Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 31 (1876), ab Seite: 212. (Quelle)
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Scholz, Wenzel (Komiker, geb. zu Brixen in Tirol 28. März 1787, gest. zu Wien 5. October 1857). Sein Vater Leopold war zuletzt Regisseur am Theater an der Wien. Ueber die abweichenden, die Eltern Scholzens betreffenden Angaben vergleiche die Biographie von Maximilian Scholz, S. 210 u. 211, wo zu Ende derselben deren ausführlichere Erwähnung geschieht. Wenn überdieß Weidmann[WS 1] in Scholzens Biographie S. 5 schreibt: „Wenzel Scholz, eigentlich Wenzel von Plümeke“, so ist das unrichtig, denn Wenzel’s Großvater soll wohl Plümeke geheißen haben, hatte sich aber, als eines Duells wegen aus Preußen flüchtig, unter dem Namen Scholz in Prag angesiedelt, und sein Sohn Leopold, Wenzel’s Vater (gest. zu Wien im Februar 1826), nannte sich auch nur Scholz und ließ seinen Sohn als Scholz in den Taufschein eintragen. Wenzel’s Vater, selbst Schauspieler, führte als solcher mit seiner Gattin ein Wanderleben. Wenn seine Gattin als eine geborne Tilly angegeben erscheint, dann müßte sie eine Schwester oder doch gleichnamige Verwandte der Gemalin des Maximilian Scholz [s. d.] gewesen sein, die auch Tilly hieß. Scholz, Mann und Frau, spielten auf den Bühnen in Prag, Linz, Innsbruck und kamen, als Schikaneder und Zitterbarth das neue, von ihnen erbaute Theater an der Wien im Jahre 1800 eröffnet hatten, an dasselbe. Als Lorenz Frisch im „Redlichen Landmann“, in einer Rolle, in welcher früher Schikaneder geglänzt, trat Leopold S. auf. Da nur er und nicht auch seine Frau an demselben Engagement fand, so trennten sich die Eheleute und Frau Scholz trat als Directorin an die Spitze einer Schauspieler-Gesellschaft, welche in den verschiedenen Städten Kärnthens und der Steiermark spielte. Wenzel Scholz, der Sohn, den der Vater überhaupt nicht zum Theater lassen wollte, sondern für den kaufmännischen Stand bestimmt hatte, blieb nach jener Trennung seiner Eltern bei der Mutter und zog mit ihr herum, sie, da er noch immer keine für ihn passende Stellung in einem Kaufmannsgeschäfte gefunden hatte, in ihrer Geschäftsführung unterstützend. Die Mutter befand sich im Herbste 1811 in Klagenfurt, als eines Tages ein Schauspieler ihrer Gesellschaft, der am Abend eine Hauptrolle spielen sollte, Schulden halber entwichen war, befand sich die Frau in nicht geringer Verlegenheit, da eben bei dem nicht großen Personale ihrer Gesellschaft auch ein anderes Stück nicht sofort eingeschoben werden konnte, denn der Flüchtige [213] war fast in allen beschäftigt. Die Mutter war schon daran, die Bude zu schließen, als ihr der Sohn aus der Noth half. Er erklärte zur nicht geringen Ueberraschung der Mutter, die Rolle des Flüchtigen spielen zu wollen. Ward auch das Gewagte seines ersten Versuches nicht verkannt, so galten doch die Umstände für eine Entschuldigung des Wagnisses, das überdieß gegen alle Erwartung vollkommen gelang. Der junge Scholz hatte seine Sache ganz gut gemacht und dem Publicum gefallen. Nun wollte er auch nicht länger mehr Kaufmann werden, wozu er, da er schon 25 Jahre zählte, überhaupt längst keine Lust in sich verspürte. Da er unleugbares Talent zum Schauspieler in seinem ersten Debut an den Tag gelegt, so trat er denn auch bei der Truppe seiner Mutter als solcher ein und machte mit derselben die verschiedenen Wanderungen. Drei Jahre hatte er bereits gespielt, sich in der Zwischenzeit am 9. September 1811 mit Antonia Rupp, der Tochter eines Buchdruckerei-Factors, verheirathet, als ihn ein Hofrath Fuljod, der zu jener Zeit die Geschäfte des Wiener Hofburg-Theaters leitete, dem als Dramaturg so rühmlich bekannten Schreyvogel empfahl und Scholz zu Anbeginn des Jahres 1815 die Einladung erhielt, auf Engagement im Burgtheater zu spielen. Scholz folgte dieser Einladung. Am 12. März 1815 trat er als Räuber Garbanok im „Wald bei Hermannstadt“ zum ersten Male auf, dieser Rolle folgten die als Schustergeselle Traugott in Kotzebue’s „Bruderzwist“ und als Bedienter Heinrich in Claurens[WS 2] „Brauttanz“. Der Erfolg war ein so günstiger, daß S. als k. k. Hofschauspieler anfänglich mit dem Gehalte jährlicher 800 fl. angestellt wurde. Schreyvogel hatte die Absicht, Scholz für das Fach der Naturburschen und für komische Parthien derberer Gattung als Ersatzmann des trefflichen Roose [Bd. XXVI, S. 338, im Texte] heranzubilden. Aber Scholz selbst fühlte sich daselbst nicht am rechten Platze. Da der feine Menschenkenner bald Scholzens Unbehaglichkeit erkannte, suchte er ihn durch Aufbesserung seiner Gage, die er ihm schon nach drei Monaten auf 1000 fl. erhöhte, zu gewinnen. Aber auch dieß nützte nichts, der tägliche Besuch des Leopoldstädter Theaters hatte in Scholz den Beruf des Volkskomikers geweckt. Im August 1815 reichte er bei der Direction sein Gesuch um Entlassung ein. Abgewiesen, bat er wieder um dieselbe. Endlich wurde ihm dieselbe gegeben und am 23. September verließ S. der darüber mit seinem Vater sich entzweit hatte, das Burgtheater. „Also, du willst durchaus ein Kasperl – ein Bajazzo werden?“ drohte ihm der erzürnte Vater. „Ja, Vater! ’s ist einmal so“, erwiederte der entschlossene Sohn, und er wurde ein Kasperl. Aber welch ein Kasperl! Am 25. September 1815 gastirte er noch, sich Mitglied des Klagenfurter Theaters nennend, im Leopoldstädter Theater als Käsperle in der „Teufelsmühle am Wienerberge“, was jedoch zu keinem Abschlusse geführt zu haben scheint, denn auf den Bühnen von Steiermark und Kärnthen setzte S. zunächst seine dramatische Laufbahn fort. In Gratz, wo er von 1819 bis 1826 spielte, hatte der friedfertige Scholz das Unglück, und zwar durch seinen Pudel, in ein Duell verwickelt zu werden. Das Warten des Pudels vor der Hausthüre, wo seine Geliebte wohnte, verrieth dem eben zufällig vorübergehenden Nebenbuhler, einem Officier, die Anwesenheit des Komikers [214] bei seiner Dulcinea. Das Ende der Geschichte war ein Duell, welches am 23. October 1822 statthatte und in welchem S. eine, jedoch nicht gefährliche Stichwunde erhielt. Scholz aber zog sich daraus für die Zukunft die Lehre, wenn er wieder zu einer Geliebten ging, seinen Hund vor ihrer Thüre nicht warten zu lassen. Die Theaterverhältnisse in Gratz erfuhren während der Zeit, daß Scholz dort spielte, mannigfache, nicht eben günstige Veränderungen. Längere Zeit ging es so schlecht, daß sogar keine Gagen bezahlt wurden, bis im Jahre 1823 Stöger mit Frau Liebich die Regie übernahm, worauf Ordnung in die Verhältnisse kam; aber im November 1823 brannte das Schauspielhaus ab, und in die neuen, öfter wechselnden Interimsräume kam wenig Publicum, und die Schauspieler, unter ihnen auch Scholz, brachten sich kümmerlich fort. Neue Hoffnung winkte ihm bei dem Ableben seines Vaters Leopold Scholz, der als Regisseur des Theaters an der Wien am 16. Februar 1826 im 78. Jahre an Altersschwäche gestorben war und ein nicht unbedeutendes Vermögen hinterlassen hatte, dessen Erbe Wenzel S. war. Der Sohn reiste nach Wien. Dieses Vermögen hatte, wie Friedrich Kaiser nach S.’s eigenen Mittheilungen berichtet, der Vater einem Freunde, dem Besitzer eines Badehauses in Wien, blos gegen Ehrenwort ohne irgend eine Urkunde geliehen, dieser aber nach des alten Scholz Tode die Ausbezahlung verweigert. Er leugnete geradezu die Schuld ab und bestand auf Vorweisung des Schuldscheines. Ein solcher fand sich nicht vor. Der Sohn kehrte demnach so arm, als er gekommen, nach Gratz zurück. Während seiner Anwesenheit in Wien hatte ihn aber Hensler, Besitzer des Josephstädter Theaters, für seine Bühne engagirt. Nachdem Scholz seine Verbindlichkeiten in Gratz gelöst, trat er am 5. April 1826 bei Hensler ein und am 15. April als Trüffel im „Diener zweier Herren“ zum ersten Male auf. Scholz gefiel, ohne jedoch besondere Aufmerksamkeit zu erregen. Als Hensler bald darauf starb, trat Carl, der eben damals mit seiner Gesellschaft von München nach Wien gekommen war, mit Hensler’s Erben in Compagnie und war auch durch sonstige Verhältnisse genöthigt, das Theater in der Josephstadt als den Boden seines anfänglichen Wirkens zu wählen. Carl hatte mit Hensler’s Mitgliedern auch Scholz übernommen und bald erkannt, daß er, um gehörig zu wirken, anders beschäftigt werden müsse, als bisher. Doch für die ganze künftige Stellung Scholzens sollte auch noch ein Zufall mitwirken. Meisl’s Posse: „Die schwarze Frau“ wurde zur Aufführung vorbereitet. In den ersten Aufführungen des Stückes spielte die Rolle des Rathsdieners Klapperl der Schauspieler Platzer. Als dieser schon nach den ersten Vorstellungen erkrankte, mußte Scholz nothgedrungen dessen Rolle übernehmen. Am 3. Juli 1827 trat Scholz in derselben auf. Die Wirkung war eine durchschlagende. S. hatte mit einem Male die volle Gunst des Publicums gewonnen. Jeder wollte ihn in dieser Rolle spielen sehen, das Theater war alle Abende ausverkauft, sein Bildniß hing in allen Kunsthandlungen und selbst der hohe Adel, der bisher den Räumen des meist nur von den unteren Volksclassen besuchten Josephstädter Theaters fern