BLKÖ:Reschauer, Heinrich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 25 (1873), ab Seite: 303. (Quelle) | |||
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[304] des vorigen Jahrhunderts als armer Seidenzeugmacher nach Wien, errichtete hier im Jahre 1794 eine Seidenzeugfabrik in der Mittersteiggasse auf der Wieden und gelangte zu bedeutendem Wohlstande. Sein Sohn Heinrich, R.’s Vater, übernahm im Jahre 1835 das blühende Geschäft. Auf die erste Erziehung und geistige Entwicklung seines Enkels nahm der Großvater, ein für Kunst und Wissenschaften begeisterter, von Josephinischen Grundsätzen erfüllter Bürger, wesentlichen Einfluß. Er überwachte die Wahl der Lehrer des begabten Knaben, der seiner steten Kränklichkeit wegen nicht einer Schule anvertraut werden konnte, sondern zu Hause unterrichtet werden mußte. Als einziger Sohn zum Nachfolger im väterlichen Geschäfte bestimmt, arbeitete R. schon in früher Jugend als Lehrling auf dem Webstuhle, der Großvater setzte es aber durch, daß er gleichzeitig auch in den Gymnasialgegenständen Privatunterricht erhielt. Die Revolutionsstürme des Jahres 1848 griffen in die Entwicklung des Knaben störend ein. Sein Vater, ein entschiedener „Schwarzgelber“, wie damals die Conservativen gescholten wurden, wollte nun, damit der Sohn nicht auch einmal ein „Aulaheld“ werde, nicht mehr gestatten, daß er die bereits begonnenen Gymnasialstudien fortsetze. Sein Lehrer, ein damaliger Legionär, der leider zu früh verstorbene, spätere Universitäts-Professor Grailich [Bd. V, S. 304], der sich als Mineralog einen Namen erwarb, wurde entlassen und R. zu den Wiedner Piaristen geschickt, um die Realschule derselben zu besuchen und zum praktischen Geschäftsmanne sich heranzubilden. Mit genauer Noth rettete R. am 6. October 1848 sein Leben. Er folgte jener Wiedner Nationalgarde-Compagnie, welcher sein Vater angehörte, auf ihrem Marsche in die innere Stadt und war Zeuge des gräßlichen Conflictes, der zwischen diesen Garden und einer auf dem Stephansplatze aufgestellten Compagnie Stadtgarden ausbrach. Der Bürgerkrieg nahm hier seinen Anfang und schlug bis an die Altäre des Domes seine blutigen Wogen; Garde schoß auf Garde, es gab Todte und Verwundete, und R., der in dem Gedränge nicht im Stande war, sich aus dem Kugelregen zu flüchten, dankte es nur seinem Glücke, daß er, dessen Käppchen zwei Kugeln durchlöcherten, mit heiler Haut davon gekommen war. In Folge der Revolution verlor R.’s Vater sein bedeutendes Vermögen. Derselbe faßte nämlich im Jahre 1847 den unglücklichen Entschluß, sein im besten Gange befindliches Geschäft aufzugeben und die Einführung der Fabrication von Saflor-Extract in Oesterreich zu versuchen. Er verlor im Laufe der nächsten fünf Jahre bei diesem, durch die plötzlich hereingebrochene Revolution und deren handelspolitische Folgen völlig mißlungenen Experimente Hab und Gut, und da er sich nicht entschließen konnte, den Concurs anzumelden, auch das bedeutende Vermögen, welches er von dem im Jahre 1855 verstorbenen Großvater ererbt hatte. Der in den glücklichsten Verhältnissen aufgewachsene Knabe sollte nun zu einem Buchhändler in die Lehre kommen, erklärte aber seinen Eltern, sie mögen um sein Fortkommen nicht besorgt sein, er werde, um weiter studiren zu können, selbst für sich sorgen. In der That zog sich R., welcher bis dahin wider seinen