BLKÖ:Schuselka-Brünning, Ida

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schuselka, Franz
Band: 32 (1876), ab Seite: 233. (Quelle)
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Schuselka-Brünning, Ida (Schauspielerin und Sängerin, geb. um das Jahr 1820). Sie ist eine Tochter des Weimar’schen Hofschauspielers Wohlbrück, und mit offenbarem Talente für die Kunst ihres Vaters begabt, widmete sie sich frühzeitig derselben. Sie hatte sich mit einem Herrn Brünning – wird wohl der anfänglich als Sänger (Baßbuffo), später als Schauspieler, seit 1836 am Dresdener Hoftheater, dann in Hamburg bekannt gewordene Johann Dietrich Brünning gewesen sein– verheirathet und hatte als Ida Brünning-Wohlbrück auf mehreren Bühnen in Deutschland mit Erfolg gespielt. Zu Anfang der Vierziger-Jahre kam sie nach Wien, wo sich ihr von den damals bestehenden fünf Theatern sofort vier öffneten und sie überall schnell Boden, sich eine Stellung und einen nicht unbedeutenden Grad von Beliebtheit errang. Da sie in der Eigenschaft einer Opernsängerin nach Wien gekommen war, betrat sie zuerst als Gast das kaiserliche Hof-Operntheater und sang in Auber’s „Fra Diavolo“ und in Mozart’s „Don Juan“ die gleichnamigen Rollen (Zerline). Pokorny, der damals das Josephstädter Theater dirigirte und, da er ein paar gute Gesangskräfte unter seinen Mitgliedern besaß, die Spieloper zu pflegen begann, richtete alsbald auf Ida Brünning sein Augenmerk und gewann sie für ein längeres Gastspiel auf seiner Bühne. Als Marie in Lortzing’s „Czaar und Zimmermann“ feierte sie einen glänzenden Erfolg, und man sagt, daß Jenni Lutzer sich Madame Brünning in dieser Rolle zum Muster genommen, aber [234] trotz überwiegender Stimmmittel doch nicht erreicht habe. Director Carl, dessen Scharfblick in der Wahl seiner Mitglieder bekannt war, hatte auch in Madame Brünning die Kraft erkannt, die ganz dazu gemacht war, um von ihm nach allen Seiten ausgenützt zu werden. Unter den vortheilhaftesten Anerbietungen gewann er sie für seine Bühnen – an der Wien und in der Leopoldstadt – und bürgerte mit ihrer Hilfe das französische Vaudeville, das ihrem Darstellungstalente am meisten zusagte, ein. Da geschah es auch, daß Scholz, als nun die Posse auf die Seite geschoben und Madame Brünning, die bald nicht nur die Stütze des neuen, von Carl gepflegten Genre’s, sondern auch die Flamme des Alles unterjochenden und sich dienstbar machenden Directors geworden war, auf einer Probe, in welcher bemerkt worden, daß Carl in Volksstücken gar nicht mehr auftrete, mit einem Blicke auf die seitwärts stehende Brünning das kaustische Wortspiel machte: „Ach, der Director spielt nur mehr, wo die will (Vaudeville). In Chonchon trat sie über ein halbes Hundertmal auf, ebenso in dem nach der Donizetti’schen Oper „Marie, die Tochter des Regiments“ nachgebildeten gleichnamigen Vaudeville und in noch vielen anderen, wo sie mit ihrem geistvollen graziösen Spiel, ihrem schalkhaften Humor und ihrem reizenden Costume die Zuschauer allabendlich bezauberte. Nachdem sich das Publicum im Theater an der Wien an Vaudevilles satt gesehen, verpflanzte Carl diese Gattung in’s Leopoldstädter Theater und nun feierte die Brünning an dieser Bühne ihre Erfolge. Wie bemerkt, hatte Director Carl nicht nur die Künstlerin, sondern auch das Weib zu gewinnen verstanden, und in den Ketten dieses abscheulichsten aller Bühnen- und Menschentyrannen schmachtete die Frau, außer Stande, sich zu befreien und immer wuchtiger die Last dieses unseligen Verhältnisses fühlend. Dem Dr. Schuselka sollte es vorbehalten bleiben, sie aus diesen schmachvollen Ketten zu befreien. Es ist so viel Romantisches und Abgeschmacktes und meist Unwahres über diesen Vorgang, der seiner Zeit viel von sich reden machte, erzählt worden, daß es hier am Platze ist, die Geschichte, wie sie in Wahrheit sich begeben hat, zu