BLKÖ:Weidmann, Joseph
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 53 (1886), ab Seite: 267. (Quelle) | |||
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Paul in die Jesuitenschulen, welche damals für die besten galten und es wohl auch waren. Daselbst machte der Knabe gute Fortschritte und zeigte auch Anlage zur Darstellungsgabe, denn in den Schulkomödien, welche in den Jesuitenanstalten unter die Bildungsmittel gehörten, that er sich besonders als Declamator vor den Uebrigen hervor. Ebenso declamirte er die Reden, die er selbst verfaßte, mit ungewöhnlichem Feuer. Aber als sich die Familienverhältnisse nicht besserten und die Mittel für die Erziehung des Sohnes sich nicht erschwingen ließen, nahm ihn der Vater aus der Schule und wollte ihn zwingen, das zu werden, was er selbst war, Bedienter. Dagegen aber sträubte sich der Sohn auf das entschiedenste; er fühlte keine Bedientenseele in sich, und als er sah, daß der Vater nicht nachgeben wolle, und die Mutter, der er sein Leid klagte, ihm auch nicht helfen konnte, doch mit ihm fühlte, war sein Entschluß, das Elternhaus zu verlassen, bald gefaßt, und als sich keine andere Aussicht zur Rettung zeigte, auch ausgeführt. So verließ Weidmann 1757 als fünfzehnjähriger Jüngling, jedoch mit Wissen und Vorschub der Mutter, heimlich das väterliche Haus. Die bei den Schulübungen [268] geweckte und durch seine bedrängte Lage genährte Neigung führte ihn zunächst zum Theater. Er ging vorerst nach Brünn, lernte tanzen und ließ sich als Grotesktänzer vom Director Brunian engagiren. Drei Jahre trat er als solcher in dessen Gesellschaft in Balleten und Possen auf. Da bekam er mit seinem Principal Streit und ließ sich in der Hitze desselben so weit hinreißen, daß er dem Director eine Ohrfeige gab. Dieser brachte seine Beschwerde bei der Polizei vor, welche sofort Anstalt machte, den Jungen zu verhaften. Als Weidmann Gefahr witterte, sprang er zum Fenster des Saales, in welchem eben Probe gehalten wurde, hinaus, lief in seine Wohnung, raffte seine wenigen Sachen zusammen und verließ so eilig Brünn, daß die Häscher, als sie ihn suchten, das Nachsehen hatten. Er schlug den geraden Weg nach Wien ein, kam aber da aus dem Regen in die Traufe, denn kaum erfuhr der Vater seines Sohnes Ankunft, so ließ er ihn auch schon durch die Polizei aufsuchen. Weidmann indessen, der von dem Vorgehen seines Vaters Wind bekommen, verbarg sich so lange, bis des Vaters erste Hitze verrauchte, und verließ erst das Versteck, als dieser ruhiger geworden war. Nun ließ sich mit dem durch die Mutter besänftigten Vater auch leichter reden, und derselbe gab endlich, ohne sich länger zu besinnen, dem Sohne die Erlaubniß, die begonnene theatralische Laufbahn fortzusetzen. Da in Wien mit dem Tanzen wenig zu machen war, wendete sich der Sohn dem Schauspiel zu; doch hegte man von seinen Gaben nicht zu große Erwartungen, und er mußte sich begnügen, als Statist angenommen zu werden, für welchen stummen Dienst er an den Abenden, an welchen er mitwirkte, mit einem Siebener – 7 Kreuzern – entlohnt wurde. Es war noch die denkwürdige Zeit des Extemporirens. Eines Abends sitzt er in einem Stücke als Vehmrichter mit noch anderen Statisten an einem runden Tische. Prehauser [Bd. XXIII, S. 246], der den Vorsitzenden spielte, trägt den fraglichen Fall vor und wendet sich dann an die Richter, indem er sie um ihre Meinung und Entscheidung angeht. Da keine Antwort erfolgte, speculirte Prehauser auf einen Streich, der ihm auf Kosten eines armen Statisten den Beifall des Publicums bringen sollte. Und wie im Zorn gegen die zum ewigen Schweigen verurtheilten Statisten rief er gegen Einen, und dieser war eben Weidmann: „Da sitzt ihr nun und keiner bringt eine Sylbe heraus! Seid schöne Kerls!