Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 32 (1876), ab Seite: 240. (Quelle)
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Schuster, Ignaz (Schauspieler und Sänger, geb. zu Wien 20. Juli 1770, n. A. erst 1779, gest. ebenda 6. November 1835). Schuster’s Vater war Kirchenschneider im Schottenstifte in Wien und besaß zugleich ein Wirthshaus, „zum Staberl“ genannt, aus welcher Schenke die berühmt gewordene Rolle des „Staberl“ und die „Staberliaden“ ihren Ursprung ableiten. Den Unterricht erhielt der geistig sehr begabte Knabe bei den Schotten. Im Alter von sieben Jahren lernte er singen, und da er großes Musiktalent zeigte, wurde er schon im folgenden Jahre, 1786, Sängerknabe im Stifte und blieb daselbst als Sopranist bis zu seinem neunten Jahre. Sein Fleiß und sein Talent gewannen ihm das Wohlwollen des Hofcapellmeisters Eybler [Bd. IV, S. 120], der auch dem anstelligen und fleißigen Knaben erhöhte Aufmerksamkeit zuwendete und seine sorgfältige Ausbildung in der Musik sich angelegen sein ließ. Ueber seine Veranlassung erhielt er von Franz Volkert unentgeltlichen Unterricht im Pianoforte, begann auch frühzeitig das Studium des Generalbasses und unter seiner unmittelbaren Anleitung versuchte sich S. in kleineren Compositionen. Das Gymnasium und die philosophischen Studien hatte er bereits vollendet und es galt nun, ein Brotstudium zu ergreifen. S. schwankte in der Wahl zwischen Theologie und Jurisprudenz. Er sang damals als Bassist im Schottenstifte und bezog dafür ein geistliches (Jesuiten-) Stipendium jährlicher 100 Gulden. Da wurde er um diese Zeit mit dem damaligen Eigenthümer und Director des Leopoldstädter Theaters, Karl von Marinelli [Bd. XVI, S. 445][WS 1], bekannt, der bald in dem jungen Manne, dessen Heiterkeit und glückliche Auffassungsgabe ein nicht gewöhnliches darstellendes Talent errathen ließen, großes Geschick zum Schauspieler erkannte, und es bedürfte gar nicht starker Ueberredung, ihn für die Bühne zu gewinnen. So wurde er 1801, damals 22 Jahre alt, für komische Parthien in der Oper engagirt, indem er einen Antrag als Bassist für das fürstlich Eßterházy’sche Theater in Eisenstadt abgelehnt hatte. Am 11. December 1801 betrat S. als Johann Schneck in den „Schwestern von Prag“ zum ersten Male die Bühne, der er bis wenige Wochen vor seinem Ableben treu geblieben war. Im Anbeginne mit kleinen Rollen beschäftigt, wußte er doch dieselben so eigenthümlich zu gestalten und in jede derselben so viel Pikantes zu legen, daß sich ihm bald die allgemeine Aufmerksamkeit [241] zuwendete. In der Rolle als Hierophant in der im Jahre 1803 gegebenen Travestie: „Die neue Alceste“ erkannte man aber seine volle Begabung; als der Beifall über seine Leistung im Hause noch immer nicht enden wollte, trat Anton Baumann [Bd. I, S. 190], selbst einer der besten Komiker seiner Zeit, mit dem Gerufenen vor die Rampe und rief: „Das ist einmal ein Schuster, der nicht nach dem gewöhnlichen Leisten arbeitet“. Es war keine Kleinigkeit, sich an einer Bühne zum Lieblinge des Publicums emporzuarbeiten, an welcher zu gleicher Zeit Kräfte, wie Laroche, Hasenhut, Baumann, Sartory, Ziegelhauser im komischen Fache glänzten. Längere Zeit spielte nun S. die Hauptrollen in den Perinet’schen [Bd. XXII, S. 20] Parodien und in den alten Kriegsteiner’schen [Bd. XIII, S. 218] Localpossen, bis zwei neue Volksdichter, Adolph Bäuerle [Bd. I, S. 118] und Karl Meisl [Bd. XVII, S. 284], auftraten