BLKÖ:Brockmann, Johann Franz Hieronymus

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Brocsko, Gregor
Band: 2 (1857), ab Seite: 152. (Quelle)
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Brockmann, Johann Franz Hieronymus (dramatischer Künstler, geb. zu Graz 30. Sept. 1745, gest. zu Wien 12. April 1812). Sein Vater, ein Zinngießer aus Paderborn gebürtig, war auf seinen Wanderungen nach Graz gekommen, wo er sich für einige Zeit seßhaft niederließ und sich 1743 verheiratete. Frühzeitig entwickelte sich bei B. eine seltene Gelehrigkeit. Seine Mutter besorgte die Wäsche für die Gefangenen des Grazer Schloßberges, unter denen sich Spanier befanden. Der kleine B. kam mit diesen in Berührung, besorgte verschiedene Gänge für dieselben und lernte von ihnen nach dreijährigem Umgange die spanische Sprache. Für des Vaters Handwerk zeigte der Sohn keine Lust, er wurde daher in die Schule geschickt und kam, 12 Jahr alt, zu einem Bader in die Lehre. Dort ging es nicht gut mit ihm, und es kam dahin, daß er mit des Vaters Erlaubniß einen kroatischen Officier, der mit seinem Bataillon in das Vaterland zurückkehrte, begleiten durfte. Der Officier sah B. für seinen Leibeigenen an und behandelte ihn darnach, was B. nicht behagte; er entfloh in die Gebirge und fand Zuflucht bei Mönchen. Diese verweigerten dem Officier, der B. erspäht hatte, die Auslieferung desselben, aber nach kurzer Zeit schien es ihm auch bei den Mönchen, die ihn im Kloster behalten wollten, nicht recht geheuer und Brockmann entfloh. Er irrte so lange umher, bis er zu einer Truppe Seiltänzer und Gaukler gerieth (1760), bei welcher er aufgenommen ward. In einem kleinen Schauspiele, wie deren die Truppe zugleich mit ihren andern Gaukelspielen zu geben pflegte, trat B., und zwar zum ersten Male am 25. Oct. 1760 zu Laibach auf. Uebrigens weihte auch B. seine künstlerische Laufbahn auf eine bei großen Geistern nicht selten vorkommende Weise ein: Er mußte für die Truppe, bei der er stand, die Zettel schreiben, die Vorstellungen austrommeln, die Lichter putzen u. d. m. Nachdem er zehn Monate lang bei dieser Bande ausgehalten, verließ er dieselbe und fand eine Unterkunft als Schreiber bei der Oekonomie-Verwaltung des Klosters Arnoldstein in Kärnthen. Im März 1762 kehrte er zu seinen Eltern nach Graz zurück; doch bei ihnen konnte er keine Unterkunft finden, sie verwiesen ihn neuerdings auf die Baderstube. Indessen war B. an das Wanderleben gewöhnt worden; das Treiben auf der Bühne behagte ihm, er trat als Mitglied bei der Bodenburg’schen Gesellschaft ein, und zog mit ihr nach Marburg, Klagenfurt (1762), Laibach, Triest, Warasdin (1763), Essek, Temesvár (1764), und Hermannstadt (1765). In letzterer Stadt heiratete er die Tochter der Directrice, Maria Theresia Bodenburg. Um diese Zeit befand sich Graf Durazzo, Director der Wiener Hofbühne, in Hermannstadt, und Graf Bruckenthal, Gouverneur von Siebenbürgen (s. d.), [153] sprach sich günstig über B.’s Spiel aus. B. erhielt in Folge dessen eine Einladung nach Wien, welches er auch 1766 mit seiner Gattin besuchte. Diese trat in der Rolle der Columbine auf und gefiel sehr, B. aber in einer so unbedeutenden Rolle, daß er gar nicht bemerkt wurde, und als ihm seine Verwendung in ganz untergeordneten Rollen nicht zusagen wollte, nahm er im Mai 1767 seinen Abschied. B. und seine Frau nahmen nun ein Engagement bei Madame Kurz – der getrennten Gattin des Bernardon (s. d. I. Bd., S. 324) – die damals im Reiche eine wandernde Truppe unterhielt. Bis 1769 zogen B. und seine Frau in Würzburg, Frankfurt (1768), Mainz, Cöln, Düsseldorf (1769) umher; da erhielt Frau B. einen Ruf nach Wien, dem sie folgte, während B. mit seiner Gesellschaft Ulm, Innsbruck und Salzburg besuchte. Nun stand B. im Alter von 25 Jahren, war von angenehmem Aeußern und verirrte sich in seiner Eitelkeit so weit, daß er sich das Haar mit gestoßenem Spiegelglase bestreute, damit es recht glänze, in Folge dessen er aber alle Haare verlor und sich in der Folge stets einer Perrücke bedienen mußte. Sein Talent bildete sich immer mehr aus und im J. 1771 folgte er einem Rufe Schröder’s nach Hamburg. Sein erstes