geblieben war, fand sich in den Logen des täglich überfüllten Hauses ein. Ungeachtet nun mit Scholz ein neuer Stern am Horizonte [215] des Wiener Volkstheaters aufging, besserten sich doch deßhalb seine nicht zu günstig bestellten materiellen Verhältnisse nicht im Geringsten. Carl verstand es, das schüchterne Wesen des Komikers, der sich überdieß aus seinen früheren, nichts weniger denn glänzenden Engagements in bedrängter Lage befand, gehörig auszubeuten, und Scholz bezog vom Antritte seines Engagements im Jahre 1828 bis zum Jahre 1849, also durch einundzwanzig Jahre, während welcher Zeit er eben durch sein Spiel dem Director hundert und hundert Tausende eingebracht, eine Jahresgage von Sechszehnhundert Gulden. Im September 1833 richtete Scholz wohl an Carl ein Schreiben, worin er ihm seine Lage vorstellte und ihn um Erhöhung seiner Bezüge bat. Carl aber lehnte einfach ab. Scholzens erstes Schreiben und das zweite nach der Ablehnung bringt die „Morgenpost“ 1858, Nr. 79 u. 80, im Feuilleton. Beide geben einen tiefen Einblick in das Misère der Theaterwirthschaft Carl’s, der Millionen bei seinem Ableben hinterließ und seinem ersten Komiker die gerechte Forderung um Gagenerhöhung rücksichtslos abschlug. Aus diesem Briefwechsel entspann sich aber noch eine weitere Controverse. Scholz hatte in seinem zweiten Briefe eine Stelle gebracht, in der er „von Carl’s vielleicht sehr nahem Ende“ sprach, und am Schlusse noch geschrieben: „Ich führe Alles dieses nicht an, Sie an Ihre Handlungen gegen mich zu erinnern, sondern nur, um Ihnen die Gemüthsstimmung, in welcher ich Ihnen jetzt meine Dienste widmen muß, und meine Lage denkbar zu machen, woraus mich nur Gottes Fügung (woran Sie zwar nicht glauben) durch einen Gewaltstreich, mich oder Sie betreffend, ziehen kann, was ich der Zukunft anheim stelle“. Der feige Carl klagte nun Scholz bei Gerichte auf Grund der vorerwähnten Stellen seines Briefes an, daß er ihm nach dem Leben trachte. Scholz, und einem Menschen, und sei es ein Carl, nach dem Leben trachten! Die Geschichte ist komisch, aber wahr. Am 23. Februar 1833 erschienen Carl und Scholz vor Gericht. Scholz war begreiflicher Weise ebenso über das nichtswürdige Benehmen Carl’s gegen ihn, wie endlich über diesen Verdacht in höchster Erbitterung. Carl und Scholz wurden so heftig gegeneinander, daß der Commissär dazwischentreten und vermitteln mußte, endlich wurde Scholz ruhiger und die Sache ausgeglichen, nachdem Carl eine Gehaltszulage ausgesprochen hatte. In Carl’s Joche spielte Scholz ununterbrochen bis zu dessen am 14. August 1854 erfolgten Ableben. In der Zwischenzeit hatte er am 7. Mai 1851 das 25. Jahr seines Engagements bei Carl festlich begangen und von Seite seiner Collegen und des Publicums aus allen Ständen die herzlichsten Beweise der Theilnahme und seiner Beliebtheit empfangen. Director Carl aber, als wollte er sein unwürdiges Verhalten gegen S., der ein Vierteljahrhundert mit Nestroy vereint seine beste Zugkraft gewesen und ihm zu einem großen Theile jener Millionen verholfen hatte, die er hinterlassen, einigermaßen gut machen, hatte ihm, und zwar dem Einzigen unter seinen Schauspielern, in seinem letzten Willen eine lebenslängliche Pension von jährlichen sechshundert Gulden und für den Fall, daß er vor seiner Frau sterben sollte, dieser letzteren ein Witwengehalt von jährlichen dreihundert Gulden verschrieben. Eine neue, die goldene Zeit brach für Scholz an, nachdem Nestroy [216] von Carl’s Erben das Leopoldstädter Theater seit 1. November 1854 gepachtet und natürlich mit Scholz vor Allem den Contract erneuert hatte. Nestroy gab ihm ein Jahresgehalt von 4000 fl., zwei halbe Einnahmen, ein Spielhonorar von 12 fl. (unter Carl betrug es 2 fl.!) für sein jedesmaliges Auftreten, und zwar für zwölfmal im Monate, demnach mit 144 fl., garantirt und einen Monat Urlaub mit Beibehalt der Gage. Leider war es ihm nicht beschieden, diese für ihn so vortheilhaften Bedingungen länger als drei Jahre und etliche Monate zu genießen, in welchen er aber, was er nur konnte, für seine zweite, von ihm zärtlich geliebte Frau zurücklegte. Am 28. März 1856 feierte S. im Carl-Theater sein siebenzigstes Geburtsfest, bei welcher Gelegenheit er von Nestroy ein Benefice erhielt und zu demselben ein eigens dazu geschriebenes Gelegenheitsstück, betitelt: „Wenzel Scholz und die chinesische Prinzessin“, gegeben wurde. Auch da gaben ihm Collegen und Publicum neue Beweise, wie sie den in seinem Berufe, den Menschen zu erheitern, unermüdlichen Greis liebten und schätzten. Am 13. November g. J. erneuerte Nestroy mit Scholz seinen Vertrag auf die Dauer der ganzen Pachtzeit des Ersteren, worin ihm der volle Bezug seiner Emolumente, auch für den Fall, daß er durch Erkrankung verhindert sein sollte, zu wirken, und noch einige andere kleinen Vortheile zugesichert waren. Indessen wurde seine Gesundheit immer schwankender; wohl erholte er sich durch Reisen zum Theile wieder, aber auf eine Besserung für die Dauer war bei seinem überschrittenen siebenzigsten Lebensjahre nicht mehr zu rechnen. Ziemlich stark leidend, trat er am 6. September 1857 in der Posse: „Der gemüthliche Teufel“ zum letzten Male auf, und die letzten Worte, die er von der Bühne sprach, waren an die alte Hexe gerichtet, welche er in die Unterwelt führen soll; während er sich seine rothen Flügeln und Handschuhe anzog, sprach er: „Nun freu’ dich Alte! Jetzt mach’ ich dir eine Staatsvisite“. Von diesem Tage nahm sein Uebel auf bedenkliche Weise zu. Sein Körper verfiel mehr und mehr, die Schmerzen steigerten sich so sehr, daß, er öfter in Ohnmachten fiel, endlich am 8. October 1857 war er, wie Molière im Lehnstuhle sitzend, an die Schultern seiner Frau gelehnt, um zehn Uhr Nachts eingeschlafen, um nie mehr zu erwachen. Er war – man hatte einen schweren Todeskampf erwartet – schmerzlos hinübergegangen. An seine oberwähnte Thätigkeit als Mitglied der Carl’schen später Nestroy’schen Gesellschaft schließt sich eine bedeutende Anzahl von Gastspielen, welche er auf allen größeren Bühnen der Monarchie und des Auslandes gegeben hat. Das erste Gastspiel fand im Sommer 1833 im benachbarten Baden Statt, wo Kaiser Franz, dessen Lieblingsaufenthalt Baden war, den Komiker Scholz zum ersten Male (1. Juli) spielen sah und an seiner Komik sich so sehr erquickt hatte, daß er wünschte, Scholz am Burgtheater engagirt zu sehen. Aber der Wunsch des Monarchen sollte Wunsch bleiben. Director Carl, wohl fühlend, was er an Scholz, wenn dieser zum Burgtheater kam, für eine Zugkraft verlor, bestand auf seinem Scheine, und der offen ausgesprochene Wunsch des Monarchen und alle Vorstellungen und Bitten des armen Scholz, dessen Lage sich wesentlich verbessert hätte, blieben erfolglos. Noch mehr, Carl bot dem armen Künstler nicht einmal eine Entschädigung für diesen Verlust, und erst nach jener schon erzählten [217] Scene auf der Polizei ließ er sich zu einer Gagevermehrung herbei, die jedoch in keinem Verhältnisse zu dem Gehalte stand, den Scholz im Burgtheater bezogen hätte, abgesehen davon, daß im Erkrankungsfalle weder seine noch im Falle des Todes die Zukunft seiner Frau gesichert gewesen wäre. Weniger verhängnißvoll, hingegen sehr gewinnreich waren die folgenden Gastspiele. 1834 spielte er in München, wohin ihm die Erzherzogin Sophie einen Empfehlungsbrief an König Ludwig gab, der ihm in der Audienz (am 14. Juni) die köstlichen Worte sagte: „Wie kommt es denn, lieber Herr Scholz, daß ich Sie immer verstanden habe, während ich die an meiner Hofbühne schon seit Jahren angestellten Komiker so schwer verstehe“. – Im Jahre 1838 trat S. während seiner Urlaubszeit eine große Reise durch Deutschland an, auf welcher er Salzburg, München, Augsburg, Ulm, Stuttgart, Frankfurt, Wiesbaden, Mainz, Hamburg, Hanau, Mannheim und Karlsruhe besuchte, wo er auch an mehreren der genannten Städte Gastrollen gab und glänzende Einnahmen machte, diese aber auch – ein leidenschaftlicher Kartenspieler – am Spieltische verlor. In die folgenden Jahre fallen einige kleinere Gastspiele, bis er im Sommer 1849 wieder einen größeren Ausflug unternahm und auf demselben in Berlin, Magdeburg, Dresden und Hamburg mit dem glänzendsten Erfolge gastirte; ebenso im folgenden Jahre, wo er mit Grois gemeinsame Gastspiele in Linz, Nürnberg, Erlangen, Frankfurt am Main, Berlin und Prag gab und mit reicher Ernte, da ihn Grois nicht zum Spieltische ließ, heimkehrte. Einen förmlichen Triumphzug aber bildete sein im Sommer 1855 unternommenes Gastspiel, auf welchem er, von seiner Frau begleitet, nur die Städte Gratz, Cilli und Laibach besuchte. Auf seinem letzten, noch in seinem Todesjahre unternommenen Kunstausfluge trat er in Prag, Hamburg und Berlin auf, wo ihn Wallner für fünf Gastspiele gewann, es waren seine letzten. – Wie schon bemerkt, war Scholz, wie ungeheuer beliebt als Komiker, es nicht minder als Mensch. Eine gutmüthige, harmlose Natur, die Niemand, wenigstens nicht auf die Dauer, Feind sein konnte, hatte er auch keinen Feind. Das Verhältniß mit seinen Collegen war das gemüthlichste, freundschaftlichste. Als Nestroy von Carl engagirt worden, war Scholz im Anbeginne wohl etwas kalt gegen den neuen Collegen, später aber, als er sah, wie sie eben vereint das Reich der Komik beherrschten, wie Einer den Andern ergänzte, gestaltete sich das Verhältniß zu einem eng freundschaftlichen, das in Nestroy’s Briefe an Scholz, als er 1854 den Pacht des Carl-Theaters übernahm, den glücklichsten Ausdruck findet. „Lieber Freund Scholz!