und, Schuster’s eigentliche Stärke erkennend, ihre Stücke im nächsten Hinblicke auf ihn schrieben. Insbesondere eine Charge war es, in welcher Schuster außergewöhnliches Glück hatte, nämlich die Rolle des „Staberl“ in Bäuerle’s Stück: „Die Bürger in Wien“, welches im Jahre 1813 zum ersten Male aufgeführt wurde und den Reigen der sogenannten „Staberliaden“ eröffnete, welche geraume Zeit hindurch das Zwerchfell der Wiener erschütterten und noch einer anderen komischen Kraft, dem Director Carl, Gelegenheit boten, das Publicum zu ergötzen, wenngleich sich die Leistungen Beider in der Rolle des „Staberl“ zu einander verhalten wie Caricatur (Carl) und Natur (Schuster). Welchen Erfolg diese Posse in Wien und vornehmlich durch Schuster’s Meisterleistung hatte, erhellet schon aus dem Umstande, daß dieselbe während des Congresses an hundertmal und stets bei überfülltem Hause gegeben wurde. Ignaz Schuster als „Staberl“ war eine Type geworden, welche alle dramatischen Halb-, Drittels- und Viertelstalente auf den Provinzbühnen nachahmten, denn jeder Komiker, wollte er sich halten und beliebt machen, mußte à la Schuster und à la Staberl agiren. Als Schuster zu Anbeginn des Jahres 1818 schwer erkrankte und Alles fürchtete, ihn zu verlieren, da zeigte sich die Theilnahme des Wiener Publicums für den beliebten Komiker, und der Empfang, der ihm beim ersten Auftreten nach seiner Genesung, am 17. April, in der Rolle des Tancredi von Seite des Publicums wurde, glich förmlich einem Feste. Nach dem „Staberl“ sollte aber noch eine andere Rolle kommen, die Schuster’s Talent von einer anderen Seite, im geschulten Gesange, zeigte und im Erfolge nicht weniger glänzend ausfiel, als eben der „Staberl“. Bäuerle hatte nämlich in Rücksicht der tüchtigen musikalischen Ausbildung Schuster’s das Lustspiel: „Die falsche Primadonna“ geschrieben, dessen erste Aufführung am 24. December 1818 stattfand. Schuster’s Leistung in der Rolle des Schauspielers Lustig war einzig in ihrer Art. Im folgenden Jahre fand ein eigenes, auf Bühnen nicht seltenes, in seinem Ausgange aber vielleicht einzig dastehendes Ereigniß Statt. Am 16. April 1819 ging nämlich Meisl’s Quodlibet: „Die beiden Spadifankerln“, in welchem Ferdinand Raimund die Hauptrolle spielte, in die Scene. Als Raimund aber so erkrankte, daß an sein Auftreten in nächster Zeit nicht zu denken war, übertrug die Direction seine Rolle an Schuster. [242] Nun hatten sich längst die Theaterbesucher in zwei Parteien, in die „Raimundianer“ und „Schusterianer“, gespalten und an dem Abende, an welchem Schuster es gewagt, eine Raimund’sche Rolle zu spielen, die er jedoch nur auf ausdrücklichen Wunsch der Direction übernommen, machten sich die Anhänger Raimund’s gegen alle Gebühr laut und thaten Alles, um Schuster die Rolle zu verleiden und zu kränken. Als endlich doch Schuster’s Anhänger die Oberhand behielten und der Künstler nach beendeter Vorstellung, dem stürmischen Hervorrufe folgend, an der Hand der Madame Walla vortrat, sprach er folgende Worte – er erschien in der Rolle des Hausmeisters aus dem „Neusonntagskinde“: „Verehrungswürdigste! Man sieht, wie gut es ist, daß in einem so großen Hause, wie dieses, wo Jahr aus, Jahr ein so viele Inwohner sind, zwei Hausmeister angestellt wurden. Wird einer krank, gleich ist der andere bei der Hand. Gestern hat nun der junge aufgesperrt und Sie hatten – wie ich sehr gut weiß – alle Ursache, mit ihm zufrieden zu sein. Heute sperrte der