BLKÖ:Grailich, Wilhelm Joseph

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 5 (1859), ab Seite: 304. (Quelle)
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Grailich, Wilhelm Joseph (Krystallograph, geb. zu Preßburg 16. Febr. 1829, gest. zu Wien 14. Sept. 1859). Sein Vater ist Professor der Philologie am evang. Lyceum zu Preßburg. Die Schulen besuchte der Sohn in seiner Vaterstadt und seiner Neigung für naturwissenschaftliche Studien folgend, vollendete er dieselben an dem polytechnischen Institute in Wien. Mineralogie und Mathematik trieb er mit besonderem Eifer und, kaum 23 Jahre alt, widmete er sich der Untersuchung der optischen Verhältnisse complizirter Zwillingskrystalle, insbesondere der räthselhaften Gruppe der Glimmer. Schon im Dec. 1852 legte er seine erste Arbeit: „Bestimmung des Winkels der optischen Axen mittelst der Farbenringe“ der kaiserl. Akademie vor. Sie und die Folgenden erregten die Aufmerksamkeit der Männer vom Fach und drei derselben, im Ausland geschätzte Gelehrte Oesterreichs, Ettingshausen (s. d. IV. Bd. S. 109), Haidinger und Schrötter unterstützten mit ihrem Rathe den jungen geistvollen Forscher. Die Erforschung der Krystalle hatte sich G. zur Lebensaufgabe gemacht. G. wurde nun Doctor der Philosophie an der Wiener Universität und habilitirte sich als Docent für Krystallographie und höhere mathematische Physik. Von dem Mohs’schen System in der Krystallographie abweichend, bekannte er sich zu den Methoden von Neumann und Miller und trug durch die Bearbeitung der Krystallographie des Letzteren wesentlich zur Verbreitung dieser trefflichen Methode im Kaiserstaate bei. Diese Uebersetzung des Miller’schen Buches, welche G. bescheiden nur eine Erweiterung desselben nannte, bezeichnet die wissenschaftliche Kritik als eine Zusammenstellung aller Forschungen über die physikalischen Verhältnisse der Krystalle, u. z. als das erste Lehrbuch der Krystallphysik. Nun machte sich G. an die Beantwortung der am 30. Mai 1855 von der kaiserl. Akademie der Wissenschaften ausgeschriebenen Preisfrage: „Ueber die Bestimmung der Krystallgestalten“ und erhielt den Preis (1857). Diese Preisschrift, ein Meisterwerk in seiner Art, enthält vollständige optische Untersuchungen einer großen Anzahl künstlich dargestellter Krystalle, neue Beobachtungen, Entwickelungen neuer sinnreicher Apparate, und über die unter dem Namen Fluorescenz längst bekannte Erscheinung, Aufschlüsse, wodurch diese die erste wissenschaftliche in die höchsten Probleme der Physik eingreifende Begründung erlangten. Nach Kenngotts Abgang an das Polytechnikum in Zürch wurde G. an dessen Stelle zum Custos-Adjunct am kais. Hof-Mineralienkabinet und dreiviertel Jahre darauf zum außerordentlichen [305] Professor der höheren Physik an der Wiener Hochschule ernannt. Als solcher unermüdet thätig, war er auch bemüht, tüchtige Schüler heranzubilden, und zog neben den Problemen der Krystall-Optik auch die magnetischen und Wärmeverhältnisse in’s Bereich seiner Untersuchungen. Aber schon während seiner Studien zeigten sich Spuren eines Leidens, welches zeitweilig innezuhalten schien, um desto zerstörender wieder aufzutreten. Seit März 1859 beständig leidend, offenbarte das Uebel bald seinen tödtlichen Charakter. In der Blüte der Jahre, nach kurzer Ehe, aus welcher ihm ein Kind geboren worden, raffte der Tod den jungen, hoffnungsvollen Gelehrten dahin. Ungeachtet seiner Jugend, seines Leidens und einer vielseitigen