BLKÖ:Schreibers, Karl Franz Anton Ritter von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 31 (1876), ab Seite: 283. (Quelle)
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Schreibers, Karl Franz Anton Ritter von[WS 1] (Naturforscher und Director der vereinigten Hof-Naturalien-Cabinete in Wien, geb. zu Preßburg 15. August 1775, gest. zu Wien 21. Mai 1852). Bruder des um die Landwirthschaft hochverdienten Joseph Ritter von Sch. [s. d. S. 280) und Neffe des berühmten Arztes Joseph Ludwig von Sch. [s. d. S. 287, in den Quellen], welch Letzterer für sich und seinen Neffen, obigen Karl Franz Anton, den erbländischen Ritterstand erhielt. Als Karl geboren wurde, versah sein Vater das Amt eines k. k. Feldkriegs-Archivars zu Preßburg, wurde aber in der Folge als Secretär zum k. k. Hofkriegsrathe nach Wien übersetzt. Mittlerweile kam der Sohn im Alter von 9 Jahren in das Löwenburg’sche Convict, wo er bis zum 13. Jahre blieb. Dann setzte er im Elternhause seine Studien fort und entschied sich, als er einen Beruf wählen sollte, für das Studium der Medicin, wozu ihn wohl der Rath seines Oheims Joseph Ludwig von Schreibers, der als Arzt in Wien einen ausgezeichneten Ruf genoß, und seiner Verwandten und Freunde, Jacquin, Ingenhouß u. A., zunächst bestimmt haben mochte. Im Jahre 1798 erlangte er die medicinische Doctorwürde und trat unter der Aegide seines oberwähnten Oheims in die Praxis. Im Jahre 1799 unternahm er eine große wissenschaftliche Reise, auf welcher er ganz Deutschland, England, Schottland, Frankreich, die Schweiz besuchte und mit den ersten Notabilitäten der Wissenschaft in Berührung kam. Schon während seiner Studien betrieb er eifrig Naturwissenschaften, vorerst Botanik, dann von seinem Schulfreunde v. Fichtel, einem Sohne des berühmten Mineralogen, angeregt, Mineralogie und zuletzt Zoologie, für welche er eine leidenschaftliche Vorliebe gewann. Diese Vorliebe für die Naturwissenschaft mochte auch bestimmend für seine folgende Laufbahn gewesen sein. Noch während seiner Reise ernannte ihn sein ehemaliger Lehrer Jordan [Bd. X, S. 266, Nr. 4) zu seinem Assistenten für die Lehrkanzel der speciellen Naturgeschichte mit dem Titel eines adjungirten Professors und der Zusicherung auf Nachfolge in die wirkliche Professur. Nach seiner Rückkehr von der Reise supplirte S. die zoologischen Vorträge Jordan’s, da dieser durch seine landwirthschaftlichen Arbeiten vollends in Anspruch genommen war. Auch übte er noch die ärztliche Praxis aus und war vornehmlich für die von De Carro [Bd. II, S. 295] angeregte und verfochtene Kuhpocken-Impfung thätig. Von 1802 bis 1806 hatte S. die Lehrkanzel Jordan’s supplirt und nach eigenen Heften, Cuvier’s System, der Erste in Oesterreich, vielleicht in Deutschland, bekannt machend, vorgetragen. Mittlerweile waren mancherlei Veränderungen im Verwaltungskörper der kaiserlichen Museen eingetreten. Propst Eberl, bisher Director des 1797 gegründeten zoologischen Museums, war pensionirt worden und Abbé Stütz, Director des seit 1748 bestehenden mineralogischen [284] Museums, war gestorben. Der damalige Oberstkämmerer Graf Wrbna brachte für die vereinigten Stellen Dr. v. Schreibers in Antrag und nach Genehmigung desselben trat S. sein neues Amt, das ihm einen wohl längst gewünschten Wirkungskreis eröffnete, an und wirkte durch 46 Jahre in wechselnden Zeiten zur Ehre und Förderung der Wissenschaft, die er liebte und in deren Studium er unablässig sich vertiefte. Als Hauptmomente seiner Thätigkeit als Director der kaiserlichen Museen sind zu bezeichnen: die Bergung