“ schreibt Nestroy, „Indem ich Dir beifolgend Deinen neuen Contract zusende, hoffe ich, Du wirst es als einen neuen Beweis meiner Freundschaft anerkennen, daß ich das Risico unternommen, ein Mitglied ohne Probespiel und ohne den Beisatz „auf gefallen oder nicht gefallen“ zu engagiren. Du willst auch unser „Du sagen“ contractlich gesichert, darüber wünschte ich einen Separatvertrag mit der Clausel, daß Du für jedesmalige Unterlassung eine Monatsgage als Strafe zu zahlen hättest. Wien, den 16. October 1854. Dein alter Freund und junger Director Johann Nestroy.“ – Ein eigenthümliches Moment in Scholzens Künstlerlaufbahn bezeichnen seine Benefizstücke, in welchen er immer eine so unglückliche Wahl traf, daß ein [218] Benefizstück, das Scholz gab, für gleichbedeutend mit einem schlechten Stücke, nicht selten mit Unsinn galt. Und doch waren seine Benefiz-Vorstellungen immer überfüllt, gewöhnlich wurden sie –da der Wiener Theater-Mobb dabei immer „eine Hetz“ erwartete – bei ausverkauftem Hause gegeben. Scholz selbst aber genoß oft nur den geringsten Vortheil davon, da Carl, seine bedrängte Lage benützend, ihm die Benefizen immer um einen Spottpreis abkaufte. Mehrerer so lucrativer, von Carl mit Scholz abgeschlossener Benefizverkäufe gedenkt Scholz in seinen Aufzeichnungen. Scholz suchte schon durch die Titel dieser Benefizstücke die Aufmerksamkeit der Theaterbesucher zu fesseln. So hieß in Erinnerung an seinen eigentlichen Erfolg als Klapperl in der „Schwarzen Frau“ sein erstes Benefizstück (am 31. Jänner 1828) „Der schwarze Mann“. Die nächstfolgenden: „Felix Mauserl“ (25. Jänner 1832) und der „Kampf des Glückes mit dem Neide, oder der Liebe Zaubermacht“, waren beide blühender Unsinn. – Das nächste Benefiz (29. April 1834): „Die Putzdocken, oder Alles nach dem Journal“, Bearbeitung einer älteren: „Die Putzsucht“ betitelten Posse, ist deßhalb bemerkenswerth. weil darin drei seiner Töchter in Nebenrollen auftraten. Als in Folge des Mißgeschickes seiner Benefizstücke sich kein Autor mehr finden ließ, wurde Scholz selbst zum Bühnendichter und sein am 16. Mai 1839 gegebenes Benefizstück: „Drei Jahre, oder der Wucherer und sein Erbe“ ist von ihm selbst verfaßt und fiel – wieder durch. In der Folge versuchte er es auf anderem Wege und am 13. Jänner 1849 kündigte der Theaterzettel zu seinem Benefize eine humoristische Vorlesung an, betitelt: „Die Einnahme von Leopoldstadt und die Einnahme in der Leopoldstadt“. Wer ihm dieselbe verfaßt, ist nicht bekannt, der Erfolg war der gleiche. – Scholz war zweimal verheirathet, in der zweiten Ehe sehr glücklich, aber sonst hatte er in seinem Familienleben schweres Leid erfahren. Seine erste Frau Antonie, geborne Rupp, mit der er seit 1811 verheirathet war, verlor er nach 33jähriger Ehe, am 24. August 1844, während er auf einem Gastspiele fern von ihr war, und einen Monat später folgte ihr der bereits 34jährige Sohn Eduard, der Maler und zugleich Schauspieler war und in Neisse starb. Zwei Jahre später erlitt er nicht minder schmerzlichen Verlust, als sein jüngerer Sohn Anton, welcher Cadet in einem k. k. Infanterie-Regimente war, sich am 26. August 1846 in Dornbach nächst Wien selbst das Leben nahm. Dieser Todesfall hatte den damals 60jährigen Scholz tief erschüttert, und unfähig, sofort aufzutreten, erhielt er einen Urlaub, den er in Gratz verlebte. Im Jahre 1850 verheirathete sich Scholz am 23. September zum zweiten Male mit Fräulein Therese Miller und vier Jahre später bezeichnete er diesen Tag in seinem sorgfältig geführten Tagebuche mit folgenden Worten: „Mit meiner Frau Glück und Segen in mein Haus gekommen. Geschrieben im Jahre 1854“. Aus dieser zweiten Ehe sind keine Kinder vorhanden, wohl aber überlebten ihn aus der ersten Ehe zwei Töchter, beide Majorsgattinen, Josephine Leeb und Karoline Edle von Frank, und hinterließ er ferner, als er starb, einen Adoptivsohn, Eugen Scholz, noch in Knabenjahren. Die Witwe hatte sich einige Zeit nach Scholz’s Tode mit dem Capellmeister Krottenthaler verheirathet. Die, Leichenfeier, welche am 7. October stattfand, [219] war eine großartige; auf den Mienen, nicht blos der Leidtragenden, sondern der vielen Tausende, welche herbeigekommen waren, ihrem Lieblinge die letzte Ehre zu erweisen, konnte man den Ausdruck tiefempfundener Trauer und stiller Wehmuth über diesen unersetzlichen Verlust wahrnehmen. Mitglieder des Carl-Theaters trugen den Sarg, der in der schwarz ausgeschlagenen Pfarrkirche St. Johann eingesegnet wurde. Nach dieser Ceremonie sangen vier Opernsänger ein von Capellmeister Binder componirtes Trauerquartett, welchem eine von Krottenthaler componirte Trauermusik folgte. Dann wurde der Sarg nach seiner eigentlichen Ruhestätte, zum Familiengrabe in Dornbach, geführt, wo er an der Seite seiner dort begrabenen ersten Frau beigesetzt wurde. Diesem Zuge folgten über hundert Wagen mit Trauernden aus allen Gesellschaftsclassen. Mit Scholz ist der letzte Repräsentant der gemüthlichen „Wiener Local-Komik“ dahingegangen, deren Ursprung in den Anfang des 18. Jahrhunderts zurückreicht. Um 1706 war es nämlich Joseph Anton Stranitzky, der die extemporirte Komödie in Aufschwung brachte und in derselben den lustigen Hanswurst einführte, mit welcher neuen Figur der bisher so beliebt gewesene „Pickelhäring“ und andere Lustigmacher ersetzt werden sollten und zu dessen Maske er die Tracht eines salzburgischen Bauers gewählt hatte. Bald war Hanswurst obenan und der Liebling des theaterbesuchenden Publicums geworden. Auf Stranitzky folgte Prehauser [Bd. XXIII, S. 246] als Hanswurst und die extemporirte Komödie feierte ihre höchsten Triumphe, denn ein Zusammenwirken von Elementen, wie Prehauser (Hanswurst), Feinhaaß (Pantalon), Kurz (Bernardon), Weißkorn (Odoardo), Schrötter (Bramarbas), Huber (Leander) und Madame Ruth (Colombine), fand sich nicht wieder. Mit dem Aufgeben der extemporirten Komödie ward aber die Localkomik nicht aufgegeben, sie fand vielmehr in Laroche [Bd. XIV, S. 161] mit seinem „Kasperl“, in Hasenhut [Bd. VIII, S. 24] mit seinem „Thaddädl“ sozusagen einen geläuterten, das Burleske und die extemporirte Komödie vermittelnden, localkomischen Ausdruck. Auf Laroche und Hasenhut folgten Schuster, Raimund, Carl (Bernbrunn), fast sämmtlich Wiener, und Scholz, seit 1826, Nestroy, seit 1831 der Wiener Bühne angehörend, schlossen den Reigen der Komiker, welche als specifisch „wienerische“ gelten und auch draußen im Reich die Wiener Komik als eine von der Berliner in Form und Wesen gänzlich verschiedene, die nur in Beckmann eine Vereinigung zeigte, erscheinen ließen. Ueber Allen aber stand Scholz, dieser unerreichte Repräsentant des alten, gemüthlichen Wiener Lebens, das ebenso wohl in seiner Erscheinung, wie in seiner ungesuchten, aus seinem innersten Wesen herausperlenden Komik einen so drastischen, treffenden Ausdruck fand. Der Wiener, wo er sich befinden mochte, nannte immer mit Stolz den Namen seines Scholz, den er gleichsam als sein ausschließliches Eigenthum ansah, wenn er auch schon durch seine zahlreichen und gefeierten Gastspiele an auswärtigen Bühnen längst ein Gemeingut deutscher Kunst geworden war. Scholz war ein geborner Komiker und nicht ein Schauspieler, der durch einstudirte Behelfe sich zum Komiker macht. Wäre Scholz stumm gewesen, sein Gesicht sprach Komik, und in der That, oft wirkte er, wenn er [220] gar nicht sprach, durch sein Mienenspiel am mächtigsten auf das Zwerchfell. Sein Erscheinen erregte schon allgemeine Heiterkeit, seine Mimik erschien wie eine in Stein gehauene Komik. Aber sie erschien nur so. Seine Mimik mahnte vielmehr an die seiner Zeit stark verbreiteten Guttapercha-Larven, welche in unglaublicher Biegsamkeit jeden Ausdruck vom wüthendsten Zorne bis zur ausgelassenen Freude ermöglichen und immer und unter allen Umständen komisch aussehen und komisch bleiben. Nach Scholz’s Tode erwiederten die Wiener auf die Frage: „Wo ist jetzt der beste Komiker?“ – „In Dornbach“. „Dem Minnen flicht die Nachwelt keine Kränze“, sagt eine zum geflügelten Worte gewordene Dichterphrase. Dem ist nicht so: denn das Andenken von Männern wie Raimund, Schuster, Beckmann, Nestroy und Scholz lebt fort, und die Erinnerung an sie durch ihre Lebensskizze, durch die Darstellung ihrer Spielweise, ihrer sonstigen Eigenthümlichkeiten und Menschlichkeiten festzuhalten, ist keine ganz undankbare Aufgabe. Weiter unten folgen nun die Quellen zu einer ausführlicheren Lebensbeschreibung des Künstlers, Urtheile von tüchtigen Fachmännern über seine Leistungen, eine Uebersicht seiner Bildnisse und Costumebilder und sonst Einzelnheiten, welche das Gesammtbild dieses letzten „Wiener Komikers“ ergänzen helfen.