Willen bei den Piaristen auf der Wieden und an der Schottenfelder Ober-Realschule den Realstudien sich gewidmet hatte, von seinen Eltern weg. Aller Subsistenzmitteln entblößt, blieb [305] ihm nichts übrig, als bei einem Advocaten sich als Schreiber sein Brot zu verdienen, und er faßte nun den Entschluß, in seinen freien Stunden die humanistischen Studien wieder fortzusetzen, um seinen schon frühzeitig gefaßten Lieblingswunsch, sich zum Schriftsteller auszubilden, erfüllen zu können. Kränklich, in seiner körperlichen Entwicklung zurückgeblieben, hatte R. während der nächsten Jahre vielfach mit Hunger und Entbehrungen zu kämpfen. Er wollte später ein Gymnasium besuchen und sich seinen Unterricht durch Lectionengeben verdienen, aber seine beständige Kränklichkeit hinderte ihn daran. Durch Vermittelung eines Hofrathes, dessen Enkel er unterrichtete, erhielt er 1855 eine Diurnistenstelle bei der Gefällen- und Domänen-Hofbuchhaltung. Nun konnte er, wenn auch in höchst kümmerlichen Verhältnissen, ganz seinen literarischen Neigungen obliegen. In verschiedenen Zeitschriften, namentlich in der Hamburger junggermanischen Monatschrift „Teut“, herausgegeben von Kruger, erschienen nun von ihm Gedichte, Wiener Briefe u. dgl. m. Auch ein Trauerspiel: „Karl und die Sachsen“, entstand in dieser Zeit und erfuhr später im „Teut“ eine aufmunternde Beurtheilung. Er schrieb noch ein zweites Trauerspiel: „Scävola“, den bekannten Stoff aus der römischen Geschichte behandelnd, durch welches er mit dem Dichter J. N. Bachmayr [Bd. I, S. 111] bekannt wurde, mit dem R. bis zu dessen durch Selbstmord herbeigeführtem Ende ein inniges Freundschaftsbündniß unterhielt. Im Jahre 1858 erhielt R. eine kleine Stelle bei der Staatsgüter-Abtheilung der Nationalbank, die er jedoch aufgab, als er nach dem Schlusse des verstärkten Reichsrathes in Folge der auf immer weitere Kreise sich erstreckenden politischen Bewegung plötzlich Aussicht gewann, als Journalist sein Fortkommen zu finden. Von ihm erschien nun anonym eine Broschüre: „Die Aufgaben Deutsch-Oesterreichs“ (Wallishausser 1861), die [man hielt allgemein den damals populären Schuselka für deren Verfasser, so zwar, daß dieser in allen Wiener Blättern zu erklären genöthigt war, er sei nicht der Autor dieser Schrift] großen und raschen Abgang fand. Anläßlich des Conflictes zwischen Schuselka und Dr. J. N. Berger wurden namentlich im Bezirke Alsergrund, dessen Abgeordneter der Erstere war, große Wählerversammlungen abgehalten, für welche R. alle Proteste, Landtags-Eingaben und Resolutionen auszuarbeiten hatte. Dadurch wurde er mit Schuselka bekannt, der sich seiner liebevoll annahm und ihm sofort in der Redaction des „Wanderer“ eine feste Stelle verschaffte. Kurz darauf übernahm er auch die Wiener Correspondenz für das in Gratz erschienene radicale Journal „Die Volksstimme“, und als deren Redacteure in Folge verschiedener Processe theils die Flucht ergriffen, theils in Untersuchungshaft gezogen wurden, verließ R. den „Wanderer“, um in Gratz die Chef-Redaction der „Volksstimme“ zu übernehmen. Er war jedoch nicht mehr im Stande, das dem Untergange bereits geweihte Blatt am Leben zu erhalten, schon nach zwei Wochen wurde er selbst in Haft genommen, wegen Majestätsbeleidigung und Beleidigung der Mitglieder des kaiserlichen Hauses in Anklagestand versetzt, später, nach abgeschlossener