“ Da aber trat für die dem allgemeinen Gelächter preisgegebenen Statisten Weidmann ein, erhob sich in würdevoller Haltung von seinem Vehmrichterstuhle und sprach im reinsten Wiener Dialekt: „Na, will der auch noch, daß wir für an Siebener viel dischkuriren sollen?“ Dieses Extempore verfehlte seine Wirkung nicht; allgemeines Gelächter, verbunden mit lautem Beifall, belohnte den Sprecher. Prehauser aber, der gesehen, daß, statt die Lacher auf seine Seite zu bringen, dieselben dem Statisten zugejubelt hatten, ward nun eifersüchtig auf ihn, verfolgte ihn, wo und mer immer er nur konnte, so daß Weidmann, diesem niedrigen Ränkespiel zu entgehen, die Wiener Bühne verlassen mußte. Dieser Vorgang wird auch noch in anderer Weise erzählt, wir halten uns aber an Heinrich Schmidt’s „Erinnerungen eines Weimarer Veteranen“, als die wahrscheinlichste. Nun, 1762, begann für den armen Statisten das eigentliche „Künstlers [269] Erdenwallen“; er wanderte, und zwar zunächst nach Salzburg, dort mußte er, wie der Director sich ausdrückte, seines martialischen Gesichtes wegen die Tyrannen spielen. So tyrannisirte er drei Jahre lang die Salzburger, bis er 1765 ein Engagement nach Prag annahm. Er weilte kaum drei Monate daselbst, als der berühmte Spaßmacher Lipperl das Zeitliche segnete. Die günstige Gelegenheit wollte er nicht unbenutzt vorübergehen lassen, er wendete sich nun dem komischen Fache zu und trat in der von ihm selbst verfaßten Posse: „Lipperl, der verliebte Laternbube“ in der Titelrolle auf. Die Aufnahme, welche der höchst glückliche Versuch von Seite des Publicums fand, war eine außerordentliche; Weidmann’s trockene Komik wirkte; aber Publicum, Darsteller und Director sind verschiedene Factoren, der Director wollte keine höhere Gage zahlen, und Weidmann wollte mit der bisherigen niederen nicht weiter spielen, und so verlor das Prager Publicum den Komiker, der es so sehr ergötzt hatte. Er war kein volles Jahr in Prag geblieben und begab sich nun, 1766, nach Linz, wo er sich völlig in das Fach des damals so beliebten Spaßmachers Kurz-Bernardon einspielte und durch fünf Jahre, während er sich selbst bildete, die Linzer auf das köstlichste ergötzte. 1771 ging er nach Gratz; aber daselbst gerieth er in die Fesseln der Liebe; ein weibliches Mitglied der Gesellschaft hatte es ihm angethan; als er sich aber bald mit der Geliebten entzweite, erklärte er dem Director: mit dieser Person nicht mehr spielen zu wollen; und als der Director ihn dennoch dazu zwingen wollte, nahm er die Post und ging nach Wien. Daselbst, 1772, fand sich, als er ankam, kein Platz für ihn, das komische Fach, das er spielen sollte, war besetzt und so blieb er ein ganzes Jahr unbeschäftigt, das er aber nicht unbenützt vorübergehen ließ, da er sorgfältig sich fortbildete und durch Besuch des Theaters die Wirkungen der Kunst studirte. Nach Jahresfrist wurde er für das Fach der komischen Alten, affectirten und grimacirten Liebhaber, Bonvivants und für sonstige komische höchst carikirte Rollen oder für ländliche Charaktere engagirt; dabei mußte er auch zuweilen in der Operette in Gesangsrollen aushelfen. Es war eben eine günstige Zeit für die Bühne, die aus der bisherigen Niedrigkeit einer Volksbude