Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 15 (1866), ab Seite: 458. (Quelle)
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Loger, Anton, bekannt unter dem Pseudonym Anton Varry (Schauspieler und Bühnendichter, geb. zu Wien 12. April 1813, gest. ebenda 16. September 1862). Nachdem er in Wien die philosophischen Studien vollendet, ging er aus Neigung zum Theater, für das er schon früher schrieb, denn im Alter von 18 Jahren brachte er sein dreiactiges Schauspiel „Mazeppa“ zur Aufführung. Der Umstand, daß der damals in seiner Blüthe stehende Schauspieler Kunst [Bd. XIII, S. 382], die Titelrolle, die ihm an den Leib geschrieben war, spielte, machte eine zwanzigmalige Wiederholung des sonst werthlosen Stückes möglich. Nun verließ L. [459] die Heimat und begann als Schauspieler das unstäte Wanderleben. Bald wieder kehrte er nach Wien zurück und brachte im Josephstädter Theater sein Lebensbild „Treffkönig oder Spieler und Todtengräber“, zur Aufführung. Ein wahres Sensationsstück, erlebte es über hundert Aufführungen und wurde überdieß auf den meisten auswärtigen Bühnen gegeben. Mißhelligkeiten und Kränkungen aller Art, ob selbstverschuldet, ob durch seine Widersacher ihm bereitet, ist schwer zu bestimmen, bewogen ihn, Wien von neuem zu verlassen und nun wirkte er als Darsteller komischer Charaktere eine lange Reihe von Jahren auf verschiedenen Provinzbühnen, wie Linz, Pesth, Brünn, Lemberg u. A., gastirte auch mitunter im Theater an der Wien mit wechselndem Erfolge. Im J. 1848 kehrte er für längere Zeit nach Wien zurück, wo er in diesem denkwürdigen Jahre für mehrere Journale, wie es heißt auch für die damals neu entstandene „Presse“, mit Bestimmtheit für den „Oesterreichischen Courier“, wie Ad. Bäuerle den 41. Jahrgang seiner „Theater-Zeitung“ umgetauft hatte, arbeitete. Eine darin enthaltene Folge von satyrisch-politischen Aufsätzen, welche den Titel führte: „Der lachende Demokrit auf einer Journalistenbank im Reichstage“, ist aus seiner Feder. Die oft matten Wortwitze dieser Aufsätze werden mitunter von zutreffenden Bemerkungen über die damaligen Zustände, wo alles aus Rand und Band ging, begleitet. Im Jahre 1850 bewarb er sich um Mitarbeiter des von dem österreichischen Lloyd in’s Leben gerufenen „Familienbuches“ und es schien, als wäre er mit dessen Redaction betraut, später jedoch stellte sich heraus, daß dieß nicht der Fall war. Im Jahre 1853 nahm er von der Administration des Lemberger deutschen Theaters den Antrag zur Uebernahme der technischen Direction an, gab aber nach kurzer Zeit diese Stelle wieder auf. Er kehrte nun nach Wien zurück und nahm daselbst seinen bleibenden Aufenthalt. Schon im Jahre 1848 war er einige Zeit Mitredacteur der lithographirten „Oesterreichischen Correspondenz“, wieder wollte es L. auf journalistischem Gebiete versuchen und begründete im October 1855 die Wochenschrift „Der Teufel in Wien“ – eine Gattung „Hans Jörgel“ im Frack – ein Blatt, dessen nicht sehr harmloser Charakter für einige Zeit seine größere Verbreitung begünstigte; allmälig aber minderte sich sein Lesekreis und wurde zuletzt so klein, daß es wegen Mangel an Theilnahme zu erscheinen aufhören mußte. Im Jahre 1858 rief er ein Witzblatt, das den Titel „Tritsch-Tratsch“ führte, in’s Leben, aber auch dieses brachte es nicht über den zweiten Jahrgang. Im Jahre 1860 eröffnete er die Singspielhalle und begründete damit ein Unternehmen, das tüchtig geleitet – wie ein späteres noch heute blühendes ähnliches Unternehmen beweist – dauernden Bestand versprach. Auch führte er das Unternehmen im ersten Jahre mit entschiedenem Glücke, allein auch hier ereilte ihn sein verhängnißvolles Schicksal, das ihn immer wieder Neues in’s Leben rufen, aber nichts lange fortsetzen ließ. Die Singspielhalle stellte ihre Vorstellungen ein und L. gerieth in eine kümmerliche Lage. Mit Familie belastet, von pecuniären Sorgen gedrückt, suchte L. ein Unterkommen auf einer der Wiener Bühnen. Wenige Tage vor seinem Tode, als eben die Nachricht über das von Foucault in Paris vorgeschlagene neue Theater-Decorationssystem