Leibarzt van Swieten. Als Ausländer die Berechtigung des in Oesterreich Herkömmlichen nicht beachtend, benützte er das in ihn gesetzte unumschränkte Vertrauen seiner hohen Gebieterin zur Beseitigung aller Hindernisse, die seinem Wirken sich entgegenstellten, namentlich des sogenannten passiven Widerstandes, der trotz der trefflichsten Gesetze die Absicht derselben vereitelt, der in Oesterreich immer so mächtig gewesen und es leider noch häufig genug ist. Und so erreichte denn gerade unter und durch Swieten die medicinische Schule Wiens eine früher nicht geahnte Höhe und Vollendung. Sie zuerst fügte sich dem Willen des mächtigen und gelehrten Fremden, während die juristische Facultät noch lange Zeit in hartnäckiger Opposition verharrte, noch manche hartgesottene Paragraphenmenschen großzog, bis auch diese in neuester Zeit in bessere Geleise trat [41] und in Männern, wie Glaser, Herbst, Kudler, Phillips, Unger, sich ihren Schwestern im deutschen Reiche ebenbürtig zu stellen suchte. Maria Theresia schenkte der Universität ein neues Gebäude – die im Jahre 1848 so berüchtigt gewordene Aula, der heutige Sitz der Akademie der Wissenschaften – mit hinlänglichen Räumlichkeiten für die medicinische und juridische Facultät und verherrlichte den Act der feierlichen Uebergabe am 5. April 1756 durch ihre und ihres Gemals persönliche Gegenwart. Van Swieten, der die praktische Anatomie immer wohl gewürdigt und derselben schon als Studiosus unter Albin mit großem Eifer sich hingegeben, hatte noch in Leyden eine anatomische Sammlung von Präparaten angelegt, unter welchen besonders die Injectionspräparate von Ruysch, Albin und Lieberkühn als sehr werthvoll bezeichnet werden müssen. Bei seiner Berufung nach Wien brachte er auch diese Sammlung dahin mit, welche noch heute einen Theil des anatomischen Museums der Wiener Hochschule bildet. Ueber den Stand derselben bei van Swieten’s Tode (1772) unterrichtet uns Schwedianer [Band XXXII, S. 346] ausführlich in seiner Inaugural-Dissertation, welche eine genaue Beschreibung der einzelnen Präparate enthält. Mit jedem Jahre erweiterte sich der Wirkungskreis des kaiserlichen Leibarztes, bei allen wissenschaftlichen Angelegenheiten gab er mit seinem Rathe den Ausschlag, behufs endlicher Schlichtung der fortwährenden Zwistigkeiten und Abstellung eingewurzelter Mißbräuche bei der medicinischen Facultät erfolgte seine Ernennung zum beständigen Präses dieser Anstalt in Wien und aller übrigen in den kaiserlichen Erblanden; ferner wurde er zum Oberbibliothekar ernannt und endlich mit der Büchercensur und Aufsicht über den Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften an der philosophischen Facultät betraut. Der strengsten Erfüllung dieser nicht als Sinecuren zu betrachtenden Obliegenheiten vermochte er nur nachzukommen, indem er einerseits den gewöhnlichen Genüssen und Zerstreuungen der Welt entsagte, andererseits die gewissenhafteste Zeiteintheilung beobachtete. Er hatte dies seinem Vorbilde, dem großen Boerhave abgelauscht. Fünf Uhr Morgens stand er auf, fuhr bald nach sechs Uhr zu Hofe, kehrte um Acht oder Neun zurück, arbeitete bis Zwei, ging dann zu Tisch, nahm arme Kranke an und besorgte seine Amtsgeschäfte, fuhr um sieben Uhr wieder nach Hofe, arbeitete bis neun und legte sich nach zehn Uhr zu Bett. Dies war seine regelmäßige Tagesordnung. Ueberblicken wir nun, ohne in Einzelnheiten einzugehen, seine Reformen im medicinischen Unterrichte. Vor Allem ist da zu nennen die Errichtung von klinischen Anstalten in Wien, Pavia, Prag und Pesth nach dem Muster der in Leyden bestehenden. Jedoch mit der bloßen Errichtung dieser Institute wäre nicht gedient gewesen, er gewann auch die geeigneten Männer zur Leitung derselben. Zum Vorstande der klinischen Anstalt in Wien berief er 1754 einen der talentvollsten Schüler Boerhave’s, seinen Collegen in Leyden de Haen [Bd. VII, S. 176], der mit dem dreifachen Gehalte eines Inländers honorirt wurde und mit außerordentlichem Erfolge als klinischer Lehrer bis zu seinem im Jahre 1776 erfolgten Tode wirkte. Haen zur Seite wurde Ferdinand Leber [Bd. XIV, S. 266, wo diesen ein etwas allzu gütiger Druckfehler mit [42] einem Segen von 36 Kindern überschüttet, deren Zahl wir hiermit, der Wahrheit die Ehre gebend, auf 13 herabsetzen] als Wundarzt des großen Stadt-Bürgerspitals gestellt und ihm die Aufsicht und Behandlung in den Vorstadtspitälern St. Marx und Bäckenhaus übertragen. In Prag erhielt Thaddäus Bayer [Bd. I, S. 196] die Professur