BLKÖ:Zschokke, Hermann

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Zschop, Matthias
Band: 60 (1891), ab Seite: 272. (Quelle)
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Zschokke, Hermann (gelehrter Theolog, geb. zu Böhmisch-Leipa am 16. Juni 1838). Nachdem in Rede Stehender, dessen Großvater aus Sachsen stammte und wahrscheinlich mit dem berühmten Dichter Heinrich Zschokke verwandt war, das Obergymnasium seiner Vaterstadt 1857 mit ausgezeichnetem Erfolge beendet hatte, trat er in [273] das fürsterzbischöfliche Clerical-Seminar in Wien ein, um an der Wiener k. k. Universität den theologischen Studien obliegen zu können. Er legte auch diese mit Auszeichnung zurück, und 1861 zum Priester geweiht, kam er als Cooperator an die Propstpfarre zu Staatz in Niederösterreich. Daselbst wirkte er 1¼ Jahre, dann wurde er 1862 an die Pfarre am Hof in Wien als Cooperator befördert. Dabei setzte er neben seiner seelsorgerlichen Thätigkeit die theologischen Studien unaufhörlich fort, bestand daraus die Rigorosen rasch hintereinander, so daß er am 31. December 1863 die Doctorwürde erlangte. Bald darauf erhielt er vom Cardinal Fürsterzbischof Rauscher den Ruf, die Leitung des neuerrichteten österreichischen Pilgerhauses in Jerusalem zu übernehmen. Anfangs Jänner 1864 reiste er dahin ab und organisirte und leitete dieses Institut durch 2¼ Jahre. Diesen Aufenthalt im heiligen Lande benutzte er, um Palästina, Aegypten und Syrien gründlich kennen zu lernen, und in diese Zeit fällt auch der Anfang seiner literarischen Thätigkeit. Nach Wien zurückgekehrt, wirkte er einstweilen einige Monate als Cooperator an der Vorstadtpfarre Lichtenthal in Wien, bis Seine Majestät ihn am 1. März 1867 zum wirklichen Hofcaplan ernannte. Schon im folgenden Jahre übertrug das Professorencollegium der theologischen Facultät an der Wiener Universität ihm die Supplirung der a. o. Lehrkanzel der semitischen Sprache und der höheren Exegese des A. T., welchem Amte er mit solchem Erfolge oblag, daß er Anfangs 1869 zum a. o. Professor dieser Lehrkanzel ernannt wurde. Im folgenden Jahre ward er zum ordentlichen Professor des alttestamentarischen Bibelstudiums befördert, so daß er aus dem activen Dienste der Hofcapelle ausschied, aus welchem Anlaß der Kaiser ihm als Auszeichnung gestattete, den Titel eines k. k. Hofcaplans beizubehalten. Seit jener Zeit wirkte er ununterbrochen in dieser Stellung und hat zur Förderung des Bibelstudiums viele schätzbare Werke veröffentlicht, deren Werth in der literarischen Welt auch rühmlichst anerkannt wurde. Die Ferialzeit benützte er meistens zu großen Reisen, um Land und Leute kennen zu lernen. Er durchzog in den letzten 20 Jahren ganz Europa; England und Irland, Norwegen, Lappland und Rußland sind ihm ebenso bekannt, wie Italien, die Donaufürstenthümer, die Schweiz und Spanien. 1880 bereiste er Canada und die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Während seiner lehramtlichen Thätigkeit bekleidete er viermal das Amt eines Dekans der theologischen Facultät. Die Universität wählte ihn für das Studienjahr 1884/85 zum Rector, als welcher er das neue Universitätsgebäude, zu inauguriren hatte. Am 16. April 1888 berief ihn Seine Majestät als geistlichen Beirath zur außerordentlichen Dienstleistung ins k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht. Zschokke’s Verdienste um Kirche, Staat und Literatur wurden auch durch mehrfache Auszeichnungen gewürdigt. 