der Kunst- und Naturschätze der kaiserlichen Museen, Bibliotheken Wiens, der Schatzkammer und sonst werthvollsten Gegenstände des Hof- und Staatseigenthums vor dem im Jahre 1809 vordringenden Heere Napoleon’s. Für die umsichtsvolle Ausführung dieses Auftrages erhielt S. im Jahre 1810 den kaiserlichen Rathstitel. Im Jahre 1815 wurde S. nach Paris entsendet zur Uebernahme der von den Franzosen im Jahre 1809 weggeschleppten Kunstschätze, Bücher u. dgl. m., deren Rückerstattung in den Friedensbedingungen ausdrücklich festgesetzt war. Vom Jahre 1817 bis zu Natterer’s im Jahre 1835 erfolgter Rückkehr führte S. das Referat über die brasilianische Expedition, an deren Organisation er den wesentlichsten Antheil hatte. Ein Hauptverdienst S.’s aber ist die Organisation der seiner Leitung anvertrauten Anstalten, die bis dahin in einer weder den Anforderungen der Wissenschaft, noch ihrem Titel als kaiserliche Sammlungen entsprechenden Weise aufgestellt waren. Vornehmlich sind die botanische Sammlung und die mit den Museen verbundene naturwissenschaftliche Bibliothek ein Ergebniß seiner Bemühungen. Wohl wurden durch die Kriegsjahre 1809, 1813 bis 1815 die Organisirungsarbeiten gestört, um aber alsdann einen desto erfreulicheren Fortschritt zu nehmen. Durch S.’s Bemühungen erlangte das kaiserliche Museum sowohl wegen der reichen Schätze, welche es besaß, wie wegen der zweckmäßigen Aufstellung einen ausgezeichneten Ruf. Im Jahre 1823 erhielt S. den Titel eines Regierungsrathes, im Jahre 1835 jenen des Hofrathes. Nun schritt sein amtliches Wirken nach Außen gleichförmig und ruhig dahin – nach Innen, wie einer seiner Biographen berichtet, ohne die Ursachen näher zu bezeichnen, freilich oft gestört und verbittert – und selbst die Gewitter des Jahres 1848 schienen machtlos drohend, vorübergezogen, da – im letzten entscheidende Augenblicke, als Alles schon gesichert schien – schlugen die Flammen aus dem Dache des Museumsgebäudes hervor, mit genauer Noth entrann ihnen der Greis mit seinen Angehörigen, und als er einige Tage darauf die von geistigem Leben durchdrungenen, von den herzerfrischenden Erinnerungen der strebenden Jugend und des thatkräftigen Mannesalters durchwehten Räume besuchte, da fand er eine öde, formlose, von schwarzgebrannten Mauern umgrenzte Stätte, und die Asche, welche sie deckte, sie war Alles; was noch übrig geblieben von den Früchten vierzigjährigen Sammler- und Forscherfleißes, von dem reichen Briefwechsel mit den Besten seiner Zeitgenossen, von seiner auserlesenen Büchersammlung. Die Huld des Monarchen verlieh dem schwer Getroffenen die vollen Bezüge des Hofrathranges, dessen Namen er bisher nur als Ehrentitel geführt. Wohl leitete S. noch fürder sein Amt, aber das Alter forderte sein Recht, zu Ende des Jahres 1851 trat er in den Ruhestand, aber schon wenige Monate [285] nachher ging er im Alter von 77 Jahren zur ewigen Ruhe über. Was S.’s Fachthätigkeit betrifft, so ist dieselbe eine alle Gebiete der Naturwissenschaft umfassende, die sich in mehreren selbstständigen Werken und in vielen, in Fachblättern zerstreuten Aufsätzen kundgibt. Die Titel seiner Schriften sind: „Versuch einer vollständigen Conchylienkenntniss nach Linne’s System“, 2 Bände (Wien 1793, 8°.). S. hat dieses Werk als 18jähriger Jüngling herausgegeben und wurde in Folge dessen von der naturforschenden Gesellschaft zu Jena zum Mitgliede ernannt; – „Nachricht von einer beträchtlichen Sammlung thierischer Eingeweidewürmer. In deutscher und lateinischer Sprache“ (Wien 1811); – „Nachrichten von den kaiserlichen