BLKÖ:Steudel, Johann Heinrich

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Steurer, Anton
Band: 38 (1879), ab Seite: 323. (Quelle)
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Steudel, Johann Heinrich (Gemeinderath der Reichshauptstadt Wien und Abgeordneter des niederösterreichischen Landtages, geb. in Wien 31. März 1825). Sohn eines Wiener Gasthofbesitzers. Nach beendeten Elementar-Schulen besuchte er das Wiener akademische Gymnasium, welches er mit bestem Erfolge beendete. Zugleich betrieb er Musik, Gesang und das Studium der französischen und englischen Sprache. Sein Plan, einer edleren Beschäftigung als dem Wirthsgeschäfte seines Vaters sich zuzuwenden, erlitt unter dem wachsenden Verkehre im Elternhause, noch mehr durch des Vaters Erkrankung, völlige Abänderung, er mußte dem Lebensberufe, den er sich selbst gewählt, entsagen und, wie wenig es ihm behagen mochte, im Gasthofe mitwirken, weil es der Vater so wollte. Doch nicht lange blieb er daheim, es zog ihn hinaus in die Welt, um diese und die Menschen kennen zu lernen. So verließ er 1844 das Vaterhaus, reiste als ein 19jähriger Jüngling durch die Erzherzogthümer, durch Bayern und Würtemberg, ging 1845 nach Paris, und nachdem er sich einige Zeit dort aufgehalten hatte, nach London. Nach längerem Aufenthalte in letztgenannter Stadt kehrte er über Frankreich und Deutschland in seine Vaterstadt zurück. Er hatte auf dieser Rückreise den Weg über Hâvre de Grâce und Honfleur, Belgien, [324] Holland und in Deutschland über Coblenz, Köln, Frankfurt genommen, und noch Preußen und Sachsen durchwandert. Nach dreijähriger Abwesenheit, während welcher er einen großen und wenigstens cultivirtesten Theil Europas kennen gelernt, kehrte er heim und übernahm das Gasthofgeschäft seines Vaters vor der Favoritenlinie. Im Geschäfte thätig, sah er dasselbe im Jahre der Bewegung 1848 so bedroht, daß es seiner ganzen Energie und der auf seinen Reisen gewonnenen Erfahrungen bedurfte, um das väterliche Erbe vor völligem Ruin zu retten. So kam er glücklich über die ereignißreiche, ihn so schwer bedrohende Zeit hinüber, leistete im Jahre 1849 den Bürgereid und führte nun selbständig in gedeihlicher Weise das Geschäft fort. Als in Folge des Diploms vom 20. October 1860 und des kaiserlichen Patentes vom 26. Februar 1861 die politischen Verhältnisse im Kaiserstaate in verfassungsmäßige sich gestalteten und die nunmehr autonome Gemeinde aus freier Wahl ihre Vertreter berief, wurde auch Steudel in den Gemeinderath der Reichshauptstadt gewählt, in welchem die von ihm eingenommene und consequent behauptete Stellung ihm bald das Vertrauen seiner Wähler in solcher Weise erwarb, daß er 1867 auch als Abgeordneter in den niederösterreichischen Landtag gewählt wurde. Im Gemeinderathe wie im Landtage vertrat S. die entschieden liberale Richtung nach allen Seiten hin. So hatte er schon im Jahre 1867 für eine freisinnige Revision des Februar-Patentes und der Wahlordnungen im Landtage gewirkt und war auch bereits im Jahre 1868 für die Umgestaltung des Abgeordnetenhauses in ein direct gewähltes Parlament, doch damals vergeblich eingestanden. Steudel war oder ist noch Obmann der Approvisionirungs-Section und Obmann der Fraction äußerste Linke seit dem Tode Menter’s. Er ist im Gemeinderathe ungemein thätig. Die Feuerlösch-Ordnung in Niederösterreich ist insbesondere sein Werk. Seit einigen Jahren hat er den Betrieb seines einträglichen Wirthsgeschäftes ganz aufgegeben, um sich ausschließlich den Aemtern, die ihm das Vertrauen seiner Mitbürger verlieh, zu widmen. Diese seine Haltung in beiden Vertretungskörpern veranlaßte die Landtagswähler des fünften Bezirkes, aus welchem eben Steudel’s Wahl in den niederösterreichischen Landtag hervorgegangen, demselben im Juni 1870 für sein Verhalten eine Vertrauensadresse zu überreichen, welche von nahezu 300 Wählern des genannten Bezirkes unterschrieben war. Bald darauf hat Steudel den ersten Wiener Turnverein und dann einen Verein zur „Wahrung der Volksrechte“ gegründet. Noch sei bemerkt, daß Steudel mit einer Enkelin des Graf Hoyos’schen Schwemmmeisters, des berühmten Georg Huebmer [Bd. IX, S. 387] aus dem Naßwalde, welcher sich, durch den nach ihm benannten Durchschlag am Gschaid, durch die Errichtung einer evangelischen Gemeinde, Erbauung einer evangelischen Kirche und Schule im Naßwalde unvergeßlich gemacht, verheiratet ist.

Die Politik (Wiener Parteiblatt) 1870, Nr. 161: „Eine Vertrauensadresse an Steudel“. – Die Wiener Spott- und Witzblätter brachten öfter Chargen und Spottbilder auf den Gemeinderath und Landtagsabgeordneten S., so der „Kikeriki“ 1875, Nr. 90: „Steudel und Schrank und ihre Studienreisen in Approvisonirungs-Angelegenheiten“; Klič aber brachte im „Floh“ vom Juni 1870, Nr. 25, Steudel’s Charge.