der allgemeinen und speciellen Pathologie und Therapie, und nach dessen Berufung zum Feld-Protomedicus im Jahre 1778 wurde ihm Plencicz [Bd. XXII, S. 419] zum Nachfolger gegeben; in Pavia wirkte seit 1770 Borsieri de Kanilfeld [Bd. II, S. 76] und in Pesth Trnka de Krzowitz als klinischer Lehrer. Alle diese Professoren bildeten nun tüchtige Aerzte heran und das Medicinalwesen im Kaiserstaate nahm einen ungeahnten Aufschwung. Auch der Chirurgie, die in Oesterreich noch sehr im Argen lag, widmete Swieten seine Aufmerksamkeit. Er berief den berühmten Pallucci [Bd. XXI, S. 233] aus Florenz nach Wien, wo dieser zwar nicht als Lehrer, aber doch durch seine praktische Thätigkeit einen günstigen Einfluß ausübte. Auch für die übrigen mit der Medicin verwandten oder ihr nahestehenden Fächer zog er ebenbürtige Kräfte heran; die anatomische Anstalt unterstellte er dem früh hingestorbenen Laurenz Gasser; für den Lehrstuhl der Botanik ersah er Laugier, unter dem der botanische Garten erweitert wurde und der überdies auch Chemiker war; nach Prag kam als Professor der Botanik Jos. Gottf. Mikan[WS 2] [Bd. XVIII, S. 265]; Heinrich Joh. Nep. Crantz [Bd. III, S. 25] und Nicol. von Jacquin [Bd. X, S. 26][WS 3] wurden auf Reisen geschickt. Ersterer, um für die Geburtshilfe, Letzterer, um in der Botanik sich auszubilden. Ueberall entwickelte sich ein reges wissenschaftliches Leben; die Bedeutenheit der Lehrer weckte den Eifer der Schüler, und das Alles war van Swieten’s Werk, der mit einem Scharfblick ohne Gleichen es verstand, für die betreffenden Stellen die verdienstvollsten Männer auszuwählen und unwissende Zudringliche fern von sich zu halten. „Er wußte“, schreibt ein Fachmann, „nicht nur zu verbieten, zu hindern und abzulehnen, sondern auch zu gebieten, zu befördern und zu belohnen. Nicht leicht wird ein Staat einen so einsichtsvollen und kräftigen Wiederhersteller der Heilkunde, nicht leicht einen gelehrteren Staatsmann finden, und für alle Zeiten ist zu wünschen, daß seine Tugenden, seine moralische Würde als das Vorbild in der höheren Leitung der ärztlichen Angelegenheiten leuchten mögen“. Fast zu verwundern ist es, wie dem vielbeschäftigten Manne bei dem nach allen Richtungen ausgedehnten Wirkungskreise noch Zeit zu schriftstellerischer Arbeit blieb? Und was hat van Swieten nach dieser Seite geleistet’. Sein Hauptwerk, die Commentarien zu den Aphorismen seines großen Lehrers, steht noch heute, da die medicinische Wissenschaft solche Wandlungen und Fortschritte gemacht, bei den Fachmännern in gerechtem Ansehen. Mag vieles darin veraltet, durch die Forschungen der Neuzeit verdrängt sein, so stellt doch dieses Werk das Gesammtergebniß der pathologischen Gelehrsamkeit des mit treffendem Natursinn begabten, freilich noch durch bescheidene Hilfsmittel beschränkten Forschergeistes des achtzehnten Jahrhunderts dar. Die wichtigsten Krankheiten bilden darin den Gegenstand seiner Untersuchungen. Vor allen die Pest, deren Wesen er zu erforschen suchte. [43] Wie gründlich er dabei vorging, beweisen seine trefflichen Anordnungen, die in den Pestseuchen der Jahre 1765 und 1770 von so außerordentlichem Erfolge waren. Ferner erörtert er unter den verheerenden Krankheiten den Petechialtyphus, die Wechselfieber, gibt eine umfassende Darstellung der Fieberlehre, der mannigfachen Ausschläge, als Pocken, Masern, und bespricht eingehend die sogenannten Volkskrankheiten. Unter den langwierigen Krankheiten hat er die Lustseuche am ausführlichsten erörtert und in der Behandlung derselben eine große Veränderung hervorgerufen. Durch van Swieten gelangte Maximilian Locher [Bd. XV, S. 361 in den Quellen] an das St. Marcus-Spital, der nach seines Meisters Anweisung die von so ausgezeichneten Erfolgen gekrönten Versuche mit dem Sublimat machte, welche wohlthätige Cur später in den Krankenhäusern einiger Kriegsheere und vieler großen Städte zur Anwendung kam. Daß ein Werk, wie van Swieten’s Commentarien zu den Aphorismen seines Lehrers Boerhave in Gelehrtenkreisen verdiente Würdigung fand, versteht sich von selbst. Als allgemeines Lehrbuch war es bald in den Händen aller gebildeten Aerzte, welche darin mit Eifer und Erfolg studirten. Daß es auch auf Widerspruch stieß, laßt sich bei der ungemein bescheidenen Sprache, welche Swieten führt, nur dadurch erklären, daß hier persönliche Motive im Spiele waren. Die Göttinger Schule warf ihm den Fehdehandschuh hin, zu letzterer aber gehörte Haller, der ja auch Boerhave’s Werke commentirt hatte