alte auf und Sie entziehen auch ihm Ihre Gnade nicht. Ich danke Ihnen! Schenken Sie uns beiden stets Ihre Huld und Nachsicht und Sie sollen in diesem Hause noch oft gut bedient werden“. Da ist keine versteckte Falte von Künstlerneid, da ist nicht einmal ein Etwas von Nebenbuhlerschaft zu merken. Das ist echte Künstlerbescheidenheit, wie sie selten vorkommt. Der Applaus war ungeheuer, die Opposition verstummte. In diesem Jahre erlebte S. eine ganz seltene Auszeichnung. Nach einer Vorstellung der „Falschen Primadonna“, welcher der Kronprinz von Preußen und der Prinz von Oranien beigewohnt, wünschte der Letztere das Bildniß Schuster’s zu besitzen, und Schuster durfte ihm das von Schrötter gemalte und von Pfeiffer gestochene persönlich überreichen. Im Herbste 1820 wurde S. auf ah. Befehl nach Troppau berufen, um dort während des Congresses zu gastiren. Mit ihm wurde nur noch Krüger [Bd. XIII, S. 271] dieselbe Auszeichnung zu Theil. Nach seiner Rückkehr nach Wien sollte sich eine höchst interessante Episode seines Lebens abspielen. Einer Vorstellung der „Falschen Primadonna“, welche am 11. Jänner 1821 statthatte, wohnte Madame Catalani bei, welche eigentlich zu dieser Burleske den Anstoß gegeben und weßhalb das Stück auch hie und da unter dem Titel: „Die falsche Catalani“ gegeben wird. Die Sängerin selbst war über Schuster’s Leistung – nicht, wie damals einige Blätter äußerten, entrüstet, sondern – auf das Angenehmste überrascht, nahm den Scherz mit seiner vollen Wirkung auf, und als Schuster gewisse Variationen, welche Catalani sich gewöhnlich als besonderes Bravourstück einlegen ließ, ihr nachsang und der Beifall über seinen Gesang nicht enden wollte, klatschte die Catalani mit dem Publicum um die Wette, und der stürmisch herausgerufene Schuster richtete an das Publicum die Worte: „Ich danke Ihnen für den huldvollen Beifall, den Sie mir als einem simplen Planeten schenken, obgleich die Sonne in der Nähe ist“. Im September 1821 wurde S. Opern-Regisseur des Leopoldstädter Theaters. Am 15. April 1825 feierte er bei Gelegenheit seines Benefizes, zu welchem er Told’s „Jupiter in Wien“ gewählt, ein 25jähriges Jubiläum als Schauspieler derselben Bühne, deren Mitglied er seit seinem ersten Auftreten geblieben. Noch drei Jahre blieb S. an dieser [243] Bühne, 1828 aber verließ er dieselbe, jedoch nicht, um sich an eine andere zu binden, sondern nur um an verschiedenen Bühnen des Auslandes zu gastiren, immer wieder aber kehrte er zu dem Hause zurück, wo sein Ruhm die ersten Wurzeln gefaßt und er so oft Alles ergötzt hatte. Bald, nachdem S. seinen Ruf als Komiker begründet hatte, fehlte es auch nicht an Einladungen zu Gastspielen, so spielte er 1816 in Baden, wohin er sich beinahe jeden Sommer begeben mußte, weil Kaiser Franz, der diesen Curort sehr liebte und immer einige Wochen des Sommers daselbst zuzubringen pflegte, an Schuster’s naturwüchsiger Komik besonderes Gefallen fand und wünschte, daß er daselbst auftrete. Der Kaiser ließ einmal den Künstler nach Laxenburg kommen, es war gerade zur Congreßzeit und die Kaiser, Könige und Fürsten befanden sich als Gäste auf dem Lustschlosse. Ueber diese mit den Laxenburger Schulbuben von Schuster improvisirte Farce berichtet der alte Bäuerle in seinen „Memoiren“ in ergötzlichster Weise und wird der köstliche Schwank in den „Coulissengeschichten“ verballhornt wiedererzählt. So hatte sich denn S. bei sämmtlichen Fürsten des Congresses beliebt zu