sich zu einem Kunstinstitut umzuwandeln begann. In der Rolle des Cavalier Arnold in Goldoni’s von Weißkern übersetztem Lustspiele „Pamela“ trat Weidmann zum ersten Male, und zwar mit dem günstigsten Erfolge auf. Mit jeder neuen Rolle faßte er festeren Fuß und wuchs in der Neigung des Publicums. Bald war er dessen ausgesprochener Liebling, was nicht ohne günstige Folgen für seine Stellung blieb. Im Jahre 1776 nahm Kaiser Joseph die Bühne unter seinen besonderen Schutz und erhob sie zum k. k. Hof- und National-Theater, 1779 übertrug er die Leitung derselben einem Ausschuß von fünf Regisseuren, welche in dieser Stellung wechselten, und in die Reihe derselben wurde Weidmann für 1785 und 1786 aufgenommen. Als noch in letzterem Jahre in den Gemächern, welche zur kaiserlichen Hofloge führen, auf Befehl des Kaisers eine Porträtsgalerie der berühmtesten Schauspieler errichtet ward, in welcher dieselben im Costume ihrer Hauptrollen dargestellt wurden, fand neben Brockmann, Lange, Müller, Prehauser, Steigentesch, Weißkern auch Weidmann in der Rolle [270] des komischen Bedienten im „Kobold“ seinen Platz. So wirkte er an dieser Musterbühne während aller Veränderungen, welche in der Leitung derselben vorgingen, bis zu seinem Tode. Er war im Ganzen während eines Zeitraums von siebenunddreißig Jahren an der Bühne thätig gewesen. Von den komischen Rollen, die er gespielt, sind einige Typen geblieben und das Urbild für Darstellungen derselben durch andere Künstler geworden. Von seinen gelungensten Rollen seien genannt: der Bettelstudent, Bedienter Johann im „Kobold“, Schulmeister Affenpreis im „Findelkind“, Zepp im „Faßbinder“, Eilmann im „Hausdoctor“, Figaro in „Die beiden Figaro“, Plumper in „Er mengt sich in Alles“, Johann in der „Entführung“, Bittermann in „Menschenhaß und Reue“, Hippeltanz im „Epigramm“, Consulent Wachtel in den „Hagestolzen“, Commissär Wallmann in der „Aussteuer“, Karl in der „Reise nach der Stadt“, Gärtner Michel im „Verbannten Amor“, Christmann in Stephanie’s „So muß man die Füchse fangen“, Ehlers in „Dienstpflicht“, Johann in „Maske für Maske“ und Vito im „Oeffentlichen Geheimniß“. Seine letzte Rolle war der Commissär Wallmann, in welcher er acht Tage vor seinem Tode auftrat. Eine kurze Krankheit raffte ihn dahin. Im Jahre 1787 hatte er sich mit der k. k. Hofsängerin Partsch vermält, und eine Frucht dieser Ehe ist der Schriftsteller Franz Karl Weidmann, dessen Biographie S. 262 mitgetheilt wurde.
Weidmann, Joseph (k. k. Hofschauspieler, geb. in Wien 24. August 1742, gest. daselbst 16. September 1810). Der Vater, aus Würzburg gebürtig, wanderte nach Wien, wo er als Bedienter seine Familie nothdürftig fortbrachte. Aber trotz der ärmlichen Verhältnisse suchte er seinem Sohne Joseph, welcher gute Talente und Eifer sich auszubilden besaß, doch die Wege zum Fortkommen zu ebnen und schickte ihn mit dessen Bruder- Annalen der Literatur und Kunst des In- und Auslandes (Wien, Doll, 8°.) Jahrg. 1810, Bd. IV, S. 514 u. f. – Baur (Samuel). Allgemeines historisch-biographisch-literarisches Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen die in dem ersten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts gestorben sind (Ulm 1816. Stettini, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 687. – Buch für Alle (Stuttgart, kl. Fol.) 1880/81 S. 215: „Zu viel verlangt“. [Aus Weidmann’s Leben.] – Chronologie des deutschen Theaters (Leipzig 1774, 8°.) S. 337, 339, 347. – (Czartoryski’s) Monatschrift für Theater und Musik. (Wien, 4°.) 