I. Biographien und Biographisches. [Es werden hier nur solche Nekrologe angeführt, die biographisches Detail enthalten und nicht Abdrücke eines von den anderen sind. Die verschiedenen Episoden aus dem Leben des Künstlers bieten Materiale zu einer entsprechenderen Biographie, als es Weidmann’s seichte Arbeit ist.] Weidmann (F. C. Dr.). Wenzel Scholz. Erinnerungen. Mit Porträt und Facsimile (Wien 1857, Tendler u. Comp., 8°.) [die einzige selbstständig über Scholz erschienene Biographie. Ohne Bedeutung und höchst mangelhaft]. – Coulissen-Geheimnisse aus der Künstlerwelt. Vom Verfasser der „Dunklen Geschichten aus Oesterreich“ und der „Hof- und Adelsgeschichten“ (Wen 1869, R. v. Waldheim, Lex. 8°.) S. 149: „Wenzel Scholz und der Räthselnarr“. – Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth und Publicität (Frankfurt a. M,. 4°.) 1857, Nr. 244: „Wenzel Scholz“. – Donau (Wiener polit. Blatt) 1856, Nr. 66: „Das fünfzigjährige Künstler-Jubiläum Wenzel Scholz’s“. – Erinnerungen (Prager Unterhaltungsblatt, 4°.) 1857, S. 352: „Aus Scholz’ Leben“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1867, Nr. 3: „Wenzel Scholz und die Straßenräuber“ [auch: Neues Wiener Tagblatt 1869, Nr. 153, in der Beilage]; Nr. 98: „Ein Duell des Komikers Wenzel Scholz“; Nr. 201: „Wie Wenzel Scholz Dichter wurde“; Nr. 236: „Der kranke Scholz. Episode aus dem Theaterleben“; Nr. 267; „Wenzel Scholz bei Kaiser Franz“; 1870, Nr. 71, in den „Wiener Plaudereien“ [über Scholz’s Familie]. – Gratzer Zeitung 1857, Abendblatt Nr. 237, S. 947, in den „Vermischten Nachrichten“ [eine Episode aus S.’s Leben]. – Heinrich (A.). Deutscher Bühnen-Almanach (Berlin 1858, 8°.) XXII. Jahrg. S. 100 [nach diesem geb. am 28. März 1788, gest. am 5. October 1857]. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) Nr. 751 vom 21. Nov. 1857, S. 340: „Wenzel Scholz“, vom Herausgeber dieses Lexikons. – Innsbrucker Tageblatt 1868, in der Beilage: „Der Erzähler“ 1868, Nr. 3, S. 11: „Die letzte Stunde des Komikers Wenzel Scholz“. – Iris. Herausgegeben von Cajetan Cerri (Gratz, schm. 4°.) 1857, Bd. IV, 4- Liefrg. S. 160 [nach dieser am 28. Mai 1785 geboren]. – Morgen-Post (Wiener polit. Blatt) 1858, Nr. 71–106, im Feuilleton: Wenzel Scholz. Ereignisse und Denkwürdigkeiten aus seinem Leben, nach seinen hinterlassenen Schriften und den Mittheilungen seiner Witwe zusammengestellt von Friedrich Kaiser [nicht uninteressant, aber in Nr. 85 bemerkt Kaiser Folgendes: „Bevor wir diese Mittheilungen fortsetzen, halten wir es für eine Pflicht gegenüber dem Andenken des Verstorbenen sowohl, als gegenüber seinen Hinterbliebenen zu erklären, daß uns eben jetzt aus der verläßlichsten Quelle mitgetheilt und bewiesen wird, daß so manche der in den [221] bereits erschienenen Abschnitten enthaltenen Ereignisse, sogar die, welche Scholz selbst erzählt hatte, denn doch nicht so ganz der Wahrheit getreu waren. Scholz scheint in heiterer Gesellschaft manche Dinge, und selbst solche, die nicht das beste Licht auf seinen sonst ehrenhaften Charakter zu werfen geeignet wären, als Producte seiner Erfindungskraft und etwas phantastisch ausgeschmückt preisgegeben zu haben; so stellen sich z. B. die erzählten Umstände bei seinem Abgange von Gratz und manche, seine pecuniären Verhältnisse betreffenden Anekdoten als theils unrichtig, theils etwas übertrieben geschildert heraus]. – Neue Zeit (Olmützer polit. Blatt) 1870, Nr. 103–106, im Feuilleton: „Ein hinterlistiger Wohlthäter“ [auch in der Wiener „Tages-Presse“ 1870, Nr. 91, u. vielen anderen Blättern]. – Neuigkeiten (Brünner polit. Blatt) 1858, Nr. 255, in den „Miscellen“ [wie Komiker Scholz zuerst entdeckt wurde]. – Oesterreichische Gartenlaube (Gratz, 4°.) II. Band, S. 116: „Der Komiker Wenzel Scholz in Wien“ [Episode aus seinem Leben]. – Presse (Wiener politisches Blatt) 1863, Nr. 314, im Feuilleton [verschiedene Züge aus seinem Leben]. – Salon (Prager Unterhaltungsblatt, 4°.) 1852, Nr. 255 u. 256: „Wie der berühmteste deutsche Komiker bekannt geworden“ [Episode aus Scholz’s Leben]. – Sammler (Wiener Unterhaltungsblatt, 4°.) 23. März 1815, Nr. 35 [über sein Debut als „Schustergeselle Traugott“]; – dasselbe Blatt, 28. September 1815, Nr. 110 [über ihn in seiner Rolle als „Käsperle“]; – dasselbe Blatt, 13. Mai 1826, Nr. 57 [sein Engagement im Theater an der Wien]. – Seyfried (Ferdinand Ritter von), Rückschau in das Theaterleben Wiens seit den letzten fünfzig Jahren (Wien 1864, 8°.) S. 77 u. 146.- „Der Komiker Scholz“. – Tagespost (Gratzer Localblatt) 1858, Nr. 63 u. f., im Feuilleton: „Wenzel Scholz in Gratz“. – Tages-Presse (Wiener polit. Blatt, Fol.) 1870, Nr. 111, im Feuilleton: „Unverhoffte Vaterfreuden. Skizze aus der Bühnenwelt“, von Karl Haffner [Episode aus S.’s Leben]. – Telegraf (Wiener Localblatt. 4°.) IX. Jahrg. (1857), Nr. 78: „Die ruhige Spielpartie des Wenzel Scholz. Sein Leben und Leiden, von ihm selbst erzählt“; – dasselbe Blatt 1858, Nr. 21, im Feuilleton: „Erinnerung an Scholz“ [mehrere Züge aus seinem Leben]. – Theater-Zeitung, herausg. von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 8°.) 8. Februar 1831, S. 63 [Scholz in Gratz]; – dieselbe 1826, S. 215; 1828, Nr. 20, S. 79; 1832, Nr. 12, S. 48; Nr. 16, S. 63; Nr. 21, S. 83; Nr. 246, S. 982; 1834, Nr. 88, S. 352; Nr. 221, S. 884; 1839, Nr. 100, S. 489; 1842, Nr. 172, S. 771; 1849, Nr. 142, S. 568; 1856, Nr. 74, S. 295 [in den angeführten Nummern befinden sich meist ausführliche Referate über seine Benefizen und im Jahre 1842 über sein Debut im Theater an der Wien im Jahre 1826]; – dieselbe 1841, S. 763: „Wiens erster Komiker“; S. 811, im Theater-Beobachter: „Scholz und Beckmann“; 1850, Nr. 222: „Wenzel Scholz’s erstes Auftreten in Wien“: 1851, Nr. 129, S. 915: „Biographie“; 1857, Nr. 6, S. 27: „Ueber seinen Namen „Plümeke“; Nr. 229, S 943. u. Nr. 231, S. 951: „Biographie“: Nr. 241, S. 991, unter den „Theater-Neuigkeiten“ [eine längere Mittheilung von Dr. Julius Wagner]; Nr. 296, im Feuilleton: „Die Leistungen Wiener Scholz im Burgtheater“: 1860, Nr. 23: „Scholz bei Fürst Metternich“ [eine Episode aus Scholz’s Leben, die sich bei Frau von Geymüller zugetragen, hier aber in den Salon des Staatskanzlers versetzt wird). – Allgemeine Theater-Chronik (4°.) 1864, Nr. 50, S. 495: „Der Komiker Scholz als Blitzableiter Carl’s gegen den Unmuth des Publikums“. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1857, Nr. 459, im Feuilleton: „Wenzel Scholz“. – Weil (Philipp), Wiener Jahrbuch für Zeitgeschichte, Kunst und Industrie und österreichische Walhalla (Wien 1851, Schweiger, 12°.) S. 156. – Wiener Elegante (4°.) 1857, Nr. 40, S. 277: „Wenzel Scholz“, – Wiener Tagblatt 1869, Nr. 146, Beilage, in den Miszellen: „Es geht nicht“ [Episode aus S.’s Leben]. – Wiener Vorstadt-Zeitung (polit. Blatt) 1857, Nr. 273: „Ein Cypressen-Zweig für Wenzel Scholz“. – Wiener Zeitung (amtl. Blatt, 4°.) 1866, Nr. 211, S. 535: „Scholz und Carl. Ein Beitrag zur Wiener Theatergeschichte“, von A. B.
