Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Hafner, Sigmund
Band: 7 (1861), ab Seite: 188. (Quelle)
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Hafner, Philipp (der erste Wiener Possendichter, geb. in Wien 1731, gest. ebenda 1764). Sohn eines in der Reichskanzlei angestellten Amtsdieners, die man damals Rollisten nannte. H. besuchte die Jesuitenschulen, studirte die Rechte und wurde dann Assessor beim Wiener Stadtgerichte. Nebenbei hatte er sich eine gute Kenntniß der französischen Sprache angeeignet. Jedoch das Leben in der Amtsstube behagte seinem Geiste wenig. In seinem Stücke, „Die reisenden Komödianten“, sind in der Erzählung des Impresario seine eigenen Gefühle und Gesinnungen ausgesprochen. Die damals in Wien herrschende extemporirte Komödie, mit dem obligaten Hanswurst an der Spitze, hatte sich überlebt und Graf Durazzo, zu jener Zeit Pächter des Hoftheaters, obgleich Italiener, der nur wenig Deutsch verstand, fühlte doch [189] die Nothwendigkeit, daß etwas für die Hebung der Bühne geschehen müsse. Hafner, der den Drang zu schaffen in sich fühlte, fand an dem Grafen den rechten Mann. Durazzo hatte sich überdieß auch an Ausländer gewendet, um durch sie die Bühne mit neuen Arbeiten zu versehen. Sein Briefwechsel mit Favart [man vergleiche den ersten Band der „Mémoires et correspondance litteraire dramatiques et anecdotiques de L. S. Favart“ (Paris 1808)] verbreitet einiges Licht über den damaligen kläglichen Zustand der Wiener Bühne und des Grafen Bemühungen, sie zu heben. In der That fand H. von Seite des Grafen, wie von jener der damals beliebtesten Komiker, Prehauser und Weißkorn, Unterstützung in seinem Beginnen. Die Vorsicht Hafner’s, daß er gleich in seinem ersten Stücke nicht geradezu gegen die Anhänger der extemporirten Komödie auftrat, sondern vielmehr in demselben, wie noch in dem folgenden mehrere Stellen anbrachte, die er ganz dem Vortrage und der Improvisationsgabe des Schauspielers überließ, sicherte ihm den Erfolg; das von der Neuheit der Sache überraschte Publikum fand daran Gefallen und auf dem einmal betretenen Wege wurde rüstig fortgeschritten. Innerhalb einiger Jahre schrieb Hafner mehrere Possen, und schon in der dritten, wie in den folgenden, fehlten jene Stellen, die dem Schauspieler zur Improvisation überlassen waren. Hafner’s Stücke und andere literarische Arbeiten sind in chronologischer Folge ihres Druckes: „Der alte Oduardo und der lächerliche Hanswurst“, eine extemporirte Komödie, im Jahre 1755 anonym an Weißkorn, den Director der deutschen Schauspiele im Kärntnerthor-Theater, eingesendet; diese köstliche Reliquie wurde in den Sonntagsblättern 1842 wieder mitgetheilt; – „Mägera, die fürchterliche Hexe, oder das bezauberte Schloss des Herrn von Einhorn“ (Wien 1764, 8°.); – „Die in dauerhafte Freundschaft sich verwandelnde Rache“(ebenda 1765), Fortsetzung des vorigen Stückes, beide Stücke absurd, wie alle Stücke dieser Gattung, aber es waren die zwei ersten Arbeiten, mit denen H. öffentlich als Gegenstücken zur bisherigen extemporirten Komödie auftrat, worin aber noch für die improvisirten Intermezzo's vorgesehen war; – „Etwas zum Lachen im Fasching oder Burlius’ und Hanswurst’s seltsame Carnevalszufälle“ (ebd. 1771), später von Perinet, der die meisten Possen Hafner’s zu Singspielen umarbeitete, unter dem Titel: „Lustig lebendig“, neu aufgeführt; – „Die bürgerliche Dame oder die Ausschweifung eines zügellosen Eheweibes mit Hanswurst und Kolombina“ (ebd. 1771); Stephanie, der ältere, weigerte sich, in diesem Stücke den Baron Bagatelli zu spielen, Graf Durazzo aber bestand darauf, daß er spiele, und das Stück wurde eilf Abende nacheinander aufgeführt; – „Der Furchtsame“, Lustspiel in 3 Aufzügen (ebd. 1774), unter Perinet’s Bearbeitung: „Das neue Sonntagskind“, allgemein bekannt; – „Die reisenden Komödianten oder der gescheite und dämische[1] Impressaro“, Lustspiel (ebd. 1774), strotzend von Witz und Humor, von Perinet unter dem Titel: „Die Schwestern von Prag“, bearbeitet; – „Dramatische Unterhaltungen unter guten Freunden“ (ebd. 1774), ein Stück in Einem Acte, welches ein anderes Lustspiel (gleichfalls von Perinet neu unter dem Titel: „Das lustige Beilager“ bearbeitet) in sich faßt, und voll Humor und Witz ist; der [190] Gedanke, das Lustspiel mit dem Todfall der Braut und doch lustig zu schließen, ist originell durchgeführt. Joseph Sonnleithner gab Hafner’s „Gesammelte Lustspiele“ (Wien 1812, 8°.) in 3 Bdn. heraus, aber schon 1782 erschien eine „Sammlung aller seiner Lustspiele“; die Ausgabe Sonnleithner’s enthält außer den obgenannten Stücken noch Folgendes: „Pudelnärrische Hanswurstenträume“, später auch besonders gedruckt unter dem Titel: Songes hanswurstiques“ (Wien 1790, Heubner, 8°.). H. hatte dieselben für seinen Freund, den berühmten Hanswurst Prehauser geschrieben, der sie auch als Epiloge vorzutragen pflegte; ferner „Evakathel und Schundi“, welche Posse H. für das Liebhabertheater[WS 1] eines Herrn Bellesini in Schwechat geschrieben hatte; er selbst wollte sie nie öffentlich aufführen lassen, und drohte seinen Freunden, in seiner possirlichen Manier, daß er sich im Grabe umwenden würde, wenn sie je auf die Bühne gebracht würde; erst nach seinem Tode verlangte Weißkorn, daß sie gegeben wurde, und Perinet bearbeitete sie als „Lustiges Trauerspiel“. Noch erschien von Hafner: „Scherz und Ernst in Liedern“, 2 Theile (Wien 1770, 8°.), sie enthalten mehrere der Lieder, welche in den Stücken vorkommen. Wie beliebt Hafner als Lustspieldichter, so war er es in gleicher Weise, als Gesellschafter. Sein Gespräch, sein Thun war eine ununterbrochene Folge von drolligen Einfällen und Schnurren: Die extemporirten Komödien, die er mit einem einzigen Freunde in sehr vertrauten Cirkeln darzustellen pflegte, waren der Inbegriff grotesken Humors. Einige Stühle bildeten die Coulissen; ein Paar Lichter schieden die Zuhörer von der Bühne. Hafner und sein Freund stellten alle Personen der Komödie vor. Das Drolligste war immer, wenn die Anstalten zum Umkleiden, die immer Angesichts der Zuschauer getroffen wurde, stattfanden. Hafner war dem Trunke stark ergeben, dieß, verbunden mit Nachtwachen, wie sie sein Beruf mit sich brachte, zog ihm die Schwindsucht zu, der er auch im Alter von 33 Jahren erlag. Sein Humor verließ ihn aber auch im Sterben nicht; an seinem Todestage rief er zu dem an sein Bett tretenden Arzte, Dr. Mathes, zu: „Heut’ is Matthä am Letzten“, und wenige Minuten darauf verschied er. Hafner zählt zu den originellsten Köpfen, die je gelebt, Alles schöpfte er aus sich selbst, selbst die Form mehrerer seiner Stücke ist neu; hätte H. nur um 2 Decennien länger gelebt, bei seinem reichen Geiste, lebendiger Phantasie und sprudelnden Witze hätte er Ungewöhnliches geleistet. Einer seiner Biographen bemerkt über ihn: „Der mit Recht bewunderte Plautus nahm den Stoff seiner Lustspiele aus griechischen Dichtern, Molière selbst, obschon er Hafner an Cultur weit übertrifft, steht ihm an Originalität nach, und wenn es denn verglichen sein müßte, so könnte man Hafner nur dem originellen Holberg an die Seite setzen, der so wie er Alles aus sich selbst schöpfte; wie er unmittelbar für die vaterländische Bühne schrieb; wie er sich selbst von der üblichen Form losmachte; wie er den ganzen freien Weg des Geistes ging. Ein Vorzug, den Hafner vor Jenem behauptet, ist die strengere Beobachtung der Sittlichkeit, unflätige Stellen wird man hier und dort finden, aber keine Zote. Er schrieb größtentheils in der österreichischen Mundart, aber selbst gegen diese kommen hier und dort Fehler vor“. Erwähnen müssen wir noch eines Unrechts, daß der so tüchtige und mit Recht anerkannte [191] Literarhistoriker Karl Goedeke in seinem „Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen“ (Hannover 1859, Ehlemann) gegen Hafner dadurch begeht, daß er seiner nicht mit einer Silbe gedenkt. S. 1060–1075, Nummer 631–681 werden alle Oesterreicher, die in jener Zeit und später für das Theater geschrieben, genannt, nur Hafner nicht, der weit über allen steht, und von mehreren benützt, ja geplündert wurde.

Wiener Theater-Zeitung, herausg. von Adolph Bäuerle (Wien, 4°.) I. Jahrg. (1806), Nr. 7, S. 100: „Skizze“. – Frankl (L. A.), Sonntagsblätter (Wien, gr. 8°.) I. Jahrg. (1842), S. 798: „Das extemporirte Theater in Wien“ [S. 803 Hafner’s Biographie). – Meusel (Joh. Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1805, Fleischer), Bd. V, S. 37. – Oesterr. National-Encyklopädie, herausg. von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 472. - Eos. Zeitschrift aus Bayern (München, 4°.) 1826, Nr. 21, S. 80: „Philipp Hafner“.

  1. und nicht, wie es in Kaiser’s Bücher-Lexikon, Abtheilung Schauspiele heißt: „der gescheidte und dänische Impresario“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Liebhaberthater.