1856, S. 637: „Künstlergalerie III. Joseph Weidmann“. – Frankfurter Conversationsblatt (4°.) 1856, Nr. 115 und 116: „Aus den Erinnerungen eines Weimarer Veteranen“. Von Heinrich Schmidt. – Galerie von deutschen Schauspielern und Schauspielerinen der älteren und neueren Zeit (Wien 1783, Joh. Nep. Edler v. Epheu, 8°.) S. 254 [nach dieser ist Weidmann 1740 geboren 8. – (Gräffer). Kleine Wiener Memoiren (Wien 1845) Bd. III, S. 117: „Naivität des Komikers Weidmann“. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst. Fortgesetzt von Ridler (Wien, 4°.) 1823, S. 740, im Texte. – (De Luca). Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, von Trattner, 8°.) I. Bds. 2. Stück, S. 391. – Memoiren meines Lebens. Gefundenes und Empfundenes. Von Dr. I. F. Castelli (Wien und Prag 1861, Kober und Markgraf, 8°.) Bd. I, S. 211, – Morgenblatt, 1810, Nr. 269, S. 1076. – Oesterreichs Pantheon, Galerie alles Guten und Nützlichen im Vaterlande (Wien 1830, M. Chr. Adolph, 8°.) Bd. I, S. 136 u. f. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1832, 8°.) Bd. VI, S. 46. – Realis. Curiositäten und Memorabilien-Lexikon von Wien (Wien 1846, gr. 8°.) Bd. II, S. 404. – Sammler (Wiener Unterhaltungsblatt, 4°.) 1810, S. 458. – Allgemeines Theater-Lexikon oder Encyklopädie alles Wissenswerthen für Bühnenkünstler, Dilettanten und Theaterfreunde u. s. w. Herausgegeben von K. Herloßsohn, H. Marggraff u. A. Neue Ausgabe (Altenburg und Leipzig o. J., kl. 8°.) Bd. VII,. S. 195. – Zwischenact (Wiener Theaterblatt) 1859, Nr. 26, unter den „Theater-Anekdoten“.
- Porträts. 1) Unterschrift: „Joseph Weidmann, | k. k. Hofschauspieler“. Stahlstich ohne Angabe des Zeichners und Stechers. Medaillon [271] in punctirter Manier (David Weiß?). – 2) Unterschrift: „Weidmann“. Gemalt von Scheller, gestochen von J. Mecon. – 3) Costumbild. Unterschrift: „Herr Weidmann. k. k. Hofschauspieler. | Als Zep in der Operette „Der Faßbinder“. | Es geht auf der weiten Erden doch nichts über ein Glas Wein“. 1807 M. Pöltzel sc. Jos. Dopler del. (gr. 4°.).
- Urtheile von Zeitgenossen über Weidmann. Castelli schreibt: „Weidmann war in meiner Jugendzeit der allbeliebte Komiker des Burgtheaters; er war von mittlerer Statur, etwas corpulent und machte fast immer ein sehr verdrießliches Gesicht, und eben dadurch wurden seine Späße wirksamer; er stieß auch die Worte meist mit Heftigkeit heraus und sprach gewöhnlich in österreichischer Mundart. Als Charakterdarsteller war er nicht sehr bedeutend, er war als Bittermann und als Hippeltanz immer nur der spaßige Weidmann. Er sang auch mit einer erbärmlichen Stimme in Operetten, namentlich machte das Singspiel „Der Faßbinder“ blos darum viel Glück, weil Weidmann als betrunkener Winzer sich so äußerst komisch in einem Haufen von Reifen zu verwickeln verstand.“ – Sein Biograph in den „Annalen der Literatur und Kunst“ faßte ihn, da er den Nekrolog des Künstlers schreibt, tiefer auf: „Weidmann“, sagt er. „gab jede Rolle mit gleichem Fleiße. Es wird sich kaum Jemand erinnern, ihn je nachlässig spielen gesehen zu haben. Und, ungeachtet er in den niedrig komischen Rollen manchen Scherz sich erlaubte, so fiel er doch nie in Zoten und pöbelhafte Ausdrücke, selbst damals, als ihm ganz allein noch vom Kaiser Joseph die Freiheit zu extemporiren gestattet war, ließ er sich zur Uebertreibung nie verleiten und füllte manche Lücke, die durch verspätete Auftritte oder andere Weise herbeigeführt wurde, auf das glücklichste