II. Urtheile über Scholz und Charakteristik seiner Komik. Bemerkenswerth ist, was die (Czartoryski’sche) „Monatschrift für Theater und Musik“ über Scholz sagt. Das Urtheil über diesen Komiker wird durch den Ausspruch dieses Blattes wesentlich ergänzt und berichtigt. „So gibt es Leute“, schreibt die Monatschrift, „die ihren Liebling Scholz oft und oft spielen gesehen und doch niemals [222] etwas Anderes über ihn zu sagen gewußt haben, als: „wenn man ihn nur ansieht, muß man schon lachen“, und dergleichen „geistreiche“ Bemerkungen mehr. Wie wenig kennzeichnen solche und ähnliche Worte das eigentliche Talent unsers Scholz. Das Publicum war immer so erfreut, seinen Liebling zu sehen, daß es oft gar nicht merkte, wie gut er spielte – man sah nur den Lieblingskomiker und doch stand Scholz öfter als wahrer Künstler, denn als bloßer Spaßmacher auf den Brettern. (Wie wahr.) Die fingerdick aufgelegte ziegelrothe Schminke war fast das einzige Ueberbleibsel einer längst entschwundenen Zeit, von dem Scholz sich nicht zu trennen vermochte. Man braucht blos an die Verschiedenheit seiner komischen Gestalten zu erinnern, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß seine Hauptleistungen allen Bedingungen echter Künstlerschaft entsprachen. Der in seiner Amtsthätigkeit und im Räthselaufgeben geniale Klapperl, der lustige Schalk Eulenspiegel, der immer kreuzfidele Zwirn, der aufgedunsene Parvenu Fettich, der marchande de modes gewesene Schlosser, der Wassermann-Hutmacher, der classische Hausknecht Melchior, die komischen Bedienten in Stadt und Land, Entführung vom Maskenball, Graues Haus u. s. w., dann seine Lustspielrollen Agamemnon Pünktlich, Magister Lassenius, Pachter Grauschimmel, Secretär Puffmano im Unbedeutenden u. s. w., alle diese und noch unzählige andere Rollen waren sprechende Beweise dafür, daß Scholz nicht blos durch den Zauber seiner drolligen Persönlichkeit und durch stereotyp gewordene Manieren zu wirken wußte. Trotz seiner zur stereotypen Darstellungsweise geeigneten Persönlichkeit, trotz der Menge gleichartiger, für ihn geschriebenen Rollen, vermochte er es ganz gut, wie die eben angeführten Aufgaben beweisen, eine Rolle von der andern zu unterscheiden, jeder die ihr zukommende Färbung zu geben, überhaupt eine solche Aufgabe in charaktervoller Auffassung consequent durchzuführen. Zu diesen echt künstlerischen Eigenschaften gesellte sich jener eigenthümliche österreichische harmlose Humor, jene trockene Drolligkeit von unfehlbar hinreichender Wirkungskraft, welche Scholz befähigten, wahre Musterbilder nicht blos localer, sondern allgemein faßlicher Komik zu schaffen, dann noch die unerschütterlichste Ruhe in allen Lagen des Bühnenwirkens, die Vermeidung aller Effecthascherei, aller Uebertreibung und aller cynischen Rohheit und noch viele andere Vorzüge. Dieser Verein von speciellen und allgemeinen Fähigkeiten, und zwar gerade das Ueberwiegen des künstlerischen Instincts, befähigte ihn noch in den letzten Jahren seines Wirkens, im Greisenalter, bei steter Abnahme seiner körperlichen Kräfte, trotzdem er seine Rollen fast gar nicht mehr zu memoriren im Stande war, Charakterbilder zu schaffen, welche seinen köstlichsten Schöpfungen früherer Zeit ebenbürtig waren. Wir erinnern an „Krämers Töchterlein“, „Unrecht Gut“, „Zwei Testamente“ u. s. w. In allen diesen Rollen bewies er, was ein ursprünglich reiches, gut ausgebildetes, liebevoll gepflegtes, von Comödianterie und Virtuosenthum nicht angestecktes Talent noch an der Neige des Menschenlebens zu leisten vermag – als wollte er uns noch im letzten Augenblicke seines Wirkens die Mahnung zurufen, daß nur das Wahre, Reine, Maßvolle, Echte sich bewährt und Bestand hat im Leben wie in der Kunst.“ – Dr. Meynert in einer im Jahre 1831 veröffentlichten Charakteristik der Wiener Volkstheater schreibt über Scholz: „Sein tieferfasster Nationalcharakter, dieser unübertrefflich bezeichnete Volksdialekt mit allen seinen natürlichen Freiheiten und Idiomen, diese behagliche Breite, dieser phlegmatische Humor, kurz, Scholz’s ganzes Spiel ist so unverkennbar aus der österreichischen Natur herausgegriffen, daß derselbe wohl der nationalste Komiker zu nennen sein dürfte, den es überhaupt jetzt geben mag. Kein anderer Komiker läßt sich so viel Zeit, als er; Sprache und Geberde tragen bei ihm ganz das Gepräge der faulen Bequemlichkeit, und während bei Anderen seines Faches der Scherz dahergebraust und gesprudelt kommt und, aufleuchtend wie ein Blitz, just in der schnellen Zurückkehr zum Zustande der Ruhe seinen eigentlichen Effect sucht, kommt Scholz’s Humor bedächtig mit der Schneckenpost dahergefahren; selbst in seiner vollsten Entladung muß er sich zuweilen auf sich selbst besinnen; er kommt und geht so willenlos, daß er an keine Zeitbestimmung gebunden ist, und dennoch verfehlt er nie seine Wirkung. Bei ihm ist nirgends ein Haschen oder Vordrängen nach Effecten, sein Scherz spinnt sich. unangefeuert durch Beifall und ungeschreckt durch Kälte, in so fauler Gleichmäßigkeit fort, daß schon diese stoisch-komische Ruhe lustig wird. Aber nicht der burleske Contrast des scheinbaren Widerwillens gegen das [223] Lustigsein ist es allein, was Scholz zum Komiker von Beruf macht: es ist seine ungeschminkte Natur, seine fingirte Gedankenlosigkeit, welche die närrischesten Sachen von der Welt hinspricht und gleichsam zu zerstreut ist, um zu wissen, daß sie die Leute damit lachen macht. Dieses Phlegma[WS 3] bleibt selbst seinen Trunkenbolden eigen, die er höchst treu und ergötzlich zu copiren weiß. Hier ist von keinem Toben, von keinem Schreien und Wüthen die Rede, Scholz ist als Trunkenbold eben so faul und bedächtig, wie als Nüchterner, nur seine inneren Lebensgeister erscheinen in einem temperirten Zustande der Anspannung und klopfen um weniges stärker an die körperliche Schranke, welche sich mit gewohnter Widerspenstigkeit vor ihnen spreizt, und just dieses innere lebendige Drängen bei hartnäckiger äußerer Kälte und Bedachtsamkeit bildet den lustigsten Contrast von der Welt. Ich sah Scholz unter anderem in dem Lustspiele „Kunst und Natur“ als betrunkenen Bedienten, das allmälige Steigen und Umsichgreifen des Rausches in dieser hölzernen Bedientennatur war meisterhaft nuancirt und als die Macht des Weines endlich so weit gediehen war, daß er beim Einschlagen in die dargebotene Rechte seines Zechbruders fehltraf und dadurch aus dem Gleichgewichte kam, als ihm sichtlich die Gedanken wirbelten, war er dennoch nach außen ruhig; und – abgesehen, daß er auf keinem Beine stehen konnte – ließ er selbst in der höchsten Betrunkenheit das Bestreben sichtbar werden, seinen Zustand zu bemänteln, was natürlich Veranlassung zu noch lustigeren Situationen gab. Auch sein gemüthlicher „Geisterkönig“ ist sehr launig und eigenthümlich gehalten.“ – Nachdem Scholz gestorben, begleitete die „Presse“ seinen Nekrolog mit folgenden treffenden Bemerkungen: „Seit seinem frühesten Auftreten als „Klapperl“, schreibt sie, „mit welcher Rolle er zuerst die glänzendsten Erfolge in den weitesten Kreisen errang, bis kurz vor seinem Hinscheiden war ihm diese unwiderstehlich magnetische Gewalt über das Zwerchfell seines Auditoriums fast ungeschmälert treu geblieben. Jenes räthselhafte Geheimniß, ohne Aufwand von Geist und tieferem Studium, blos durch das unverkümmerte Sichgehenlassen der eigenen Persönlichkeit, jederzeit eine ungeheure Wirkung zu erzielen, und in dieser stereotypen Einförmigkeit dennoch immer pikant, eindringlich, schmackhaft, vor Allem hinreißend, drollig zu sein, besaß nur er allein und er hat dieses Geheimniß auch mit sich in’s Grab genommen. Unter den großen darstellenden Talenten, welche während des Verlaufes von beinahe zwei Generationen diese komische Musterbühne Deutschlands geziert, wozu wir in erster Linie Ignaz Schuster, Therese Krones, Ferdinand Raimund und Nestroy rechnen müssen, war Wenzel Scholz vielleicht der populärste von allen, weil seine sämmtlichen Gesellschaftsclassen gleichmäßig zugängliche Darstellungsweise stets einen directen Druck auf die Lachmuskeln ausübte, ohne, wie bei Nestroy, diesem geistvollsten Volksschauspieler, den die österreichische Hauptstadt jemals besaß, oft ein höheres Verständniß von Seite des Zuschauers vorauszusetzen, oder sich wohl gar in jene krankhafte Sentimentalität zu verlieren, die wir an dem liebenswürdigen Raimund in seiner letzten Periode so schmerzlich zu bedauern hatten. An der Seite Nestroy’s, des weitaus mächtigsten Talentes unter den Localdichtern Wiens, der in seinen für das Wiedner Theater geschriebenen Stücken niemals darauf vergaß, den beliebten Collegen stets mit einer durchgreifend dankbaren Rolle zu bedenken, trug er nun wesentlich bei, der Direction Carl’s auf die Beine zu helfen, wie es denn überhaupt nicht verschwiegen werden darf, daß Nestroy und Scholz allein jenem kaltberechnenden Bühnen-Industriellen seine Millionen erwarben, welche später in dem Aufbaue des stattlichen Carl-Theaters zum Theile ihren steinernen Ausdruck gefunden. Seit dem Hintritte des unvergeßlichen Scholz beruht die alte Glorie unserer Volksbühne, leider nur mehr auf zwei Augen“ (welche seither auch bereits erloschen sind). – Ein College von Scholz, wenn ich nicht irre, Franz Wallner, äußerte sich über ihn: „Scholz war die fleischgewordene Komik. Mit so einfachen Mitteln so erschütternde Wirkungen, wie er, hervorzubringen, scheint uns in der Geschichte der Schauspielkunst