Untersuchung, zwar aus der Haft entlassen, jedoch für mehrere Monate in Gratz internirt. Die Schlußverhandlung wurde erst im Februar 1862 anberaumt, weil R.’s Ankläger, ein gewisser Lucian Friebelt, während [306] dessen Internirung die Flucht nach der Schweiz ergriff und steckbrieflich verfolgt wurde. Der Proceß der „Volksstimme“ erregte als erster großer Preßproceß in Oesterreich Aufsehen, und R., welcher sieben Tage auf der Anklagebank saß, wurde schließlich ab instantia freigesprochen. Durch seine selbstgeführte Vertheidigung in zahlreichen Blättern wörtlich reproducirt, wurde sein Name bei dem Zeitungspublicum nur noch mehr bekannt. Nachdem er noch den Antrag, die Redaction eines anderen Gratzer Blattes zu übernehmen, abgelehnt hatte, kehrte er nach Wien zurück und trat wieder in die Redaction des „Wanderer“ ein. Mit seinen in der Abendausgabe dieses Blattes erschienenen Artikeln über communale und locale Wiener Angelegenheiten und Vorgänge schuf R. ein bis dahin in der Wiener Journalistik noch nicht cultivirtes Genre. Die mit H. R. chiffrirten Artikel verschafften ihm schon damals in den liberalen bürgerlichen Kreisen einen guten Ruf. Im Jahre 1863 übernahm R. bei der „Morgenpost“, dem damals verbreitetsten und bestgeleiteten Wiener Volksblatte, die Redaction des localen Theiles. Er entwickelte sich hier auf einem freilich beschränkten, aber für die locale Presse wichtig gewordenen Gebiete, nämlich auf jenem der Gemeinde-Angelegenheiten, immer mehr und mehr, und gewann alsbald bei dem wahlberechtigten Theile der Bevölkerung einen nicht unbedeutenden Einfluß. Wiener von Geburt, aus dem Gewerbestande hervorgegangen, mit größter Uneigennützigkeit jederzeit bereit, den an ihn sich wendenden Wählerkreisen seine Feder zur Verfügung zu stellen, bei allen Wahlen nicht blos als Journalist, sondern auch durch persönliche Agitation für die Candidaten des freisinnigen Bürgerthums thätig, erwarb sich R. innerhalb weniger Jahre in seiner Vaterstadt den Ruf eines überzeugungstreuen und gesinnungstüchtigen Mannes. Im Jänner 1866 verehlichte sich R. mit Clementine Winter, der sechzehnjährigen Tochter eines damals geachteten[WS 1] Mitgliedes des Wiener Gemeinderathes. Durch das noch im selben Jahre in Folge von Börseverlusten plötzlich herbeigeführte Falliment seines Schwiegervaters wurde auch R. schwer getroffen. Er hatte nun nicht nur für die eigene Familie, sondern auch für seine Schwiegermutter und deren Kinder zu sorgen, und entschloß sich daher, trotzdem er bei der „Morgenpost“ mit journalistischen Arbeiten überreich in Anspruch genommen war, um seine Einnahmen zu vermehren, zur Herausgabe seiner schon vor Jahren in Angriff genommenen „Geschichte der Wiener Revolution des Jahres 1848°. R. hatte für dieses Werk eingehende Studien unternommen. Durch seine Stellung in stetem Verkehre mit einer großen Anzahl von Persönlichkeiten, die an den Ereignissen des Jahres 1848 lebhaften und hervorragenden Antheil genommen, beschränkte er sich nicht darauf, sich blos deren Aufzeichnungen zu verschaffen, sondern wendete sich auch an die zahlreichen, in England und Nordamerika befindlichen Emigranten um Mittheilung ihrer Erlebnisse während der Revolution, zumeist nicht ohne Erfolg. Ausgerüstet mit mehr als 700 solchen Aufzeichnungen von Zeitgenossen der Revolution, mit einer reichen Sammlung der während