machen verstanden und wurde reichlich mit den kostbarsten Geschenken, als Uhren, Dosen, Busennadeln, Ringen u. dgl. m. von den erlauchten Potentaten beschenkt. Andere Gastspiele gab er zu Preßburg, im Jahre 1817 nicht weniger als dreimal, zu Brünn 1818 und 1820, zu Prag 1819 und 1820, zu Pesth 1824, des Troppauer Gastspieles wurde bereits gedacht, ebenso wurde er während der Congresse zu Laibach und Aachen dahin berufen. Nachdem er sich von der Bühne frei gemacht, gastirte er auch längere Zeit in Berlin. Sein letztes Gastspiel gab er auf der Bühne, auf welcher er seinen Künstlerruf begründet und die er am 14. October 1835 als Wolferl in der „Sylphide“ zum letzten Male betreten hatte. Drei Wochen später nahm er, einem Nervenschlage erliegend, bleibenden Abschied von der großen Bühne – genannt die Welt. Groß ist die Zahl der Rollen, welche S. gespielt und in denen er eine nicht geringe Anzahl künstlerisch geschaffen, so daß sie ihm überall – freilich in matten Abklatschen des unerreichbaren Originals – nachgespielt wurden. So seien denn nur von den bedeutendsten, außer den schon genannten des Staberl und Lustig, erwähnt: Purgantius in „Rochus Pumpernickel“, Jupiter in „Jupiter in Wien“, über welche Rolle Ludwig Tieck, als er im Sommer 1825 in Wien Schuster dieselbe spielen sah, in seinen „Dramaturgischen Blättern“ den Ausspruch that: „Man thut nicht zu viel, wenn man Ignaz Schuster einen großen Schauspieler nennt, diese Ruhe und Gemessenheit ist zu bewundern“; Nachtwächter Gottfried im „Kirchtag zu Petersdorf“, der Souffleur in Meisl’s „Benefizvorstellung“, Fabian in „Fee Sanftmuth, Fee Gallsucht“, Knokerl in „Fiaker als Marquis“, der Regimentstambour in „Julerl, die Putzmacherin“, Strumpfwirker Würfel in „Der Leopoldstag“, eine Rolle, welche ihm Keiner nachspielte; Herr von Springerl in „Fleischhauer aus Oedenburg“, Herr von Hirschkopf in „Hans in Wien“, Tancredi im travestirten „Tancred“, wo er die damals so beliebte Madame Borgondio in Gang, Haltung, Ton und Geberde mit einer Meisterschaft ohne Gleichen copirte; Schieberl in „Die Heirath durch die Güterlotterie“, der Bediente Wiesel [244] in „Die Reise nach Paris“, Mehlspeismacher Zweckerl in „Freund in der Noth“, Capellmeister Notenfresser in „Die Generalprobe“, zwei Rollen in Hogarth’scher Auffassung; Schulmeister Fledermaus in „Dr. Faust’s Mantel“.Diogenes in „Diogenes und Alexander“, der Hausmeister in „Othello, der Mohr in Wien“, Losenius in „Der Hofmeister in tausend Aengsten“ und Kramperl in „Gisperl und Fisperl“, wo er im Lachduett gleichfalls unerreichbar war. Eine Charakteristik der Komik Schuster’s ist ungemein schwer und den heutigen Theaterbesuchern, denen der Sinn für Natur in der Darstellung bei der jetzigen Spielweise abhanden gekommen, kaum verständlich. Schuster schuf nie auf Kosten der Wahrheit Zerrbilder, um das Zwerchfell der ungebildeten Massen zu erschüttern, nie zog er die Caricatur der Harlekinsjacke an, sondern sein Spiel war fein durchdacht, reich nuancirt, seine Mimik plastisch, seine Bewegungen der Natur abgelauscht, seine Charaktere wie aus einem Guße; in seinen komischen Gestalten war er nie Bajazzo, sondern immer nur Menschendarsteller; nur im Costume glaubte er den Massen zu Liebe manchesmal bei der Caricatur ein Anleihen, aber immer ein sehr bescheidenes, nehmen zu sollen, so daß man wohl dann und wann eine groteske Figur, nie aber ein Fratzenbild zu sehen bekam. Dabei nahm er nie zu den Unarten