eine ziemlich vereinzelte Erscheinung zu sein. Wir haben Scholz mehr als einmal im Café Stierböck in der Jägerzeil beobachtet, wo er regelmäßig nach Tische seinen Kaffee zu nehmen und Karten zu spielen pflegte. Da saß er mit mürrischem Behagen in einer Ecke, ein Spiel Karten in der Hand, im Munde eine klobige Tabakspfeife mit Wassersack. Manchmal blitzten seine schelmischen blauen Augen lebhaft auf, eine [224] kurze, hastig, sich urplötzlich versteinernde Bewegung des Armes folgte nach, und nach ein paar energisch herausgestotterten Worten, durch welche er seine Meinung bündig und erschöpfend kundgab, kehrte er in die erhabene Muße eines sinnenden Weisen wieder zurück. Der Tisch, an dem er saß und spielte, war stets von zahlreichen Zuschauern umstanden, die jede Bewegung, jede Miene, jeden Laut des in Rauch gehüllten Kartenspielers begierig auffingen und die von Zeit zu Zeit in eben das schallende Gelächter, wie solches im Carl-Theater vorkam, würde ausgebrochen sein, wenn die Rücksicht der Schicklichkeit ihre Stimmen nicht gedämpft hätte. Das ist die Wirkung einer komischen Natur. Scholz brauchte nur, wie er ging und stand, auf die Bretter zu steigen, er brauchte nur auf die Bühne herauszukommen und stehen zu bleiben und das Publicum war für den ganzen Abend in eine heitere Stimmung versetzt. Er war eine lebendige Aufforderung zum Lachen und der Mann hatte Einen schon so oft zum Lachen gebracht, daß man ihn schlechterdings nicht mehr anschauen konnte, ohne einen Reiz in den Lachmuskeln zu verspüren. Scholz und Nestroy – sie allein sind das Carl-Theater gewesen. Die Lücke, welche Scholz gelassen, ist nicht wieder auszufüllen.“ – Scholz brauchte seine Kritik bei Saphir nicht zu bezahlen; Scholz hatte das Publicum hinter sich und war auf solche Art gegen Saphir’s Feilheit gefeit. In solchen Fällen, aber nur in solchen, ist Saphir’s Kritik echt, schlackenfreies Gold. Als Scholz sich zur Ruhe gelegt, widmete ihm auch Saphir einen Nachruf voll goldener Wahrheiten. „Jede große Stadt“, schreibt Saphir, „hat ihre Wahrzeichen, historische, architektonische, persönliche u. s. w. Scholz gehörte seit 30 Jahren zu den Wahrzeichen Wiens, wie der Stephansthurm, wie der Stock am Eisenplatz. ... Wenn Scholz kam, bei seinem bloßen Erscheinen nahmen die Grillen und Mücken Reißaus, das Zwerchfell stieg auf den Thron des Verstandes, die Lustigkeit occupirte die beiden Fürstenthümer Sehen und Hören ... und Sieger war Wenzel Scholz. Und welches waren seine Siegeswaffen? Ja, wer das wüßte! Man lasse sich ja nicht von den gewöhnlichen Nekrolog-Schablonen irre machen, dieser Schiboleth von „Komik“ – „Mimik“ – „Auffassung“ – „Studium“ – „denkendem Künstler“ –„correcter Zeichnung“, Alles das ist leeres Klingling. Jede kunstkritische, ästhetische Bezeichnung oder Definition von Scholz als Komiker ist Unsinn. Scholz entrann als Typus des Lachenerregenden der Hand der Natur, es läßt sich so wenig sagen, wodurch Scholz die Convulsion des Lachens, die peristaltische Bewegung des Zwerchfells hervorbrachte, als sich sagen läßt, wodurch die wogende See die peristaltische Bewegung der Magennerven hervorbringt. So lange man Scholz und Meer vor sich hat, dauert die unbegreifliche Naturwirkung, kaum sind beide vorüber, so hört die Wirkung auf, urplötzlich, ohne Uebergang. Wenn Scholz spielte, lachte Alles, das Publicum sah sich gegenseitig an und lachte und fragte sich nun: worüber? Es lachte über Scholz, es war gleichgiltig, was er sprach, was ihn der Dichter sagen ließ, es war gleichgiltig, ob er einen Charakter darstellte und welchen, es war gleichgiltig, ob er in eine Situation kam und in welche, seine Erscheinung genügte, sein Vortrag lag in seiner Person und Niemand wie Scholz konnte von seinem Erfolge sagen: „Das ist Fleisch von meinem Fleisch“; er war die eingefleischte Personal-Komik. – Als Species ist Scholz, wie der letzte Phönix aus der Asche jener Gattung Komiker hervorgegangen, welche die Frau Neuberin verbrannte. Er war der „letzte Lustigmacher“ aus der guten alten Zeit der Stranitzky und Prehauser. Er war der als dummer Bedienter wieder aufgestandene Ritter Fallstaff; er war einer derjenigen lustigen Welterheiterer, welche Luther mit den Worten bezeichnet; „Sie sind durch Gottes Gabe stark, fett und völligen Leibes“. ... Nicht nur um die guten Possen hat Scholz ein großes Verdienst, sondern noch mehr um die schlechten! Er war die lebendige Versicherungsanstalt elender Stücke, er der elektrische Wetterableiter, der das pfeifende Donnerwetter vom Haupte des unglücklichen Verfassers ablenkte und das Grollen des Donners in ein freundliches Wetterleuchten umwandelte. Es war bekannt, eine „Scholz’sche Benefize“ brachte ein miserables Stück, die Wiener wußten das im Voraus, aber man ging doch hinein und lachte schon im Voraus darüber, wie man lachen wird, wenn am Ende des durchgefallenen Stückes Scholz herauskommen wird und mit einer Miene, mit einer Prosa, mit der bekannten „Charivarl-Abdankung“ das Publicum in ein Weltmeer von [225] Heiterkeit stürzen wird. Wenig Menschen haben über Scholz so viel Thränen gelacht als ich. Wenn ich Scholz sah, warf ich allen Verstand, alles Denken, alle Kritik wie unnützen Ballast über Bord und ließ mich von den Wellen des Lachelements hinschleudern nach Herzenslust! ... Er war nicht nur ein unvergleichlicher Komiker, er war gut, er war bieder, gemüthlich, harmlos, herzlich als College, als Mensch, als Freund.“ – Vincenz Rizzi, im „Adler“, schreibt über Scholz: „Man hat diesem Künstler, der, wiewohl meist im localen Elemente sich bewegend, dennoch einen europäischen Ruf verdient – und in Herloßsohn’s Theater-Lexikon sucht man seinen Namen vergebens! – zum Vorwurfe gemacht, daß er immer derselbe sei: diese Behauptung ist nicht ohne Grund, aber sie enthält keinen Tadel. Seine Individualität ist allerdings nicht so geeignet zu Metamorphosen, wie die des spindeldürren Devrient oder eines andern Kunsthelden mit geschmeidigen Körpermitteln, aber um so mehr, als es ihm unmöglich ist, aus sich einen Andern zu machen, ist er das, was er eben sein soll – nicht blos zum Scheine – sondern wirklich. Daher die drastische Wirksamkeit seiner Erscheinung, denn das komische Element durch keine erzwungene Verstellung der angebornen Natürlichkeit beengt, ergießt sich frei und jede Muskel belebend über die ganze ungezwungene Gestalt, deren Attituden allein beweisen, wie sehr er Meister sei in seinem Fache. Scholz ist ein unvergleichliches Vorbild in Darstellung der Dummheit – nicht jener tölpelhaften Dummheit, deren Darstellung Jedem gelingt, welcher die Thierheit allein walten läßt und die Geistesthätigkeit unterdrückt, sondern jener eigenthümlichen Dummheit, die aus unerbittlichen Schranken ihrer Natur hinaus strebt und, gleich der bettelstolzen Armuth, die den Schein des Reichthums durch Bekleidung mit glänzenden Lumpen erzwingt und deren Nacktheit verrätherisch aus aufgesprungenen Nähten hervorguckt, gerade nach dem am Vehementesten strebt, was ihr am meisten gebricht – jener Dummheit, die im Leben das ergötzlichste Schauspiel gewährt, da sie nicht so hilflos ist, um Mitleid einzuflößen, nicht so verfeinert doch, daß sie uns als Fadaise anwiderte – jener Dummheit gerade, deren Darstellung vollendete Meisterschaft erfordert, da der geringste Fehltritt in Fadaise oder Tölpelhaftigkeit überschlägt. Es ist ein schmaler Raum zwischen der Trivialität dieser und der Ekelhaftigkeit jener, doch Scholz würde sich mit der größten Sicherheit darauf erhalten, wenn es ihm die neueren Localdichter, welche in der Regel wenig wissen von einer untrivialen vis comica, nicht oft so schwer machten. Scholz ist kein studirter Komiker, er hat vielleicht weder Engel’s Mimik noch Hogarth’s Schönheitslehre gelesen, aber sein angebornes Genie macht ihm alle diese Studien entbehrlich. Sein komischer Tact ist bewunderungswürdig, eben weil er angeboren ist. Scholz ist durch und durch selbst komische Natur und anstatt daß er Hogarth zu studiren brauchte, würde vielmehr dieser, wenn die heutige Zeit so glücklich wäre, ihn zu besitzen, in seiner Erscheinung einen Gegenstand unerschöpflicher Studien finden. Man überzeuge sich nur selbst aus den Hogarth’schen Caricaturen. Wie viele Attituden und Geberden finden sich dort durch den Grabstichel verewigt, welche wir an Scholz lebend bewundert haben! Seine verschiedenen Arten zu gehen, Hände und Füße zu bewegen, seine naturgetreuen Grimassen der Dummheit, sei es im Ausdrucke von Begehrlichkeiten jeder Art, oder von Hochmuth, Schwärmerei, Extase, Trauer – finden sich größtentheils in Hogarth’schen Gemälden wieder. Aber der reiche Stoff komischer Geberdungen, welcher noch übrig bleibt, würde sicherlich noch einen zweiten Hogarth hinlänglich beschäftigen.“ [Humorist. Herausgegeben von M. G. Saphir (Wien, kl. Fol.) 21. Jahrg. (1857), Nr. 272, S. 1086: „Scholz zur Ruhe gelegt“, von M. G. Saphir. – Monatschrift für Theater und Musik, Herausgeber Joseph Klemm (Wien, Wallishausser, 4°.) III. Jahrgang (1857), S. 519: „Wenzel Scholz“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1857, Nr. 229, im Feuilleton: „Scholz †.“ – Theater-Zeitung, herausg. von Ad. Bäuerle (Wen, gr. 4°.) 29. Jahrg. (1835), Nr. 195, S. 779: „Saphir über Wenzel Scholz“. – Unser Planet. Blätter für Unterhaltung, Literatur, Kunst und Theater. Von Ludwig Storch (4°.) 1831, Beilage: Theaterblatt, Nr. 132: „Das Volkstheater an der Wien“, von Hermann Meynert.]