derselben in Wien erschienenen amtlichen Actenstücke, Zeitungen und Flugblätter, sowie der meisten, im Laufe der Zeit, sowohl in Büchern und Broschüren, als in auswärtigen Revuen und Zeitungen erschienenen Arbeiten über die Wiener Ereignisse im Jahre 1848 [307] nahm er die Darstellung der Märztage in Angriff und schuf mit derselben die erste ausführliche, auf Quellenstudien beruhende Geschichte dieses epochemachenden Abschnittes der österreichischen Staatsgeschichte. Trotzdem litt das in Waldheim’s Verlag erscheinende, mit theilweise prächtigen Holzschnitten ausgestattete Werk dadurch, daß dessen Erscheinen zu sehr beschleunigt wurde. Ein journalistisches Wiener Ereigniß that außerdem dieser Arbeit wesentlichen Eintrag. Kurz nach der Ausgabe der zweiten Lieferung seines Buches begründete nämlich R. in Gemeinschaft mit drei Collegen im Bureau der „Morgenpost“ auf Grundlage des vom Wechsler Mayer um 13.000 fl. angekauften Journals „Wiener Tagblatt“ das Journal „Neues Wiener Tagblatt“, demokratisches Organ, ein Volksblatt, welches in der Wiener Journalistik für die kleinen Blätter das werden sollte, was die „Neue freie Presse“ für die großen geworden ist. Eine Reihe von Preßprocessen, welche R. im Jahre 1868 als verantwortlicher Redacteur dieses Blattes zu bestehen hatte, ferner seine Verurtheilung zu zehnmonatlichem strengen Arreste halfen dem Blatte und seinem Redacteur zu Namen und Bedeutung. Die angestrengte Thätigkeit aber bei dem „Neuen Wiener Tagblatt“ ließ die gleichzeitige Abfassung seines umfangreichen Werkes nicht zu, und so übertrug sein Verleger die Fortsetzung der von ihm im ersten Bande bis zum Abende des 15. März 1848 geführten Geschichte der Wiener Revolution an den Literaten Moriz Smetaczko, welcher die Arbeit zum Abschlusse brachte. Unter dem Ministerium Potocki war R. nicht blos journalistisch, sondern auch als Parteimann persönlich thätig. Im Vereine mit Männern der sogenannten „Linken“ des Gemeinderathes gründete er die deutsche Fortschrittspartei in Niederösterreich, die im Interesse des Kleinbürgerthums in einer seiner Zeit vielbesprochenen[WS 2] Audienz von dem damaligen Minister-Präsidenten Grafen Potocki durch eine Deputation, deren Sprecher R. war, die Herabsetzung des Wahlcensus für den Landtag forderte, und trotzdem diesem Wunsche nicht Folge gegeben wurde, in allen Wahlbezirken Wiens den damaligen Candidaten des deutschen Vereins den Wahlsieg streitig zu machen suchte. R. war während dieser Zeit Gegenstand der heftigsten Angriffe, die jedoch für ihn keinen weiteren Nachtheil hatten. Er hatte das in den unteren Volksschichten einflußreichste Wiener Blatt, das „Tagblatt“, und eine bedeutende Partei in der Bürgerschaft für sich; die letztere namentlich deßhalb, weil die „Fortschrittspartei“ vor Allem zum Kampfe gegen die herrschende Corruption aufforderte und in der That den Sturz einzelner bisheriger Abgeordneten herbeiführte, welche die Ausbeutung ihrer politischen Stellungen zu persönlichen Zwecken, in einer mit der Würde eines Volksvertreters geradezu unvereinbaren Weise betrieben hatten. Auf dem St. Pöltener Parteitage erst kam es wieder Angesichts der Gefahren, mit welchen das Ministerium Hohenwart-Schäffle die Stellung der Deutschen in Oesterreich bedrohte, zu einer Verständigung zwischen sämmtlichen liberalen Fractionen der Wiener Wählerschaft. R. und seine