und mit Swieten auf sehr gespanntem Fuße stand. Jedenfalls eigenthümlich wirkt die Aufklärung über diesen Gegensatz, die uns durch eine Aeußerung des Hannoverschen Arztes Werlhof wird, die dahin lautet: „Van Swieten habe Boerhave’s Werke als Katholik, Haller aber als Protestant commentirt!! Also auch die medicinische Behandlung, Gesundheit und Krankheit unseres Lebens sollen ob confessioneller Abgeschmacktheiten büßen! Van Swieten hüllte sich gegen diese Invectiven der Göttinger Schule in vornehme Gleichgiltigkeit, er fand es unter seiner Würde, literarische Streitigkeiten zu führen, die selten Ruhm bringen“. Nun wendete van Swieten auch der Kriegsheilkunde sein Augenmerk zu. Da er aber nie selbst im Felde war und daher nie Gelegenheit hatte, persönlich die Feldkrankheiten zu beobachten und zu studiren, so legte er über die Behandlung derselben nur einfache und gemessene Vorschriften in einem Handbuche nieder, welches zu Anfang des siebenjährigen Krieges erschien, in dem es treffliche Dienste leistete. Die bibliographischen Titel der Werke Swieten’s folgen S. 45. Ueber seine ausgezeichnete Thätigkeit als Präfect der kaiserlichen Hofbibliothek, an welcher er fast drei Decennien hindurch in verdienstlichster Weise gewaltet, gibt Mosel in dem in den Quellen genannten Werke ausführlichen Aufschluß. Unsere gedrängte Uebersicht über das Wirken Swieten’s schließen wir am besten mit der Charakteristik, die ein norddeutscher Arzt von ihm entwirft. „Er war“, schreibt dieser, „ein unbedingter Verehrer der Wahrheit. Die Lüge, die sich unter den Vorspiegelungen der Selbstsucht in tausend Gestalten einschleicht und bald als ärztliche Politik die Wurzel der Rechtlichkeit vergiftet, bald in der Forschung selbst eine solche Geltung gewinnt, daß ganze [44] Schulen durch sie eine falsche Richtung erhalten, die Lüge war ihm im Grunde seiner Seele verhaßt, und nun betrachte man die hervorragenden Leistungen der Wiener Schule (1839), ob sie nicht fast durchweg frei von Schein und Täuschung sind, ob in ihnen nicht das Gepräge der Wahrheit und Ueberzeugung unverkennbar ist! Die Wahrheit war in van Swieten mit strengem Pflichtgefühl, selbst wohl Unbeugsamkeit (und daher die Schilderungen seines herrischen leidenschaftlichen Wesens), Einfachheit der Sitten und Mäßigkeit verbunden und er forderte diese Eigenschaften von anderen Aerzten. Der Einfluß, den er dadurch auf den Staatsdienst und die ärztlichen Studien ausübte, kann nicht hoch genug angeschlagen werden. Die Muße eines Arztes, der ein Gelehrter sein soll, gehört den Wissenschaften, nicht dem Spiel, dem Gepränge und sardanapalischen Luxus, der die Liebe zu geistiger Beschäftigung vernichtet und in nichtigen Zerstreuungen der Gesellschaft flaches Treiben nur allzu leicht begünstigt. So lange van Swieten’s Einfluß währte, waren der Mittelmäßigkeit die Wege versperrt und dem Verdienste die Laufbahn der Auszeichnung eröffnet. Das Verdienst war sicher, in ihm einen Fürsprecher und so weit sein Amt reichte, einen theilnehmenden Beförderer zu finden; es erregte nie seinen Neid, sein Mißtrauen oder seinen Verdacht, denn es war seiner eigenen Natur verwandt; er suchte es nicht unter dem großen Haufen schlauer Bewerber, den er von sich fern zu halten wußte, es konnte erwarten, von ihm bemerkt zu werden, denn er ehrte die Bescheidenheit. Selten verstand es ein Staatsmann besser, sich durch talentvolle Männer zu vervielfältigen, und deshalb ist niemals die Heilkunde aus dem Taumel der Trägheit so schnell zu regem Leben erwacht, als unter ihm in Oesterreich. Hunderte von gebildeten und ihrer Wissenschaft mit Eifer ergebenen Aerzten gingen aus seiner Schule hervor und verbreiteten sich in alle Lande des Kaiserstaates, und selbst viele von denen, die sein Wirken nicht in der Nähe gesehen und von seinen Lehren nicht unterrichtet worden waren, schätzten es sich zur Ehre, zum Gedeihen der Heilkunde als Schriftsteller mitzuwirken.