BLKÖ:Weiskern, Friedrich Wilhelm

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Weishäupl, Hugo
Band: 54 (1886), ab Seite: 79. (Quelle)
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Weiskern, Friedrich Wilhelm (Schauspieler und Topograph, geb. in Sachsen im Jahre 1710, gest. zu Wien 29. December 1768). Der Sohn eines sächsischen Rittmeisters, trat er 1734 zum ersten Male auf dem deutschen Theater in Wien anfänglich in untergeordneten Rollen, auf. Wie und wo er die ersten 24 Jahre seines Lebens zugebracht, ist nicht bekannt. Von Natur mit einem vorzüglichen Darstellungstalente begabt, verwendete er auf seine künstlerische und sonstige Ausbildung eisernen Fleiß, und schon nach zwei Jahren spielte er die ersten Liebhaber, obgleich sie nicht eben sein eigentliches Fach waren, mit großem Beifall. Im Jahre 1741 wurde das auf dem Michaelerplatze gelegene Hofballhaus nach einem Plane Weiskern’s in ein neues Theater umgewandelt, worin die deutschen Schauspieler aus dem Kärntnerthortheater abwechselnd Vorstellungen gaben. Allmälig erweiterte sich sein Repertoire und umfaßte die bedeutendsten Rollen, so daß er bald als einer der ersten Schauspieler seiner Zeit galt. Vom ersten Liebhaber ging er zu den komischen Väterrollen über, und als 1745 Huber die jungen Helden spielte, wirkte Weiskern im älteren ernsten Fache und schuf sich mit der Rolle des Odoardo, den er mit einer Meisterschaft und Vielseitigkeit ohne Gleichen spielte, einen eigenen Charakter. So lange die extemporirten oder sogenannten Stegreifkomödien an der Tagesordnung waren, leistete er mit seiner unerschöpflichen Erfindungsgabe die trefflichsten Dienste, erfand immer neue Stoffe, entwickelte immer originelle Ideen und ergötzte das Publicum wie den Hof in der angenehmsten Weise. Sowohl bei der großen Maria Theresia als bei ihrem Sohne stand er in seltener Gunst, die Erstere unterließ keine Gelegenheit, welche sich ihr darbot, um ihrem Lieblinge, der Weiskern ebenso als Schauspieler, wie als Mensch durch sein musterhaftes Leben war, ihre Zufriedenheit mit ihm auszusprechen, und auch Joseph wendete dem Künstler sein ganzes Wohlwollen zu, weil derselbe alle seine Rollen mit höchstem Anstande gab und in seinen Extempores ein immer ungemein komisch wirkendes, aber dabei harmloses und zotenfreies Element vorwaltete. Als Beispiel seiner naiven, aber immer höchst wirksamen Extempores möge das folgende gelten. Er spielte in einem Stücke die Rolle des Herrn und der berühmte Komiker Kurz-Bernardon [Bd. I, S. 324 und Bd. XIII, S. 423[WS 1]] die des Dieners. In einer Scene sitzt Weiskern, der Herr, am Arbeitstische, schreibt einen Brief und läutet, nachdem er ihn beendet und gesiegelt, seinem Bedienten, welcher denselben aufs schnellste an die Adresse befördern soll. Bernardon sitzt in der Coulisse und ruft Weiskern leise zu: „O läute du nur so fort, hast du mich das letzte Mal stecken lassen, so sollst du’s jetzt büßen.“ Weiskern geräth nun in immer größeren Eifer und extemporirt nothgedrungen in der langen unfreiwilligen Pause die komischesten Tiraden und Strafpredigten gegen das „jetzige Dienstbotengesindel“, das seine Schuldigkeit nie thue und die Herrschaft [80] trotz des öfteren Läutens, woran er es natürlich nicht fehlen ließ, auf sich warten lasse. Aber je schärfer er extemporirte, Kurz ließ sich noch immer nicht sehen. Endlich glaubte dieser Weiskern’s Geduld erschöpft oder doch der Erschöpfung nahe, stürzte aus der Coulisse ins Zimmer und stellte sich dienstfertig vor seinen Herrn. Weiskern fährt auf das heftigste auf ihn los: „Schlingel! wo hast du wieder gesteckt? Hast du nicht läuten gehört?“ – „Ich versichere Euer Gnaden hoch und theuer, ich habe das Läuten nicht gehört“, entgegnete Bernardon. „Weh’ dir“, ruft nun Weiskern im größten Zorn, „wenn du mich belogen hast, ich werde mich selbst überzeugen“, und nun stürzte er nach seinem Tische hin, läutete noch einmal auf das heftigste, setzte die Glocke wieder hin und eilte mit raschen Tritten ins Vorzimmer hinaus. Aber völlig beruhigt kommt er zurück, indem er lächelnd sagt: „Schau, du hast recht – ich hab’ selbst nichts gehört.