III. Porträte und Costumebilder. a) Porträte. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges: Wenzel Scholz. Kriehuber (lith.) 1857. Gedruckt bei Jos. Stoufs in Wien (Wien, bei L. T. Neumann, Fol.). – 2) Unterschrift: Wenzel Scholz. Stich u. Verlag von J. Sonnenleiter [226] u. Lechleitner. Druck v. Kargl (Miniatur-Format, sehr ähnlich und selten) (8°.). – 3) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges: Wenzel Scholz. Bauer lith. gedr. bei Jos. Stoufs, Wien (8°.).– 4) Unterschrift: Wenzel Scholz, † am 5. October (1857). Holzschnitt in der „Illustrirten Zeitung“ Nr. 751, 21. November 1857, S. 340. – 5) „Dem Andenken Scholz’s. Trauermarsch, aufgeführt bei dem Leichenbegängnisse W. Scholz’s am 7. October 1857, für Pianoforte von Carl Krottenthaler“ (Wien, Gustav Lewy, gr. 4°.) [mit Scholz’s sehr ähnlichem Bildnisse auf dem Titelblatte. Der Compositeur dieses Trauermarsches, Krottenthaler, heirathete in der Folge Scholz’s Witwe]. – 6) Unterschrift: Wenzel Scholz. W. Klimt lith. (Lith. Anstalt von C. W. Medau, Leitmeritz). – b) Costumebilder. 7) Unterschrift: Wenzel Scholz. | Ich hasse sie, die Hausherren, diese drei-, vierfach verstockten Menschen. | Wer sind sie denn – diese Tyrannen, daß wir ihnen zinsbar sein sollen? Lith. von NZ. Artistische Anstalt von Reiffenstein u. Rösch in Wien (Fol.). [In dieser Attitude gibt es auch farbige Biscuit-Statuetten, zu denen als Pendant Nestroy in der Rolle des „Nazi“ gehört.) – 8) Unterschrift: Scholz | (in der Posse: Eulenspiegel:) Wenn sich der Schwäche Kraft in der Erreichung dunkler Ziele hat gesondert und wie auch des | Gelingens Huld erwärmender Nachsicht dünkt – dann ist Ihrer Güte Wunsch, des Strebens zag- | haft Spiel, in banger Schüchternheit der Gewährung zu sein die Ehre gehabt zu haben. Gez. u. lith. von MF. 1857. Artistische Anstalt von Reiffenstein u. Rösch in Wien (Fol.) [diese Unterschrift des Bildes ist der berühmte „Scholz’sche Monolog“, den er hundert und hundert Mal von der Bühne sprach, mit diesem blühenden, von ihm mit aller Feierlichkeit und dem Ernste, als sagte er Dinge von höchster Wichtigkeit gesprochenen Unsinn, immer und immer einen nie enden wollenden Beifall erzielend]. – 9) Unterschrift: „Ich bin zu etwas hö-herem geboren!“ Lith. von [FH][WS 4] Verlag von Stammler u. Carlstein in Wien (Fol.). – 10) Unterschrift: „Hutmacher und Strumpfwirker“. Cyprian Deckel, Hr. Scholz; Baldrian Zwickl, Hr. Nestroy. (Beide zugleich. Einer zum Andern, sich gegenseitig für wohlhabend haltend:) „Euer Gnaden, ein armer reisender Handwerksbursch bittet um ein Almosen!“ Schoeller del., Andr. Geiger sc. (4°.). [Theat.-Ztg.] – 11) Unterschrift: Hr. Scholz als „Augustin“ und „Robert“ (4°.). [Th.-Ztg.] – 12) Unterschrift: „Der Schneider und seine Töchter“. Mad. Schmidt: „Ich muß ihn haben“. Hr. Scholz: „Sie sollen ihn nicht haben, Sie alte Rain“. Schoeller del., Andr. Geiger sc. (4°.). [Th.-Ztg.] – 13) Unterschrift: Die Localsängerin und ihr Vater, oder das Theater im Theater. Schoeller del., Zechmayer sc. (4°.). [Th.-Ztg.] – 14) Unterschrift: Scholz in der Cachucha. Schoeller del., Andr. Geiger sc. (4°.). [Th.-Ztg.] – 15) Unterschrift: „Der Färber und sein Zwillingsbruder“. Scene: „Er lacht! Er sieht mich zu den Füßen des Mädchens und prügelt mich nicht? O wie glücklich wäre ich gewesen, wenn er mich jetzt tüchtig durchgewixt hätte“. Schoeller del., Andr. Geiger sc. (4°.). [Th.-Ztg.] – 16) Unterschrift: Herr Scholz als Jonas Froschmaul und Herr Nestroy als Amtsschreiber Nigowitz, in der Posse: Das Gut Waldegg. Nigow.: „Sapperment, ziehen Sie sich zurück! Sie treten mir ja auf den Fuß“, Froschm.: „Woher vermuthen Sie dieß?“ Schoeller del., Andr. Geiger sc. (4°.). [Th.-Ztg.] Alle diese Costumebilder, von Schoeller [s. d. S. 92] in seiner besten Zeit gezeichnet und auf welchen Scholz wie auch Nestroy sehr ähnlich wiedergegeben sind, sind nicht leicht anzutreffen. Uncolorirte Exemplare sind sogar sehr schwer aufzufinden. – 17) Unterschrift: „Die Schauspieler Nestroy und Scholz auf Brückenwache“. Guter und ziemlich ähnlicher Holzschnitt von Katzler, in Reschauer’s: „Das Jahr 1848. Geschichte der Wiener Revolution (Wien 1872, 4°.) Bd. I, S. 433. – 18) Ueberschrift: „Der Hanswurst auf der Barrikade“. Unterschrift: „Scholz und Nestroy als Nationalgarde-Schildwachen bei der Ferdinandsbrücke“ (historisch) [auch im „Kikeriki“ 1870, Nr. 51. Diese Darstellung erschien noch im Placat-Format im groben, aber ähnlichen Holzschnitt; sehr selten]. – 19) Unterschrift: Wenzel Scholz und die Frau des Räthselnarren“ (8°.), wenig ähnlicher Holzschnitt. – 20) Noch soll ein Bild existiren, das Scholz und Nestroy in der köstlichsten Situation darstellt, wie nämlich Beide, (am 3. November 1834) vor Geßler’s Hut in Schiller’sWilhelm Tell“ Wache stehen; aber ich konnte dasselbe nirgends auftreiben.
IV. Wendel Scholz in der Dichtung. – Scholz im Drama. Haffner (Carl), Wenzel Scholz. [227] Skizzen aus dem Künstlerleben, mit Gesang in drei Acten. Musik von Capellmeister Adolf Müller (im k. k. priv. Theater a. d. Wien mit Beifall gegeben) (Wien 1859, L. Sommer, 8°.). – Haffner (Karl), Scholz und Nestroy, Genrebild mit Gesang und Tanz in drei Abtheilungen und neun Bildern, Musik von Capellmeister Karl Kleiber [nicht gedruckt, nur im Josephstädter Theater gegeben]. – „Wenzel Scholz und die chinesische Prinzessin“. Gelegenheitsstück, zu seinem siebenzigsten Geburtstage im Carl-Theater am 28. März 1856 aufgeführt. – Tritsch- Tratsch (Wiener Localblatt, 4°.) Herausgegeben von Varry, 1859, Nr. 10: „An den Verfasser des Genrebildes: „Wenzel Scholz“. – Tagespost (Gratzer Localblatt) 1857, Nr. 253 u. 254, im Feuilleton: „Scholz im Olymp. Dramatischer Scherz“, von J. und L. – Scholz im Roman. Haffner (Carl), Scholz und Nestroy. Roman aus dem Künstlerleben. 3 Bde. (in 11 Lfgn.) (Wien 1866, H. Markgraf, kl. 8°.) [enthält ungemein viel biographisches Detail, das mit Kaiser’s, in der „Morgenpost“ enthaltenen Biographie reiches Materiale zu einer interessanten Monographie über Scholz darboth. – Gedichte auf Scholz. Wiener Vorstadt-Zeitung 1857, Nr. 276: „Scholz im Paradies“. – Neuigkeiten (Brünner polit. Blatt) 1857, Nr. 278: „Nachruf an Scholz“ [von Grandjean, am Tage seiner Bestattung erschienen].
V. Tod und Begräbniß. In Journalen Zerstreutes. Bohemia (Prager polit. und belletrist. Blatt, 4°.) 1857, Nr. 240: „Correspondenz aus Wien“ [erzählt, daß die Wiener anläßlich seiner Beerdigung die treffende Bemerkung gemacht: „Der wackere Scholz, er hat bei seinem letzten Auftreten ein volles Haus gehabt, aber lustig war’s heute nicht“]. – Fremden-Blatt. Von G. Heine (Wien, 4°.) 1868, Nr. 6: „Die letzte Stunde des Komikers Wenzel Scholz“. Von H. r. [oft nachgedruckt]. – Krakauer Zeitung 1857, Nr. 231: „Ueber Wenzel Scholz’s letzte Lebensstunden“. – Morgen-Post (Wiener polit. Blatt) 1858, Nr. 94, 96, 97, 98, W, 101 u. 106), im Feuilleton [die ausführlichsten Nachrichten über Scholz’s letzten Leidenstage, Tod und Bestattung. Von Friedr. Kaiser]. – Theater-Zeitung. Herausg. von Ad. Bäuerle 1857, Nr. 229, S. 943: Partezettel; Nr. 230, S. 947 (irrig 995): Leichenfeier: Nr. 231, S. 951: Grabdenkmal.
VI. Einzelheiten: Scholz’s Impromptu’s. Des Kaisers Kinderschuh. Scholz’s Chemisettenknöpfe. Wie Scholz Geographie studirt. Ein Stammbuchblatt. Ein Gratulationsschreiben. – Scholz’s Impromptu’s. Die Impromptu’s von Scholz übten immer eine nachhaltige Wirkung auf die Lachmuskeln den Publicums; sie waren aber auch einzig in ihrer Art und durften wirklich nur von ihm gebracht werden, um zu wirken und aufgenommen zu werden. So spielte er in Raimund’s „Diamant des Geisterkönigs“ jene Rolle, in welcher er vom Pudel in einen Menschen verwandelt wird. Er mißfiel und wurde – ausgepfiffen. Mit der confiscirtesten Miene, die er sich anzulegen verstand, trat er an die Rampe und sprach: „I bitt’, was pfeifen’s denn jetzt noch auf mi, ich bin doch ka Pudel mehr“. Diese kühnen, aber treffenden Worte entwaffneten den Zorn des Publicums und S. wurde laut beklatscht. – Als es Madame Brünning dem Director Carl angethan und die Neuheit ihrer Darstellungsweise das Publicum stark in’s Theater lockte, faßte Carl mit einem Male den Plan, das bisherige Volksstück, da er es als sich gänzlich überlebt hielt, nach und nach fallen und an seine Stelle das Vaudeville treten zu lassen. Um diesen Uebergang, mit seiner eigenen Person einzuleiten, wirkte er in der Volksposse schon nicht mehr mit und trat nur auf, wenn er mit der Brünning zusammen spielen konnte. Als nun unter den Mitgliedern die Bemerkung gemacht wurde, daß Carl schon gar nicht mehr in Volksstücken spiele, äußerte sich der eben anwesende Scholz: „Ah – der Director spielt nur mehr wo die will“ (Vaudeville) und warf dabei einen bedeutsamen Blick auf die seitabstehende Frau Brünning. – Auch im gesellschaftlichen Leben verleugnete er nie seine Gemüthlichkeit. Es wurde bei einer Mahlzeit, zu welcher auch er geladen war, die Hausfrau mitten während des Essens gewahr, daß dreizehn Personen bei Tische saßen. Mit wahrem Einsetzen rief sie unter die gemüthlich essenden Gäste: „Herr Jeses! Wir essen dreizehn bei Tisch“. „Beruhigen Sie sich, gnädige Frau“, rief Scholz. „ich esse heut’ für zwei“. Der Witz that seine Wirkung und die omineuse Zahl ward über dem Halloh der Gäste vergessen. – Einen Unsinn mit der ernstesten Miene von der Welt herzusagen, daß Alles gespannt aufhorchte und längere Zeit nach dem Sinn der gesprochenen Worte forschen mochte, verstand [228] kaum ein Zweiter wie Scholz. Auf einem seiner Costumebilder (Nr. 8) ist er durch des Künstlers Stift im Momente festgehalten, als er eben diesen so blühenden Gallimathias vorbringt, der unter dem Namen: „Der Scholz’sche Monolog“ weltbekannt ist und den er wohl unzählige Male an das Publicum gerichtet hat. Derselbe bildet die Unterschrift des Bildes und wird, um die Wiederholung zu