“ Was er als Mensch war, suchen wir vergeblich in deutschen Quellen; sein Lobredner in der französischen Akademie der Wissenschaften muß uns Aufschluß über seine Wohlthätigkeit geben, und von ihm erfahren wir, daß van Swieten in den letzten zehn Jahren über 30.000 Livres zur Armencasse gegeben. Arme Kranke unterstützte er reichlich und sorgte väterlich für mittellose Studirende. Man spricht und schreibt von Eigenheiten, von Sonderbarkeiten, welche der große Mann gehabt. Welcher große Mann, ja überhaupt welcher Mann hat deren nicht? So erzählt man, daß er bei seiner Ernennung zum Leibarzt sich ernstlich bedungen habe, seine holländische – sehr einfache – Kleidertracht beibehalten zu dürfen. Demzufolge erschien er auch ohne Perrücke, ohne Degen, ohne Manschetten. Als er später doch letztere trug, konnte er nicht anders, da sie ein Geschenk der Kaiserin waren, welche sie mit eigener Hand verfertigt hatte. Daß er aber auch in seiner Tracht der Zeit voraus war, erkennen wir eben aus seinem Protest gegen die Perrücken, die denn doch eine lächerliche abgeschmackte Mode waren. Und wenn ein solcher Protest eine Sonderbarkeit ist, nun wohlan, wir ehren solche Sonderbarkeit. Und diesen Charakter, [45] bedeutend als Staatsmann, bahnbrechend als Reformator in seiner Wissenschaft, mit der Leuchte seines Geistes alles Dunkel lichtend, welches Jahrhunderte lang über Oesterreich lag, hilfreich als Arzt, edel als Mensch und ein wahrhaftiger Rathgeber der großen Kaiserin, die in ihm mehr ihren Freund, als ihren Unterthan sah, dieser nach allen Richtungen fördernd und belebend wirkende Mann hat noch keinen Biographen gefunden! Nicht wenig würdigte die Kaiserin van Swieten’s Verdienste, indem sie ihn 1758 in den Freiherrenstand erhob, und durch das Commandeurkreuz des St. Stephansordens, welches sie ihm 1767 verlieh. Als er die Kaiserin in der zu jener Zeit noch sehr gefährlichen Pockenkrankheit behandelte und herstellte, schenkte sie ihm ein Honorar von 3000 Stück Ducaten nebst ihrem in Brillanten gefaßten Bildniß. Im Jahre 1769 begann seine Gesundheit zu wanken. Im März 1772 stellten sich Zeichen einer brandigen Zerstörung am Unterschenkel ein, welche in wenigen Monaten seinen Tod zur Folge hatte. Die große Kaiserin vergoß Thränen über seinen Verlust. Auf ihren Befehl wurde seine Leiche in der Augustinerkirche zu Wien feierlich beigesetzt. Ueber sein Denkmal, seine Büsten, Bildnisse, Medaillen u. s. w. vergleiche Seite 46 und folgende die Quellen.

I. Werke, herausgegeben von Gerhard van Swieten, ihre Uebersetzungen in verschiedene Sprachen und Commentare. „Dissertatio inauguralis de arteriae fabrica et efficacia in corpore humano“ (Lugduni Batav. 1725, 4°. maj.). – „Commentaria in Hermanni Boerhave Aphorismos de cognoscendis et curandis morbis“, Tomus I (Leidae 1741, 4°. maj.; wieder gedruckt ebd. 1745; Turini 1745; Venetiis 1745; Paris 1745); – Tomus II (Leidae 1745; Turini 1745; Venetiis 1745; Paris 1745); Band I und II sind wieder gedruckt zu Hildburghausen 1747 mit Geo. Erh. Hamberger’s „Praefatio de praxi medica rationali addiscenda et proponenda“; – Tomus III (Leidae 1753); – Tomus IV (ibid. 1764); – Tomus V (ibid. 1772, 4°.; Paris 1773). Die vorerwähnten Nachdrucke holten auch die späteren Bände nach, doch ist mir eine genaue Angabe der Zeit ihres Erscheinens nicht möglich. Dem fünften Bande der Leydener Ausgabe ist ein ziemlich unvollständiges Register beigegeben. Dagegen erschien zu dem Hildburghausener Nachdruck in fünf Bänden, welcher 1754 bis 1775 [Leipzig, Fr. Fleischer] herauskam, von Johann Ant. Gladbach in Zerbst ein mit Bemerkungen ausgestattetes Realregister unter dem Titel: „Indicis in Swietenii Commentariorum Tomos quinque Supplementum, continens notata maxime digna in Commentariis reperiunda, realis indicis vices supplens et observationes indicans“ (Hildburghausae 1775, 4°. maj.). – „Commentarii in Herm. Boerhave aphorismos etc.“, Tomi XI et index c. Joa. Ant. Gladbach. Edit. nova (Würzburg 1787–1792, Stahel, 8°. maj.). – Uebersetzungen. Deutsch: „Erläuterungen der Boerhave’schen Lehrsätze von Erkenntniß und Heilung der Krankheiten“, fünf Theile, der fünfte besteht aus zwei Bänden (Wien 1755–1775, Kraus, 4°.). – „Commentarien über die Boerhave’schen Aphorismen von Kenntniß und Heilung der Krankheiten. I. Theil. In einen nutzbaren Auszug zusammengebracht und mit Anmerkungen bereichert von Heinrich Tabor“ (Frankfurt a. M. 1783 [Gebhardt u. Körner], gr. 8°.). – Französisch: „Aphorismes de Boerhave avec les commentaires de Van Swieten, traduits du latin en français (par Mariner)“, III vol. (Paris 1753, 12°.). – „Commentaires sur les Aphorismes de Boerhave de la connaissance et de la cure des maladies, traduits en français par Maublet“, VI vol. (Avignon 1766, Roberty, 12°.; auch Lyon 1771, 12°.). – Englisch: Eilf Bände (London 1754, 8°.). – Auch gibt es von einzelnen Materien besondere Uebersetzungen, und zwar: „Erläuterungen der Boerhave’schen Lehrsätze der Chirurgie“, zwei Bände (Wien 1778 [Leipzig, Nauck], 4°.); – „Boerhave’sche Lehrsätze