früheren Genossen im Central-Wahlcomité der Fortschrittspartei traten nun in das vom Parteitage eingesetzte Central-Wahlcomité ein und trugen wesentlich dazu bei, der deutschen Verfassungspartei auch im neunten Bezirke Wiens, [308] wo die Regierung sich Anhänger verschafft hatte, zum Siege zu verhelfen. Noch vor Beginn dieser stürmischen Wahlbewegung brachte R. die Nothwendigkeit der Veranstaltung einer Enquete über die Lage des österreichischen Kleingewerbes in Anregung, eine Idee, für die er seither in Wort und Schrift unablässig thätig war und der er auch Geltung verschaffte. Im April 1872 ordnete das Ministerium die Veranstaltung einer solchen Enquete in ganz Oesterreich an und in den meisten Kammerbezirken wird sie nun auf Grundlage der von R. ausgearbeiteten und von der niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer genehmigten Fragebogen abgehalten werden. Außerdem veröffentlichte R. im Jahre 1871 einen in den Journalen vielfach besprochenen und gewürdigten „Vorschlag zur raschen und vollständigen Beseitigung der Wohnungsnoth in Wien“ durch die Verbauung von Kaiser-Ebersdorf, welches zu diesem Behufe mit Wien mittelst einer Locomotivbahn zu verbinden wäre, anläßlich welchen Vorschlages vom Wiener Gemeinderathe eine Wohnungsnoth-Commission niedergesetzt wurde, die denselben zwar principiell genehmigt, weiter aber noch kein Lebenszeichen von sich gegeben hat. R. ist unausgesetzt bemüht, nicht so sehr für die Durchführung seines Projectes als dafür zu wirken, daß zur Linderung der Wohnungscalamität Seitens der Commune und des Staates Maßregeln getroffen werden. In Folge des Verkaufes des Journals „Tagblatt“ an eine Actiengesellschaft schied R. im Vereine mit anderen Collegen aus der Redaction desselben und trat im Bureau der „Deutschen Zeitung“ als Mitredacteur ein. Zahlreiche Mitglieder des Reichsrathes, des Wiener Gemeinderathes und anderer Vertretungskörper veranstalteten bei diesem Anlasse ihm zu Ehren in Würdigung seines uneigennützigen und auf das allgemeine Wohl gerichteten journalistischen Wirkens ein feierliches Bankett, das erste dieser Art in Wien. R. ist Mitglied des Wiener Journalisten- und Schriftsteller-Vereins „Concordia“ und gehört derzeit dem Vorstande des Vereins an, der über seinen Antrag im Jahre 1869 die Gründung des im Herbste dieses Jahres seine Thätigkeit beginnenden Pensionsfondes für die Concordia-Mitglieder und deren Witwen und Waisen beschloß. R. ist mit Abfassung einer Geschichte dieses Vereins, die noch im Jahre 1873 erscheinen soll, beschäftigt. Noch sei bemerkt, daß, als im April 1872 Hans Kudlich aus Amerika kommend, wieder seine Heimat Oesterreich besuchte, Reschauer es war, der den großartigen demonstrativen Empfang des ehemaligen Wiener Legionärs in Scene setzte. Kaum aber hatten sich die Wogen der alle Schichten der Bevölkerung in größerem und geringerem Grade mitreißenden Aufregung einigermaßen verzogen, als sein im Abendblatte der „Deutschen Zeitung“ vom 28. Mai 1872, Nr. 145, nach dem Ableben der Erzherzogin Sophie erschienene Leitartikel allgemeine Sensation erregte und nun seinen eigenen Namen in den Vordergrund drängte. R. soll jetzt mit einer größeren Arbeit über den Credit beschäftigt sein und überdieß ein vier starke Bände fassendes Werk, die „Geschichte des Liberalismus in Oesterreich“, druckfertig liegen haben, dessen Erscheinen für das nächste Frühjahr in Aussicht gestellt ist. Auch heißt es, daß er ernstlich bestrebt sei, die „Deutsche Zeitung“, die bisher ausschließlich die „deutsch-böhmischen“ Interessen vertrat, zu einer wirklich „deutschen Zeitung“, [309] d. i. einer Vertreterin der Deutschen in Oesterreich, deren es noch mehr als Deutsch-Böhmen gibt, umzugestalten, oder wenn das nicht gelingt, ein specifisch „deutsches“ Volksblatt in Oesterreich zu gründen.