Beschäftigung fand G. noch Muße zu schriftstellerischen Arbeiten in seinem Fache, die sich aber zum größeren Theile aus Abhandlungen in wissenschaftlichen Sammelwerken beschränken. Die von ihm veröffentlichten Arbeiten sind: „Lehrbuch der Krystallographie“ (Wien 1856), Millers „Treatise on crystallographie“ übersetzt und erläutert, in den „Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften mathematisch-naturwissenschaftlicher Classe“ (die mit einem * bezeichneten erschienen auch besonders gedruckt); – „Bestimmung des Winkels der optische Axen mittelst der Farbenringe, angewandt auf den prismatischen Bleibaryt“ (IX. Bd. 1852); – *„Bestimmung der Zwillinge in prismatischen Krystallen mit Hilfe des polarisirten Lichtes“ (X. Bd. 1853); – *„Untersuchung über den ein- und zweiaxigen Glimmer“ (XI. Bd. 1853); – „Bewegung des Lichtes in optisch-einaxigen Zwillings-Krystallen“ (XI. Bd. 1853, XII. Bd. 1854); – „Ueber die Grundgestalt des Glimmers“ (XII. Bd. 1851); – *„Beitrag zur Theorie der gemischten Farben“ (XII. und XIII. Bd. 1854); – „Ueber eine merkwürdige Krystallbildung am Salmiak“ (XV. Bd. 1855); – *„Ueber die Brechung und Reflexion (und nicht wie es in Poggendorffs Handwörterbuch heißt: „Ueber die Berechnung der Reflexion des Lichtes“) des Lichtes an Zwillingflächen optisch-einaxiger Krystalle“ (XV. Bd. 1855. XIX. 1856, ferner in den „Denkschriften der kaiserl. Akademie 1855 und 56, und in Poggendorffs Annalen LXXXXVIII.) In Verbindung mit Pekárek: „Das Sklerometer, ein Apparat zur genaueren Messung der Härte der Krystalle“ (XIII. Bd. 1854); – mit Handl: „Ueber den Zusammenhang zwischen der Aenderung der Dichten und der Brechungsexponenten in Gemengen von Flüssigkeiten“ (XXV. Bd. 1857). Im J. 1857 hat die Akad. d. Wissensch. seine Abhandlung über die Bestimmung der Krystallgestalten und der optischen Verhältnisse in chemischen Laboratorien erzeugter Producte mit einem Preise gekrönt. G. war auch Mitarbeiter an der trefflichen „Zeitschrift für österreichische Gymnasien“, welche im J. 1855 folgende Aufsätze von ihm enthielt: „Ueber eine zweckmässige Modification des Weatstone’schen Schwingungsapparates“ (S. 219) u. „Ergänzungen und Berichtigungen“ zu Ferd. Lutters: „A természettan alaprajza, d. i. Grundriß der Physik (Pesth, Hartleben), welch’ letzteres Werk eine Bearbeitung des Schödler’schen „Buches der Natur“ ist. G. war Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften und darunter der kön. Akademie der Wissenschaften zu München. Sein Biograph in der Wiener Zeitung faßt seine Charakteristik mit folgenden Worten zusammen: „Unverwüstliche Geisteskraft, eine höchst glückliche Beobachtungsgabe und Erfindung von Beobachtungsmitteln, eine seltene Leichtigkeit im Kalkul und Ausdruck; bei staunenswerther Fachgelehrsamkeit eine gediegene allgemeine Bildung; dabei ein frisches, heiteres, oft wahrhaft poetisches Gemüth“.

Wiener Zeitung 1859, Nr. vom 17. September S. 3922. – Poggendorff (J. C.), Biogr.-literar. [306] Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, Barth, gr. 8°.) Sp. 937. – Wurzbach von Tannenberg (Const.), Bibliographisch-statistische Uebersicht der Literatur des östr. Kaiserstaates (Wien 1856, Staatsdruckerei, gr. 8°.) II. Bericht (1854). III. Bericht (1855) Marg. 9815, 9833, 11840, 26138, 26971, 27339. – Die Presse (Wiener politisches Blatt, Fol.) 1859, Nr. 235 (16. Sept.) [nach dieser gest. 13. Sept. 1859]. – Literar. Centralblatt von Zarnke 1855, Nr. 19, S. 297.