BLKÖ:Pabst, Johann Heinrich

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Papst, Franz Anton
Band: 21 (1870), ab Seite: 156. (Quelle)
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Pabst, Johann Heinrich (Arzt und philosophischer Schriftsteller, geb. zu Lindau im Eichsfelde 25. Jänner 1785, gest. zu Döbling bei Wien 28. Juli 1838). Seine Eltern waren Landleute katholischer Confession, der Vater war seiner Rechtschaffenheit wegen fast beständig Richter der Gemeinde, die Mutter eine tiefsinnige fromme Frau von großer religiöser Entschiedenheit und von nachhaltigem Einflusse auf ihren Sohn. Mit Aufopferung bestritten die Eltern die wissenschaftliche Ausbildung desselben, welche er auf den Schulen zu Duderstadt und Heiligenstadt und zuletzt auf der Universität in Göttingen erhielt. P. hatte mit mancherlei Entbehrungen zu kämpfen, bis es ihm gelang, einen Freitisch zu erhalten. Er studirte die Medicin, erlangte im Jahre 1807 während ununterbrochener Kriegswehen die Doctorwürde, und da der Krieg den kleinen Wohlstand seiner Eltern ganz vernichtet und in dem unter französischem Joche seufzenden Deutschland geringe Aussichten zum Fortkommen sich darboten, wendete er sich, um ein Unterkommen zu finden, wie es schon Andere vor ihm gethan, nach Oesterreich. Im Herbste 1808 kam er nach Wien. Daselbst hatten sich aber, seit Oesterreich die deutsche Kaiserkrone aufgegeben, die Verhältnisse bedeutend geändert. Man fing daselbst an, das benachbarte, bald mehr, bald minder feindseligen Regierungen unterthänige Deutschland als Ausland zu betrachten. Anstellungen von Fremden wurden erschwert, das auf ausländischen Universitäten erworbene Doctorat war nicht nur keine Empfehlung, sondern blieb unberücksichtigt, es wurde nur auf österreichischen Hochschulen graduirten Aerzten die Praxis gestattet und ein auswärtiger Doctor mußte neue Studien machen und an einem österreichischen Klinikum Jahre lang prakticiren. Unter solchen Verhältnissen traf Pabst in Oesterreich ein, alle seine Hoffnungen waren gescheitert und er konnte noch vom Glücke sagen, als ihm eine dargebotene Erzieherstelle im Hause des Freiherrn von Moser für den Augenblick seinen Unterhalt sicherte. Er schlug also eine neue Laufbahn ein, überdieß wurde er schwer krank und genas erst im Frühjahre 1809, als eben die Vorbereitungen zum Kriege im besten Zuge waren. Militärärzte wurden nun sehr gesucht. P. meldete sich auch und wurde Bataillonsarzt. Er sollte sofort zur Armee abgehen, kam aber nicht weiter als bis nach Linz, wo schon die Nachrichten der unglücklichen Kämpfe bei Abensberg, Landshut, Eckmühl und Regensburg eingetroffen waren. Alles war auf dem Rückzuge begriffen; mit einem Schiffe Verwundeter kam P. nach Wien und, beim Vorrücken des Feindes, bis nach Pesth, wo ihm die Leitung des Spitals in Erlau anvertraut wurde. Daselbst hatten die Strapazen des Dienstes und die Anstrengungen der letzten Wochen den [157] kaum Genesenen wieder auf’s Krankenlager geworfen. Ein gefährliches Nervenfieber hatte ihn so geschwächt, daß er Monate lang hinsiechte, bis ihn die Bemühungen der barmherzigen Brüder in Erlau retteten. Eben als ihn, den kaum Genesenen, die Ueberzeugung quälte, daß er mit seiner geschwächten Gesundheit unvermögend sei, ärztliche Dienste zu leisten, berief ihn ein Schreiben aus dem Moser’schen Hause in seine früheren Verhältnisse zurück. Bald erhielt P. die erbetene Entlassung und im Frühlinge 1810 trat er die Reise über die ungarischen Bergstädte an seine neue Bestimmung nach Wien an. Kaum hatte sich P. in seine neuen Verhältnisse eingelebt, als sich ein neues, ihn tief verstimmendes Leiden einstellte, eine bösartige Gesichtsflechte, die ungeachtet der sorgsamsten Pflege und der Rathschläge und Mittel der ersten Aerzte nicht zu bannen war und dem Leidenden bereits das eine Auge, das linke, geraubt hatte, bis auf den Rath eines alten Gärtners ein Aufguß von Schafgarbe (achillea millefolium) den