vermeiden, auf die Porträte und Costumebilder S. 225 hingewiesen. – In einer Posse, wo in einer Versammlung Gutgesinnter Jeder angab, was er im Jahre 1848 für sein Vaterland gethan habe, erzählte Scholz: „Im Jahre 1848 hab’ ich für mein Vaterland gezittert“. Das homerische Gelächter, das diesem Bekenntnisse folgte, ist nicht zu schildern. – Eine nicht weniger komische Wirkung erzielte er, wenn er als Tyrann Sacripandus mit komischem Pathos befiehlt: „Schlagt sie in Keden (Ketten)“, und nach einer Pause wiederholt: „Schlagt sie in Keden, aber mit einem weichen D, damit es ihr nicht so weh’ thut“. – Bei dem Einzuge eines Gutsbesitzers, dem auf einem nicht ganz reinlichen Kopfkissen die Schlüssel seines Schlosses von dem Amtmann entgegen gebracht werden, hielt Scholz die Anrede und entschuldigte den Mangel an Sauberkeit des Kissens damit: „daß der Mann kleine Kinder habe“. – Als Scholz eines Abends, da er vor Schluß des Theaters für mehrere Wochen zum letzten Male auftrat, vom Publicum wie gewöhnlich mit Beifall überschüttet und immer wieder gerufen wurde, trat er wieder hervor, verneigte sich, machte die Pantomime, daß er, was er fühle, bereits gesagt und nichts mehr hervorzubringen wisse. Als aber der Beifall des Publicums nichtsdestoweniger kein Ende nahm und gleichsam Alles zu fordern schien, daß Scholz einige Worte sage, da ließ sich denn auch Scholz zu einem Zugeständnisse, herbei, machte ein Zeichen, daß er sprechen wolle, und als Alles mit einem Male stille blieb, um keines seiner Worte zu überhören, rief er, mit tragisch-komischer Bewegung einige Tropfen aus dem Auge wischend und schluchzend: „I werd’s Ihnen schreiben“. Die Wirkung war ungeheuer. – Des Kaisers Kinderschuh. Ein schöner Zug von Scholz’s fast kindlicher Liebe und Anhänglichkeit zum Kaiserhause ist der folgende: Eines Tages im Sommer 1832 gewahrte S. auf seiner gewöhnlichen Glacis-Promenade eine Hofequipage, die vor einem Palais stand und in welche nach einiger Zeit ein Kind gehoben wurde. Er eilte nach der Stelle, um zu sehen, wer es sei, ehe er doch an Ort und Stelle kam, war der Wagen bereits fortgefahren, aber dort, wo der Wagen gestanden, lag ein kleiner, kaum zwei Zoll langer Schuh von schwarzer Seide, den wahrscheinlich das kleine, eben in den Wagen gehobene Kindlein verloren hatte. Scholz steckte den Schuh zu sich. Auf sein Nachfragen – ohne jedoch die Ursache zu verrathen – erfuhr er, daß der Schuh dem erstgebornen, damals zwei Jahre alten Prinzen Franz Joseph, dem Sohne des Erzherzogs Franz Karl, gehöre, denn in der That, als an dem von Scholz angegebenen Tage der Prinz nach Hause kam, hatte man an dem einen Fuße den Schuh vermißt. Als Scholz den Schuh zurückgeben wollte, erbat er sich die Erlaubniß, ihn behalten zu dürfen, die ihm auch gewährt wurde. Von diesem Tage an trug Scholz den kleinen Schuh, sorgfältig in Papier eingewickelt, in seiner Brieftasche an seiner Brust, gleichsam wie ein Amulett, von welchem er überzeugt war, daß es ihm Glück bringen müsse. Nach Jahren, im März 1856, als er zur Feier seines 70. Geburtstages auch von Seite des ah. Hofes und namentlich von Sr. Majestät dem Kaiser Beweise der Huld empfangen, und nun in einer erbetenen Audienz Sr. Majestät seinen Dank aussprechen wollte, nahm er auch den kleinen Seidenschuh mit sich, um ihn dem Monarchen, der ihn als zweijähriger Prinz verloren, zu zeigen. Als Scholz aber vor dem Kaiser stand und dieser an den hochbetagten Künstler Worte voll Huld und Güte richtete und der junge Monarch dem greisen Künstler Glück wünschte, daß er in so hohem Aller noch so rüstig seinen Beruf erfüllen könne, da war Scholz so tief ergriffen, daß er ganz auf seinen Schuh vergaß. Der Schuh fand sich nach des Künstlers Ableben in der Brieftasche, die Scholz immer bei sich trug. Auf der fast ganz neuen Sohle standen die von Scholz eigenhändig geschriebenen Worte: „Eigenthum Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph, von mir im Jahre 1832 gefunden, als der kleine Prinz eben in den Wagen gestiegen war“. Das Kleinod ging als Erbtheil an die Witwe über, in deren Besitze es sich noch befinden soll. – Scholz’s Chemisettenknöpfe. Eine der köstlichsten Verhöhnungen der Wiener Bäckergilde, als 1846 diese täglich ihr Gebäck verkleinerte, ging in ebenso origineller [229] als drastischer Weise von Scholz aus. Als Scholz wieder einmal in eine Posse in seinem komischen Costume erschien trug er als Chemisettenknöpfe drei „Kaisersemmeln“, denn dieses Luxusgebäck war zu so berüchtigter Kleinheit zusammengebacken, daß man bald eines Kometensuchers bedurft hatte, um es auf dem Laden eines Bäckertisches zu entdecken. Der Beifall des Publicums über diesen Einfall war fast frenetisch, aber nach der Vorstellung mußte S., so hieß es und es war damals in der Sedlnitzky’schen Glanzperiode Alles möglich, für diese kühne That, die als Aufhetzung des Publicums angesehen wurde, „brummen“. Im Jahre 1869, als das Wiener städtische Archiv eine Einladung ergehen ließ, ihr alle Gegenstände, die auf die Geschichte der Stadt Wien Bezug haben, zur Aufbewahrung zukommen zu lassen, stellte sich ein Verehrer des Komikers auch mit diesen „altbackenen“, aber noch gut erhaltenen „Chemisettenknöpfen“ ein und, wunderbarer Weise, die Gabe, die doch einen unschätzbaren Beitrag zur Culturgeschichte Wiens bildet, wurde – abgelehnt. [Neue freie Presse 1869, Nr. 1862: „Curiosum“.] – Scholz’s Studium der Geographie. Scholz war ein wenig glücklicher – dabei aber leidenschaftlicher – Spieler. Er spielte Billard und Karten; in ersterem war er Meister, im Kartenspiele hatte er große Summen verloren. Längere Zeit brachte er von den glänzenden Einnahmen seiner Gastspiele nichts heim, da Alles auf dem grünen Tische geblieben war. Erst nach der Heirath seiner zweiten Frau ward es in dieser Hinsicht besser. Dabei aber hatte er eine besondere Eigenheit. In jeder Stadt, welche er auf seinen Gastspielen berührte, kaufte er einen silbernen Löffel, ließ in denselben den Namen der Stadt graviren und brachte ihn der Frau zum Andenken mit. Er pflegte, dann zu sagen, „daß er auf diese Art seine geographische Weisheit mit Löffeln esse“. – Merkwürdiger Weise aber, so unglücklich S. im Kartenspiele war, so glücklich pflegte er – nicht, wie man sonst zu sagen pflegt, in der Liebe – sondern im Lottospiele zu sein. In der kleinen Lotterie hatte er zu wiederholten Malen Gewinnste, die sich in die Tausend beliefen, gemacht. – Ein Stammbuchblatt. Der alte Bäuerle, schrieb Scholz das Folgende in sein Stammbuch:

Du stirbst wohl nie, wirst ewig leben,
Denn dein Humor, der ist’s ja eben!
Blickt dir der Tod einst in’s Gesicht,
So muß er lachen und – nimmt dich nicht.
     Wien, am 26. Februar 1855.

Adolf Bäuerle.          
Ein Gratulationsschreiben. Als Scholz seinen siebenzigsten Geburtstag feierlich beging, erhielt er von unbekannter Hand folgendes, aus den Titeln verschiedener Theaterstücke, in welchen er zum Theile selbst so erfolgreich mitgewirkt, sinnig zusammengestelltes Glückwunschschreiben: „Wie ein kleiner Recensent dem großen Scholz gratulirt: Erst haben dich „Die Journalisten“ beurtheilt, doch bist du nie „Der Zerrissene“ gewesen, von dir konnte es nie heißen: „Endlich hat er es doch gut gemacht“, auch bedurftest du nie „Ein mildes Urtheil“, stets ein ganzer „Kampl“, warst du „Der Talisman“ der Theatercasse und in trüben Zeiten bist du dem Publicum „Ein Freund in der Noth“ gewesen, Wenn es von dir hieß: „Einen Jux will er sich machen“, so ging es lustig her und es ist „Alle Minuten etwas anderes“ Heiteres gekommen. Darum aus wahrer Bewunderung und Dankbarkeit für frohe Abendstunden wünscht dir der Gefertigte „Hunderttausend Thaler“, den „Hausschatz“, den „Ehefrieden“, auch „Nur Ruhe“, das „Häusliche Glück“ und „Die lieben Anverwandten“ mögen dich noch „Dreißig Jahre“, „Mein Freund“, ansprechen. Mögest du, „Der reiche Mann“, nie „Die Wassercur“ brauchen, „Vier Schüsseln“ täglich mögen dir wohl bekommen; „Das Räuschchen“ im fröhlichen Kreise ist auch erlaubt und nach vielen Jahren, denn „Noch ist es Zeit“, sollst du mit den Worten: „Meine Frau ist ein Engel“, deine „Silberne Hochzeit“ feiern,“ – Auch eine Biographie des Scholz. Scholz, ein Sohn des Komus und der Komödia, hatte seinen Tempel auf einer Halbinsel des alten Ister, sein Pathe war Momus, der ihm Wunderkraft verlieh, die Leiden der Menschheit durch Lachen zu mildern. In der Wiege schon erdrückte er, wie einst Hercules, die zwei Schlangen Melancholie und Hypochondrie. Er war Vorsteher der nächtlichen frohen Stunden und wird von den Menschen an den Ufern des Isters als ein Wohlthäter des Bevölkerung, als ein Verscheucher der üblen Laune verehrt. In früherer Zeit ward er von einem mächtigen Director mit Namen „Carl“ gefangen [230] gehalten, dem er, wie Hercules, schwere Arbeiten verrichten mußte, er mußte z. B. den Augiasstall der schlechten Stücke ausmisten, er mußte dem Director den „goldenen Apfel“ einbringen, er mußte die „menschenfressenden Contracte“ überwinden u. s. w. Scholz zeugte mit der Muse Nestroy’s den „Zwirn“ – den „Melchior“ – den „Kampel“ – den „Schlossermeister“ – den „Ledig“ – den „Eulenspiegel“ – den „Rochus“ u. s. w. und mit anderen Halb- und Local-Musen verschiedene andere Figuren, welche die Menschen ergötzten und belustigten. Wie man einstens die Lupercalien feierte, so feierte man auf jener Insel jährlich zwei Feste, „Scholzii Beneficia“ genannt. Es wurde gewöhnlich an jedem Festabend ein Stück Rind, d. h. ein Stück von einem Rind geopfert, das Publicum brachte mit Liebe und Andacht die Opfergaben, 5 fl. Sperrsitz und 20 fl. Loge, und es war ein herzlicher Jubel stets und immer u. s. w. Er starb als ein Halbgott seines Publicums und lebt in seiner Erinnerung desselben fort u. s. w.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Weidman.
  2. Heinrich Clauren (Wikipedia).
  3. Vorlage: Pflegma.
  4. Abbild des Monogramms.