“ Der Effect war gelungen, und das Publicum lachte aus vollem Halse. Aber auch als das regelmäßige Schauspiel emporkam, fügte sich Weiskern trefflich darein und erhielt großen Beifall. So spielte er in Ayrenhoff’s „Aurel“ die Rolle des Trajan mit der größten Würde. In Erfindung neuer Entwürfe für das extemporirte Theater war er unerschöpflich. Er schuf sie alle nach italienischen, französischen und spanischen Stücken; man gibt ihre Zahl verschieden an, bald 100, dann 150 und zuletzt gar 200; die mittlere Zahl mag wohl die richtige sein. Als das alte Stadttheater ein Raub der Flammen geworden, baute man neben dem Kärntnerthor ein neues Schauspielhaus, zu dessen Einweihung am 9. Juli 1763 Weiskern ein besonderes Vorspiel verfertigte. In den letzten Lebensjahren verwaltete er auch die Regie des Theaters. Aber neben seinem Berufe als Schauspieler und Dramatiker oblag er noch einer sehr ernsten wissenschaftlichen Arbeit, die, wenn sein Andenken als Bühnenkünstler längst verwischt sein wird, seinem Namen bleibende Erinnerung sichert. Freilich war es ihm nicht vergönnt, die Frucht seiner jahrelangen Mühen selbst noch zu genießen, denn ehe das Werk in Druck gelegt werden konnte, war sein Verfasser im Alter von erst 58 Jahren verschieden. Obgleich es bis vor wenigen Decennien als mustergiltig und einzig in seiner Art dastand und die verläßlichste Quelle für Alle war, die sich über die Topographie Niederösterreichs unterrichten wollten, so ist es doch bei dem heutigen Stande dieser Wissenschaft und der ihr zur Verfügung stehenden Quellen durch neue Meisterleistungen freilich weit überholt, nichtsdestoweniger aber noch immer im Hinblick auf die Zeit, in der es erschien, eine mit Sicherheit benutzbare Quelle und von geschichtlichem Werthe. Nach dem Tode Weiskern’s gab dessen Witwe Pauline, welche, um die Früchte der jahrelangen und mühevollen Arbeit ihres Gatten sich zu sichern, wiederholt von der Kaiserin Maria Theresia und von Kaiser Joseph Privilegien zum Schutze des Werkes gegen Nachdruck erbeten hatte, die „Topographie von Niederösterreich, in welcher alle Städte, Märkte, Dörfer, Klöster, Schlösser, Herrschaften, Landgüter, Edelsitze, Freyhöfe, namhafte Güter u. dgl. angezeiget werden, welche in diesem Erzherzogthume wirklich angetroffen werden oder sich ehmals darin befunden haben“ in 3 Theilen (Wien 1767–1770, gr. 8°.) heraus. Der dritte Theil führt auch den besonderen Titel: „Beschreibung der kaiserl. königlichen Haupt- und Residenzstadt Wien: als der 3. Theil [81] zur österreichischen Topographie“ (Wien 1770). Joh. Georg Meusel in seinem „Gelehrten Teutschland“ führt noch die folgende Schrift: „Sendschreiben Filipps von Sesen über Joh. Siegmund Valentin Popowitsch’ens teutsche Sprachkunst“ (Wien 1754, 8°.) unter Weiskern ’s durch den Druck veröffentlichten Arbeiten an.

Allgemeines Theater-Lexikon. Herausgegeben von K. Herloßsohn, H. Marggraff u. A. (Altenburg und Leipzig o. J. [1846], Expedition des Theater-Lexikons, kl. 8°.). Neue Ausgabe, Bd. VII, S. 201. – Austria. Wiener Universalkalender (Klang, gr. 8°.) 1848, S. 183. – Bermann. Alt und Neu (Wien 1881) S. 52. – Chronologie des deutschen Theaters (Leipzig 1774, 8°.) S. 76, 79, 119, 182, 223, 272. – Curiositäten und Memorabilien-Lexikon von Wien. Von Realis (Wien 1846, gr. 8°.) Bd. II, S. 406. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 9. Mai 1867, Nr. 126, I. Beilage: „Das „„Künstler-Kraetzl““ beim Kärntnerthor“. Eine alte Wiener Skizze von B.(ermann ?). – Galerie von teutschen Schauspielern und Schauspielerinen der älteren und neueren Zeit (Wien 1783, Joh. Nep. Edler von Epheu, 8°.) S. 256. – Gräffer (Franz). Neue Wiener Localfresken, geschichtlich u. s w. (Linz 1847, 8°.) S. 135: „Weiskern, der ruhmeswerthe Mime und Topograph“. – Derselbe. Josephinische Curiosa. Denkwürdigkeiten der Lebens- und Zeitgeschichte Kaiser Josephs II. (Wien 1830, Klang, 8°.) Bd. IV, S. 391: „Fassung der Bücherprivilegien“ [das von Kaiser Joseph II. der Witwe Pauline Weiskern verliehene Privilegium hinsichtlich der von ihm hinterlassenen Topographie Niederösterreichs). – Meusel (Johann Georg). Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1815, Gerh. Fleischer, 8°.) Bd. XIV, S. 475. – Monatschrift für Theater und Musik (Wien, 4°.). Herausgeber Joseph Klemm (recte Fürsten Czartoryski) IV. Jahrg. (1858) S. 77 im Aufsatz: „Zur Geschichte der k. Hoftheater in Wien“. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1832, 8°.) S. 57.
Porträt. J. Mansfeld sc. (8°.). – Auch befindet sich sein Bildniß in der Galerie berühmter Schauspieler, welche im Foyer der k. k. Hofloge im alten Hofburgtheater auf Kaiser Josephs Befehl aufgestellt worden ist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. XII, S. 423].