Ausschlag vollends entfernte. In der Zeit seiner Krankheit, und zwar im Jahre 1815, beginnt bei Papst jene Richtung im Denken und in seinen religiösen Anschauungen hervorzutreten, welche sich nachmals so entschieden in seinem Leben und in seinen wissenschaftlichen Arbeiten kundgab. In seiner Kindheit war er zum geistlichen Stande bestimmt gewesen. Der Geist der Zeit, hier noch durch die Liebe zur Naturwissenschaft unterstützt, hatte ihn in der Folge diesem Berufe entfremdet und ihn statt eines Arztes der Seele einen Arzt des Leibes werden lassen; nun erwachte wieder die alte Neigung des Kindes mit vollem Ernste, aber jetzt, wo nichts weiter seiner Neigung im Wege stand und er mit dem Bewußtsein des gereiften, geprüften Mannes die freie Wahl hatte, jetzt machte ein canonisches Hinderniß, das fehlende linke Auge, die Ausführung seines Entschlusses unmöglich. Dieser Umstand berührte ihn tief und erklärt die bei einem Laien so auffällige klösterliche Strenge und Eingezogenheit, der er sich nunmehr unterwarf. Er nahm nun niemals mehr Theil an einer öffentlichen Lustbarkeit; wie ein großer Freund der Kunst und Poesie er war, er besuchte kein Schauspielhaus mehr und lebte nur seinen Studien über Religion und Philosophie, welche beide in Einklang zu bringen sein unablässiges Bemühen war. Durch einige Aufsätze in den Wiener Jahrbüchern der Literatur, die denselben Ausgangspunct hatten, war Pabst auf Günther [Bd. VI, S. 10] aufmerksam geworden; ein gemeinschaftlicher Freund vermittelte das Zusammentreffen beider Männer und im Winter 1823/1824 lernten Beide einander persönlich kennen. Im immer innigeren Verkehre fühlten beide Männer, welche die Einheit des Lebensgrundes, des Zweckes und der Methode, die Reinheit der Triebfeder und die Lauterkeit der Gesinnung verband, daß es die Aufgabe der Wissenschaft sei, die Resultate derselben mit jener des Glaubens in vollen Einklang zu bringen, daß unsere Zeit nur auf diesem Wege zu der alten Achtung und Anerkennung der Auctorität im socialen und kirchlichen Leben zurückgeführt werden könne; eine Ansicht, welche sich trotz aller Schopenhauer’schen und Hartmann’schen Extravaganzen nicht überlebt hat und nicht überleben wird. Obwohl Günther die tiefere Einsicht in das letzte Ziel, die gründlichere Kenntniß des Standpunctes und der Richtungen der Zeit und die langjährige Uebung in der Speculation [158] vor Pabst voraus hatte, so hinderte ihn das nicht, gemeinschaftlich mit dem neugewonnenen Freunde auf dem ihm so vertrauten Gebiete zu arbeiten. Wie ein Biograph Papst’s dieses Verhältniß beider Philosophen zu einander schildert, bildete sich zwischen ihnen eine gewisse Wechselseitigkeit der Anregung und Forschung, das Erzeugniß des Einen wurde Stoff der Bearbeitung des Anderen, die letzten Ergebnisse scheinen gemeinsam gefunden und dargestellt. Wenn man Günther zwar stets den genialeren Griff, die höhere Produktivität zuerkennen mußte, so schien doch P. die gewandtere Form, die Kunst der mannigfacheren Anwendung zu besitzen; wenn der Schatz der dogmatischen und literarhistorischen Kenntnisse Günther’s die Anknüpfungs- und Ausgangspuncte der Bestrebung feststellte, wußte wieder Pabst die Entdeckung der neueren Naturwissenschaft vielfach zur Begründung und Erweiterung der Ansicht zu benützen; wenn man endlich jenen mit dem Bergmann vergleichen mochte, der das Erz aus dem Schachte zu Tage fördert, so war Pabst der Hutmann, der aus diesem Erze das nutzbare Metall zu entwickeln verstand. Von nun an war auch dem ganzen Leben P.’s die bestimmte Richtung gegeben. Werke wurden geschrieben, Studien gemacht, die Zeitereignisse, in deren Lauf, Motiv und Tendenz der speculative Standpunct eine tiefere Einsicht erlaubte, gewannen an Interesse, und abgesehen von einer emsigen und lohnenden literarischen Thätigkeit, gewann auch sein äußeres Leben eine heitere Gestaltung. Besuche, Spaziergänge mit Günther, Veith, das Hinzutreten einiger