Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Perko, August von
Band: 22 (1870), ab Seite: 20. (Quelle)
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Perinet, Joachim (Volksdichter und Schauspieler, geb. zu Wien 20. October 1765, gest. ebenda 4. Februar 1816). Der Sohn eines Kaufmanns in Wien, der, wie leider noch heute die Kinder vieler wohlhabender Wiener Bürgersleute, eine sehr oberflächliche oder besser gar keine Erziehung erhalten hatte. So wuchs Joachim, meist sich selbst überlassen, roh und unwissend auf. Die ihm von der Natur verliehenen reichen Gaben schlagfertigen Witzes, scharfer Beobachtungsgabe und des den Wienern eigenen lebensfrischen Humors, bildete er in Kneipen und Schenken in Gesellschaft ihm gleichgesinnter Kameraden immer mehr und mehr aus, dann spielte er auf den zu jener Zeit so zahlreichen und mit besonderer Vorliebe gepflegten Haus- und Liebhabertheatern, schrieb Verse und kleinere prosaische und komische Aufsätze zum Vortrage und übernahm im Jahre 1784, damals 19 Jahre alt, in Gemeinschaft mit Ahlen und Gewey das damals bestehende Theater am Neustift „zum Fasan“, wo sie mit mehreren Dilettanten „unentgeltliche“ Vorstellungen gaben. Bisher war dieß für P. die eigentliche dramaturgische Vorschule. Je mehr er in Uebung kam, einen desto größeren Eifer für diese Beschäftigung entwickelte er, spielte da und dort, schien sich, so zu sagen, zu vervielfältigen, zuletzt aber [21] schloß er sich der Dilettanten-Gesellschaft an, welche zu jener Zeit im k. k. Taubstummen-Institut bestand. So wurde er immer mehr und mehr bekannt, kam bald in das privilegirte Theater in der Leopoldstadt, darauf in jenes im Freihause auf der Wieden, wo er überall Beifall fand und das Repertoir mit seinen Original-Schnurren oder Bearbeitungen französischer Stücke bereicherte. In diese Zeit fallen zwei bemerkenswerthe Episoden: seine Heirath mit Anna gebornen Gansch [siehe über dieselbe den Schluß der Biographie] und der Tod seines Vaters. Dieser hinterließ ihm und seiner Schwester ein kleines Haus in der Stadt. Perinet machte sofort Anstalten, es zu veräußern und konnte es kaum erwarten, seinen Antheil, der in sechstausend Gulden in Gold bestand, in Händen zu haben. Der erste Tag des Besitzes – Herausgeber dieses Lexikons schöpft aus Aufzeichnungen von Perinet’s erster Frau – war auch der Anfang der zügellosesten Verschwendung. Täglich des Morgens steckte er ein Sümmchen Ducaten, das für den Tag ausreichen mochte, in die Tasche und kehrte nicht eher heim, bis die Summe vergeudet war. Es war ein so unbezähmbarer Drang, das Gold los zu werden, in ihm, daß er, wenn Magen und Gurgel ihren Dienst bereits versagten, noch spät des Abends große Düten mit Zuckerwerk kaufte und es unter die Gassenjungen vertheilte. Er schaffte sich eine schöne Garderobe, eine Bibliothek ohne Wahl, aber keine Wäsche an. Nach ungefähr sechs Wochen war sein Gold bis auf den letzten Pfennig hin, die Bücher wurden nun verschleudert, die Kleider verkauft und in der siebenten Woche ersuchte er schon einen Freund schriftlich um ein – Hemd. Er war zu blöde, um je ein mündliches Ansuchen zu stellen. Er konnte Stunden im sorglosesten Muthwillen mit einem Freunde zubringen, und kaum hatte ihn dieser verlassen, so schrieb er ihm auch schon einen kläglichen Bettelbrief, sehr oft in Versen. Solche Briefe hielt er für unwiderstehlich und in der That machten sie auch größtentheils die beabsichtigte Wirkung. Im J. 1789 kehrte er zur Leopoldstädter Bühne als Schauspieler und