gewisser Spaßmacher, wie zu zweideutigem Extemporiren, dem Spiele mit dem Publicum, namentlich mit jenem im Olymp durch Hinaufschielen oder Augenzwinkern und Kokettiren mit Parterre und Logen, und wie dergleichen desperate Anstrengungen der Localkomik vorkommen, seine Zuflucht. Im Vortrage seiner Couplets kam ihm freilich seine Gesangskunst – über ihn als Musicus mehr weiter unten – trefflich zu Statten; da er ein geschulter Sänger war und in der Musik nicht gewöhnliche Kenntnisse besaß, so verstand er es denn auch, durch seine Kunst zu wirken, wo Andere mit Quodlibets, Gassenhauern und dergleichen flunkern, und indem sie den Pöbel amusiren, den guten Geschmack verderben. Was seiner Zeit Iffland in Berlin, Thering in Dresden, Brunet in Paris, Devrient in Breslau und Weidmann in Wien waren, war S. in seinem Gebiete in Wien, ein wirklich classischer Künstler, der mit Natur und Wahrheit im Bunde und im Besitze tiefer psychologisch-anthropologischer Kenntnisse seine heiteren Gestalten[WS 2] dem Leben entnahm und nach dem Leben schuf, und es ist gewiß am besten bezeichnend, wenn ihn seine Zeitgenossen einen Vater der Volkskomik nannten. Auch ist es besonders bemerkenswerth, daß in seinen Vorstellungen sich nicht wie heutzutage meist nur der Haufe und jener Theil des Theaterpublicums einfand, der nie genug hat an der prickelnden Zugabe von Zweideutigkeiten, sondern Schuster’s Darstellungen waren seiner Zeit mit besonderer Vorliebe von der besten Gesellschaft und den höheren und höchsten Ständen besucht, man brauchte nie mit einer gewissen Verschämtheit in geselligen Kreisen von seinen Darstellungen zu sprechen, denn niemals hat er auch nur in einer Rolle durch das Spiel den Anstand verletzt. Was ihn von seinen Vorgängern und seinen Nachfolgern im Fache der Komik am kenntlichsten unterscheidet: er war ein anständiger Komiker, der aber doch so zu amusiren verstand, daß man aus dem Lachen nicht mehr herauskam. S. ist aber noch von einer Seite, nämlich von [245] jener des Musicus, in’s Auge zu fassen, worauf er sich selbst nicht wenig zugute that. So legte er selbst auf seine Eigenschaft als k. k. Hofcapellensänger, welche Stelle er seit 1806 versah, nicht geringes Gewicht und stellte sie jener des Schauspielers immer voran; auch wirkte er seit 1807 als Bassist an der Metropolitankirche zu St. Stephan, dann war er seit 1824 Mitglied der musikalischen Witwen- und Waisen-Gesellschaft, Akademie-Inspector, Assessor und Rechnungsrevisor derselben. Als Hofcapellensänger hatte er auch nächsten Anspruch auf eine Hofbedienstung, um die er sich Jahre lange vergeblich bewarb, er suchte nämlich die Stelle eines Hof-Thürhüters zu erhalten; aber der Kaiser Franz, so wohl er dem Künstler wollte, mochte ihn nicht auf der Bühne entbehren, beschied wiederholte Bitten immer abschlägig, und erst unter seinem Nachfolger, dem Kaiser Ferdinand, sollte er die Gewährung seiner Bitte erleben, freilich auch nur erleben, denn, als er das Anstellungsdecret erhielt, befand sich eben der Priester bei dem Sterbenden, der ihm die letzte Oelung gereicht hatte. Das Schreiben des Obersthofmeisteramtes an sein Herz pressend, war er verschieden. Als Musicus entwickelte S. eine immerhin beachtenswerthe Thätigkeit. Daß er gründlichen musikalischen Unterricht unter Leitung eines Eybler genossen, wurde in der Lebensskizze schon erwähnt. Ziemlich frühzeitig versuchte sich S. in der Composition und sein erster Versuch in dieser