Auftreten blieb erfolglos, selbst ein wiederholter Versuch scheiterte, doch brach dieß seinen Muth nicht, er studirte fleißig und wurde unter Schröder’s Leitung bald der Liebling des Publicums. In seiner künstlerischen Fortbildung studirte B. die englische Sprache, suchte die Gesellschaft höherer Stände, um sich den feinen Weltton derselben anzueignen. Die Rollen, in welchen er in jener Epoche seine Erfolge feierte, waren Essex, Beaumarchais, und insbesondere Hamlet (s. unten die Quellen), in welcher Rolle B.’s Leistung das Tagesgespräch der Journalistik und Almanache bildete. Brockmann wurde nun mit der für jene Zeit sehr hohen Gage von 2000 fl. für die Wiener Hofbühne engagirt. Auf seiner Reise nach Wien über Berlin trat er in letzterer Stadt mit solchem Erfolge auf, daß man auf ihn Medaillen prägte, ihn als Hamlet in Kupfer stach und über diese Rolle selbständige Broschüren schrieb (s. die Literatur: Schink. Medaille von Abramson und Chodowiecky). In Wien angelangt, nahm er seinen Vater zu sich und behielt ihn bis an sein Lebensende. Der Beifall in Wien im Anbeginn stand mit dem ihm vorangegangenen Rufe nicht in gleichem Verhältnisse, doch bald errang er einen vollständigen Sieg. Im J. 1789 übernahm er die Direction der Hofbühne. Kaiser Joseph löste nämlich in diesem Jahre den dirigirenden Ausschuß auf und gab dem Personale den Auftrag, einen Director aus der Mitte zu wählen. Die Wahl fiel auf B. Energisch leitete er die Direction u. bereicherte bedeutend das Repertoir. Nach Kaiser Josephs Tode wurden die Cabalen neuerdings mächtiger, die Burgtheater-Verfassung wurde umgestoßen, und November 1792 hatte B.’s Direction ein Ende. Er gab einen „Rechenschaftsbericht über seine Stellung und Direction als Director der Nationalbühne“ ab. Das Fach, in welchem B. glänzte, war nicht abgegränzt, er spielte die verschiedensten Rollen mit Meisterschaft, und war als Regulus, als Odoardo Galotti und als Greis in Iffland’s „Mündel“, eben so groß und pathetisch, wie als Klingsberg jovial und feinkomisch. In den spätern Jahren spielte er heute einen bürgerlichen oder komischen, morgen einen Heldenvater mit gleichem Erfolge. Außer den genannten Rollen spielte B. noch den Tancred, Orest, den Prinzen in „Emilie Galotti“, den Essex in dem aus dem Englischen übersetzten „Gunst der Fürsten“, Lear, [154] den Oberförster in Iffland’s „Jäger“ mit Meisterschaft. Alle seine Rollen waren geistig durchgearbeitet, besonders war er im Vortrage großer Meister stark. Neben Schröder, Iffland u. Eckhof glänzte auch B. als Stern erster Größe. Die Kunstkritik faßt das Urtheil über B. folgender Maßen zusammen: „In seiner Blüthezeit stand er als erster Heldenliebhaber und Charakterspieler mit Fleck auf gleicher Höhe. Dieser und Schröder möchten B. im Feuer der Begeisterung und in der Gewalt der Leidenschaft übertreffen. B. übertraf beide in der Zartheit des Ausdruckes, in der Liebenswürdigkeit und Wahrheit der Empfindung. Iffland charakterisirte B. am einfachsten und wahrsten, er nannte „ihn die personificirte Wahrheit. Für B. war keine Aufgabe zu hoch, keine Rolle zu schwierig, sein Vortrag und seine Auffassung gewannen dem Inhaltslosesten eine nie geahnte Bedeutung ab“. B. hat sich auch als Schriftsteller versucht und er schrieb: „Die Witwe von Ketskemet“ (1791); – den „Juden“ nach Cumberland (1795); – das „Schloss Limburg“ nach Marsollier; – und „das Familiensouper“ (1802). Als Mensch genoß B. allgemeine Achtung, er war in den besten Gesellschaften ein gesuchter und willkommener Gast. In den Gemächern, welche aus der kais. Burg in die Hofloge führen, befindet sich unter den 1785–1787 aufgestellten Bildnissen der berühmtesten Schauspieler der Hofbühne auch B.’s Bild in der Rolle Montalbans in „Lanassa“. Sein Stammbuch enthielt eine wahre Anthologie berühmter Namen: Klopstock, Stollberg, Mendelssohn, Collin, Lessing, Engel, Iffland, Schröder u. a. m. Für Brockmanns Meisterspiel sind des Grafen Christian Stollberg Verse, welche ihm dieser: Hamburg, 1. December 1777 in’s Stammbuch schrieb, am bezeichnetsten:

Sage, warum bebst Du? Was stürzt Dir die Thrän,
Eilend herab? Was besänftigt nun Dein Herz Dir?