von Erkenntniß und Heilung der chirurgischen Krankheiten nach den Swieten’schen Commentarien“ (Danzig [46] 1751, 8°.); – „Des Freiherrn G. v. Swieten Abhandlung von der Lustseuche; nebst Herrn Boerhave’s in Aphrodisiacum sive autores de lue venerea vorangesetzten Vorrede. Beides aus dem Lateinischen übersetzt“ (Frankfurt a. M. und Mainz 1777, gr. 8°.; neue Aufl. ebd. 1791, 8°.); – „Des Freiherrn v. Swieten Abhandlung von den Blattern aus dessen Erklärung der Boerhave’schen Lehrsätze genommen und aus dem Lateinischen ganz neu übersetzt“ (Frankfurt a. M. 1777, Varrentrapp, 8°.); – Französisch: „Aphorismes de chirurgie d’Hermann Boerhave, commentés par Van Swieten, traduits du latin en français“ (par Louis et de Villers), VII vol. (Paris 1753–1765, 12°.; nouv. édit. ibid. 1768, Cavalier); – Le Roy (Alph.) „Traité des accouchements“ (1768); – Grossin-Dubaume „Traité de la petite vérole“ (1776, 12°.). – „Description abrégée des maladies qui regnent les plus communément dans les Armées, avec la méthode de les traiter“ (Vienne 1759, 8°.; neue Ausgabe 1760; auf dem Titel dieser zweiten Ausgabe steht van Swieten’s Name; neue Ausgabe 1807, Leipzig, Wienbrack, 8°.); – deutsche Uebersetzung: „Kurze Beschreibung und Heilungsart der Krankheiten, welche am öftesten in den Feldlagern beobachtet werden“ (Wien, Prag und Triest 1758, gr. 8°.); – Nachdruck (Zürich, in zwei Ausgaben, gr. 8°. u. kl. 8°.); auch unter dem Titel „Kurze Vorschrift vor die königl. französische Armee....“. – Aus Swieten’s Nachlasse gab der berühmte Maximilian Stoll [Bd. XXXIX, S. 161] heraus: „Constitutiones epidemicae et morbi potissimum Lugduni Batavorum observati ex ejusdem adversariis edid.“, II tomi (Vindobonae 1782, 8°.), wovon eine deutsche Uebersetzung erschien mit Vorrede, einigen Erläuterungen und Verzeichniß der Krankheiten, herausgegeben von Aug. Gottlob Weber, zwei Bände (Leipzig 1785, gr. 8°.). – Außerdem betheiligte sich van Swieten an Johann v. Gorter’s „Compend. medicinae“ (Viennae 1749, 4°.) und an Jacobi van Elm’s Ausgabe van Boerhave’s „Praelectiones de morbis nervorum“ (Bern 1762, 8°.). – Für Joh. E. Hebenstreit (gest. 5. December 1757), der ein „Tentamen sup. libris Aetii Amydeni ex manuscripto Güntzii (Leipzig 1775, Breitkopf, gr. 4°.) herausgab, verglich er eine in der Wiener Bibliothek befindliche Handschrift dieses Autors, und Baldinger’s „Magazin für Aerzte“ enthält im dritten Stück des zweiten Bandes einige Briefe van Swieten’s an Albert von Haller aus dem Jahre 1748, polemischen Inhalts.
II. Gerhard van Swieten’s Grabdenkmal. Dasselbe ließ Kaiserin Maria Theresia ihrem Leibarzte, dem Wiederhersteller der Wissenschaften in Oesterreich, in der Capelle der Augustinerkirche zu Wien errichten. Als aber in dieser Capelle das Marmordenkmal Leopolds II., eines der besten Werke Zauner’s, ausgestellt werden sollte, mußte ihm S.’s Monument Platz machen. „Es hätte wohl verdient“, bemerkt Hormayr in seiner „Geschichte Wiens“ (II. Jahrg., II, Bd., S. 17 u. f.], „statt auf einem finsteren Gange der Vergessenheit übergeben zu sein, an einem anderen Orte wieder aufgestellt zu werden. Swieten war für Oesterreich wichtiger als mancher Feldherr und Minister, und seine erhabene Herrin ehrte ihn auch in solchem Maße. Alle unterrichteten Reisenden, vorzüglich Briten und Franzosen, fragen nach dem Male Swieten’s. Um sie zu befriedigen, zeigt der Küster wenigstens die vom Monumente weggenommene kleine Büste, was aber ein Bild der Zertrümmerung gibt und die Wiederaufstellung des ganzen Denkmals um so wünschenswerther macht“. So weit Hormayr. Wir ergänzen das Voranstehende. Als Graf Moriz Dietrichstein im Jahre 1826 zum Präfecten der Hofbibliothek ernannt worden, nahm er die Büste seines ausgezeichneten Vorfahrs für das nunmehr ihm anvertraute literarische Institut in Anspruch. Da dieselbe mittlerweile einige Beschädigungen erlitten hatte, ließ er sie durch den k. k. Hofbildhauer Schaller restauriren und bewahrte sie in seinem Bureau auf, bis ein geeigneter Platz für sie in dem großen Büchersaale der k. k. Hofbibliothek gefunden war. Ihre Aufstellung daselbst fand in aller Stille am 14. November 1833 statt. In der Rotunde des herrlichen Saales, an der Mittagsseite, erhebt sich ein einfaches Postament von rothem Marmor, auf welchem die Büste steht. An dem Postamente befindet sich in römischen Buchstaben von vergoldeter Bronce die einfache, aber jedem Bücherfreunde und Gebildeten verständliche Unterschrift: „Gerardus | van | Swieten“.