Theaterdichter zurück und blieb an derselben bis zum Jahre 1798, in welchem er Engagement bei Schikaneder’s Truppe nahm. Als Hensler nach Marinelli’s Tode im Jahre 1803 das Leopoldstädter Theater pachtete, berief er Perinet zu sich, der nun an dieser Bühne bis zu seinem im Jahre 1816 im Alter von 51 Jahren erfolgten Tode wirkte, einen sechsmonatlichen Zeitraum im Jahre 1807 ausgenommen, in welcher Zeit er zu Brünn spielte, wo Schikaneder die Direction des dortigen Theaters übernommen hatte. P.’s Thätigkeit als Schauspieler war kaum von irgend einer Bedeutung; er war wohl in manchen komischen Rollen beliebt, wie z. B. in jener des Tiroler Wastel, aber im Ganzen war er eintönig, ohne Gestaltungskraft und wie im Leben, so auch auf der Bühne gemein. Castelli nennt ihn geradezu „erbärmlich“. Glücklicher war er in seinen dramatischen Arbeiten, in welchen er den damals eben nicht sehr geläuterten Geschmack des Janhagel zu treffen verstand und manche Arbeit lieferte, die durch die Composition eines Wenzel Müller die Runde durch die Welt machte. Seine im Drucke erschienenen Stücke sind in chronologischer Folge: „Der Eremit auf Formentara. Schauspiel in 3 Aufz.“ Wien 1790, Gerold, 8°.); – „Der Page. Lustspiel in 3 Aufz.“ (ebd. 1792); – „Die zwei Savoyarden. [22] Schauspiel in 1 Act“ (ebd. 1795, Wallishausser); – „Die Schwestern von Prag, Singspiel in 2 Aufz.“ (ebd. 1795, 8°.); – „Das lustige Beilager. Singspiel in 2 Aufz.“ (ebd. 1797); – „Der Fagottist oder die Zauberzither. Singspiel in 4 Aufz.“, 2 Theile (Prag 1793); – „Victoria Ravelli, der weibliche Rinaldo. Schauspiel“ (Wien 1803); – „Das Neusonntagskind. Singspiel in 2 Aufz.“ (ebd. 1804); – „Telemach. Travestie in 3 Aufz.“, 1. Theil (ebd. 1805); – „Die neue Semiramis. Travestirte Oper in 2 Acten“ (ebd. 1806); – „Die neue Alceste. Eine Caricatur und Oper in Knittelversen“ (ebd. 1806);– „Hamlet. Caricatur mit Gesang in 3 Aufz.“ (ebd. 1807): – „Idas und Morpissa. Oper in 3 Aufz.“ (ebd. 1808); – „Pumphia und Kulikan. Caricaturoper in 2 Aufz.“ (ebd. 1808); – „Der Feldtrompeter, oder Wurst wider Wurst. Singspiel in 1 Aufz.“ (ebd. 1808); – „August und Gustavina. Schauspiel in 3 Aufz.“ (ebd. 1810); – „Der Geisterseher. Neu nach Schiller. Schauspiel in 5 Aufz.“ (ebd. 1810); – „Kora, die Sonnenjungfrau. Caricaturoper in 3 Aufz.“ (ebd. 1813); – „Megära, die fürchterliche Hexe. 1. Theil. Zauberoper in 3 Aufz.“ (ebd. 1816); – „Die Belagerung von Ypsilon, oder Evakathel und Schnudi. Caricatur in 2 Aufz.“ (ebd., 4. Aufl. 1818). Von diesen Singspielen waren einige, wie z. B. „Evakathel und Schnudi“, „Die Schwestern von Prag“, „Das lustige Beilager“, „Das Neusonntagskind“, Bearbeitungen von Stücken des Wiener Possendichters Philipp Hafner [Bd. VII, S. 188], letztere zwei unter dem Titel: „Der Hausregent“ und „Der Furchtsame“, bekannt. Von den übrigen waren „Alceste“, „Idas und Morpissa“. „Kora“ die beliebtesten. Aber nicht alle Stücke Perinet’s sind im Drucke erschienen, so unter anderen das seiner Zeit so beliebte: „Der Schusterfeierabend“; – „Braut und Bräutigam“; – „Rübezahl“; – „Orion. Oper in 3 Aufz.“; – „Liebe macht kurzen Prozess. Singspiel in 3 Aufz.