Richtung datirt aus dem Jahre 1804, in welchem er die Musik zu dem Stücke: „Baron Barfuß“ schrieb. Nun folgten die Compositionen zu nachstehenden Stücken, 1805: „Der Alte am Kahlenberge“; – 1806: „Es ist Friede, oder die Zurückkunft des Fürsten“; – „Othello, der Mohr in Wien“; – „Werther’s Leiden“; – 1807: „Der travestirte Hamlet“; – 1808: „Romeo und Julie“. Parodie; – 1810: „Der Palast der Wahrheit“; – 1811: „Der Zauberspiegel“; – „Der Winkelschreiber“; – 1812: „Cora, die Sonnenjungfrau“; – „Der travestirte Baum der Diana“; – 1813: „Johannes im Parisergasserl“; – „Der travestirte Fridolin“; – 1814: „Die verkehrte Welt“; – 1817: „Die Schwabenwanderung“; – 1818: „Die falsche Primadonna“; – 1821: „Die drei Abenteurer“; – 1823: „Die Stimmen dem Natur“; – 1825: „Jupiter in Wien“, dessen Libretto auch von Schuster bearbeitet und welches bei Diabelli in Wien im Stiche erschienen ist; – „Die Affenkomödie“; – „Der Mädchenraub. Quodlibet“; – „Nina, Nanni, Nannerl und Nanette“; – „Der blonde Ritter“; – „Die natürliche Zauberei“, die letzten fünf sämmtlich bei Haslinger in Wien im Stiche erschienen. Beliebte Nummern, besonders aus den letzten Compositionen, findet man in der bei Steiner u. Comp. erschienenen Sammlung komischer Gesänge. Noch sind im Drucke erschienen: „Drei Lieder für eine Singstimme“. In seinem Nachlasse fand man mehrere drei- und vierstimmige Gesänge, komische Canons u. dgl. m.; von kirchlichen Compositionen eine 1817 componirte große Messe, welche noch im nämlichen Jahre am Pfingstfeste in der Schottenkirche, im Jahre 1818 bei dem St. Johann von Nepomukfeste an der Donau beim Schanzl in Wien, und dann noch zweimal in Prag mit besonderem Aufwande aufgeführt wurde. Schuster’s äußere Erscheinung war nichts weniger als vortheilhaft – für Liebhaberrollen wäre er nicht am Platze gewesen [246] – aber übertrieben ist es, wie er von Einzelnen geschildert wird, die ihn zum zweiten Aesop machen. Was ihm aber in der körperlichen Form versagt war, ward im Ausdrucke der Miene reichlich ersetzt. Die durchwegs edlen Gesichtszüge, das sprechende, feurige Auge, die ganze Bildung des Kopfes, Alles zusammen fesselte und in der weiblichen Verkleidung als falsche Catalani vergaß man die Incorrectheit, welche ihm die Natur äußerlich anoctroyirt hatte. Sein Tod wurde allgemein betrauert. Er war als Witwer gestorben, denn seine Frau Rosine geborne Weiß, vormals Mitglied des Theaters an der Wien, war ihm schon viele Jahre früher (27. Juli 1817) im Tode vorausgegangen. Seiner Bestattung wohnten Tausende und Tausende bei. Die Inschrift auf seinem Grabsteine lautet einfach, aber treffend: „Hier liegt Ignaz Schuster, der Komiker, der Tausende von Menschen durch mehr als dreißig Jahre erheiterte und nur einmal sie betrübt hat, als er starb, am 6. November 1835“. Wenn Herausgeber nicht irrt, ist diese Inschrift von Adolph Bäuerle verfaßt.

Allgemeine Familien-Zeitung. Chronik der Gegenwart (Stuttgart, Herm. Schönlein, Fol.) IV. Jahrg. (1872), Nr. 18, S. 352: „Die Wiener Volksbühne“, von Friedrich Axmann [das hier, S. 354, in der sonst trefflichen Skizze über Schuster Gesagte ist im Vergleiche zu den Schilderungen der anderen Bühnenkünstler doch etwas zu dürftig]. – Allgemeine Theater-Zeitung. Herausgegeben von Ad. Bäuerle (Wien, 4°.) Jahrg. 