erzählen. Die Sache aber war so gekommen: Nachdem Schuselka im J. 1840 Oesterreich verlassen hatte und in Deutschland von literarischen Arbeiten zu leben gedachte, schrieb er mehrere kleinere politische Abhandlungen und das Buch: „Deutsche Worte eines Oesterreichers“, erstere an Brockhaus, letzteres an Heinrich Campe in Hamburg sendend. Weder von der einen noch von der andern Seite erfolgte Antwort, und Schuselka, dessen kleine, aus Oesterreich mitgebrachte, in seiner Erzieherstelle bei dem Fürsten Lobkowitz ersparte Barschaft zu Ende ging, sah sich in dringender Geldverlegenheit. Da nahm sich der seiner Zeit beliebte und allgemein gekannte und geachtete Weimarer Hofschauspieler Wohlbrück, der Schuselka kennen gelernt und liebgewonnen hatte, seiner an, wirkte durch seinen Einfluß fördernd bei Brockhaus und Campe, die sofort Schuselka’s Arbeiten prüften, annahmen und anständig honorirten. So war Schuselka aus seiner Noth und verdankte dieses dem einflußreichen Wohlwollen Wohlbrück’s. Das Verhältniß Beider gestaltete sich immer inniger und so machte denn auch Wohlbrück kein Hehl aus den Sorgen, die sein Herz beschwerten. Eines Tages eröffnete er ihm auch, daß [235] seine Tochter Ida Brünning in Wien gastire, dort aber in die Klauen Carl’s gerathen sei, aus denen zu befreien er Alles, jedoch vergebens versuche. Er bat nun Schuselka, in dieser traurigen Affaire ihm behilflich zu sein und seines Kindes sich anzunehmen, und durch seine Verbindungen dahin zu wirken, daß sie dem Einflusse Carl’s entzogen werde. Schuselka gestand nun Wohlbrück, in welcher Lage er selbst sich befinde, daß er als Deutschkatholik aus Oesterreich verbannt und seiner politischen Schriften wegen auch in Deutschland von der österreichischen Regierung verfolgt, somit außer Stande sei, in dieser Angelegenheit irgendwie wirksam einzugreifen. Wohlbrück sah die Sachlage ein und mußte sich bescheiden. Da brach das Jahr 1848 an. Schuselka eilte nach Wien, nahm aber vorher noch von seinem Wohlthäter Wohlbrück, der in Weimar im Sterben lag, Abschied. Dieser erzählte ihm nun, daß seine Befürchtung hinsichtlich seiner Tochter leider in Erfüllung gegangen und diese ganz in der Gewalt Carl’s sei. Dabei fühle sie sich in diesem Verhältnisse mit dem herzlosen Manne tief unglücklich. Da nun Schuselka nach Wien reise, bitte er ihn, sich seiner Tochter anzunehmen und was an ihm liege, für sie und ihre Befreiung aus den Händen Carl’s zu thun. Schuselka gab Wohlbrück auf dem Sterbebette das Ehrenwort, seine Bitte zu erfüllen. Die politischen Ereignisse des Jahres 1848, Schuselka’s Eintritt in das Frankfurter Vorparlament, dann seine Wahl in’s deutsche Parlament und zuletzt in den österreichischen constituirenden Reichstag gestatteten ihm lange nicht, an die Erfüllung des Wohlbrück gegebenen Versprechens zu schreiten; nach Auflösung des Kremsierer Reichstages aber begann er in dieser Angelegenheit zu wirken. Bald aber überzeugte sich S., in welch unglücklichen Verhältnissen sich Frau Brünning abquäle und wie der schlaue Director Carl durch seinen Contract und die niederträchtigen Clauseln desselben sie an seine Bühne und durch dieselbe indirect an seine Person zu fesseln verstanden hatte. Die arme Frau litt unsäglich unter der Tyrannei dieses Mannes und war außer Stande, sich zu befreien. Es gab nur Ein Mittel: die Heirath. Nachdem S. über die Ausführung dieses Schrittes mit sich zu Rathe gegangen und der Wohlthaten gedacht hatte, welche er dem dahingeschiedenen Wohlbrück verdankte, war er auch bald mit sich einig geworden, trug Frau Brünning seine Hand an und diese, die in dem stattlichen und gefeierten Volksmanne das Glück ihrer Zukunft zu finden hoffte, schlug gern ein und am 20. Juni 1849 wurde Ida Brünning mit Dr. Schuselka in der protestantischen Kirche in Wien getraut. Sie schrieb sich seither Schuselka-Brünning. Als