“ – und „Dragon, der Hund des Aubri“, Perinet’s letzte Arbeit, über welche er noch wenige Stunden vor seinem Tode einem seiner Freunde einen drolligen Brief schrieb, deren Aufführung und Erfolg aber nicht mehr erlebte. Außer den obgenannten Bühnenspielen gab P. noch folgende Schriften im Drucke heraus: „Katechismus der Liebe“, 2 Stücke (Wien 1786); – „29 geheime Correspondenz- oder Liebesbriefe“ (ebd. 1787, Hochenleitner, 8°.); – *„Sinngedichte“ (Wien 1788, Wallishausser); – „Annehmlichkeiten von Wien“, 3 Hefte (Braunschweig [Wien] 1788, Wucherer); – „Der Taschengratulant, oder Alles in Allem“ (Wien 1800, Wallishausser, mit 1 K.); – „Theater-Almanach“ (ebd. 1800, Löschenkohl); – „Komische Lobsprüche in Blumauer’s Manier“, 13 Hefte (Hohenzollern [Wien] 1806, Wallishausser, 12°.); – „Der Tod des Herzogs Leopold von Braunschweig; eine Cantate“ (Wien, Wucherer, gr. 8°.); – *„Der Gesellschaftswagen; ein unterhaltendes Taschenbuch für 1815“ (ebd. 1814); – „Blumensträusschen“ (ebd. 1814, Rahm, 8°.); – *„Der Spielkarten-Almanach für das schöne Geschlecht, mit Erklärungen“ (ebd. 1815, mit K. K.), mehrere der vorgenannten Schriften – sie sind mit einem Stern (*) bezeichnet – sind ohne Angabe seines Namens erschienen. Wie aus Vorstehendem ersichtlich, war Perinet’s schriftstellerische Thätigkeit genug mannigfaltig. Immerhin war doch sein eigentliches Gebiet jenes der Parodie, auf welchem er das Beste lieferte, obwohl er auch auf demselben durch eine wenig ästhetische Derbheit sich auszeichnete, die ebenso aus seinem ganzen, nicht fein angelegten Wesen entsprang, als sie [23] dem nicht sehr geläuterten Geschmacke seines Publicums zusagte. Zur Vollendung des Bildes dieses literarischen Vagabunden möge die Charakteristik Castelli’s dienen, wie er sie in seinen „Memoiren“ gibt, wobei er einer Schrift Perinet’s gedenkt, welche in den Bücherkatalogen vergebens zu suchen ist. In den Gasthausgesellschaften jener Tage waren Reim- und andere Spiele eine sehr beliebte Unterhaltung. Auch wurden ganze komische Prozesse in solchen Kreisen in Knittelversen geführt, welche sehr belustigend waren. „Einer, der hierin neben mir, so schreibt Castelli selbst, am meisten leistete, war der Schauspieler und Theaterdichter Joachim Perinet, derselbe, der die Hafner’schen Possen als Singspiele bearbeitete und mehrere Originalstücke schrieb. Er galt mit Recht damals für einen der witzigsten Köpfe, und sein satyrisches Werk auf das damalige Steuersystem, benannt: „Lilipulitanische Steuerfassionen“, machte außerordentliches Aufsehen, so daß ausländische Zeitungen davon sagten, es strotze so sehr von Witz, daß man versucht sei, zu glauben, es habe dieses Büchlein nicht Ein Mensch, sondern Mehrere geschrieben. Perinet war auch der schnellfingerigste Schriftsteller, den ich in meinem Leben kennen gelernt habe. Sein Leben war ein wahrer literarischer Telegraph und er schrieb Verse mit Dampf. Schade um den talentvollen Mann, daß er sich so ganz (ich bitte um Entschuldigung, aber ich weiß keinen bezeichnenderen Ausdruck), so ganz verlumpte. Er gerieth in Armuth. Seine literarischen Arbeiten mögen ihm freilich nicht viel eingetragen haben (einen drastischen Kommentar für die Wahrheit dieser Bemerkung Castelli’s gibt Bäuerle in seinem Roman: „Der Todtenkopf“, in welchem er ein Gespräch Perinet’s mit Schikaneder mittheilt und ausdrücklich bemerkt, daß die ganze Scene wahr ist) und als Schauspieler war er erbärmlich; aber so weit hätte es doch nicht kommen dürfen, wenn er hauszuhalten verstanden hätte. Man kann sagen, er war ein literarischer Bettler, und als er starb, dürften die Autographen seiner Hand leicht zu haben gewesen sein, denn es werden wenige Menschen in Wien gewesen sein, die nicht einen Brief von ihm in Versen mit der Bitte um ein paar Gulden gehabt haben“. In der That gelangen ihm manche seiner Verse gar nicht übel; in seinen Liedern