[47] III. Büste Gerhards van Swieten. Gegen Ende Juli 1769 ließ Kaiserin Maria Theresia im medicinischen Hörsaale der Wiener Hochschule die von Messerschmied aus Erz gegossene Büste van Swieten’s aufstellen. Das prächtige Fußgestell zeigt folgende Inschrift: „Gerardi Lib. Bar. Van Swieten | Archiatror. Sacri Palatii Comitis | Regii Ord. D. Stephani Commendat. | Coll. Censurae libror. Reiq. Medicae | Praesidis | Augustalis Bibliothecae Praefecti | ob | procuratam scientiarum artiumq. | instaurationem | ob patriae matrem augustamq. | familiam | ab ipso artis ope servatam | de universa re austriae publica | optime meriti effigiem | in exempl. quod posteri imitentur | posuit | Maria Theresia Augusta | inque Salutaris artis collegio | ejus consiliis sapienter constituto | illustratoque collocari jussit | CIƆIƆCCLXIX | Ant. Störck Vindob. Stud. univers. Rectore“.
IV. Porträte. Am 30. December 1763 ließen Maria Theresia und ihr Gemal zum Zeichen ihrer höchsten Zufriedenheit mit den Verdiensten Swieten’s dessen Bildniß im Hörsaale der medicinischen Facultät der Wiener Hochschule mit folgender Inschrift aufhängen: „Franciscus et Maria Theresia Augg. | Hanc effigiem | Gerardi L. B. van Swieten | Ob studium medicum ab ipso | feliciter emendatum | In Auditorio hujus Facultatis pub. | appendi | usserunt | Die XXX. Decemb. MDCCLXIII“. – 1) Unterschrift: „Swieten“. P. Fendi del. J. Axmann sc. 1825 (8°.). – 2) Unterschrift: „Gerard. van Swieten | Restaurator Medicinae“. Johann Philipp Binder sc. Budae (8°.). Mit dem Wappen. [Drei Violinen im blauen Felde. Schildhalter zwei Windhunde.] – 3) Unterschrift: „Swieten“. Blaschke sc. Medaillonbild (8°.). – 4) A. Cipps del. Et sc. (8°.) [Büste]. – 5) C. Faucci sc. (8°.) [Medaille]. – 6) Unterschrift: „Gerardus L. B. van Swieten | Augg. Imperatoris et Imperatricis a consiliis, Archiater com. Bibliothecae | Augustae Praefectus incl. Fac. Med. Vienn. Praeses perpetuus, Acad. reg. | Scient, et chir. Paris. Instit. Bonon. et Lit. incognit. Membrum | Nat. Lugd. Bat. VI. non. Maji MDCC“. Leupold pinx. J. Jac. Haid excud. A. V. (Fol.). – 7) Blasius Höfel fec. (4°.). Reliefstich, auch in Boor-Höfel’s Bildnißwerke. – 8) Unterschrift: „Gerhard van Swieten“. Holzschnitt. O. Heidemann sc. [Ganze Figur; auch im „Illustrirten Haus- und Familienbuch“, 1864.] – 9) E. Henne sc. (8°.). – 10) Medaille nach A. Wide. Mansfeld sc. (8°.). – 11) Unterschrift: „Gerard Freyh. van Swieten | Commend. des Ritterord. von H. Stephan | I. K. K. A. Majest. Hofrath u. erster Leibarzt | geboren d. 7. May 1700, gestorben d. 18. Juny 1772“. J. E. Mansfeld sc. (8°.). Medaillonbild. – 12) Lanzedelly lith. (Fol.). – 13) A. de St. Aubin del. A. Pruneau sc. (4°.). – 14) Putz sc. (8°.). – 15) Unterschrift: „Gerard van Swieten“. G. C. Schmid sc. 1768. – 16) Unterschrift: „Swieten“. Lithographie ohne Angabe des Zeichners und Lithographen (4°.). [Auch in der „Porträt-Galerie österreichischer Aerzte und Naturforscher“, Blatt 5.] – 17) Rechtsgekehrtes Büstenbild. Im Piedestal die Inschrift: „Magni | Boerhavii | Commentatori“. Kupferstich, ohne Angabe des Zeichners und Stechers (8°.). – 18) Zugleich auf einem Blatte mit Mansfield, Clarendon, Gneisenau, Benningsen u. Quarin. Stahlstich von Karl Mayer’s Kunstanstalt in Nürnberg (8°.) auch in dem von Hartleben herausgegebenen „Neuen Plutarch“.
V. Medaillen. Eine sehr gut erhaltene Zinnmedaille führt der Wellenheim’sche Medaillenkatalog unter Nr. 14878 und das Verzeichniß der Münzen- und Medaillensammlung des Ed. Freiherrn von Maretich de Riv Alpon (Wien 1863), im II. Theile, S. 326, unter Nr. 17371, auf. – Im Jahre 1772 ließ aber Kaiserin Maria Theresia Swieten zu Ehren eine Denkmünze prägen, welche sein wohlgetroffenes Bildniß enthält.