Naturforschern in Brasilien“, 2 Hefte (Brünn 1818 bis 1820), mit Zusätzen aus den „Vaterländischen Blättern“ 1818–1820 abgedruckt; – „Naturhistorisch-anatomische Beschreibung des Proteus anguinus“ (1818), als Beilage zu den von ihm verschickten Exemplaren dieses Thieres. Schreibers hatte diesem damals kaum dem Namen nach bekannten Thiere seiner besondere Aufmerksamkeit zugewendet und an die Londoner k. Gesellschaft der Wissenschaften, von deren Präsidenten Sir Jos. Banks, wie von anderen Mitgliedern, als James Smith, Everard Home, Gray, Shaw, Marsham, Latham, Francillon u. A., mit denen er während seines Aufenthaltes in London bekannt wurde, er zu Mittheilungen für die Philosophical Transactions war aufgefordert worden, die Abhandlung: „A historical and anatomical description of a doubtful amphibious animal of Germany, called by Laurenti, „Proteus anguinus““ eingesendet und damit das erste Licht über dieses räthselhafte Thier verbreitet; – „Beiträge zur Geschichte und Kenntniss meteorischer Stein- und Metallmassen“ (Wien 1820, Fol.); schon im Jahre 1808 hatte S. aus Anlaß des im genannten Jahre zu Stammern stattgehabten Falles von Meteorsteinen eine Reise dahin unternommen und an Ort und Stelle genaue Untersuchungen über dieses Phänomen eingeleitet, welche über die äußeren Verhältnisse dieser Naturerscheinung, über die Beschaffenheit ihrer Producte neue Aufklärungen gaben und so zu sagen der wissenschaftlichen Bearbeitung derselben Bahn brachen, da er darin den Weg bezeichnete, welcher in Hinkunft bei der Erhebung der diese Erscheinung begleitenden Umstände einzuschlagen und zu befolgen sei. Ueberhaupt hatte S. zeitlebens den Meteor-Erscheinungen eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet und manches darauf Bezügliche in Fachblättern, und zwar in Gilbert’s „Annalen“ veröffentlicht, u. z. außer einer Nachricht über oberwähnten Steinregen bei Stammern (XXIX, 1808); – eine „Nachricht über den Lissaer Steinregen“ (XXX, 1808); – „Beschreibung der mährischen Meteorsteine“ (XXXI, 1809); – „Ueber böhmische und mährische Steinregen und über Meteorsteine überhaupt“ (XXXII, 1809, u. XLIV, 1813); – „Ueber das Meteoreisen von Elbogen“; – „Ueber eine um Wien beobachtete Feuerkugel“; – „Ueber den Meteorstein-Niederfall auf der Herrschaft Wessely in Mähren“ (in Baumgärtner’s „Zeitschrift für Physik“, I, 1832) – und „Ueber die neuerlichst bei Magdeburg zufällig aufgefundene problematische Metallmasse“ (ebd. II, 1833). Von seiner Schrift: „Collectanea ad Faunam Brasiliae. Pars ornithologica“ ist nur das 1. Heft (1833) erschienen. Von seinen anderen, in Fachzeitschriften veröffentlichten [286] Arbeiten sind noch anzuführen: in den Transactions of the Linnean Society of London“, im 6. Bande (1801): „Descriptions of some singular coleoprterous Insects“, worin S. mehrere durch Schönheit und besondere Form ausgezeichnete Insecten Neuhollands beschreibt; – in den schon erwähnten Gilbert’schen „Annalen“: „Ueber den Harn der Eidechsen und die vermeintliche Harnblase der Amphibien“ (1808, 1809 u. 1813); Reptilien bildeten einen Hauptgegenstand von S.’s Beobachtungen, fast alle inländischen, aber auch viele ausländische Arten im Freien und in Gefangenschaft unterzog er seinem sorgfältigen Studium, weßhalb ihm die Wissenschaft auch manches Neue und Zutreffende über die heimischen Batrachier, besonders über Fortpflanzung und Metamorphose der Salamander, über den Farbenwechsel des Chamäleons u. dgl. m., verdankt. Von seinen übrigen Beobachtungen über Thiere und thierisches Leben sind zu nennen: seine