Director Carl davon Kenntniß erhalten hatte, geberdete er sich wie ein Wahnsinniger. Der Contract, der auf zehn Jahre lautete und in welchem ihr mit allen Nebenbezügen eine Summe von 7000 fl. zugesichert waren, war nunmehr gelöst. Frau Schuselka-Brünning hatte aber ihre theatralische Laufbahn nicht ganz aufgegeben. Mitte Februar 1850 begann sie im Theater an der Wien einen Gastrollen-Cyklus, den sie mit „Chonchon“ eröffnete. Als ihr Gatte, den die Polizeihetze in Wien aus der Residenz und abermals in die Fremde getrieben hatte, in Dresden sein Domicil aufschlug, wurde seine Gattin am 1. August 1853 an der Dresdener Hofbühne engagirt und wirkte an derselben [236] nahezu dreiviertel Jahre. Hatte sie früher als Soubrette im Genre der Dejazet sich zu einer Berühmtheit emporgeschwungen, so war sie nun in das Fach der Heldenmütter übergegangen und spielte Rollen, wie die Elisabeth in „Essex“, die Dorothea im „Testament des großen Kurfürsten“, die Fiamina u. s. w. Im Herbste 1854 eröffnete sie wieder ein Gastspiel im Theater an der Wien und zu Ostern 1855 übernahm sie die Direction des Theaters in Linz auf zwei Jahre, welche anfangs April 1857 zu Ende ging. Ende Juni 1856 begann sie im Vereine mit ihren Töchtern Olga und Bertha ein Gastspiel im Wiener Carl-Theater, im Jahre 1859 eines im Weimarer Hoftheater. Im Jahre 1863 übernahm sie die Direction eines deutschen Theaters in Paris, im Saale Beethoven auf dem Boulevard des Italiens, und fungirte der berüchtigte Camillo Schlechta als Theater-Secretär und Dramaturg bei demselben. Aber obgleich sich Kaiser Napoleon für das Unternehmen interessirte, erhielt es sich nur bis zum Jahre 1864. Im folgenden hielt Frau Sch.-Br. dramatische Vorlesungen, deren Gegenstand die Meisterwerke der deutschen Dichtung, wie „Faust“, „Braut von Messina“, „Emilia Galotti“, „Sohn der Wildniß“, „Nathan der Weise“, „Don Carlos“, „Maria Stuart“, „Fechter von Ravenna“ u. s. w., waren. Sie begleitete ihre Vorträge mit kurzen Notizen über Autor und Stück und gab in französischer Sprache eine Analyse der Scenen. Während der vorbeschriebenen Periode war sie auch schriftstellerisch für ihr Fach thätig gewesen. So hatte sie schon im Jahre 1844 mehrere Bearbeitungen kleiner französischer Stücke für die deutsche Bühne, als: „Zu Hause“, ,,Auf dem Dache“ und „In der Barbierstube zu Meudon“, ausgeführt und dieselben unter dem Gesammttitel: „Die kleinen Leiden des menschlichen Lebens“ im Theater an der Wien zur Aufführung gebracht; ihr Stück: „Jeannettens Hochzeit“, ob Original oder auch nur Bearbeitung, ist nicht angedeutet, ist im Jahre 1854 in Dresden durchgefallen. Im Jahre 1859 war sie mit einer Bearbeitung von Alex. Dumasfils Schauspiel: „Le père prodigue“ beschäftigt. In der Carl’schen Vaudeville-Periode soll sie auch ihrem Director manches Opern- und Possensujet in ein Vaudeville verballhornen geholfen haben. Frau Ida Sch. lebt gegenwärtig in Paris, wo sie eine Schule für deutsche Sprache und Literatur hält. Alljährlich besucht sie im Spätsommer ihren Gatten in Wien und verweilt einige Wochen in Schottwien, wo sie in einem ihr gehörigen Häuschen ihre Sommerfrische verlebt. Ihre beiden Töchter sind verheirathet, die ältere, Olga, an einen Kaufmann in Moskau. Ihr Sohn Ernst studirt die Rechte in Wien.

Wanderer (Wiener Unterhaltungsblatt, 4°.) 1844, Nr. 64. S. 254, im „Kurier der Theater und Spectakel“. – Wiener Zeitung 1865, Nr. 61, S. 791. – Europa. Von Gust. Kühne, 1859, S. 1684. – Theater-Zeitung, herausg. von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 4°.) 1854, Nr. 11, S. 61. – Kaiser (Friedrich), Unter fünfzehn Theater-Directoren. Bunte Bilder aus der Wiener Bühnenwelt (Wien 1870, R. v. Waldheim, 12°.) S. 119, 126–129, 178, 191, 192. – Porträt. Facsimile des Namenszuges: Ida Schuselka-Brünning. Lithogr. von Prinzhofer 1854 (Wien, Müller, Fol.).