VI. Quellen zur Biographie. a) Selbständige Schriften. Baldinger (Ernst Gottlieb), Lobrede auf den Freiherrn van Swieten (Jena 1772, 4°.). – Fournier (August Dr.), Gerhard van Swieten als Censor. Nach archivalischen Quellen (Wien 1877, Gerold’s Sohn, 8°.). [Man vergleiche über diese Schrift die ausführliche Anzeige in der „Allgemeinen Zeitung“, 1877, Beilage Nr. 247.] – Wurz (Ignaz), Trauerrede auf Gerh. van Swieten (Wien 1772); in französischer Uebersetzung (ebd. im nämlichen Jahre); in italienischer Uebersetzung von Alois Schauer (Triest 1773, 8°.). – Kesteloot (Jacques Louis), Hulde aan G. van Swieten (Gent 1826, [48] 8°.). – b) In Zeitschriften, periodischen und anderen Werken Zerstreutes. Abendstunden (Wien, Verlag des Vereins zur Verbreitung wohlfeiler Bücher, kl. 8°.) 1858, Heft 1, S. 48: „Gerhard van Swieten“. – Arneth (Alf. Ritter von), Maria Theresias erste Regierungsjahre. Drei Bände (Wien 1864 u. f., gr. 8°.) [an vielen Stellen dieses Quellenwerkes]. – Baldinger (Ernst G.), Biographien jetzt lebender Aerzte und Naturforscher in- und außerhalb Teutschland (Jena 1768, 8°.) Bd. I, Stück 1. S. 1–31. – Baur (Samuel), Charakterzeichnungen interessanter Menschen aus der neuen Geschichte (Hof 1806, G. A. Grau, 8°) Theil I, S. 213 [bildet auch den fünften Theil von Baur’s „Galerie historischer Gemälde aus dem achtzehnten Jahrhundert]. – Feierstunden. Herausg. von Ebersberg (Wien, kl. 8°.) 22. April 1831, Nr. 88; „Freiherr Gerhard van Swieten“. Von St. von Pfisterer. – Freiherrenstands-Diplom ddo. 19. Mai 1753. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 7. October 1855, Nr. 235, Beilage: „Geschichte eines Menschen, der zweimal hingerichtet wurde“. – Dasselbe, 1868, Nr. 146, erste Beilage: „Van Swieten und Sonnenfels“. – Die Gegenwart. Redigirt von Andr. Schumacher (Wiener Unterhaltungsblatt, 4°.) 1846, Nr. 129 und 130. – Gerstel, Die Witwen-Societät der medicinischen Facultät zu Wien von 1758–1858. Historische Skizze zur Säcularfeier. Mit dem Porträte van Swieten’s (Wien 1858). – Gräffer (Franz), Kleine Wiener Memoiren (Wien 1845, Fr. Beck, 8°.) Theil I, S. 95; „Eine Sylvesternacht“. [In Gräffer’scher Manier wird hier van Swieten mit dem bekannten Alchymisten Sehfeld [Bd. XXXIII, S. 321] in Beziehung gebracht. Auch wird schon in dieser Skizze des Ur-Schlamms gedacht, der drei Jahrzehnte später eine so große Rolle in den naturgeschichtlichen Hypothesen spielen sollte.] – Theil II, S. 51: „Audienz bei Maria Theresia“. [Ein kleiner Beitrag zu Swieten’s Charakteristik, natürlich in Gräffer’scher Form, der an dem Axiom festhält: „es war wohl nicht gerade so, aber es hätte so sein können“.] – Theil III, S. 10: „Zwey Mahl hingerichtet“. [Eine oft erzählte Episode aus Swieten’s Leben, und wahrscheinlich von Gräffer hier zum ersten Male wiedergegeben.] – Derselbe, Neue Wiener Localfresken, geschichtlich, anekdotisch, curios, novellistisch u. s. w. (Wien 1847, F. Eurich und Sohn, 8°.) S. 276: „Swieten und der Kalendermann“. (Man bekommt durch diese „Gräfferiaden“, mögen sie nun erfunden oder doch stark vom Geiste Gräffer’schen Humors belebt sein, immerhin ein zutreffendes Bild des großen Staatsmannes und Leibarztes der Kaiserin Maria Theresia.] – Gruner’s Almanach für Aerzte und Nichtärzte, 1784, Seite 18. – Hirschl (Bernhard Dr.), Compendium der Geschichte der Medicin von den Urzeiten bis auf die Gegenwart. Mit besonderer Berücksichtigung der Neuzeit und der Wiener Schule (Wien 1862, Braumüller, gr. 8°.). Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage, S. 269, 271, 279, 280, 291–293, 308 [erfaßt jedoch die Bedeutung van Swieten’s lange nicht in ihrer vollen Größe.] – Histoire de l’Académie de Paris (Paris 1772) p. 116 u. f.: „Eloge de M. le Baron van Swieten“. – Historische Darstellung der Entwicklung der medicinischen Facultät in Wien bei Gelegenheit der 32. Naturforscher- und Aerzte-Versammlung. Herausgegeben von dem Doctoren-Collegium der medicinischen Facultät [durch Decan Dr. Jos. Schneller] (Wien 1856, Zamarski). – Hyrtl (Jos. Dr. und Prof.), Vergangenheit und Gegenwart des Museums der menschlichen Anatomie an der Wiener Universität (Wien 1869). – Illustrirtes Haus- und Familienbuch (Wien, 4°.) 