1823, Nr. 130, S. 518: „Schuster’s Charakteristik“, von M. G. Saphir; – dieselbe 1829, Nr. 73: „Ueber die Figur des Staberl“; – dieselbe 1835, Nr. 201, S. 804; Nr. 207, S. 826: „Schuster’s Abschied von der Bühne“; – Nr. 223, S. 889: „Ignaz Schuster ist nicht mehr“. – Allgemeines Theater-Lexikon u. s. w. Herausg. von R. Blum, K. Herloßsohn, H. Marggraff u. A. (Altenburg und Leipzig o. J., kl. 8°.) Neue Ausg., Bd. VI, S. 309, Nr. 2 [nach diesem geboren 1770]. – Coulissen-Geschichten aus der Künstlerwelt. Vom Verfasser der „Dunklen Geschichten aus Oesterreich“ und der „Hof- und Adelsgeschichten“ (Wien 1869, Waldheim, gr. 8°.) S. 81: „Der Parapluemacher Staberl“; S. 168: „Ignaz Schuster und seine „schlimmen Buben“ in Laxenburg“ [ein Plagiat aus Bäuerle’s „Memoiren“, vorher unwesentlich verändert abgedruckt in der Bäuerle’schen „Theater-Zeitung“ 1857, Probeblatt, S. 5: „Ignaz Schuster, ein Lieblingsschauspieler des Kaisers Franz“, und im Omnibus, Beilage zu den Brünner „Neuigkeiten“ 1857, Nr. 2 u. 3]. – Feierstunden. Herausg. von Ebersberg (Wien, 8°.) 1834, Nr. 139: „Der Volkskomiker Ignaz Schuster in Wien“, von A. Silas. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Frz. Köhler, Lex. 8°.) S. 766 [nach diesem geb. am 20. Juli 1770]. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien, 4°.) 1821, Nr. 111. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Zweite Abtheilg. Bd. VIII, S. 109, Nr. 6 [auch nach diesem geb. 1770]. – Monatschrift für Theater und Musik. Herausgeber: Joseph Klemm (recte Fürst Czartoryski) (Wien, 4°.) III. Jahrg. (1857), S. 403 [nach dieser geb. am 20. Juli 1779]. – Neue freie Presse (Wiener politische Blatt) 1867, Nr. 1022, im Feuilleton: „Briefe eines alten Wieners an eine Freundin“, von E. Bauernfeld. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Jul. Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorf (Dresden 1857, Rob. Schäfer, gr. 8°.) Bd. III, S. 538 [auch nach diesem geb. im Jahre 1770]. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. IV, S. 608 [nach dieser auch geb. 20. Juli 1770]. – Oesterreichischer Bürgerkalender (Wien, 8°.) Jahrg. 1846, S. 216. – Oesterreichischer Zuschauer, herausg. von J. S. Ebersberg (Wien, gr. 8°.) 1835, Bd. I, S. 117: „Ignaz Schuster zum letzten Male auf der Leopoldstädter Bühne“; – derselbe 1837, Bd. III, 19. Juli [nach diesem geboren am 20. Juli 1770]. – Realis, Curiositäten- und Memorabilien-Lexikon von Wien. Herausg. von Ant. Köhler [247] (Wien 1846, Lex. 8°.) Bd. II, S. 324 [nach diesem auch geb. im Jahre 1770]. – Seyfried (Ferdinand Ritter v.), Rückschau in das Theaterleben Wiens seit den letzten fünfzig Jahren (Wien 1864, 8°.) S. 270: „Ein Jeder sei sich „Manns“ genug“. – Weschel, Die Leopoldstadt bei Wien (Wien 1824), S. 562. – Porträte. 1) Unterschrift: Ignaz Schuster | k. k. Hofkapellensänger | und Schauspieler der Leopoldstädter Bühne. Mahnke pix., J. Blaschke sc. (oval, 8°.); – 2) Ignaz Schuster als falsche Primadonna in Krähwinkel. Gemalt von B. v. Schrötter jun., C. Pfeiffer sc. (Hüftbild, Fol.), davon auch leicht colorirte Probeabdrücke vor aller Schrift; – 3) Unterschrift: Wenn ich anfang, bin ich wie ein Vieh! Ignaz Schuster als Staberl in „Die Bürger in Wien“. Lithogr. von L. K. und colorirt (4°., selten); – 4) Unterschrift: Herr Ignaz Schuster | als Zweckerl in dem Lustspiele „Der Freund in der Noth“. Kern del., Neumayr sculp. (4°., col.), bildet Nr. 33 der Costumebilder der Theater-Zeitung. – 5) Lithographie von Kriehuber (Wien, Spina, Fol.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. XVI, S. 446]
  2. Vorlage: Gastalten