anderen jüngeren Freunde und Genossen, ein anziehender Wechsel gegenseitiger Anregung, Aufmunterung, Berathung und Führung, Alles fügte sich günstig, um Papst, der sich als einen der lebendigsten Mittelpuncte dieser Verhältnisse betrachten durfte, einige Jahre fröhlicher und fördernder Wirksamkeit zu sichern. Einige kleinere Reisen auf die Güter des Freiherrn von Moser, zu einem Freunde nach Steiermark, in Gemeinschaft mit Günther nach Salzburg, gewährten heilsame Zerstreuung und Erholung. Da befiel ihn im Jahre 1835 ein Nierenleiden, von dem er sich zwar nach einiger Zeit erholte, das jedoch die Keime seiner tödtlichen Krankheit geweckt haben dürfte. Eine im Sommer 1837 unternommene neue Reise nach Salzburg hatte seinen Zustand nichts gebessert. Geschickte Aerzte und Freunde wirkten zusammen, um sein Leiden zu lindern und zu heben. Man brachte ihn auf’s Land, nach Döbling nächst Wien, wo er sogar so viel Kraft gewann, daß er das Bett, ja das Zimmer verlassen konnte, aber das war nur vorübergehend, bald nahm die Schwäche merklich zu, endlich lag er in einem Zustande gänzlicher Betäubung und am 28. Juli 1838 entschlief er, wie es schien, schmerzlos, im Alter von erst 53 Jahren. P. liegt auf dem Döblinger Friedhofe bestattet, wo ein einfaches Denkmal, von Freundeshand gesetzt, seine Ruhestätte bezeichnet. Was seine schriftstellerische Thätigkeit betrifft, so beschränkt sie sich auf einige Aufsätze in Zeitschriften und auf etliche Werke. Noch während seines Aufenthaltes auf dem Gymnasium wurde sein Aufsatz: „Ueber den Nutzen des Ackerbaues“ in den dortigen Provinzialblättern abgedruckt. In den Jahren 1809 bis 1814 schrieb er für die in Wien erscheinenden, von Sartori redigirten „Vaterländischen Blätter“ mehrere Recensionen, in der Wiener Zeitschrift „Der Jugendfreund“, Jahrgang 2, Heft 1–3, [159] und Jahrgang 3, Heft 3, mehrere Gedichte von besonderer Innigkeit, in der „Bonner Zeitschrift für Philosophie und katholische Theologie“, 1838, Heft 24: „Ueber die Philosophie der Geschichte“; außerdem in der nämlichen Zeitschrift mehrere kleinere Miszellen, von denen jene über Goethe in einem weiteren Kreise Beachtung fanden. Seine selbstständigen und mit Günther im Vereine herausgegebenen Werke aber sind: „Der Mensch und seine Geschichte. Ein Beitrag zur Philosophie des Christenthums“ (Wien 1830; 2. Aufl. ebd. 1847, gr. 8°.); – „Gibt es eine Philosophie des positiven Christenthums? Die Frage über Leben und Tod des 19. Jahrhunderts“ (Cöln 1832, gr. 8°.), auch in der oberwähnten Bonner Zeitschrift für Philosophie u. s. w. abgedruckt; – „Ein Wort über die Extase. Veranlasst durch die Schrift: Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi. Nach den Betrachtungen der Anna Katharina Emmerich. Sulzbach 1833“ (Cöln 1834, gr. 8°.); – „Adam und Christus. Zur Theorie der Ehe“ (1836) – und mit Günther gemeinschaftlich: „Janusköpfe für Theologie und Philosophie“ (Wien 1833, gr. 8°.), dessen erste größere Hälfte Pabst’s Eigenthum ist. In seinem Nachlasse befanden sich Studien und Vorarbeiten zu einer Fortsetzung des oberwähnten, in der Bonner Zeitschrift abgedruckten Aufsatzes: „Ueber Philosophie der Geschichte“, für die Theorie des Magnetismus u. dgl. m. Ein ungemein reichhaltiger Briefwechsel böte, wenn er veröffentlicht würde, nach verschiedenen Richtungen hin eine reiche Ausbeute. Zum näheren Verständniß der Pabst-Günther’schen Bestrebungen und philosophischen Forschungen vergleiche man in Günther’s Biographie, im 6. Bande dieses Lexikons, S. 12: „Die Literatur der Polemik und Verurtheilung der Günther’schen Philosophie“ und S. 13: „Wesen und Geschichte derselben“.

Zeitschrift für Philosophie und katholische Theologie, 1838. – ’’Neuer Nekrolog’’ der Deutschen (Weimar, Bernhard Friedr. Voigt, 8°.) XVI. Jahrg. (1838), 2. Theil, S. 719, Nr. 250. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.) IV. Supplement-Bd. S. 1230 [nach diesem gest. am 15. Juli 1837]. –