aus. Im Niedrigkomischen war er unerreicht. Er ist vielleicht manchmal den Ausländern weniger Liebling geworden, weil er dieses Rollenfach in Vortrag und Sprache local und ihnen ungewohnt gab. Hingegen zog er manchmal das Feinkomische in die mittlere Sphäre herab; aber sein tiefes Studium der Natur und die immer glückliche Laune, mit der er jede Rolle auffaßte und getreu bis ans Ende durchführte, zwangen jedesmal den Kenner und Nichtkenner zur frohesten Stimmung. Ja, wenn wir von seiner komischen Kraft Alles mit einem Worte sagen wollen: „Er gab mancher nur mittelmäßigen oder gar schlechten Rolle Leben und Charakter und manches Stück gefiel – weil er zu gefallen wußte““. – Gräffer, der ihn auch noch spielen gesehen, schreibt über ihn: „Wer sich noch an den Komiker Weidmann erinnert, den in seiner Eigenheit Unvergeßlichen, Unersetzlichen, den wird auch dieses lobens- und achtenswerthen Mimen sonores, volltönendes wunderbar melodisches Sprachorgan im Innersten erfreuen und wieder klingen. Dieser weichen metallvollen, herz- und seelengewinnenden Stimme verdankte er gar manchen Sieg. Weidmann wird Jedem gegenwärtig bleiben, der ihn auch nur ein einziges Mal gesehen. Ich sah ihn zum letzten Male im „Findelkind“ vor vielen vielen Jahren; und es ist mir, als sähe ich ihn noch heute, eben jetzt vor mir.“ Gräffer erzählt auch einen Zug aus dem Leben dieses Künstlers, der ebenso beweist, wie beliebt derselbe bei dem Publicum war, als auch welche Macht er über dasselbe besaß. „Ein neues Stück“, schreibt er, „war schon in der ersten Hälfte durchgefallen. Stürmisch äußerte das Publicum seinen Widerwillen. Das Stück schien rettungslos verloren. Als nun bei dem betreffenden Act die Courtine fiel, wurde sie plötzlich wieder aufgezogen. Man war überrascht; was sollte das bedeuten’? Da erscheint Weidmann, nimmt einen Sessel, stellt ihn mitten auf die Bühne und setzt sich nieder. Das Publicum, noch immer unruhig, ist plötzlich still, neugierig, was diese Erscheinung zu bedeuten. Da nimmt Weidmann das Wort und spricht im gelassensten, unbefangensten Ton von der Welt, als wäre er zu Hause in Gesellschaft guter Freunde:. „„Ich setze mich da zu Ihnen; ich muß Etwas mit Ihnen reden, wissen Sie, zur Güte““. Das Publicum ist betroffen, die Leute sehen einander fragend an, bleiben aber sonst vollkommen ruhig. Weidmann auf dem Stuhle rückt etwas näher vor und fährt fort: „„Der Fall, will ich Ihnen sagen, ist der: Ein Dichter schreibt ein Stück; er hat Talent und gibt sich alle mögliche Mühe, denn er muß von solchen Arbeiten leben. Das Stück wird von der Direction geprüft; sie findet es gut. Es kommt zur Aufführung und die „Acteurs“ thun ihre Schuldigkeit. Die Zuschauer aber sind nicht bei Laune und verdammen das Stück, noch ehe sie es ganz kennen. Nun [272] denken Sie sich in die Lage des unglücklichen Poeten, stellen Sie sich vor, wie die Regie sich prostituirt und gekränkt fühlen muß, an deren Spitze zu stehen unser Einer das Unglück haben muß. und besonders aber haben Sie die Güte zu bedenken, daß Sie sonst immer ein so einsichtsvolles und mildes und – höfliches Publicum waren. Was soll denn das heißen. Ich bitte Sie um Alles in der Welt!““ Hier schwieg Weidmann. Das Publicum hätte ihn auch nicht weiter reden lassen, denn plötzlich erhob sich ein tumultuarischer – Applaus. Weidmann stand von seinem Sessel auf. machte eine Verbeugung und trat ab. Augenblicklich wurde nun fortgespielt. Das Stück erhielt Beifall und wurde recht oft gegeben.