That es Brockmann nicht auch? und rührt Dich
Etwa der Dichter allein?

Auch B. besaß die großen Künstlern eigenthümliche Schwäche, eine Gleichgiltigkeit gegen die Stimme der Journalistik zu affectiren, die er durchaus nicht besaß. „Ich lese keine Kritiken. Mir ist es ganz egal, ob ich gelobt werde ob getadelt, ich habe die Liebe des Publicums, diese geht mir über alles“, hörte man B. oft sagen. Daß sich aber B. nicht so wenig um das öffentliche Urtheil kümmerte, beweist das folgende: B. verlor auf einem Spaziergange 200 fl. Papiergeld. Er wünschte das verlorene Geld wieder zu erhalten und machte den Verlust in den Journalen bekannt. Die Annonce lautete: „Es sind 200 fl. in Bancozettel verloren gegangen; sie lagen in einem Hefte des Wiener Theater-Journals, herausgegeben von Wallishauser“. Der Schriftsteller Schwaldopler (s. d.) fand Heft und Geld, und die Kritik über Kotzebue’s „Hussiten vor Naumburg“, worin B. den Viertelmeister Wolf vortrefflich gab; sie war durch einen Bug im Blatte bezeichnet. Am Rande stand von B.’s Hand: „Der Recensent hätte wohl mehr über mich schreiben können. Lieber Dauer, sprechen Sie doch gelegenheitlich mit ihm“. Hofschauspieler Dauer mußte B. die Wiener Theaterkritik immer heimlich verschaffen. Dergleichen kommt auch heut zu Tage oft genug vor.

Schink (Joh. Friedrich), Ueber Brockmanns Hamlet (Berlin 1778, 8°.). – Theater-Ztg., herausgeg. von Ad. Bäuerle (Wien 1812) VII. Jahrg. Nr. 31: „Brockmann ist nicht mehr.“ – Annalen der Literatur und Kunst des In- und Auslandes (Wien 1810, Doll) III. Bd. S. 346. – Monatschrift für Theater und Musik. Verantwortl. Herausgeber Joseph Klemm (Wien 1857, Wallishausser, 4°.) III. Jahrg. S. 77. – Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften u. Künste. Herausg. von J. S. Ersch und J. G. Gruber [155] (Leipzig 1822, Gleditsch, 4°.) I. Section, 13. Thl.: „Lebensskizze“ von Castelli. – Oestr. National-Encyklopädie (von Czikann und Gräffer), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 389. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845, Bibliogr. Inst., Lex. 8°.) V. Bd. S. 909. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Auflage) III. Bd. S. 311. – Lumir. Belletristicky tydennik, d. i. Lumir. Ein belletristisches Wochenbl. (Prag, 4°.) 1852, S. 641. – Siehe auch in Schröders Biographie v. Meier. – Porträte. Brockmann in der Rolle des Hamlet, gest. von Chodowiecky; – ein zweites von Dr. von Rosenberg radirt, im Theaterkalender 1779; – ein drittes: Unterschrift: Franz Brockmann, k. auch k. k. Hofschauspieler, gemalt von J. Lange 1788, gest. von F. Ruscheweyh, 1805. – Denkmünze. Der berühmte Medailleur Abramson fertigte eine solche auf B.; die Kopfseite stellt das Bildniß B.’s dar mit der Umschrift: Brockmann auctor utriusque scenae potens. Auf der Reversseite stehen die Worte: Peragit tranquilla potestas, quod violenta nequit. Im Abschnitte steht: Berolini die 1 Januarii 1778.