Monographie über die österreichischen Spinnen, welche er in Oesterreich der Erste gesammelt, beobachtet und wissenschaftlich bearbeitet hat, dann über die Gattung Buprestis und die Beschreibung nebst Abbildung mehrerer neuen Colobris. Keine neue Erscheinung auf naturwissenschaftlichem Gebiete blieb von ihm unbeachtet; kaum waren z. B. Thénard’s und Gay Lussac’s gelungene Metallisirungen der Alkalien in Wien bekannt geworden, sofort machte S. diesen Versuch und mit vollem Erfolge; er war der Erste in Wien, der Zamboni’s trockene galvanische Säule zur Bewegung eines Pendels und Uhrwerkes in Anwendung brachte und darüber in Gilbert’s „Annalen“ (LV, 1817) mittheilte; auch das katadioptrische Mikroskop des Professors Amici erweckte seine Aufmerksamkeit, und er berichtete darüber, wie über den beobachteten Kreislauf des Saftes in einigen Pflanzen, in den schon erwähnten Gilbert’schen „Annalen“ (LXVI, 1820) und in den „Wiener Jahrbüchern der Literatur“ (1819). Es ist ein volles, der Wissenschaft ganz hingegebenes Leben, das sich uns in S. darstellt. Schreibers kann als der eigentliche Gründer der heutigen kaiserlichen Museen angesehen werden, denn was er im Jahre 1806 bei Antritt seines Amtes vorfand, waren lückenhafte, in keiner Weise den an dieselben gestellten Anforderungen entsprechend aufgestellte, wenngleich durch ihren werthvollen Inhalt kostbare Sammlungen. Den geistigen Hauch, das wissenschaftliche Leben, das ihnen erst den wahren Werth verleiht, verdanken sie ihm. Schreibers war eine anregende und das, was er als gut und fördernd erkannte, mächtig bevorwortende wissenschaftliche Capacität. Außer seinem hervorragenden Antheile am Inslebentreten der brasilianischen Expedition war er es, der die mineralogischen Vortrage Mohs veranlaßte, der die Annalen des Wiener Museums gründete, deren ephemere Dauer leider zu beklagen und der manchen neuen Kämpen der Wissenschaft, die er selbst liebte, gewann. Groß ist die Menge der gelehrten Vereine und Akademien, welche S. den ihrigen nannten, es seien davon nur genannt: die kön. Akademie der Wissenschaften zu München, die kön. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, die kaiserliche Gesellschaft der Naturforscher zu Moskau, die Akademie der Wissenschaften zu Philadelphia und wohl noch 30 bis 40 andere, deren Titel wir aus der „Oesterreichische National-Encyklopädie“ (Bd. IV, S. 593) erfahren können.

(Marschall, A. Fr. Gr.) Nekrolog des k. k. [287] Hofrathes Carl Ritter von Schreiber“ (Wien o. J., Gerold’s Sohn, 8°.). – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 380. – Oesterreichischer Zuschauer, herausg. durch J. S. Ebersberg (Wien, gr. 8°.) 1838, Bd. III, S. 988. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 843, – Theater-Zeitung. Herausg. von Adolph Bäuerle (Wien gr. 4°.) 1841, S. 859. – Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat (Wien, 4°.), die Jahrgänge 1818 die 1820 enthalten die von ihm redigirten Reiseberichte der brasilianischen Expedition. – Verhandlungen des zoologisch-botanischen Vereins (Wien, 8°.) Jahrgang 1852, S. 46: „Nekrolog“. – Porträte. 1) Unterschrift: Schreibers. Sehr ähnliche Lithographie ohne Angabe des Zeichners und Lithographen (Wien, 4°.) [auch in der von Fr. Beck’s Universitäts-Buchhandlung[WS 2] 1838 herausgegebenen Porträten-Gallerie berühmter Aerzte und Naturforscher des österr. Kaiserthums]; – 2) Schröder lith. (Fol.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vergleiche den 2. Artikel zu dieser Person BLKÖ:Schreiber, Charles de.
  2. Vorlage: Universiäts-Buchhandlung