1863, S. 24: „Gerhard van Swieten“. Von Dr. G. E. Haas. – Ilwof (Franz Dr.), Maria Theresia vom Aachener Frieden bis zum Schlusse des siebenjährigen Krieges 1748 bis 1765 (Wien 1865, Prandel und Ewald, gr. 8°.). – Kink (Rudolph Dr.), Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. I, S. 442–502. – Majláth (Johann Graf), Geschichte des österreichischen Kaiserstaates [Sammlung von Heeren und Ukert] (Hamburg 1850, Friedr. Perthes, 8°.) Bd. V, S. 95 u. f. – Medicinische Jahrbücher des k. k. österreichischen Staates. Von Dr. Wilh. Edl. v. Well und Prof. von Rosas (Wien, 8°.) 1847, Juli-Heft. S. 86–96, im Aufsatze: „Kurzgefaßte Geschichte der Wiener Hochschule im Allgemeinen und der medicinischen Facultät derselben insbesondere“. – Medicinische Unterhaltungs-Bibliothek oder Collectiv-Blätter von heiterem und ernstem Colorite für alte und junge Aerzte (Leipzig 1838 u. f. [49] Engelmann, gr. 8°.). Das fünfte Bändchen behandelt van Swieten, dessen Bildniß es auch enthält. – Neuer Plutarch, oder Biographien und Bildnisse der berühmtesten Männer und Frauen aller Nationen und Stände u. s. w. Vierte Auflage. Mit Verwendung der Beiträge des Freiherrn Ernst von Feuchtersleben neu bearbeitet von Aug. Diezmann (Pesth, Wien und Leipzig 1858, C. A. Hartleben, kl. 8°.) Theil III, S. 211. – Oesterreichisches Archiv für Geschichte, Erdbeschreibung, Staatenkunde, Kunst und Literatur. Herausgeg. von Joh. Riedler[WS 4] und Karl Veith (Wien, 4°.) 1832, S. 128: „Beiträge zur Geschichte der Wiener Hochschule. Swieten’s Bemerkungen über die Umtriebe im Universitäts-Consistorium“. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. V, S. 237 [nach dieser geb. zu Leyden 7. Mai 1700, gest. zu Schönbrunn 18. Juni 1772]. – Der österreichische Staatsrath (1760 bis 1848). Eine geschichtliche Studie, vorbereitet und begonnen von Dr. Karl Freiherrn von Hock... Fortgesetzt und vollendet von Dr. Herm. Ign. Bidermann (Wien 1879, Braumüller, gr. 8°.) S. 50 und 63. – Der Oesterreichische Zuschauer. Herausgegeben von J. S. Ebersberg (Wien, 8°.) 1839, Bd. IV, S. 1565: „Wien vor einem halben Jahrhundert. Originale“. [Van Swieten’s Auftreten gegen die damals in Wien ihren Unfug treibenden „Goldmacher“, deren die Protokolle Wiens im Jahre 1752 nicht weniger denn 13.000 (Laboranten, Geisterbeschwörer und Schatzgräber) zählten.] – Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 321, im Feuilleton. Von L. A. F.(rankl?). – Dieselbe, 1878, Nr. 73, im Local-Anzeiger: „Maria Theresia und die Wiener Universität“. [Einem Vortrage entnommen, den Hofrath Ritter von Arneth zum Besten des deutsch-österreichischen Lesevereins der Wiener Hochschule gehalten und der in einer Schilderung der segensvollen Thätigkeit van Swieten’s gipfelt.] – Ramshorn (Karl Dr.), Kaiser Joseph II. und seine Zeit. Zweite verbesserte Auflage (Leipzig und Prag 1861, gr. 8°.) [mit vielen Nachrichten über van Swieten’s Wirken, dessen Bildniß Seite 274 beigegeben ist]. – Schlosser (F. C.), Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts und des neunzehnten bis zum Sturze des französischen Kaiserreiches (Heidelberg 1848 u. f., J. C. B. Mohr, 8°.). Dritte Auflage, Bd. III, S. 265 und 272; Bd. IV, S. 430. – Weiß (Karl), Geschichte der öffentlichen Anstalten, Fonde und Stiftungen für die Armenversorgung in Wien (Wien 1867, gr. 8°.) S. 162 und 163. – Wiener Kirchen-Zeitung. Herausgegeben von [50] Dr. Sebast. Brunner (Wien, 4°.’) 22. Februar 1860, Nr. 8: „Ein Jesuit und Gerard van Swieten“. – Wiener medicinische Wochenschrift. Herausgegeben von Dr. Wittelshöfer (4°.) XXI. Jahrg. (1872), Nr. 13, Sp. 284 und 659, im Aufsatze (Dr. Gust. Löbel’s): „Geschichtliche Notizen über das medicinische Clinicum der Wiener Universität“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wuerz.
  2. Vorlage: Jos. Gottl. Mikan.
  3. Vorlage: [Bd. X, S. 27].
  4. Vorlage: Jos. Riedler.