die Runde durch die Journale machte, trat L. mit einer Mittheilung vor das Publicum, [460] daß er bereits vor vier Jahren mit dem Mechaniker Raiman eine neuartige, von dem bisherigen System ganz abweichende Theater-Maschinerie, nämlich ein Decorationssystem mit beweglichem Podium erfunden habe. Seine Anzeige schließt mit einer kurzen Darstellung der mit diesem neuen Systeme verbundenen Vortheile. Die „Wien 4. September 1862“ datirte Anzeige ist mit A. Varry Literat bezeichnet. Zwölf Tage später war er eine Leiche. Der Schwerpunct von L.’s eigentlicher Wirksamkeit liegt in seinem Darstellertalente und in seinen dramatischen Arbeiten. Wäre er Schauspieler geblieben und wären seine Stücke in die Zeit der Tantieme gefallen, so würde wohl sein Loos nicht so herbe ausgefallen sein. Wie bemerkt, machte sein „Treffkönig“, welcher in Wien den Reigen der Sensationsstücke eröffnete, großes Glück. Im Jahre 1848 brachte er sein Stück „Der Monarchenspiegel“ zur Aufführung. Kaiser Joseph II. spielt darin eine Hauptrolle. Der Versuch, im eigentlichen Volksdrama das zu leisten, was bisher nur im höheren historischen Drama angestrebt wurde, war durchaus nicht mißglückt. L. aber verließ die betretene Bahn, kehrte zum Sensationsdrama zurück und nun folgten die Stücke: „Lebenslauf einer Sängerin“, – „Trauerspiel in Krähwinkel“, – „Der Glöckner von Notre-Dame“, – das Charakterbild „Frink und Compagnie“, sämmtlich Stücke, aus denen ein ganz tüchtiges dramatisches Talent sprach, das jedoch alles, nur kein Glück hatte. Außer den genannten Stücken hat L. während seiner Wanderschaft von Bühne zu Bühne noch manches andere geschrieben, theils übersetzt, bearbeitet, theils aus Novellen und Erzählungen dramatisirt. Mit einem neuen Charaktergemälde hatte er sich am 12. April 1862 zu Director Lehmann, der damals das Carl-Theater leitete, begeben. Lehmann hatte das Stück angenommen und L. selbst sollte darin die männliche Hauptrolle spielen. Von dem Erfolge hing seine Anstellung im Carl-Theater ab. Er hatte neuen Lebensmuth gefaßt. Nachmittags machte er noch einen Spaziergang nach Meidling, dort angelangt, fühlte er sich so unwohl, daß er einen Fiaker nehmen mußte, der ihn nach Hause brachte. Als der Fiaker vor seiner Wohnung angelangt war, lag L. in Folge eines Schlaganfalls bereits todt im Wagen. Dem Fiaker hatte er in Meidling seine letzten zwei Gulden gegeben. L. konnte, wie sein Nekrologist in der „Presse“ bemerkt, im steten Ringen um das Bischen Brot zur ruhigen Gestaltung nicht gelangen; es hatte ihm, wie Sauter sagt, „die Mühsal des Erwerbens sein Bestes untergraben“. Rastlos hin- und hergeworfen von Nothwendigkeiten, bald Schauspieler, Theaterdichter, Theaterdirector, bald Journalist, Redacteur, Singspielhalle-Unternehmer, heute umrauscht vom Beifall, morgen verlassen von Allen, konnte L., verstimmt, verbittert und dennoch muthig fortkämpfend, jene Ruhe, welche ihm das Leben versagte, erst im Grabe finden. „Er war ein talentvoller Dichter und Darsteller, der nur an übelverstandener Raimund’scher Weise krankte; einer jener Vertreter des üblen Humors. die den scharfen Ausdruck des Mißmuths und der Unzufriedenheit für rosenrothe Laune halten; in die schwarze Galle ihre Feder tauchen und doch Heiterkeit erregen wollen; die hohen Plänen nachjagen und über den kleinsten Stein der Wirklichkeit auf ihrem Wege fallen. L. hielt sich berufen, der erste Dramaturg Deutschlands zu werden und – er wurde Director der [461] Liederspielhalle und machte mit derselben kein Glück, weil er den Bänkelsängerboden, auf dem er sich bewegte, für die Parquetten eines Hoftheaters hielt.“ So charakterisirt Uhl im „Botschafter“ L. treffend als Poeten und in seinen anderen Unternehmungen.

Wiener Zeitung 1862, Abendblatt Nr. 217. – Süddeutsche Zeitung (Frankfurt a. M.) 1862, Nr. 154. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1860, Nr. 5; 1862, Nr. 257 u. 260. – Botschafter (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 266. – Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1862, Nr. 246, 256, 257 u. 278.