Reschauer, Heinrich (Schriftsteller, geb. in der Wiener Vorstadt Wieden 3. October 1838). Entstammt einer in der Umgebung von Heilbronn in Schwaben weit verzweigt gewesenen, dort jedoch am Anfange dieses Jahrhunderts ausgestorbenen Weberfamilie. Ein Zweig der Familie kam in der Mitte des vorigen Jahrhunderts nach Oesterreich herüber und ließ sich in Eggenburg (Niederösterreich) nieder. Konrad R., Heinrich’s Großvater, wanderte in den Achtziger-Jahren- Neueste Nachrichten (Wiener polit. Blatt, redigirt von O. Bernhard Friedmann), Nummer vom 31. März 1861: „Eine deutschösterreichische Partei“ [R.’s erster, im Sinne der deutschen Autonomisten-Partei erschienener Artikel]. – Neues Wiener Tagblatt, IV. Jahrg. (1870), Nr. 146: „Beim Grafen Potocki“ [Bericht über Reschauer’s Audienz bei dem damaligen Minister-Präsidenten Alfred[WS 3] Grafen Potocki]. – Programm der deutschen Fortschrittspartei in Niederösterreich. Wien, am 30. Mai 1870 (Alexander Eurich, 4 S. 4°.). [Dieses von Reschauer verfaßte und auch von ihm verlegte Programm ist unterzeichnet von Jakob Fronz, Heinrich Gerhart, Herburger, Georg Hoffmann aus Preßbaum, Franz Löblich, Heinrich Ornauer, Dr. Hermann Rollett, Michael Schlöps, Dr. Joh. Ferd. Schrank, Bürgermeister Schwegler aus Rudolphsheim, Johann Heinr. Steudel, Karl Vaugouin, Dr. J. Wedl, Ignaz Zellebor, und dem Verfasser.] – Neues Fremden-Blatt (Wien, 4°.) VII. Jahrg. (1871), Nr. 195, über Reschauer’s Schrift: „Die Wohnungsnoth“. Erster Bericht des von der II. Section eingesetzten Gewerbe-Enquete-Comité’s an das Plenum der Handels- und Gewerbekammer. Wien, 15. April 1872 (4°.) [betreffend die Einberufung einer Enquete zur Erhebung der Verhältnisse des Kleingewerbes, wobei die von Reschauer aufgestellten Fragepuncte zu Grunde gelegt wurden, welche auf 9 Fragebogen (4°.) gedruckt sind]. – Der Correspondent. Herausgegeben von Julius Spitz (Wien, kl. Fol.) IV. Jahrg. (1872), Nr. 9 u. 22, in der Rubrik: „Was die Wiener Blätter bringen“. – Deutsche Zeitung (Wiener Porteiblatt) 1872, Nr. 70, in der Beilage, im Feuilleton: „Reschauer-Bankett“; – dieselbe 1872, Nr. 117, im Feuilleton [Reschauer’s, bei dem Kudlichfeste in Linz gehaltene Rede]; – dieselbe 1872, Nr. 127: „Das Kudlich-Bankett in Wien“ [Reschauer’s Toast bei demselben]. – Illustrirtes Wiener Extrablatt. Von Berg und Singer (4°.) I. Jahrg. (1872), Nr. 47: „Heinrich Reschauer“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 30, im Feuilleton: „Im Gerichtssaale“. – Porträte. 1) Im Holzschnitt im obenerwähnten „Illustrirten Wiener Extrablatt“ 1872, Nr. 47, auf der 4. Seite; – 2) ein sehr wohlgetroffenes Bildniß auf den Einladungskarten zu dem im Hôtel „englischen Hof“ am 9. März 1872 abgehaltenen Reschauer-Abend (aus der artistischen Anstalt von H. Gerhart (Qu. 8°.) ; – ein lebensgroßes Bildniß hat J. M. Aigner in Oel ausgeführt, das im Jahre 1870 im Künstlerhause ausgestellt gewesen.