verstand er es gut, den rechten Ton anzuschlagen; sie wurden zu seiner Zeit allgemein gesungen, und einige leben noch heute als mehr oder minder beliebte Texte im Volksmunde, so z. B.: „Was ist des Lebens höchste Lust? Die Liebe und der Wein“; dann aus der „Zauberzither“ das Lied: „Der Lenz belebet die Natur, die Schöpfung wird uns neu“; „Die Mädchen, die Lieb’ und der Wein, begeistern den Menschen allein“; aus den „Schwestern von Prag“: „Ich bin der Schneider Kakadu (Wetz, wetz, wetz)“; „Wenn blühende Dirnen in’s Auge mir sehen, so ist es geschwind um ihr Herzchen geschehen“; aus dem „Neusonntagskind“; „Wer niemals einen Rausch gehabt“, alle componirt von Wenzel Müller. In seinem häuslichen Leben war P. nichts weniger als musterhaft, seine erste Frau [siehe weiter unten] starb aus Gram und Elend über das Unglück ihrer Ehe. Seine zweite Frau, seit 1803, war Victoria Wammin, Schauspielerin des Leopoldstädter Theaters, welche ihn überlebte. – Seine erste Frau, Anna (geb. zu Wien im Jahre 1769) war die Tochter eines Bedienten, Namens Gansch, [24] der in Diensten des k. k. Ministers Grafen von Sinzendorf stand und zuletzt Portier wurde. Anna, mit vielen natürlichen Anlagen versehen, bildete sich selbst, und da sie bei den damals so zahlreichen Dilettanten-Theatern auch hie und da mitwirkte, lernte sie manches Dichterwerk kennen, das ihren Sinn für Poesie weckte und nährte. Eine unglückliche Liebe mit einem jungen Manne aus angesehener Familie, mit dem ihr jeder Verkehr unter Androhung, daß ihr Vater seinen Dienst verliere, verboten wurde, bewog sie, den Antrag Perinet’s, der sich um ihre Hand bewarb, anzunehmen. P., wie oben beschrieben, war ein Wüstling, der von einem häuslichen Leben nichts wissen wollte. Durch ihre Heirath wurde sie zugleich mit ihrem Manne Mitglied des Leopoldstädter Theaters, trat aber nur selten auf. Der Gram über ihr häusliches Elend verzehrte sie nach und nach, dazu gesellte sich noch Mangel, da Perinet seine sonst nicht eben geringen Einnahmen vergeudete, und so wurde sie immer elender, begab sich endlich, da sie zu Hause ohne Hilfe war, zu ihrer armen Mutter, bei welcher sie in kurzer Zeit, am 20. September 1798, im Alter von 29 Jahren verschied. In ihrem Nachlasse fand sich eine Sammlung von Gedichten, aus welchen ein ebenso tiefes Gefühl spricht, wie sich in Form und Ausdruck ein ästhetisch gebildeter Geist kundgibt. Die kleine Sammlung gelangte in die Hände eines Freundes der Verstorbenen, der einiges daraus – wo ist mir nicht bekannt – durch den Druck veröffentlicht haben soll.

Theater-Zeitung. Herausg. von Adolph Bäuerle (Wien, 4°.) IX. Jahrg. (1816), Nr. 11 u. 12. „Nekrolog“ von Ad. Bäuerle; – dieselbe 1855, Nr. 110, in Bäuerle’s Roman: „Die Dame mit dem Todtenkopfe“ [die darin erzählte Scene zwischen Perinet und Schikaneder, welche zur Illustration der damaligen dramaturgischen Zustände dient, erklärte Bäuerle dem Herausgeber dieses Lexikons gegenüber als buchstäblich wahr]. – Realis, Curiositäten- und Memorabilien-Lexikon von Wien u. s. w., Bd. II, S. 241. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 181. – Gödeke (Karl), Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen (Hannover 1859, L. Ehlermann, 8°.) Bd. II, S. 1072, Nr. 650. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1860, Nr. 90 [im Feuilleton: Castelli’s Memoiren]. – Castelli (I. F. Dr.), Memoiren meines Lebens. Gefundenes und Empfundenes, Erlebtes und Erstrebtes (Wien und Prag 1861, Kober u. Markgraf, 8°.) Bd. I, S. 111 u. 112.