1881 ward er zum fürsterzbischöflichen geistlichen Rath und 1884 zum fürsterzbischöflichen Consistorialrathe in Wien, 1882 zum bischöflichen Consistorialrathe in Leitmeritz, 1884 zum päpstlichen Hausprälaten, 1883 zum k. k. Regierungsrathe, 1885 zum k. k. Hofrath mit Titel und Charakter ernannt. Für seine Verdienste um das heilige Land erhielt er 1884 das Comthurkreuz des Ordens vom h. Grabe und 1889 das Ritterkreuz des kaiserlichen Leopoldordens. Die Titel der von ihm [274] veröffentlichten theils selbständigen Werke, theils in gelehrten Fachzeitschriften enthaltenen wichtigeren Abhandlungen sind: I. Selbständig erschienene Werke: „Das neutestamentarische Emaus“ (1865); – „Beiträge zur Topographie des westlichen Jordans und Jerusalems“ (1866); – „Führer durch das heilige Land“ (1868); – „Institutiones fundamentales linguae arabicae“ (1869); – „Institutiones fundamentales linguae aramaeicae“ (1870); – „Historia antiqui Testamenti“ (1872, 2. Aufl. 1884; 3. Aufl. 1888); – „Das Buch Job übersetzt und erläutert“ (1875); – „Religiöse, sociale und häusliche Verhältnisse des Orients unter dem Einfluss des Islam“ (1876); – „Theologie der Propheten A. T.“ (1877); – „Reisebilder aus dem skandinavischen Norden“ (1877); – „Reisebilder aus Finnland und Russland“ (1878); – „Coheleth und Hoheslied, nach Veith’s Manuscripten herausgegeben“ (1877); – „Reiseerinnerungen aus Süd-Frankreich“ (1879); – „Reiseerinnerungen aus Spanien“, 2 Bände (1879); – „Wien und seine Umgebung“ (1880), erschien anonym; – „Nach Amerika und Canada“ (1881); – „Biographie des Dr. Georg Schmid“ (1882); „Biblische Frauen des alten Testamentes“ (1882); – „Das Weib im alten Testamente“ (1883); – „Ueber die Wichtigkeit der assyriologischen Forschungen, insbesondere für das alttestamentarische Bibelstudium“ (Rectoratsrede) (1884); – „Constantinopel“ (1884), nicht mehr im Buchhandel; – „Bericht über das Studienjahr 1884/85 der Wiener Universität“ (1885); – „Der erste österreichische Pilgerzug nach Lourds und Paray le Monial“; – „Der dogmatisch-ethische Lehrgehalt der alttestamentarischen Weisheitsbücher“. II. In Zeitschriften und periodischen wissenschaftlichen Fachwerken: „Stand der katholischen Kirche und der übrigen christlichen Confessionen im heiligen Lande“, in den Missionsnotizen des heiligen Landes“ (Wien 1866); – „Das österreichische Pilgerhaus in Jerusalem“, in der Oesterreichischen Revue 1867; – „Das Jordanthal in Palästina“, im Jahrbuch der k. k. geographischen Gesellschaft (Wien 1867); – „Die versiegelte Quelle Salomons“, in der Tübinger Quartalschrift 1867; – „Der Heerdenthurm (bei Betlehem)“ in der Oesterreichischen Vierteljahrsschrift 1867; – „Das hebräische Felsengrab und seine Beziehung zur christlichen Kirche“, in der Wiener Abendpost 1877, Nr. 253 bis 256; – „Die Bibliothek im Escorial“ ebd. 1879, Nr. 42 und 43. – „Die Moschee in Cordova“, ebd., Nr. 85, 86; – „Der Dom von Sevilla“, ebd., Nr. 105 und 106; – „Das Königsschloß in Madrid“, ebd., Nr. 121, 122; – „Salamanca“, ebd., Nr. 128, 129; – „Granada“, ebd., Nr. 189–190; – „Die Maroniten am Libanon“, ebd. 1880, Nr. 67–71; – „Die Ruinenstätte von Balbek“, ebd., Nr. 185, 186; – „Besuch bei den Chippewasindianern“ und „Die Indianer der Reservation White Earth“, im Berichte des Leopoldiner Vereins in Wien, 1881, 1882 und 1883; – „Die Mozarabische Liturgie in Spanien“, in der Linzer theologischen Quartalschrift 1879. Außerdem schrieb er zahlreiche Recensionen in der „Allgemeinen Literaturzeitung in Wien“, in der „Literarischen Rundschau“, der „Linzer theologischen Quartalschrift“, dem „Oesterr. literar. Centralblatt“. Zur Zeit beschäftigt sich der Gelehrte mit einem großen Werke: „Theologische Studien und Anstalten in Oesterreich“, welches auch eine Geschichte sämmtlicher Clericalseminare, theologischen Diöcesan- und Klosterlehranstalten [275] enthalten wird, auf Grundlage der im Archiv des Cultusministeriums befindlichen Actenstücke. Nach dem im Winter 1890 erfolgten Tode des Wiener Erzbischofs und Cardinals Cölestin Ganglbauer wurde auch Zschokke als Candidat für den erledigten erzbischöflichen Stuhl bezeichnet.

Kürschner (Joseph). Deutscher Literatur Kalender auf das Jahr 1889 (Berlin und Stuttgart. Spemann, 32°.) XI. Jahrgang.